Inhalt

VGH München, Beschluss v. 28.04.2025 – 10 CE 25.559
Titel:

Statthaftigkeit der Beschwerde, Änderung einer Wohnsitzauflage

Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1, § 146
AsylG § 80 i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 (BGBl. I 2024 Nr. 54)
AufenthG § 61 Abs. 1d
Schlagworte:
Statthaftigkeit der Beschwerde, Änderung einer Wohnsitzauflage
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 26.02.2025 – Au 6 E 25.366
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9147

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

1
Die Beschwerde, mit der der Antragsteller den im erstinstanzlichen Verfahren erfolglos geltend gemachten Verpflichtungsanspruch auf Änderung der Wohnsitzauflage gemäß § 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG weiterverfolgt, ist gemäß § 80 AsylG nicht statthaft und damit unzulässig.
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1. Der Antragsteller ist gambischer Staatsangehöriger. Sein Asylantrag wurde mit Bescheid vom 4. November 2019 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bestandskräftig abgelehnt. Seither wurde er aufgrund fehlender Passdokumente geduldet.
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Mit seiner Beschwerde wendet er sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg, mit dem sein Antrag, den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, die für die Gemeinde Elchingen bestehende Wohnsitzauflage abzuändern und den Antragsteller der Stadtgemeinde Bremen zuzuweisen, abgelehnt worden ist.
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2. Die Beschwerde ist bereits nicht statthaft. Nach § 80 AsylG in der Fassung des am 27. Februar 2024 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 (BGBl. I 2024 Nr. 54) ist die Beschwerde nach § 146 Abs. 1 und 4 VwGO nunmehr auch bei Entscheidungen „über Maßnahmen zum Vollzug der Abschiebungsandrohung (§ 34) oder der Abschiebungsanordnung (§ 34a) nach dem Aufenthaltsgesetz“ ausgeschlossen.
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a) Danach ist die Beschwerde ausgeschlossen, wenn sich der betreffende Antragsteller mit seinem Eilrechtsschutzbegehren unter Berufung auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen zum Vollzug einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG wendet. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller der Sache nach eine sogenannte Verfahrensduldung begehrt, die der Sicherung seines Verbleibs im Bundesgebiet für die Dauer eines laufenden Titelerteilungsverfahrens dient (BayVGH, B.v. 15.10.2024 – 10 CE 24.1526 – juris Rn. 20; B.v. 30.4.2024 – 19 CE 24.661 – juris Rn. 4 f.; VGH BW, B.v. 13.3.2024 – 11 S 402/24 – juris Rn. 3 f.; B.v. 15.11.2024 – 12 S 1821/24 – juris Rn. 6; OVG LSA, B.v. 26.8.2024 – 2 M 93/24 – juris Rn. 4 f.; OVG Hamburg, B.v. 23.7.2024 – 6 Bs 36/24 – juris Rn. 9 ff.; HessVGH, B.v. 17.9.2024 – 3 B 1689/24 – juris Rn. 3 ff.; OVG NW, B.v. 27.8.2024 – 18 B 626/24 – juris Rn. 9 ff.; a.A. OVG SH, B.v. 3.12.2024 – 6 MB 28/24 – juris Rn. 17). Ebenso ist die Beschwerde nicht statthaft in einem Verfahren um eine Duldung mit dem Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ nach § 60b AufenthG, da es sich dabei auch um eine Maßnahme zum Vollzug der Abschiebungsandrohung im Sinne des § 80 AsylG n.F. handelt (BayVGH, B.v. 17.1.2025 – 10 CS 24.2008 – juris Rn. 4).
6
Statthaft ist im Gegensatz dazu eine Beschwerde in einem Verfahren über einen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis (§ 4a Abs. 4 i.V.m. § 32 BeschV), über die selbständig entschieden wird (BayVGH, B.v. 17.1.2025 – 10 CS 24.2008 – juris Rn. 5; B.v. 6.2.2025 – 10 CE 24.2097 – Rn. 5 n.v.). Sie wird ggf. als eigenständige Regelung in die Duldungsbescheinigung aufgenommen (BayVGH, U.v. 18.7.2018 – 19 BV 15.467 – juris Rn. 24; VGH BW, B.v. 12.12.2024 – 12 S 1275/24 – juris Rn. 18 ff.). Die Beschäftigungserlaubnis betrifft nicht den Vollzug einer Abschiebungsandrohung im Sinne des § 80 AsylG, sondern ist Bestandteil des Regelungskonzepts zur Steuerung des Zugangs von Ausländern (differenziert insbesondere nach deren Aufenthaltsstatus) zur Erwerbstätigkeit (vgl. VGH BW, aaO, Rn. 19).
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b) Unabhängig davon, ob sich die Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Wohnsitzauflage bzw. deren Änderung aus § 60b Abs. 5 Satz 3 i.V.m. 61 Abs. 1d AufenthG oder – da nach Auskunft des Antragsgegners die zuletzt erteilte Duldung nach § 60b AufenthG nur bis 11. Juni 2024 gültig war – direkt aus § 61 Abs. 1d AufenthG ergibt, ist hinsichtlich der vom Antragsteller begehrten Änderung der Wohnsitzauflage die Beschwerde nicht statthaft.
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Die Erweiterung des Rechtsmittelausschlusses durch das Rückführungsverbesserungsgesetz durch die Neufassung des § 80 AsylG soll zur effektiveren Gestaltung von Rückführungen beitragen. Zu den nunmehr erfassten Maßnahmen zur Durchsetzung der Abschiebungsandrohung gehört auch die Anordnung einer räumlichen Beschränkung oder die Anordnung einer Wohnsitzauflage (in diesem Sinne bereits BayVGH, B.v. 19.3.2024 – 10 CE 24.374 – juris Rn. 10; offengelassen BayVGH, B.v. 15.10.2024 – 10 CE 24.1526 – juris Rn. 21; OVG SH, B.v. 6.1.2025 – 6 MB 34/24 – juris Rn. 8;). Die Vorschrift des § 61 AufenthG über diese Maßnahmen wurde in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen, um die Durchsetzung der Ausreisepflicht zu fördern (vgl. betreffend Anordnungen zur Beschaffung von Heimreisepapieren BayVGH, B.v. 17.3.2025 – 19 CS 25.541 – juris Rn. 5).
9
Die räumliche Beschränkung des Aufenthalts gemäß § 61 Abs. 1 und 1a AufenthG soll das Untertauchen verhindern und eine Besserstellung vollziehbar Ausreisepflichtiger gegenüber Asylbewerbern vermeiden. Ausländer, die über ihre Identität täuschen oder die bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten ohne zureichenden Grund nicht ausreichend mitwirken, sollen enger an den Bezirk der Ausländerbehörde gebunden werden, um ggf. sicherzustellen, dass sie für etwaige erforderliche Mitwirkungshandlungen leichter erreichbar sind und um ein mögliches Untertauchen zu erschweren (Bergmann/Dienelt, AuslR, 14. Aufl. 2022, § 61 AufenthG Rn. 4). Damit stellt das Gesetz zusätzliche Steuerungsinstrumente zur Erhöhung der Effektivität von Abschiebungsmaßnahmen sowie zur Förderung von freiwilligen Ausreisen bereit (Kluth in: Kluth/Heusch, AuslR, Stand: 1.10.2024, § 61 AufenthG vor Rn. 1). Die Vorschrift dient insgesamt dem Zweck, die Ausreise bzw. Abschiebung von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern abzusichern und das „Untertauchen“ u.a. durch Wohnsitzveränderungen zu erschweren (Kluth a.a.O. § 61 Rn. 2).
10
Eine Wohnsitzauflage i.S.d. § 61 Abs. 1d AufenthG unterscheidet sich zwar insoweit von einer räumlichen Beschränkung, als sie – wie § 61 Abs. 1d S. 4 AufenthG klarstellt – dem Ausländer nicht untersagt, den durch sie festgelegten Ort der Wohnsitznahme ohne Erlaubnis vorübergehend zu verlassen. Sie bezweckt zunächst, den Ausländer einer bestimmten Kommune zuzuordnen und so die Sozialhilfelasten zwischen den Kommunen angemessen zu verteilen (Kluth in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.10.2024, § 61 Rn. 26). Ihr kommt jedoch im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde für die Ausländer, die sich in ihrem Gebiet aufhalten oder aufhalten müssen (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZustVAuslR), eine der räumlichen Beschränkung i.S.v. § 61 Abs. 1 und 1a AufenthG vergleichbare Wirkung zu (Bergmann/Dienelt, AuslR, 14. Aufl. 2022, § 61 Rn. 23). Die Wohnsitzauflage soll folglich auch die bessere Erreichbarkeit des Ausländers für die Ausländerbehörde sicherstellen und die Ausreise fördern. Dies verdeutlicht im Übrigen die Befugnis der Ausländerbehörde gemäß § 46 Abs. 1 AufenthG. Sie kann danach gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer Maßnahmen zur Förderung der Ausreise treffen; insbesondere kann sie den Ausländer verpflichten, den Wohnsitz an einem von ihr bestimmten Ort zu nehmen.
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Für den Beschwerdeausschluss spricht auch, dass der Gesetzgeber mit dem Rückführungsverbesserungsgesetz hinsichtlich der Anordnung einer Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1d AufenthG den Entfall der aufschiebenden Wirkung der Klage angeordnet hat (§ 84 Abs. 1 Nr. Nr. 1c AufenthG n.F.). Im Sinne der Rechtsmittelklarheit und nach Sinn und Zweck der Neuregelung in § 80 AsylG kann hinsichtlich des Beschwerdeausschlusses für die begehrte Änderung der Wohnsitzauflage nicht anderes gelten als für die Anordnung einer Wohnsitzauflage.
12
Der Umstand, dass der Antragsteller über keine förmliche Duldung (mehr) verfügt, entbindet ihn nicht von der Wohnsitzauflage. Andernfalls könnte sich ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer der gesetzlichen Wohnsitzauflage entziehen, indem er einfach keine (weitere) Duldung beantragt (Bergmann/Dienelt, AuslR, 14. Aufl. 2022, § 61 AufenthG Rn. 24).
13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
14
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG.
15
Von der Erhebung von Gerichtskosten ist gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG abzusehen, weil sie bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Eine die Erhebung von Gerichtskosten ausschließende unrichtige Sachbehandlung liegt auch dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung eine unzutreffende Belehrung über das vom Kostenschuldner eingelegte Rechtsmittel enthält, ohne die er dieses nicht betrieben hätte (vgl. BGH, B.v. 19.4.2018 – StB 5/18 – juris Rn. 9). In der dem angefochtenen Beschluss beigefügten Rechtsmittelbelehrungwird auf die Statthaftigkeit einer Beschwerde gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO hingewiesen. Dafür, dass der Antragsteller ohne unrichtige Belehrung Rechtsmittel eingelegt hätte, besteht kein Anhaltspunkt.
16
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).