Titel:
Erfolgloser Eilantrag gegen Passentzug und Personalausweisentzug wegen Verdachts auf djihadistisch motivierte Ausreise nach Syrien, Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt bei Pass-/Personalausweisentzug ist die behördliche Entscheidung (Anschluss an OVG Berlin-Bbg, B.v. 7.11.2011 – OVG 5 N 31.08 – juris Rn. 11; VG Berlin, U.v. 9.1.2024 – 23 K 685/21 – juris Rn. 20; VG Ansbach, U.v. 23.10.2024 – AN 18 K 24.1942 – n.v.; a.A. OVG NW, U.v. 4.5.2015 – 19 A 2097/14 – juris Rn. 23 ff.; Beimowski/Gawron, PassG, PAuswG, § 8 PassG Rn. 4), Örtliche Zuständigkeit der Pass- und Personalausweisbehörde bei Antragsteller ohne Meldeadresse, Entbehrlichkeit der Anhörung im öffentlichen Interesse gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG, Rechtmäßige Ermessensausübung auch wenn entsprechende Ausführungen im Bescheid nicht ausdrücklich deklariert
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 114
PassG § 7 Abs. 1 Nr. 1
PassG § 8
PassG § 14
PassG § 19 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 3
PAuswG § 6 Abs. 7
PAuswG § 6a Abs. 2, Abs. 3
PAuswG § 29 Abs. 2 Nr. 3
PAuswG § 30
ZustV § 8c Abs. 1
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1
BayVwVfG Art. 40
Schlagworte:
Erfolgloser Eilantrag gegen Passentzug und Personalausweisentzug wegen Verdachts auf djihadistisch motivierte Ausreise nach Syrien, Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt bei Pass-/Personalausweisentzug ist die behördliche Entscheidung (Anschluss an OVG Berlin-Bbg, B.v. 7.11.2011 – OVG 5 N 31.08 – juris Rn. 11; VG Berlin, U.v. 9.1.2024 – 23 K 685/21 – juris Rn. 20; VG Ansbach, U.v. 23.10.2024 – AN 18 K 24.1942 – n.v.; a.A. OVG NW, U.v. 4.5.2015 – 19 A 2097/14 – juris Rn. 23 ff.; Beimowski/Gawron, PassG, PAuswG, § 8 PassG Rn. 4), Örtliche Zuständigkeit der Pass- und Personalausweisbehörde bei Antragsteller ohne Meldeadresse, Entbehrlichkeit der Anhörung im öffentlichen Interesse gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG, Rechtmäßige Ermessensausübung auch wenn entsprechende Ausführungen im Bescheid nicht ausdrücklich deklariert
Fundstelle:
BeckRS 2025, 8972
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen einen pass- und ausweisrechtlichen Bescheid der Antragsgegnerin, durch den ihm die Ausstellung eines deutschen Reisepasses versagt sowie der Reisepass und der Personalausweis entzogen wurden.
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Der Antragsteller wurde am … 1999 in …, Syrien, geboren und ist deutscher und wohl auch syrischer Staatsangehöriger. Er war im Besitz eines Personalausweises mit der Nummer …, ausgestellt von der Stadt … am 27. Mai 2022 sowie eines Reisepasses mit der Nummer …, ausgestellt von der Stadt … am 27. Mai 2022. Der Antragsteller hat am 11. März 2025 bei der Antragsgegnerin angefragt, ob in deren Fundbüro sein in … verlorener syrischer Reisepass aufgetaucht sei.
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Die Antragsgegnerin, die Gemeinde …, erhielt am 8. Januar 2025 eine Ereignismeldung des Kriminalfachdezernats, Kommissariat …, …, betreffend Herrn …, namentlich der Antragsteller. Darin war ein Antrag auf Entziehung des Reisepasses und Personalausweises enthalten. Zum Sachverhalt wurde mitgeteilt, dass der Antragsteller Inhaber folgender Dokumente sei:
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Reisepass, Nr. …, ausgestellt am 27. Mai 2022, Stadt …, gültig bis 26. Mai 2028 und Personalausweis, Nr. …, ausgestellt 27. Mai 2022 Stadt …, gültig bis 26. Mai 2028.
5
Es werde angeregt, Herrn … den Reisepass und Personalausweis zu entziehen und anzuordnen, dass dieser nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland berechtigt ist. Aktuell sei er ohne festen Wohnsitz in Deutschland. Seine letzte Meldeadresse sei …, gewesen. Hier habe er sich am 02. Dezember 2024 rückwirkend zum 06. Juli 2024 abgemeldet. Es lägen Erkenntnisse vor, welche den Verdacht nahelegten, dass … Deutschland verlassen möchte, um sich in Syrien der Terrororganisation „Islamischer Staat“ anzuschließen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) habe am 17. Dezember 2024 mit Behördenzeugnis mitgeteilt, dass sich der mutmaßliche Unterstützer der djihadistischen Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS), …, in Deutschland aufhalten solle und beabsichtige, Deutschland zu verlassen, um sich der Terrororganisation Islamischer Staat anzuschließen. … sei laut BfV als der hier betroffene …, geb. …1999, identifiziert worden. Zu … lägen staatsschutzrelevante Erkenntnisse vor. Im Februar 2017 sei dieser aufgefallen, da er auf seinem F. -Profil Beiträge gepostet habe, welche als IS-Sympathien eingestuft worden seien. Die Beiträge seien jedoch nicht strafbar gewesen. Durch das … sei versucht worden, ein Gespräch mit dem Violence Prevention Network (VPN) zu vermitteln, um den Grad der Radikalisierung einzuschätzen. Zunächst sei … nicht dazu bereit gewesen, da er die Mitarbeiter von VPN für Verfassungsschützer gehalten habe und nicht mit Polizei und Verfassungsschutz habe sprechen wollen. Erst im September 2017 sei es zu einem Gespräch mit einem Beamten des … gekommen, da … den Ärger mit der Polizei endlich habe beenden wollen. Das … sei zu dem Ergebnis gekommen, dass hier keine Radikalisierung erkennbar gewesen sei. Aufgrund der Einschätzung seien seinerzeit keine weiteren Maßnahmen getroffen worden. Am 16. Oktober 2024 und am 07. Dezember 2024 sei … jeweils durch Beamte der Bundespolizei einer Kontrolle unterzogen worden. Dabei habe er sich jedes Mal unkooperativ und aggressiv verhalten. Am 16. Oktober 2024 habe er gewaltverherrlichende Aussagen („ja, stich, stich“) gegenüber den Polizeibeamten getätigt. Bei der Kontrolle am 7. Dezember 2024 habe er gemeint, er wäre eh nicht mehr lange in Deutschland. Eine nach der Mitteilung durch das BfV angestoßene OSINT-Recherche habe ergeben, dass die Social-Media-Auftritte des … eindeutig salafistisch geprägt seien. … poste Redebeiträge salafistisch-djihadistischer Prediger, welche AI-Qaida naheständen. Nach dem Umsturz in Syrien habe er in einem F. -Beitrag das Töten von Ungläubigen gerechtfertigt. Am 13. Dezember 2024 sei … über den Flughafen … nach …, Türkei, ausgereist. An diesem Tag habe er sein I.-Profilbild des Accounts „…“ von einem Selfie auf ein Bild eines Korans mit einem Kalaschnikow-Sturmgewehr geändert. Eine Nachfrage bei der Gemeinde … habe ergeben, dass sich … am 02. Dezember 2024 von seiner Wohnadresse abgemeldet habe. Dies habe er rückwirkend zum 06. Juli 2024 getan. Er habe angegeben, in der Zwischenzeit abwechselnd bei verschiedenen Freunden untergekommen zu sein. Eine neue Adresse habe er nicht angegeben, aber nachgefragt, ob er Probleme bekäme, wenn er jetzt ins Ausland gehe. Am 18. Dezember 2024 habe … über seinen I.-Account ein Bild gepostet, auf welchem er seinen aktuellen Aufenthaltsort mit „…Syrien“ markiert habe. Am 30. Dezember 2024, 17:00 Uhr, sei … über den Flughafen … wieder nach Deutschland eingereist und durch die Bundespolizei einer Kontrolle unterzogen worden. Ein temporäres Ausreiseverbot bis 27. Januar 2025 in Verbindung mit einer Meldeauflage bei der Polizeiinspektion … (2 x wöchentlich) sei gegen ihn verhängt worden. Sein Reisepass sei sichergestellt worden, da Hinweise auf eine Manipulation des Dokuments festgestellt worden seien. Sein Personalausweis sei ihm belassen worden. Zudem sei sein Mobiltelefon sichergestellt und eine Einreisebefragung durchgeführt worden, die keine überzeugenden Informationen bezüglich seines Ausreisegrundes geliefert habe. … sei bislang 2019 mit zwei Körperverletzungsdelikten (* … und …*) und 2022 mit einer Bedrohung (* …*) in Erscheinung getreten. Aus dieser Bedrohungslage heraus seien zwei gerichtliche Kontaktverbote gegen ihn erlassen worden und er sei wegen Fremdgefährdung polizeilich untergebracht worden. … sei 2015 aus seiner Heimat über zwei lokale Schwerpunkte des IS nach Europa ausgereist. Als Gründe habe er u.a. die Angst vor Repressionen seitens des damals herrschenden Assad-Regimes und nicht die Angst vor dem IS genannt. Vielmehr sympathisiere er mit der Doktrin des IS und rechtfertige das Töten Ungläubiger. Er habe sich bei der zuständigen Meldebehörde über Folgen bzw. Probleme seiner Abmeldung hinsichtlich einer Ausreise erkundigt und mehrfach angekündigt, ausreisen zu wollen. Dies korrespondiere mit den durch das BfV mitgeteilten Erkenntnissen.
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Letztendlich sei eine deutliche Hinwendung des … zum djihadistisch-salafistischen Gedankengut feststellbar. Seine auf Social-Media veröffentlichten Inhalte verdeutlichten, dass er dazu bereit sei, die Ansichten des IS mittels Gewalt zu verwirklichen. Die Abmeldung und die bestätigte Ausreise belegten, dass er bewusst seine wenigen Beziehungen nach Deutschland nachhaltig habe abbrechen wollen. Es scheine möglich, dass durch die aktuellen Machtverhältnisse eine Kontaktaufnahme zum Islamischen Staat nicht möglich gewesen und er deshalb zurückgekehrt sei. Andere erklärbare Gründe für seine Wiedereinreise lägen aus Sicht des Unterzeichners nicht vor. In der Gesamtschau sei nicht auszuschließen, dass … in Zukunft noch einmal nach Syrien ausreisen werde, um sich dem Islamischen Staat anzuschließen. Die Tatsache, dass … deutscher Staatsangehöriger sei und sich dem bewaffneten Djihad anschließen möchte, sei geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Anschläge oder Kampfhandlungen, an welchen deutsche Djihadisten beteiligt wären, würden die öffentliche Sicherheit und Ordnung der betroffenen Länder massiv gefährden und eventuell diplomatische Spannungen erzeugen. Es sei daher aus polizeilicher Sicht dringlich geboten, der Gefahr längerfristig durch passentziehende und reisebeschränkende Maßnahmen entgegenzuwirken.
7
Das an das Kriminalfachdezernat … gerichtete Behördenzeugnis des BfV vom 12. Dezember 2024 lautete wie folgt und ist teilweise geschwärzt:
Betreff: Behördenzeugnis zu zwei mutmaßlichen IS-Unterstützern ... und Bayern
Dem BfV liegen Erkenntnisse vor, wonach sich die mutmaßlichen Unterstützer der jihadistischen Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) ... und … in Deutschland aufhalten sollen. Sie sollen die Absicht haben, Deutschland zu verlassen, um sich dem IS anzuschließen.
Ein IS-Provinzverantwortlicher (Provinz Irak) soll Kenntnis von ... und … haben und sei für die Koordination von Hijra- und Nafir-Anfragen (Fußnote hierzu: kontextbezogene Bedeutung: Reisen und moralisch-religiöse Aufrufe zur Teilnahme am gewaltsamen Jihad im Verständnis der IS-Doktrin) zuständig.
geschwärzt] nutze die Telefonnummer + …[geschwärzt und … die Rufnummer … Es konnte zudem festgestellt werden, dass es sich bei dem Anschlussinhaber der Rufnummer + …... um ... , in …Syrien, syrischer Staatsangehöriger und bei dem Anschlussinhaber der Rufnummer … um …, …1999 in …Syrien, deutscher und syrischer Staatsangehöriger, Adresse: …, handelt.
Ebenfalls Teil der Behördenakten ist die Ausreiseuntersagung der Bundespolizeidirektion …, Bundespolizeiinspektion Flughafen …, an den Antragsteller vom 30. Dezember 2024; diese war befristet bis 27. Januar 2025. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt:
Ferner betreiben Sie ein Social-Media Profil auf F. („…*). Dieses Profil beinhaltet dabei folgende, arabischsprachige Posts.
- Post vom 10.12.2024, 08:00 Uhr, Inhalt des Posts:
Über einem Bild, auf dem gefangene Soldaten vor zwei Männern knien und jubelnd die Hände heben, steht auf Arabisch: Nachdem sie die Nusairier, die Christen, die Ismailiten und die Drusen und sogar die Sunniten vom Volk Syriens gequält, getötet, vertrieben und vergewaltigt haben, kommen sie jetzt heraus und sagen: „Geht, ihr seid frei! #Das ist unsere Religion!“. Ja, bei Allah, er hat die Wahrheit gesagt und doch ist er ein Lügner. Das ist seine Religion, die Religion der Demokratie und des ungläubigen Säkularismus und nicht die Religion Mohammeds, Allah segne ihn und schenke ihm Heil, der gesagt hat: „Tötet sie, selbst wenn, sie sich an die Vorhänge der Kaaba klammern!“ Und es ist nicht die Religion von … und … Einst sagte … zu …: „Sei entschlossen bei deiner Sache und nicht nachgiebig. Und lass keinen von den Götzendienern, der Muslime getötet hat, ohne Pein davonkommen.“ Und unsere Religion ist das Wort Allahs, der sagte (…): „Es steht keinem Propheten zu, Gefangene zu haben, bis er (den Feind überall) im Land schwer niedergekämpft hat.“ [Koran, Sure 8:67] Erläuterung: Bei den gefangenen Soldaten ist davon auszugehen, dass es sich um Kämpfer von HAI'AT TAHRIR AL-SHAM (im Folgenden HTS) sowie weitere Rebellen handelt.
- Post vom 10.12.2024, 08:36 Uhr, Inhalt des Posts:
Der Post zeigt eine Seite aus dem Tafsir al-Qurtubi (Koranexegese des Gelehrten al-Qurtubi, gest. 1272). Der Inhalt der geposteten Stelle lautet: „Und wenn der Muslim den Ungläubigen trifft und keinen Vertrag (mit ihm) hat, so ist es ihm erlaubt, ihn zu töten.“
Die inhaltliche Bewertung der oben aufgeführten Posts zeigt, dass der Ersteller der Posts ein großes Problem damit zu haben scheint, dass die Rebellengruppe in Syrien, angeführt von HTS unter AL-JAULANI, Gnade mit den Besiegten zeigen. Unter Zuhilfenahme von islamisch-religiösen Quellen (u.a. Koran, Hadithe, Tafsir) versucht er zu belegen, dass die Ungläubigen bzw. Götzendiener – es ist davon auszugehen, dass er damit in erster Linie die Minderheit der Nusairier / Alawiten, der auch der ehemalige syrische Diktator BAA angehört, meint – getötet werden müssen. Im Rahmen der hier dargestellten Auswertung der oben aufgeführten Post auf F. ist der Ersteller der Posts eindeutig im jihadistischen Spektrum zu verorten. Sie sind zudem gewaltverherrlichend und geben eine radikalisierte jihadistische Weltanschauung preis. Ferner ist die hier zur Rede stehende Vereinigung der HTS gem. des Verfassungsschutzberichts 2023 als terroristische Vereinigung aufgeführt.
Darüber hinaus ist die oben genannte Person ebenfalls auf dem Social-Media-Dienst I. unter dem Namen „…“ aktiv. Hier wurde am 20. Dezember 2024 ein Post abgesetzt, in welchem die o.g. Person angibt, sich aktuell in … / Syrien aufzuhalten. Dies wurde durch Ihre eigenen Angaben in der Befragung bestätigt. Im Rahmen einer polizeilichen Maßnahme am 07. Dezember2024 durch die BPOLI … am Bahnhof in … gaben sie ferner an, dass sie Deutschland alsbald verlassen wollen und äußerten während der Kontrolle mehrfach den Satz „Allah-u-Akbar Gott ist groß“. Hierbei handelt es sich um einen vielschichtigen und mehrfach besetzten religiösen Ausdruck, der jedoch auch in den Kontext zu den durch Sie abgesetzten Social-Media-Posts gesetzt werden muss. Aufgrund ihres Reiseverhaltens in der Vergangenheit ist mit Blick für die Zukunft ein weiteres Reiseverhalten, insbesondere in Länder des Nahen und Mittleren Ostens erkennbar. Allein in diesem Jahr (2024) reisten sie mehrfach sowohl nach Saudi-Arabien, als auch nach Ägypten.
Vor diesem Hintergrund wurden sie bereits am 16.Oktober 2024 Einreisekontrolle des Fluges … aus … kommend festgestellt. Sie gaben damals an alleine und lediglich zu touristischen Zwecken in die Türkei gereist zu sein. Während der Kontrolle verhielten sie sich zudem äußerst aggressiv und unkooperativ, was sich insbesondere in ihren gewaltverherrlichenden Andeutungen („Ja, stich, stich“) manifestierte. Aufgrund der Rückkehr aus … / Syrien sowie aufgrund ihrer Aussagen im Rahmen der polizeilichen Kontrolle am 07. Dezember 2024 in … sowie der Einreisekontrolle am Flughafen … am 16. Oktober 2024 (ebenfalls aus … kommend) ist davon auszugehen, dass Sie auch In Zukunft von ihrem Reiserecht Gebrauch machen werden.
Ihre Angaben, bei der heutigen Befragung, nämlich, dass Sie nicht so einfach aus Deutschland weggehen, können als Schutzbehauptung gewertet werden, da Sie offensichtlich nicht Ihrem Handeln entsprechen. Neben Ihren Reisebewegungen und der Abmeldung von Ihrem Wohnsitz in Deutschland, führten Sie etliche Dokumente (Abschlusszeugnis als staatlich anerkannter Heilerziehungspfleger und Kinderpfleger, Einbürgerungsurkunde, ärztliche Bescheinigungen, Geburtsurkunde, Schulzeugnisse, sowie weitere wichtige persönliche Unterlagen) mit sich, was ebenfalls als Beleg dafür zu werten ist, dass Sie keinen dauerhaften Aufenthaltsort mehr in Deutschland haben und Vorbereitungen getroffen haben, Ihren ständigen Aufenthaltsort dauerhaft zu verlegen.
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Mit Bescheid vom 23. Januar 2025 versagte die Gemeinde … dem Antragsteller die Ausstellung eines deutschen Reisepasses und entzog ihm den Reisepass, Nr. …, ausgestellt von der Stadt … am 27. Mai 2022 (Ziffer 1.). Es wurde angeordnet, dass der Personalausweis, Nr. …, ausgestellt von der Stadt … am 27. Mai 2022, nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland berechtigt (Ziffer 2.). Weiter wurde dem Antragsteller der deutsche Personalausweis, Nr. …, ausgestellt von der Stadt … am 27. Mai 2022, entzogen. Er wurde verpflichtet, den entzogenen Personalausweis der Kriminalpolizei …, Kriminalfachdezernat, Herrn …, herauszugeben (Ziffer 3.). Dem Antragsteller wurde ein Ersatz-Personalausweis, Nr. …, vom 23. Januar 2025 ausgestellt und er wurde verpflichtet, diesen zu unterzeichnen. Der Ersatzpersonalausweis werde ihm durch die Kriminalpolizei …, Kriminalfachdezernat, Herrn …, ausgehändigt (Ziffer 4.). Die sofortige Vollziehung der Nummern 1 und 3 Satz 2 des Bescheides wurde angeordnet. Zu den Nummern 2 und 3 Satz 1 und Nummer 4 sei Sofortvollzug kraft Gesetzes gegeben (Ziffer 5.). Die Anordnungen in den Nummern 1, 2, 3 und 4 des Bescheides gelten befristet bis 22. Januar 2028 (Ziffer 6.). Für den Fall, dass der Antragsteller der unter Nummer 3 Satz 2 des Bescheides festgelegten Herausgabepflicht nicht sofort nachkomme, werde die Kriminalpolizei die Maßnahme durch unmittelbaren Zwang vollziehen (Ziffer 7.). Die in den Nummern 1 und 2 des Bescheides genannten Anordnungen werden im polizeilichen Grenzfahndungsbestand gespeichert (Ziffer 9., Ziffer 8. wurde übersprungen).
9
Zur Begründung des Bescheides führte die Antragsgegnerin aus, dass die Kriminalpolizeidirektion … die Gemeinde … informiert habe, dass der Antragsteller Kontakt zu djihadistisch-salafistischen Kreisen habe. Es gebe eindeutige Hinweise, dass er sich zur Terrormiliz „Islamischer Staat“ hingezogen fühle. Eine Ausreise nach Syrien sei zu erwarten. Die Gemeinde … sei zur Entscheidung über die Passversagung, die Beschränkung des Geltungsbereiches des Personalausweises, den Entzug des Personalausweises und die Erteilung eines Ersatz-Personalausweises sachlich und örtlich zuständig. Die sachliche Zuständigkeit beruhe für die Passversagung auf § 19 Abs. 1 Satz 1 PassG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Halbsatz 1 AGPassPAuswG und für den Entzug des Personalausweises sowie Beschränkung des Geltungsbereiches des Personalausweises auf § 7 Abs. 1 PAuswG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Halbsatz 1 AGPassPAuswG. Die sachliche Zuständigkeit für die Erteilung eines Ersatz-Personalausweises basiere auf „§§ 6 a Abs. 5, 7 Abs. 1 PAuswG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Halbsatz 1 AGPassPAuswG“. Die örtliche Zuständigkeit ergebe sich für die Passversagung aus § 19 Abs. 3 Satz 3 PassG und für den Entzug des Personalausweises, die Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises sowie die Erteilung eines Ersatz-Personalausweises aus § 8 Abs. 1 Satz 2 PAuswG analog. Der Antragsteller halte sich vorübergehend in … auf und falle damit in deren Zuständigkeitsbereich.
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Die Ablehnung des deutschen Reisepasses in Nummer 1 des Bescheides stütze sich auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG, wonach ein Pass zu versagen sei, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründeten, dass der Passbewerber die innere und äußere Sicherheit oder sonstige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährde, was hier der Fall sei. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung sei von einer Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik dann auszugehen, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigten, dass der Passbewerber sich im Ausland an Gewalttaten beteiligen werde, die geeignet seien, die auswärtigen Beziehungen und das internationale Ansehen Deutschlands zu schädigen. Zu solchen Gewalttätigkeiten gehöre die Teilnahme am bewaffneten Djihad. Terroranschläge des militanten Djihad, an denen deutsche Staatsangehörige mitwirkten, tangierten massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder und seien in ganz erheblichem Maße geeignet, diplomatische Spannungen zu erzeugen.
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Auf eine Anhörung vor Erlass sei gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG verzichtet worden, weil es im öffentlichen Interesse gelegen habe, dass die Entscheidung sofort getroffen worden sei. Es sei mit größter Wahrscheinlichkeit davon auszugehen gewesen, dass bei einer vorherigen Anhörung die wirksame Durchsetzung der verfügten Maßnahmen gefährdet gewesen wäre und der Antragsteller bereits vor wirksamer Bekanntgabe des Ausreiseverbots in das Ausland ausgereist wäre. Eine vorherige Anhörung hätte zudem den Erfolg der zeitlich vorgesehenen präventiv-polizeilichen Maßnahmen nicht nur gefährdet, sondern voraussichtlich ins Leere laufen lassen. Es liege daher eindeutig auf der Hand, dass eine vorherige Anhörung als Vorwarnung gedient und die jederzeitige Ausreise aus Deutschland mit dem geführten Personalausweis ermöglicht hätte.
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Zu den Ziffern 1. bis 4. führt die Antragsgegnerin aus, dass ausreichend für eine Passversagung bereits eine auf konkrete Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose sei und die Profile des Antragstellers in den Medien eine solche Gefahrenprognose offenbarten. Die Passversagung sowie die Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises würden nach § 9 PassG und § 6 Abs. 8 PAuswG im polizeilichen Grenzfahndungsbestand gespeichert. Die Passversagung werde im Passregister vermerkt (§ 21 Abs. 2 Nr. 15 PassG), die Beschränkung des Geltungsbereiches des Personalausweises werde im Personalausweisregister eingetragen (§ 23 Abs. 3 Nr. 15 PAuswG). Für den Antragsteller bestehe ein Ausreiseverbot aus der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 10 Abs. 1 PassG. Der Personalausweis werde ferner nach § 28 Abs. 1 Nr. 4 PAuswG ungültig, wenn gegen den Ausweisinhaber eine Anordnung im Sinne des § 6a Abs. 2 PAuswG ergangen sei und er den Geltungsbereich dieses Gesetzes verlassen habe.
13
Der Bescheid vom 23. Januar 2025 wurde dem Antragsteller durch den Kriminalhauptkommissar … des Kriminalfachdezernats, …, am 24. Januar 2025 gegen Empfangsbekenntnis ausgehändigt. Gleichzeitig wurde der Personalausweis mit der Nummer … entzogen und der Ersatz-Personalausweis, Nummer …, durch den Antragsteller unterzeichnet und ihm ausgehändigt.
14
Mit Schreiben vom 28. Januar 2025 teilte das Bundespolizeipräsidium der Antragsgegnerin mit, dass der Antragsteller auf ihr Gesuch hin zur Ausreiseuntersagung in der Grenzfahndungsdatei, befristet bis zum 27. Januar 2026, ausgeschrieben worden sei. Auch seien der Antragsteller sowie die für den Grenzübertritt ungültig erklärten Dokumente im Informationssystem der Polizei und im Schengener Informationssystem gespeichert worden.
15
Gegen den Bescheid vom 23. Januar 2025 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 11. Februar 2025 Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach erheben (AN 18 K 25.350) und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung wiederherzustellen.
16
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 10. Februar 2025 zunächst ausgeführt, dass der Antragsteller, der deutscher Staatsangehöriger sei, derzeit keinen festen Wohnsitz habe, der Unterzeichner aber empfangsbevollmächtigt sei. Der Antragsteller bestreite die ihm zur Last gelegten Vorwürfe, der Beitrag auf Social-Media aus 2017 liege acht Jahre zurück. Weitere Anknüpfungstatsachen für eine Hinwendung zum IS lägen nicht vor. Die damaligen Posts hätten auch nicht den IS betroffen, sondern es habe sich um die Verschriftlichung von Gesängen, die mit einem Bild unterlegt gewesen sein, auf dem auch eine Fahne zu sehen gewesen sei, gehandelt. Bei genauerem Hinsehen habe sich herausgestellt, dass es keine Fahne des IS sei. Der Antragsteller habe sich keiner extremistischen Aktivitäten schuldig gemacht. Seine Reise nach Syrien habe dem Besuch von Verwandten gedient und sei angesichts der politischen Stabilisierung bestimmter Gebiete nachvollziehbar, nachdem er zehn Jahre weite Teile seiner Familie nicht habe sehen können. Die Behörde habe zudem ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt sowie die Anhörungspflicht des § 28 VwVfG missachtet. Der Verweis auf ein öffentliches Interesse sei nicht ausreichend begründet, da kein akuter Gefahrenfall vorliege. Die Gefahrenprognose im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG fehle, eine konkrete aktuelle Gefährdung werde nicht nachgewiesen. Insbesondere werde nicht berücksichtigt, dass die HTS zwar in Deutschland nach wie vor als terroristische Vereinigung geführt werde, die deutsche Regierung aber mittlerweile politische und diplomatische Beziehungen zu der Organisation aufgenommen habe, die seit dem Sturz des Regimes die Übergangsregierung bilde. Die Vorwürfe gegen den Antragsteller seien nicht konsistent. Es sei nicht klar, ob er nun IS-Sympathisant sei oder sich der HTS ideologisch zugehörig fühle. Beides gehe nicht, da beide Organisationen seit 2014 Erzfeinde seien. Der Sofortvollzug sei unzureichend begründet, es fehle eine konkrete Abwägung der Interessen des Antragstellers.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
18
Zur Begründung stellte sie mit Schriftsatz vom 19. Februar 2025 zunächst den für sie maßgeblichen Sachverhalt unter Bezugnahme auf den Inhalt der Behördenakte dar. In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass der Verzicht auf die Anhörung gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG zutreffend begründet worden sei. Davon abgesehen sei nunmehr durch das gerichtliche Verfahren die Anhörung nachgeholt worden. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 PassG seien erfüllt. Die Bundespolizei und das Kriminalfachdezernat ... hätten festgestellt, dass aufgrund der geschilderten Erkenntnisse die Gefahr bestanden habe, dass in erheblichem Maße die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet würden. Dies insbesondere durch die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen im bewaffneten Djihad. Solche Terroranschläge des militanten Djihad, an denen sich deutsche Staatsangehörige beteiligen, tangierten massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder und seien in ganz erheblichem Maße geeignet, diplomatische Spannungen zur Bundesrepublik Deutschland zu erzeugen. Als solche Teilnahmehandlungen seien dabei sowohl die Teilnahme an Ausbildungskampfhandlungen im Ausland als auch sonstige Unterstützung, wie z. B. der Transport von Unterstützungsgeldern in das Ausland, die Schulung oder die Beratung anderer gewaltbereiter Djihadisten, anzusehen. Damit lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 PassG vor. Insbesondere sehe § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vor, dass bestimmte Tatsachen vorliegen, welche die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Es sei festzuhalten, dass hinsichtlich dieser Gefahreneinschätzung der § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise einfordere. Vielmehr reiche es aus, wenn der begründete Verdacht einer Gefährdung der Belange der Bundesrepublik Deutschland bestehe. Hier lägen genügend konkrete Anknüpfungstatsachen für eine solche Gefahrenprognose nach Zeit, Ort und Inhalt vor. Der Antragsteller sei in der Vergangenheit mehrmals aus Deutschland ausgereist und habe keinen festen Wohnsitz. Das Ermessen sei ausreichend ausgeübt und dargelegt worden. Zum einen sei durch die entsprechenden fachkundigen Ermittlungen und Stellungnahmen der Bundespolizei, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Kriminalfachdezernats * der Polizei … der Sachverhalt hinreichend ermittelt worden. Insbesondere seien mögliche Konsequenzen des Nicht-Entziehens berücksichtigt und mit den Belangen des Antragstellers abgewogen worden. Die Belange des Antragstellers, auszureisen und an einem bewaffneten Djihad teilzunehmen, müssten zwangsnotwendig hinter der zu erwartenden Ansehensschädigung und der Gefährdung der Belange der Bundesrepublik zurücktreten. Mildere Mittel seien nicht erkennbar. Die Ausführungen, dass der Antragsteller in Syrien nur seine Familie besuchen habe wollen, seien als reine Schutzbehauptung anzusehen. Schließlich sehe § 14 PassG kraft Gesetz die sofortige Vollziehung der hier getroffenen Maßnahmen vor, womit die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht statthaft sei.
19
Der Antragstellerbevollmächtigte erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 5. März 2025, dass die Ausführungen zu dem Vorfall am 16. Oktober 2024 unvollständig seien. Nachdem der Antragsteller bei der Einreise nach Deutschland am 16. Oktober 2024 zunächst über das automatisierte Einreisesystem die Passkontrolle habe vollziehen wollen, sei er nach deren Passieren von Bundespolizisten herausgezogen und von Anfang an unfreundlich behandelt worden. Die Beamten hätten während der Dauer von mindestens 10 Minuten immer wieder seinen Pass auf den Scanner gelegt und provokative Fragen gestellt. Es handele sich um einen Fall von R. P., was der Antragsteller thematisiert habe. Er habe sich außer seinem orientalischen Äußeren und einem Bart nichts vorzuwerfen. Die Polizeibeamten hätten hierauf unwirsch reagiert und mitgeteilt, dass es sich um eine Stichprobe handele. Deswegen habe der Antragsteller als Nicht-Muttersprachler gesagt „ja, Stich, Stich“. Damit habe er nicht androhen wollen, die Polizisten mit dem Messer zu stechen. Der Antragsteller habe sich veranlasst gefühlt, das Wort „Stich, Stich“ zu wiederholen, weil der Polizeibeamte auf Nachfrage des Antragstellers das Wort „Stich“ bei der Artikulation des Wortes „Stichprobe“ affektiert ausgesprochen habe, als ob der Antragsteller dumm sei. Bereits hier werde deutlich, dass die Beamten dem Antragsteller nicht mit der gebotenen Objektivität begegnet seien, indem sie den Bericht, der den Akten im Übrigen nicht beigefügt gewesen sei, offensichtlich nicht objektiv verfasst, sondern den Sachverhalt so verändert hätten, dass hier der Eindruck entstehe, der Antragsteller habe Gewalt angedroht. Soweit der Antragsteller bei der Kontrolle am 7. Dezember 2024 ausgeführt habe, dass er nicht mehr lange in Deutschland sein würde, begründe dies nicht den Verdacht, dass er sich einer verbotenen Vereinigung anschließen möchte. Hinzu komme, dass Personen, die sich entsprechenden Organisationen anschließen wollen, der Erfahrung nach ihre Ausreise und den Anschluss an eine entsprechende Organisation nicht ankündigten. Auch hier verwundere, dass der Anlass der Polizeikontrolle und der weitere Fortgang keinen Eingang in die Akte gefunden haben. Am 7. Dezember 2024 habe sich der Antragsteller vom … Hauptbahnhof aus in Richtung eines Supermarktes begeben. In einer Entfernung von etwa 400 Metern vom Hauptbahnhof sei der Antragsteller dann von hinten von zwei Polizeibeamten angefasst worden. Es seien sofort Einsatzwagen sowie weitere Polizeibeamte hinzugekommen. Er habe sich nach dem Anlass erkundigt. Ihm sei vorgeworfen worden, den Spiegel eines PKWs beschädigt zu haben. Der Antragsteller habe dies in Abrede gestellt und darum gebeten, dass man ihm den beschädigten Spiegel zeige. Er sei dann zunächst während der Dauer von ca. 20 Minuten von den Polizeibeamten mehrfach durchsucht worden, auch seine mitgeführte Tasche. Als die Polizeibeamten dann auf seinem Personalausweis gesehen hätten, dass der Antragsteller zum damaligen Zeitpunkt keinen festen Wohnsitz hatte, sei auch dies thematisiert worden. In diesem Zusammenhang, d.h. im Zustand höchster Erregung, habe er dann gesagt, dass er nicht mehr lange in Deutschland sein würde. Der Antragsteller erlebe wiederholt R. P. durch Behörden. Der hier geschilderte Vorgang sei für ihn besonders demütigend gewesen, weil er auf offener Straße erfolgt sei und Passanten den ganzen Vorgang mitbekommen hätten. Er sei von den Polizeibeamten wie ein Schwerverbrecher behandelt worden. Nachdem er die Polizeibeamten dann aufgefordert habe, ihm den beschädigten Spiegel zu zeigen, seien sie mit ihm ein Stück in eine Richtung gegangen. Der Antragsteller habe dann wiederholt gesagt, er glaube nicht, dass es tatsächlich einen beschädigten Spiegel gebe, die Polizeibeamten hätten dies nur erfunden, um ihn durchsuchen zu können und würden lügen. Ihm sei dann von den Polizeibeamten angedroht worden, dass er mit auf die Wache müsse, wenn er noch einmal sage, dass die Polizeibeamten lügen würden. Plötzlich hätten die Polizeibeamten ihn stehen lassen und er habe gehen dürfen. Einen beschädigten Spiegel hätten sie ihm nicht zeigen können. Der Antragsteller, der immer unruhiger geworden sei, habe dann gefragt, wo denn der Spiegel sein solle, da er sich vom Hauptbahnhof direkt in Richtung des Supermarktes begeben habe. Die Polizeibeamten hätten ihm dann gesagt, der beschädigte Spiegel würde noch weiter weg sein. Jedenfalls hätten sie ihn dann gehen lassen. Zu einer Strafanzeige wegen Sachbeschädigung sei es nie gekommen. Die Ausführung, nicht mehr lange in Deutschland bleiben zu wollen, genüge nicht, um die angenommene Gefahr zu begründen. Es erscheine angesichts der konkreten Sachlage noch abwegiger, dass der Antragsteller hier habe mitteilen wollen, er werde Deutschland mit dem Ziel verlassen, sich einer terroristischen Vereinigung anzuschließen. Zudem habe der Antragsteller mittlerweile wieder einen festen Wohnsitz in Deutschland.
20
Soweit die Antragsgegnerin ausführe, dass der Verfassungsschutz mit Behördenzeugnis vom 17. Dezember 2024 mitgeteilt habe, dass der Antragsteller beabsichtige, Deutschland zu verlassen, damit er sich der Terrororganisation „Islamischer Staat“ anschließe, sei festzuhalten: Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe in diesem Behördenzeugnis ausdrücklich erklärt, dass darüberhinausgehende Erkenntnisse nicht vorlägen. Dies sei eine Bewertung, die maßgeblich auf den weiteren Behauptungen fuße. Soweit dem Antragsteller vorgeworfen werde, dass er im Jahr 2017 aufgefallen sei, da er auf seinem F. -Profil Beiträge gepostet habe, welche als IS-Sympathien eingestuft worden seien, hätten die Beiträge keine strafrechtliche Relevanz entfaltet. Jegliche Form des Bewerbens des Islamischen Staates sei als Unterstützungshandlung in Deutschland strafrechtlich relevant. Sofern hier kein Strafverfahren eingeleitet worden sei, seien es offensichtlich keine Beiträge gewesen, die den IS glorifizieren oder für Sympathien des IS werben. Hinzu komme, dass in dem Gespräch, das der Antragsteller sieben Monate später mit der Polizei geführt habe, von Seiten der Mitarbeiter des … eine Radikalisierung nicht erkennbar gewesen sei; außerdem liege der Vorfall mittlerweile sieben Jahre zurück. Zum Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz führt der Antragstellerbevollmächtigte aus, dass dieses zum Beweis der behaupteten Tatsachen nicht geeignet sei, da es nicht erkennen lasse, aufgrund welcher Quellen die entsprechenden Erkenntnisse gewonnen worden seien. Auch fehle im Behördenzeugnis jede Angabe darüber, wie verlässlich die Dateien seien und ob sie gerichtsverwertbar seien. Im Behördenzeugnis werde auch explizit ausgeführt, dass es sich um mutmaßliche Unterstützer des IS handele, womit das Bundesamt für Verfassungsschutz die Informationen selbst relativiere. Auch sei hier der Name des IS-Provinzverantwortlichen aus der Provinz Irak, der angebliche Kenntnis von der Ausreise des Antragstellers haben soll, nicht genannt, weshalb der Beweiswert hier so gering sei, dass aus dem Behördenzeugnis eine von dem Antragsteller ausgehende Gefahr nicht abgeleitet werden könne.
21
Zu den im Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragsgegnerin thematisierten Posts werde ausgeführt, dass es zutreffend sei, dass der Antragsteller am 10. Dezember 2024 um 8 Uhr einen Post veröffentlicht habe, in dem er kritisiert habe, dass die Soldaten der Widerstandskämpfer im Rahmen der kürzlich erfolgten Eroberung Syriens die Soldaten des Assad-Regimes freilassen und verschonen würden. Es sei zu berücksichtigen, dass dem von einer Vielzahl von in Deutschland lebenden Syrern mit Unverständnis begegnet werde angesichts der enormen Qualen, die die syrische Armee als Handlanger Assads über das syrische Volk gebracht habe. Es sei zu massiven Tötungen und Folterungen der Zivilbevölkerung Syriens gekommen. Die meisten sunnitischen Syrer hätten, wie auch der Antragsteller, irgendwo im familiären Bereich entsprechende Verluste zu beklagen. Der Antragsteller habe von daher mit Unverständnis darauf reagiert, dass die Soldaten, die das syrische Volk während der Dauer mehrerer Jahrzehnte gequält und gefoltert hätten, nun ohne irgendeine Strafe für die von ihnen begangenen Verbrechen zu bekommen, einfach davonkämen. Hierbei handele es sich um eine normale und nachvollziehbare emotionale menschliche Reaktion, die mit einer konservativen Rechtsansicht, abgeleitet aus den Quellen des Islam begründet werde. Indessen sei hieraus nicht der Schluss zu ziehen, dass der Antragsteller das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verlassen möchte, um sich dem Islamischen Staat anzuschließen. Der Antragsteller stelle nicht in Frage, dass er ein konservatives islamisches Weltbild vertrete. Hier sei jedoch nicht anzunehmen, dass der Antragsteller aufgrund der Aussagen im djihadistischen Spektrum zu verorten sei. Aussagen dieser Art seien zwar auch bei Personen zu finden, die einem djihadistischen Spektrum angehören. Allerdings stünden hier keine weiteren Anknüpfungstatsachen für die Annahme zur Verfügung, dass er sich tatsächlich ins Ausland begeben und einer terroristischen Vereinigung anschließen wolle. Es stelle sich auch die Frage, warum er wieder nach Deutschland eingereist ist, wenn er den Wunsch gehabt haben sollte, sich einer terroristischen Organisation anzuschließen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass er in Deutschland nicht über einen Wohnsitz verfügt habe. Die Tatsache, dass er, ohne über einen festen Wohnsitz zur verfügen, nach Deutschland zurückgekehrt sei, zeige seine Bindung nach Deutschland und den Wunsch seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland zu haben. Insgesamt liege es auf der Hand, dass dem Antragsteller die Ausreise ausschließlich deshalb untersagt werden soll, weil er seinem Äußeren nach ein konsequent gläubiger Muslim sei und Ansichten vertrete, die dem konservativen Islam zuzurechnen seien.
22
Mit weiterem Schriftsatz vom 5. März 2025 teilte der Antragstellerbevollmächtigte mit, dass die neue Anschrift seines Mandanten die … sei.
23
Auf den Schriftsatz des Antragstellerbevollmächtigten vom 5. März 2025 replizierte der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller verkenne, dass nach § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 PassG eine Entziehung des Reisepasses sowie Ausweises möglich sei, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründeten, dass ein Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange in der Bundesrepublik Deutschland gefährde. Die Antragsgegnerin als hier zuständige Behörde habe aufgrund der Sach- und Aktenlage weiterer, insbesondere Fachbehörden, zutreffend die Tatsachen dahingehend bewertet, dass die Voraussetzungen für eine Passentziehung vorlägen. Die Behauptungen des Antragstellers seien weder glaubhaft gemacht noch in der Originalakte der Antragsgegnerin zu finden. Diese seien reine Schutzbehauptungen. Überdies wurde mitgeteilt, dass der Antragsteller per Mail am 11. März 2025 bei der Antragsgegnerin angefragt habe, ob in deren Fundbüro sein syrischer Reisepass aufgefunden worden sei, den er in … verloren habe. Der Antragsteller sei also anscheinend Doppelstaatler, wobei sich hier keine Daten im Melderegister fänden.
24
Mit Schriftsatz vom 3. April 2025 hat der Antragstellerbevollmächtigte nochmals eine neue Anschrift vorgetragen. Der Antragsteller wohne nun in der … und arbeite in … seit … 2025 als Heilerziehungspfleger. Belege hierfür wurden nicht vorgelegt.
25
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Gerichts- und Behördenakten, auch des Klageverfahrens AN 18 K 25.350, verwiesen.
26
Der Antrag aus Ziffer 2. des Klage- und Antragsschriftsatzes vom 10. Februar 2025 – „Die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung wiederherzustellen“ – ist in Bezug auf die Ziffern 1., soweit der Entzug des Reisepasses betroffen ist, 2., 3., 4., 9. des Bescheides der Antragsgegnerin vom 23. Januar 2025 dahingehend auszulegen (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO), dass der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage begehrt. Gegen die Anordnungen in den genannten Ziffern hat die Anfechtungsklage gemäß § 14 PassG und § 30 PAuswG keine aufschiebende Wirkung. Weiter wird der Antrag so ausgelegt, dass er sich nicht gegen die in Ziffer 1. geregelte Versagung der Ausstellung eines deutschen Reisepasses gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG richtet, da einerseits der Antragsteller, soweit ersichtlich, nicht die Ausstellung eines Reisepasses beantragt hat, sondern vielmehr schon im Besitz eines Reisepasses war, der ihm ebenfalls durch die Ziffer 1. des Bescheides vom 23. Januar 2025 entzogen wurde, andererseits gegen die Versagung eines beantragten Passes eine Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO erhoben werden müsste und insofern ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO offensichtlich nicht statthaft ist. Dem Antragsteller geht es, bezogen auf Ziffer 1. des Bescheides, seinem wohlverstandenen Interesse nach jedoch darum, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Passentzug anordnen zu lassen und nicht darum, einen neuen Pass zu beantragen. Schließlich richtet sich der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO im Wege der Auslegung nicht gegen Ziffer 7. des Bescheides vom 23. Januar 2025, da die dortige Androhung unmittelbaren Zwangs sich mit der Herausgabe des entzogenen Personalausweises durch den Antragsteller erledigt hat.
27
Hingegen kann der Antrag aus Ziffer 2. des Klage- und Antragsschriftsatzes vom 10. Februar 2025 nicht auch dahingehend ausgelegt werden, dass ein Antrag auf Vollzugsfolgenbeseitigung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO enthalten ist. Hierfür fehlt es an Anknüpfungspunkten in den Schriftsätzen des Antragstellerbevollmächtigten.
28
Der so verstandene Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
29
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in der oben gefundenen Auslegung ist zulässig, insbesondere statthaft.
30
a) Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den in Ziffer 1. des Bescheides vom 23. Januar 2025 enthaltenen Entzug des Reisepasses mit der Nummer … ist statthaft, da die Anfechtungsklage hiergegen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 14, § 8 PassG keine aufschiebende Wirkung hat.
31
b) Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Anordnung in Ziffer 2. des Bescheides vom 23. Januar 2025, dass der Personalausweis mit der Nummer … nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland über eine Auslandsgrenze berechtigt, ist statthaft, da der Anfechtungsklage hiergegen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 30, § 6 Abs. 7 PAuswG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
32
c) Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Anordnung in Ziffer 3. des Bescheides vom 23. Januar 2025, dass der Personalausweis entzogen und der Antragsteller verpflichtet wird, diesen der Kriminalpolizei herauszugeben, ist statthaft, da der Anfechtungsklage hiergegen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 30, § 6a Abs. 2, § 29 Abs. 2 Nr. 3 PAuswG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
33
d) Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Ausstellung eines Ersatz-Personalausweises in Ziffer 4. des Bescheides vom 23. Januar 2025 ist statthaft, da die Anfechtungsklage hiergegen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 30, § 6a Abs. 3 PAuswG keine aufschiebende Wirkung hat.
34
e) Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Speicherung der Anordnungen aus den Ziffern 1. und 2. im polizeilichen Grenzfahndungsbestand durch Ziffer 9. des Bescheides vom 23. Januar 2025 ist statthaft, da die Anfechtungsklage hiergegen keine aufschiebende Wirkung hat.
35
Soweit die Speicherung der Anordnung aus Ziffer 1. – Passentzug – betroffen ist, ergibt sich dies daraus, dass die Speicherung im polizeilichen Grenzfahndungsbestand gemäß § 9 PassG dann erfolgen darf, sofern die passrechtliche Anordnung, hier gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 8 PassG, sofort vollziehbar ist, was wegen § 14 PassG der Fall ist (Beimowski/Gawron, PassG, PAuswG, 1. Aufl. 2018, § 9 PassG Rn. 5). Insofern handelt es sich bei der Speicherung um einen Annex zum sofort vollziehbaren Passentzug und ist deswegen nicht eigens in § 14 PassG aufgeführt.
36
Was die Speicherung der Anordnung aus Ziffer 2. – Personalausweis berechtigt nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland – anbelangt, folgt dies daraus, dass die Speicherung im polizeilichen Grenzfahndungsbestand gemäß § 6 Abs. 8, Abs. 7 PAuswG entsprechend der Rechtslage zum Passentzug erfolgen darf, sofern die personalausweisrechtliche Anordnung nach § 6 Abs. 7 PAuswG sofort vollziehbar ist, was wegen § 30 PAuswG der Fall ist. Auch hier handelt es sich um einen Annex zur sofort vollziehbaren Anordnung, dass der Personalausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt und ist deswegen nicht eigens in § 30 PAuswG aufgeführt.
37
2. Der Antrag ist unbegründet.
38
Das Gericht kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen. Es hat dabei eine eigene, originäre Ermessensentscheidung zu treffen, ob dem in den gesetzlichen Regelungen der § 14 PassG und § 30 PAuswG zum Ausdruck kommenden Interesse der Antragsgegnerin an einer sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verwaltungsakte oder dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs der Vorrang zukommt. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind maßgeblich die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens in summarischer Prüfung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der zugrundeliegende Bescheid bei dieser Prüfung hingegen als rechtswidrig und das Hauptsacheverfahren damit voraussichtlich als erfolgreich, ist das Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig zu verneinen. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens hingegen offen, kommt es zu einer allgemeinen, von den Erfolgsaussichten unabhängigen Abwägung der widerstreitenden Interessen (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2023 – 15 CS 23.95 – juris Rn. 23).
39
Nach summarischer Prüfung erweist sich der Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. Januar 2025 als formell und materiell rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, weswegen die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausfällt und der Antrag abzulehnen ist.
40
a) Der Bescheid vom 23. Januar 2025 ist, soweit er Verfahrensgegenstand ist, formell rechtmäßig.
41
aa) Die Antragsgegnerin, die Gemeinde …, war für den in Ziffer 1. des Bescheides vom 23. Januar 2025 enthaltenen Passentzug sachlich und örtlich zuständig.
42
Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 19 Abs. 1 Satz 1 PassG i.V.m. § 8c Abs. 1 der Zuständigkeitsverordnung (ZustV). Hiernach sind die Gemeinden im übertragenen Wirkungskreis für Passangelegenheiten im Geltungsbereich des PassG zuständig, soweit nichts anderes bestimmt ist.
43
Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 19 Abs. 3 Satz 3 PassG, nachdem der Antragsteller zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides am 24. Januar 2025 keine Meldeadresse hatte (§ 19 Abs. 3 Satz 1 PassG) und sich auch nicht im Ausland befand (§ 19 Abs. 3 Satz 2 PassG). Von seiner letzten Meldeadresse – … – hatte er sich am 2. Dezember 2024 rückwirkend zum 6. Juli 2024 abgemeldet, jedoch nach den aus der Behördenakte zu entnehmenden Anhaltspunkten und für den summarischen Prüfungsmaßstab im Eilverfahren ausreichend, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 19 Abs. 3 Satz 3 PassG im Gebiet der Antragsgegnerin genommen (zum Prüfungsmaßstab Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 VwGO Rn. 103). Auch im Klage- und Antragsschriftsatz vom 10. Februar 2025 war der Antragsteller noch mit „derzeit ohne festen Wohnsitz“ benannt. An der örtlichen Zuständigkeit der Antragsgegnerin ändert auch nichts, dass der Antragstellerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 5. März 2025 mitgeteilt hat, dass die neue Anschrift seines Mandanten die … sei sowie mit Schriftsatz vom 3. April 2025 mitgeteilt hat, dass die neue Anschrift die … sei. Zum einen ist dies nicht hinreichend glaubhaft gemacht, was hinsichtlich der ersten Adressänderung insbesondere durch die Vorlage einer Meldebestätigung hätte geschehen können, da sich der Antragsteller nach § 17 Abs. 1 BMG nach Bezug einer Wohnung sowieso innerhalb von zwei Wochen bei der Meldebehörde anzumelden hat. Hinsichtlich der zweiten Adressänderung hätte der Antragsteller jedenfalls die Abschrift eines Mietvertrages und eines Arbeitsvertrages vorlegen können, um den erneuten und kurzfristigen Wechsel des Wohnortes glaubhaft zu machen und zu plausibilisieren. Zum anderen kommt es für den Zeitpunkt der Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides an, durch den der Pass nach § 8 PassG entzogen wird, da der Passentzug kein Dauer-Verwaltungsakt ist (so auch OVG Berlin-Bbg, B.v. 7.11.2011 – OVG 5 N 31.08 – juris Rn. 11; VG Berlin, U.v. 9.1.2024 – 23 K 685/21 – juris Rn. 20; VG Ansbach, U.v. 23.10.2024 – AN 18 K 24.1942 – n.v.; a.A. OVG NW, U.v. 4.5.2015 – 19 A 2097/14 – juris Rn. 23 ff.; Beimowski/Gawron, PassG, PAuswG, § 8 PassG Rn. 4).
44
bb) Die Antragsgegnerin war für die in Ziffer 2. enthaltene Anordnung, dass der Personalausweis des Antragstellers nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland berechtigt, sachlich und örtlich zuständig.
45
Die sachliche Zuständigkeit folgt aus § 7 Abs. 1 PAuswG, § 8c Abs. 1 ZustV, die örtliche Zuständigkeit aus § 8 Abs. 1 Satz 2 PAuswG (s.o. 2. a) aa)).
46
cc) Die Antragsgegnerin war für den Entzug und die Verpflichtung zur Herausgabe des Personalausweises in Ziffer 3. des Bescheides vom 23. Januar 2025 sachlich und örtlich zuständig, § 7 Abs. 1, Abs. 3 PAuswG, § 8c Abs. 1 ZustV und § 8 Abs. 1 Satz 2 PAuswG (s.o. 2. a) aa)).
47
dd) Die Antragsgegnerin war auch für die Ausstellung des Ersatz-Personalausweises in Ziffer 4. sachlich und örtlich zuständig, § 6a Abs. 5, Abs. 3, § 7 Abs. 1 PAuswG, § 8c Abs. 1 ZustV und § 8 Abs. 1 Satz 2 PAuswG (s.o. 2. a) aa)).
48
ee) Die Antragsgegnerin war schließlich für die Anordnung der Speicherung der Anordnungen aus den Ziffern 1. und 2. im polizeilichen Grenzfahndungsbestand durch Ziffer 9. des Bescheides vom 23. Januar 2025 sachlich und örtlich zuständig.
49
Zwar ist für die Speicherung im Grenzfahndungsbestand die Bundespolizei zuständig (§ 30 Abs. 4 Satz 1, § 31, § 58 Abs. 1 BPolG, § 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 Buchst. b BPolZV), aber die Mitteilung, die die Bundespolizei zur Speicherung veranlasst, kommt von der Pass-/Personalausweisbehörde (vgl. Ziff. 9.1. der Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Passgesetzes (Passverwaltungsvorschrift – PassVwV)). Außerdem liegt die Datenherrschaft bei der Pass-/Personalausweisbehörde (Beimowski/Gawron, PassG, PAauswG, § 9 PassG Rn. 5). Dies ist hier die Antragsgegnerin, s.o.
50
ff) Das Verwaltungsverfahren ist ordnungsgemäß abgelaufen. Eine Anhörung des Antragstellers vor Erlass des Bescheides vom 23. Januar 2025 war entbehrlich.
51
Grundsätzlich ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG. Der Bescheid vom 23. Januar 2025 enthält belastende Verwaltungsakte. Eine vorherige Anhörung ist unstreitig nicht erfolgt.
52
Jedoch kann gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Hier war eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig. Ein Absehen von der Anhörung kann demnach gerechtfertigt sein, wenn die Behörde aufgrund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung aus ex-ante Sicht für notwendig halten durfte, was vor allem dann der Fall ist, wenn der mit der Maßnahme bezweckte Erfolg durch die mit der Anhörung einhergehende Unterrichtung des Betroffenen über den bevorstehenden Eingriff und den Zeitverlust selbst bei Gewährung sehr kurzer Anhörungsfristen gefährdet würde (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.2004 – 6 A 10/02 – NVwZ 2005, 1435; Herrmann in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 66. Ed. 1.1.2025, § 28 VwVfG Rn. 27).
53
Die Antragsgegnerin ist hier nachvollziehbar davon ausgegangen, dass eine vorherige Anhörung des Antragstellers zu den beabsichtigten pass- und personalausweisrechtlichen Maßnahmen deren wirksamen Vollzug gefährdet hätte, in dem sie dem Antragsteller Zeit verschafft hätte, die Bundesrepublik Deutschland vor Erlass des Bescheides vom 23. Januar 2025 zu verlassen. Zwar war der Antragsteller bereits im Vorfeld des Bescheidserlasses nicht mehr in Besitz seines Reisepasses, da die Bundespolizeidirektion … diesen im Rahmen der Ausreiseuntersagung vom 30. Dezember 2024 sichergestellt hatte. Jedoch verfügte er noch über seinen Personalausweis, mit dem eine Ausreise zunächst in andere EU-Länder und auch in die an Syrien grenzende Türkei möglich gewesen wäre. Eine Ausreise hätte jedoch aus ex-ante Sicht der Antragsgegnerin im Lichte der ihr zum Antragsteller vorliegenden Erkenntnisse erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland und damit ein öffentliches Interesse im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG berührt. Angesichts der F. -Posts des Antragstellers vom 10. Dezember 2024, 08:00 Uhr und 08:36 Uhr, der Änderung seines I.-Profibildes hin zu einem Bild eines Korans mit einem Kalaschnikow-Sturmgewehr am 13. Dezember 2024, taggleich zur Ausreise in die Türkei, dessen Abmeldung der deutschen Wohnadresse am 2. Dezember 2024 rückwirkend zum 6. Juli 2024, der bereits erfolgten Ausreise in die Türkei wohl im Oktober 2024 und am 13. Dezember 2024, Angabe des aktuellen Aufenthaltsortes mit „…Syrien“ auf I. am 18. oder 20. Dezember 2024, dessen Angabe, Deutschland verlassen zu wollen sowie des Behördenzeugnisses des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 12. Dezember 2024, durfte die Antragsgegnerin in einer Gesamtschau davon ausgehen, dass der Antragsteller dem radikalen Djihadismus und dem sog. Islamischen Staat nahesteht sowie die Annahme begründet ist, dass er Auslandsreisen zum Zwecke djihadistischer bzw. mit dem sogenannten Islamischen Staat verbundener und gewalttätiger Aktivitäten nutzen würde.
54
Überdies wäre ein etwa bestehender Anhörungsmangel unterdessen gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG durch die schriftsätzlichen Äußerungen von Antragsteller- und Antragsgegnerseite geheilt worden. Zwar genügt hierfür nicht alleine das Vorbringen der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren, sondern ist erforderlich, dass der Betroffene seine Einwendungen vorbringen kann, diese von der Behörde zur Kenntnis genommen werden und diese das Vorbringen zum Anlass nimmt, ihre Entscheidung kritisch zu überdenken (BayVGH, B.v. 28.7.2022 – 22 ZB 21.3088 – juris Rn. 19). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Zunächst hat der Antragstellerbevollmächtigte in den Schriftsätzen vom 10. Februar 2025 und vom 5. März 2025 die Verletzung der Anhörungspflicht gerügt und sodann zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG sowie zur Ermessensausübung und Verhältnismäßigkeit und überdies neue Umstände, wie die mutmaßlich neue Anschrift des Antragstellers, vorgetragen. Die Antragsgegnerin ist auf die durch die Antragstellerseite aufgegriffenen Punkte in den Schriftsätzen vom 18. Februar 2025 und 12. März 2025 im Einzelnen eingegangen und hat sie aus ihrer Sicht widerlegt. Darin ist ein kritisches Überdenken im obigen Sinne enthalten und die Anhörung somit gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG nachgeholt.
55
b) Der Bescheid vom 23. Januar 2025 ist, soweit er Verfahrensgegenstand ist, bei summarischer Prüfung auch materiell rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten aa) Der in Ziffer 1. des Bescheides vom 23. Januar 2025 enthaltene Entzug des Reisepasses des Antragstellers mit der Nummer …, ausgestellt durch die Stadt … am 27. Mai 2022, ist materiell rechtmäßig.
56
Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist vorliegend, wie bei der Anfechtungsklage im Allgemeinen, der Zeitpunkt der Behördenentscheidung, somit der Erlass des streitgegenständlichen Bescheides. Denn im Gegensatz zu der räumlichen Beschränkung eines Passes oder Personalausweises, welche Dauerwirkung hat, weil der Pass oder Ausweis im Übrigen seine Gültigkeit behält, trifft die Behörde bei der Passentziehung eine einmalige Regelung. Der Entzug des Reisepasses hat dessen gänzlichen Verlust und anschließende Vernichtung zur Folge (vgl. Ziffer 8.4 i.V.m. 12.1.3 PassVwV; Hornung in Hornung/Möller, PassG – PersonalausweisG, 1. Auflage 2011, § 8 PassG, Rn. 6). Zudem kann nach einer Passentziehung ein neuer Pass beantragt und ausgestellt werden (vgl. zum Ganzen VG Ansbach, U.v. 23.10.2024 – AN 18 K 24.1942 – n.v.; U.v. 23.2.2017 – AN 5 K 15.01676 – juris Rn. 48; sowie OVG Berlin-Bbg, B.v. 9.5.2016 – OVG 5 N 27.14 – juris Rn. 8; B.v. 7.11.2011 – OVG 5 N 31.08 – juris Rn. 11; VG Berlin, U.v. 5.12.2023 – 23 K 83/23 – juris Rn. 21; U.v. 9.1.2024 – 23 K 685/21 – juris Rn. 20; a. A. OVG NW, U.v. 4.5.2015 – 19 A 2097/14 – juris Rn. 23; Beimowski/Gawron, PassG, PAuswG, 1. Aufl. 2018, § 8 PassG Rn. 4).
57
(1) Rechtsgrundlage für die Entziehung des Reisepasses ist § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Nach § 8 PassG kann ein Pass oder ein ausschließlich als Passersatz bestimmter amtlicher Ausweis dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekanntwerden, die nach § 7 Abs. 1 die Passversagung rechtfertigen würden. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.
58
(2) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG in der Variante der Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland sind erfüllt und die Antragsgegnerin hat das ihr zustehende Ermessen noch rechtmäßig ausgeübt.
59
Der Begriff der sonstigen erheblichen Belange der Bundesrepublik ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Vorliegen das Verwaltungsgericht in vollem Umfang nachzuprüfen hat. Unter den Begriff fallen solche Belange, die in ihrer Erheblichkeit den beiden anderen Tatbeständen, wenn auch nicht gleich-, so doch nahekommen, die so erheblich sind, dass sie der freiheitlichen Entwicklung in der Bundesrepublik aus zwingenden staatspolitischen Gründen vorangestellt werden müssen (BVerwG, U.v. 29.8.1968 – I C 67.67 – BeckRS 1968, 31303266). Dazu zählen etwa Handlungen, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (OVG MV, B.v. 17.12.2021 – 1 M 525/21, 1 M 525/21 OVG – juris Rn. 18), etwa: Beteiligung an Gewalttätigkeiten im Ausland, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen und das internationale Ansehen Deutschlands zu schädigen. Auch die Beteiligung am militanten Djihad ist geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen. Terroranschläge oder Gewaltakte des militanten Djihad, an denen deutsche Staatsangehörige mitwirken, tangieren massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder sowie der internationalen Staatengemeinschaft und sind geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig zu beeinträchtigen. Dies unterstreicht der Umstand, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der am 24. September 2014 verabschiedeten Resolution 2178 (2014) die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Personen, die im Ausland terroristische Taten begehen wollen, an der Einreise, dem Transit und der Ausreise zu hindern und entsprechende Taten unter Strafe zu stellen. Dabei werden sämtliche Vorbereitungs-, Unterstützungs- und Finanzierungshandlungen erfasst. Zudem gibt eine Vielzahl der militanten Kämpfer seine Herkunft und seine Staatsangehörigkeit in Videobotschaften in den sozialen Netzwerken öffentlich bekannt und kokettiert nicht selten sogar damit, Bürger eines westlichen Staates zu sein, den dieser Staat eingebürgert hat (NdsOVG, U.v. 18.7.2024 – 11 LC 51/23 – juris Rn. 90; OVG NW, U.v. 4.5.2015 – 19 A 2097/14 – juris Rn. 28 ff.).
60
Eine Ausreise des Antragstellers nach Syrien, um dort als deutscher Staatsbürger djihadistisch motivierte Gewalttaten zu begehen oder zu unterstützen, gegebenenfalls in den Strukturen des sog. Islamischen Staates, wäre somit ein sonstiger erheblicher Belang der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG.
61
Der Passentzug nach § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt weiter voraus, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passinhaber sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Die die Gefahrenprognose stützenden Tatsachen müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind (VG Aachen, U. v. 26.8.2009 – 8 K 637/09 – juris Rn. 46). Die Behörde kann dabei auch auf länger zurückliegende Tatsachen zurückgreifen, etwa, wenn sich der Passinhaber nicht überzeugend von seiner inneren Einstellung zum militanten Djihadismus distanziert hat (OVG NW, B.v. 8.6.2017 – 19 B 89/17 – juris Ls., Rn. 6). Der Passentzug setzt weder eine rechtskräftige Verurteilung noch den eindeutigen Beweis eines der in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG genannten Tatbestände voraus. Umgekehrt genügen allgemeine Erfahrungen, die bloße Möglichkeit, Vermutungen oder eine bloßer Verdacht nicht (OVG MV, B.v. 17.12.2021 – 1 M 525/21, 1 M 525/21 OVG – juris Rn. 18; OVG NW, B.v. 16.4.2014 – 19 B 59/14 – NVwZ-RR 2014, 593, 594). Ebenfalls keine Tatsachen, sondern Schlussfolgerungen aus Tatsachen sind Einschätzungen von Polizeibeamten oder Sicherheitsbehörden, der Betroffene gehöre zu einer bestimmten Gruppe (OVG Bremen, B.v. 28.3.2017 – 1 LA 23/16 – juris Rn. 5). In der Rechtsprechung ist es u.a. als grundsätzlich ausreichend für den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG angesehen worden, wenn der Betroffene sich in einem sozialen Netzwerk als in Syrien befindlich mit einem Maschinengewehr bewaffnet in Tarnweste und schwarzer Kopfbedeckung mit arabischer Aufschrift präsentiert hat (VG Aachen, B.v. 31.3.2016 – 8 L 1094/15 – juris Rn. 21 ff.).
62
Gemessen an diesem Maßstab liegen beim Antragsteller Tatsachen vor, die die Annahme begründen, dass durch ihn sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik gefährdet werden – hier durch eine Ausreise nach Syrien, um dort als deutscher Staatsbürger djihadistisch motivierte Gewalttaten zu begehen oder zu unterstützen, gegebenenfalls in den Strukturen des sog. Islamischen Staates. Diese Anknüpfungstatsachen sind beim Antragsteller vor allem dessen Abmeldung der deutschen Wohnadresse am 2. Dezember 2024 rückwirkend zum 6. Juli 2024, dessen jüngere Postings auf F. vom 10. Dezember 2024, 08:00 und 08:36 Uhr, die Änderung seines I.-Profibildes hin zu einem Bild eines Korans mit einem Kalaschnikow-Sturmgewehr am 13. Dezember 2024, taggleich zur Ausreise in die Türkei, der Angabe des aktuellen Aufenthaltsortes mit „…Syrien“ auf I. am 18. oder 20. Dezember 2024, der bereits erfolgten Ausreise in die Türkei wohl im Oktober 2024, dessen Angabe, Deutschland verlassen zu wollen sowie das Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz in seinem Tatsachenkern. Wenn auch nicht jeder einzelne Umstand für sich genommen die Annahme einer Gefährdung erheblicher Belange Deutschlands zu tragen vermag, so sind es doch sämtliche Umstände in einer Gesamtschau.
63
Soweit der Antragstellerbevollmächtige speziell zum F. -Posting vom 10. Dezember 2024, 08:00 Uhr, vorgetragen hat, es handele sich dabei – angesichts der enormen Qualen, die die syrische Armee über das syrische Volk gebracht habe und angesichts der Verluste, die sunnitische Syrer, wie auch der Antragsteller, im familiären Bereich hätten erleiden müssen – um eine normale und nachvollziehbare emotionale menschliche Reaktion gepaart mit einer konservativen islamischen Rechtsansicht, vermag dies die Radikalität der Äußerung des Antragstellers und die Verwertung als Anknüpfungstatsache im Rahmen des § 8, § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG nicht zu tilgen. Wenn der Antragsteller schreibt, Allah solle demjenigen Heil schenken, der gesagt habe „Tötet sie, selbst wenn sie sich an die Vorhänge der Kaaba klammern!“ und „Unsere Religion ist das Wort Allahs, der sagte (…): Es steht keinem Propheten zu, Gefangene zu haben, bis er (den Feind überall) im Land schwer niedergekämpft hat“ so bringt er unverhohlen zum Ausdruck, dass die, die er als (seine) Gegner betrachtet, zu töten sind und dies religiös legitimiert, wenn nicht gar vorgeschrieben ist. Eine so geäußerte Weltanschauung lässt sich auch nicht mit dem Etikett einer konservativen islamischen Rechtsansicht verbrämen. Noch dazu steht diese Äußerung nicht alleine, sondern gesellt sich zum F. -Posting des Antragstellers vom selben Tag um 08:36 Uhr, das eine Seite aus der Koranexegese des Gelehrten al-Qurtubi zeigt und folgende Stelle zitiert: „Und wenn der Muslim den Ungläubigen trifft und keinen Vertrag (mit ihm hat), so ist es ihm erlaubt, ihn zu töten“. Da hier nichts für eine andere, etwa wissenschaftliche Motivation, sich mit dem Text auseinanderzusetzen, ersichtlich ist, ist davon auszugehen, dass der Antragsteller die Aussage affirmiert und somit erneut die Tötung, dieses Mal sog. Ungläubiger aus religiösen Gründen rechtfertigt. An dieser Bewertung ändert auch nichts, dass hinsichtlich des ersten Postings nicht ganz klar ist, was das Bild zeigt, über dem das Posting angebracht wurde. Dort sind gefangene Soldaten, die vor zwei Männern knien und jubelnd die Hände heben, beschrieben. Der Antragstellerbevollmächtigte und die Antragsgegnerin gehen wohl davon aus, dass dort Soldaten der Widerstandskämpfer der HTS-Miliz (die mittlerweile die Macht in Syrien übernommen hat) Soldaten des Assad-Regimes freilassen und der Antragsteller sich hierüber auslässt, jedoch scheint es angesichts der Beschreibung des Postings durch die Bundespolizei in der Ausreiseuntersagung vom 30. Dezember 2024 so zu sein, dass hier Soldaten des Assad-Regimes wohl noch gefangene HTS-Kämpfer freilassen und sich hierfür rühmen, was der Antragsteller kritisiert. Die Aufklärung dieser Unklarheit bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, da sie an der in dem Post zum Ausdruck kommenden islamistischen Radikalität nichts ändert.
64
Die beiden F. -Postings vom 10. Dezember 2024 sind weiter in den Kontext der Tatsachen, dass der Antragsteller am 2. Dezember 2024 seine deutsche Wohnadresse rückwirkend zum 6. Juli 2024 abgemeldet hat, am 13. Dezember 2024 über den Flughafen … in die Türkei nach … ausgereist ist und taggleich sein I.-Profilbild von einem Selfie auf das Bild eines Korans mit Kalaschnikow-Sturmgewehr geändert hat, am 18. Dezember 2024 auf I. seinen Aufenthalt mit …Syrien angegeben hat und schließlich, dass aus dem Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 12. Dezember 2024 hervorgeht, dass die Handynummer des Antragsteller eigentlich einem Herrn … zuzuordnen ist, der wiederum Unterstützer des sog. Islamischen Staates sein und die Absicht haben soll, Deutschland zu verlassen, um sich dem IS anzuschließen, zu stellen.
65
Soweit der Antragstellerbevollmächtigte zunächst am 5. März 2025 vorgetragen hat, dass der Antragsteller nunmehr die Anschrift … habe, vermochte dies nicht die Abmeldung vom 2. Dezember 2024 zu relativieren. Zum einen ist die neue Anschrift im Eilverfahren nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden, was insbesondere durch die Vorlage einer Meldebestätigung hätte geschehen können, da sich der Antragsteller nach § 17 Abs. 1 BMG nach Bezug einer Wohnung sowieso innerhalb von zwei Wochen bei der Meldebehörde anzumelden gehabt hätte. Zum anderen kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 23. Januar 2025 auf den Zeitpunkt des Bescheidserlasses an (s.o.). Gleiches gilt für die jüngst mit Schriftsatz des Antragstellerbevollmächtigten vom 3. April 2025 angegebene neue Anschrift … und der Mitteilung, der Antragsteller arbeite seit 1. April 2025 in … als Heilerziehungspfleger. Auch hier wurde nicht etwa ein Arbeitsvertrag oder die Abschrift eines Mietvertrages vorgelegt, was insbesondere angesichts des zeitlich schnell aufeinanderfolgenden Wechsels des angegebenen Wohnortes – zwischen den Mitteilungen liegt ein Zeitraum von weniger als einem Monat – zur Glaubhaftmachung und Plausibilisierung erforderlich gewesen wäre.
66
Auch soweit der Antragstellerbevollmächtigte durch eine umfangreiche Schilderung zweier Kontrollen des Antragstellers durch die Bundespolizei am 16. Oktober 2024 und am 7. Dezember 2024, bei denen es sich um sog. R. P. gehandelt habe, die Aussage des Antragstellers, dieser wolle nicht mehr lange in Deutschland bleiben, als im Zustand höchster Erregung ausgesprochen und somit wohl nicht wörtlich zu nehmen beschreibt, erscheint dies einerseits wenig glaubhaft, da der Antragsteller am 13. Dezember 2024 zunächst unter Mitnahme etlicher persönlicher Dokumente (Abschlusszeugnis als Erzieher und Kinderpfleger, Einbürgerungsurkunde, ärztliche Bescheinigungen, Geburtsurkunde, Schulzeugnisse, weitere persönliche Unterlagen) zunächst in die Türkei und dann nach Syrien ausgereist ist. Zwar ist er am 30. Dezember 2024 wieder nach Deutschland eingereist, jedoch ist es nicht plausibel für einen Kurzaufenthalt im Ausland mit geplanter Rückkehr eine Vielzahl persönlicher Dokumente mitzuführen, die nicht Reisezwecken dienen. Davon abgesehen tritt diese Aussage des Antragstellers im Rahmen der Gefahrenprognose zurück und kommt es vor allem auf sein tatsächliches Reiseverhalten und die hieraus gezogenen Schlüsse an. Insoweit der Antragstellerbevollmächtigte vorträgt, es spreche gegen den Willen seines Mandanten, sich in Syrien einer terroristischen Organisation anzuschließen, dass er wieder nach Deutschland eingereist sei, obwohl er zu diesem Zeitpunkt keinen festen Wohnsitz gehabt habe, so erschüttert dies nicht die zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 23. Januar 2025 angestellte Gefahrenprognose. Zwar ist ihm zuzugeben, dass der Antragsteller tatsächlich in Syrien hätte bleiben können. Jedoch spricht dies nicht gegen die Annahme, dass der Antragsteller weiterhin eine (erneute) Ausreise insbesondere nach Syrien beabsichtigt, um dort djihadistisch motivierte Gewalttaten zu begehen oder zu unterstützen. Bisherige Reisen nach Syrien können nämlich auch der Kontaktaufnahme oder Vorbereitungshandlungen gedient haben und sind insofern kein zwingendes Gegenargument.
67
Wenn der Antragstellerbevollmächtigte weiter vorträgt, die Reise nach Syrien habe dem Besuch von Verwandten gedient und sei angesichts der politischen Stabilisierung bestimmter Gebiete nachvollziehbar, ist dies im Gesamtkontext unglaubhaft. Wenn wirklich ein Familienbesuch Ziel der Reise des Antragstellers nach Syrien gewesen wäre, wäre eine entsprechende Glaubhaftmachung zu erwarten gewesen, etwa durch die Nennung der besuchten Verwandten (Eltern, Großeltern, Geschwister, etc.) oder des konkreten Besuchsortes und nicht bloß eine abstrakte und detailarme Aussage in zwei Sätzen.
68
Hinsichtlich des Behördenzeugnisses des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 12. Dezember 2024 ist dem Antragstellerbevollmächtigten zuzugeben, dass dieses keine Ausführungen zu den Quellen oder zugrundeliegenden Daten für die Erkenntnisse des Bundesamtes enthält und dass die dort getroffenen Schlussfolgerungen zur Unterstützung des IS durch die genannten Personen keine Tatsachen, sondern Schlussfolgerungen aus (nicht vollständig offengelegten) Tatsachen sind (OVG Bremen, B.v. 28.3.2017 – 1 LA 23/16 – juris Rn. 5). Jedenfalls eine Tatsache ist es aber, dass die Handynummer des Antragstellers Herrn … zugeordnet werden konnte. Dessen Zuordnung zum islamistischen Spektrum wiederum ist zwar lediglich Schlussfolgerung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, was, wenn dessen Behördenzeugnis die einzige Anknüpfungstatsache für den Passentzug wäre, nicht ausreichen würde (OVG Bremen a.a.O.). Jedoch bildet das Behördenzeugnis nur einen Mosaikstein der Gefährdungsprognose und entfaltet zusammen mit den anderen Anknüpfungstatsachen das nötige Gewicht für eine Gefahrenprognose im Rahmen der § 8, § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, die eben nicht den eindeutigen Beweis voraussetzt und hier deutlich die untere Schwelle der allgemeinen Erfahrungen, der bloßen Möglichkeit, von Vermutungen oder einem bloßen Verdacht überschreitet (OVG MV, B.v. 17.12.2021 – 1 M 525/21, 1 M 525/21 OVG – juris Rn. 18; OVG NW, B.v. 16.4.2014 – 19 B 59/14 – NVwZ-RR 2014, 593, 594).
69
(3) Es ist weiter unschädlich, dass die Begründung des Bescheides vom 23. Januar 2025 nicht alle der unter II. 2. b) aa) (2) genannten tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die Gefährdungsprognose im Rahmen des § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG aufgeführt hat. Die in Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG normierte Begründungspflicht ist zum einen formell-rechtlicher Natur und insoweit wurde sie gewahrt. In materiell-rechtlicher Hinsicht können Gründe, auf die ein Verwaltungsakt nicht ausdrücklich gestützt wurde, nachgeschoben werden, wenn die nachgeschobenen Gründe schon zur Zeit des Erlasses des Verwaltungsakts vorgelegen haben, der Verwaltungsakt durch deren Berücksichtigung nicht in seinem Wesen geändert und dem Betroffenen die Rechtsverteidigung dadurch nicht unzumutbar erschwert wird (BVerwG, U.v. 16.6.1997 – 3 C 22-96 – NJW 1998, 2233, 2234; Decker in Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, 72. Ed. 1.1.2025, § 113 VwGO Rn. 23 ff.).
70
Von dieser Möglichkeit hat die Antragsgegnerin durch den Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 19. Februar 2025 in zulässiger Weise Gebrauch gemacht.
71
(4) Die Antragsgegnerin hat von dem ihr im Rahmen des § 8 PassG, Art. 40 BayVwVfG zukommenden Ermessen rechtmäßig im Sinne des § 114 VwGO Gebrauch gemacht.
72
Zwar finden sich im Bescheid vom 23. Januar 2025 keine explizit als Ermessenserwägungen deklarierte Ausführungen. Jedoch ist aus der vorletzten Seite des Bescheides ersichtlich, dass aus Sicht der Antragsgegnerin für die Passversagung und damit auch den Passentzug eine positive Gefahrenprognose erforderlich und die Passversagung angesichts der Profile des Antragstellers in den sozialen Medien geeignet ist. Weiter finden sich auf Seite 3 Ausführungen dazu, dass die Teilnahme am bewaffneten Djihad das internationale Ansehen und massiv die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen würde und geeignet wäre, diplomatische Spannung hervorzurufen. Auch ging die Antragsgegnerin vom jederzeitigen Ausreisewillen des Antragstellers aus und wollte angesichts der aus ihrer Sicht gegebenen Sicherheitsgefährdung das Risiko nicht hinnehmen (Seite 3).
73
Insofern hat die Antragsgegnerin gesehen, dass ein Passentzug zum Schutz der Interessen des Antragstellers den Voraussetzungen des § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG unterliegt und umgekehrt aus ihrer Sicht so dringende Anhaltspunkte vorlagen, dass der Ausspruch eines Passentzuges gerechtfertigt ist. Sie hat also in der Sache Ermessenserwägungen angestellt, ohne dies so zu bezeichnen und sich hierbei in den gesetzlichen Grenzen des Ermessens gehalten. Denn im Rahmen des § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG hat es zu einer Abwägung gefahrenabwehrrechtlicher Belange mit den Interessen des Antragstellers am Behalten des Reisepasses und damit vollständiger Reisefreiheit zu kommen.
74
Im Übrigen hat der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin deren Ermessenserwägungen im Schriftsatz vom 19. Februar 2025 nochmals klargestellt. Darin liegt noch keine Ergänzung von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO (zu den Voraussetzungen: Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 114 Rn. 89 ff. m.w.N.). Selbst wenn man dies anders sähe, wären die Voraussetzungen des § 114 Satz 2 VwGO erfüllt.
75
(5) Die Entziehung des Reisepasses war schließlich verhältnismäßig. Zwar sieht § 8 PassG, anders als § 7 Abs. 2 PassG – „Von der Passversagung ist abzusehen, wenn sie unverhältnismäßig ist, insbesondere wenn es genügt, den Geltungsbereich oder die Gültigkeitsdauer des Passes zu beschränken.“ – nicht ausdrücklich mildere Mittel im Vergleich zum vollständigen Entzug des Reisepasses vor. Gleichwohl ist auch beim Passentzug eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen und können auch „Minusmaßnahmen“ wie die Beschränkung des Passes in Betracht kommen, obwohl sie nicht ausdrücklich in § 8 PassG formuliert sind (Beimowski/Gawron, PassG, PAauswG, 1. Aufl. 2018, § 8 PassG Rn. 7).
76
Der Entzug des Reisepasses ist insbesondere in der hier vorliegenden Kombination mit dem Entzug des Personalausweises eine einschneidende Maßnahme für den Antragsteller in Bezug auf seine durch Art. 2 Abs. 1 GG und, soweit es die unionsrechtlichen Personenverkehrsfreiheiten betrifft, durch Art. 21 AEUV, geschützte (Aus) Reise- und Auswanderungsfreiheit (Ogorek in Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 60. Ed. 15.6.2024, Art. 11 GG Rn. 14 f.; Art. 11 GG ist nicht einschlägig). Die Maßnahme ist jedoch verhältnismäßig. Sie ist insbesondere geeignet, den gefahrenabwehrrechtlichen Zweck des § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu fördern. Weiter ist sie erforderlich, da angesichts der festgestellten Gefahrenprognose mildere, aber gleich wirksame Maßnahmen nicht ersichtlich sind. Insbesondere wäre eine bloße Beschränkung des Reisepasses, etwa auf einzelne Staaten, nicht ausreichend. Zwar wäre theoretisch denkbar, den Reisepass insofern zu beschränken, als Länder auf der typischen Reiseroute von Deutschland nach Syrien, also insbesondere die Türkei, nicht mehr umfasst wären. Jedoch wäre dies aus gefahrenabwehrrechtlicher Sicht ineffektiv, da der Antragsteller die Maßgabe verhältnismäßig leicht umschiffen könnte, indem er über andere Länder ins Zielland einreist. Alle möglichen Einreiserouten nach Syrien zu erfassen, wäre weder praktikabel noch aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten erforderlich. Schließlich ist der Passentzug auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die seitens der Antragsgegnerin angestellte und durch die Kammer als zutreffend angesehene Gefahrenprognose begründet ein erhebliches Risiko, dass der durch eine radikalislamistische Weltanschauung einschließlich der Billigung tödlicher Gewalt gegen selbst definierte Feinde und Ungläubige mit Bezug auf Syrien geprägte Antragsteller wieder dorthin ausreist und dort djihadistisch motivierte Gewalttaten ausübt oder unterstützt, die erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Dies vermag die erhebliche Beschneidung der Reisefreiheit des Antragstellers zu rechtfertigen. Zudem besteht für den Antragsteller die Möglichkeit, erneut einen Reisepass zu beantragen, wenn er sich glaubhaft von der radikal-islamistischen Ideologie distanziert hat. Schließlich hat die Antragsgegnerin die Dauer des Passentzuges durch Ziffer 6. des Bescheides vom 23. Januar 2025 bis zum 22. Januar 2028 zeitlich begrenzt, um die Verhältnismäßigkeit zu wahren.
77
bb) Die in Ziffer 2. des Bescheides vom 23. Januar 2025 erfolgte Anordnung, dass der Personalausweis des Antragstellers mit der Nummer …, ausgestellt von der Stadt … am 27. Mai 2022, nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland berechtigt, ist rechtmäßig.
78
Rechtsgrundlage für diese Anordnung ist § 6 Abs. 7 PAuswG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG liegen vor; insoweit wird auf die obigen Ausführungen zum Passentzug verwiesen. Die räumliche Beschränkung (und letzten Endes der Entzug des) Personalausweises waren hier wie dort zur Gefahrenabwehr erforderlich. Denn auch mit dem Personalausweis hätte der Antragsteller wenigstens in andere EU-Länder und die Türkei ausreisen und von dort aus seine Reise voraussichtlich nach Syrien fortsetzen können, s. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassV, Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 der RL 2004/38/EG (Freizügigkeits-RL), Art. 1 Europäisches Übereinkommen über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates.
79
Wie der Passentzug ist auch die räumliche Beschränkung des Personalausweises nach § 6 Abs. 7 PAuswG ein Ermessensverwaltungsakt (Art. 40 BayVwVfG). Das Ermessen wurde auch hier rechtmäßig ausgeübt. Da keine grundsätzlich anderen Ermessenserwägungen im Vergleich zur gravierenderen Maßnahme des Passentzugs anzustellen waren, durfte die Antragsgegnerin dies einheitlich handhaben. Die Verhältnismäßigkeit ist gewahrt.
80
cc) Der Entzug des Personalausweises in Ziffer 3. des Bescheides vom 23. Januar 2025 ist rechtmäßig.
81
Rechtsgrundlage für den Entzug des Personalausweises ist § 6a Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2, § 6 Abs. 7 PAuswG und § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 7 PAuswG und des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG liegen vor (s.o.); die Anordnung nach § 6 Abs. 7 PAuswG ist gemäß § 30 PAuswG vollziehbar.
82
Weiter fordert § 6a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 PAuswG für den Fall einer Anordnung nach § 6 Abs. 7 PAuswG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, dass die Gefährdung darin bestehen muss, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Ausweisinhaber rechtswidrig Gewalt gegen Leib oder Leben als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer oder religiöser Belange anwendet oder eine solche Gewaltanwendung unterstützt oder vorsätzlich hervorruft. Angesichts des zur Gefahrenprognose im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG Ausgeführten, insbesondere der beiden F. -Postings vom 10. Dezember 2024, ist wenigstens davon auszugehen, dass der Antragsteller eine rechtswidrige Gewaltanwendung gegen Leib oder Leben zur Durchsetzung international ausgerichteter religiöser Belange, nämlich des radikalen D., unterstützt.
83
Der Entzug des Personalausweises steht ebenfalls im Ermessen der Personalausweisbehörde. Das Ermessen wurde rechtmäßig ausgeübt, es sind keine anderen Ermessenserwägungen als schon beim Passentzug und der räumlichen Beschränkung des Personalausweises nach § 6 Abs. 7 PAuswG, die wiederum Voraussetzung für den Entzug des Personalausweises ist, anzustellen (s.o.). Die Verhältnismäßigkeit ist wie beim und auch in Kombination des Personalausweisentzugs mit dem Passentzug gewahrt. Nur beide Maßnahmen in Kombination sind zur Gefahrenabwehr durch eine umfassende Ausreiseuntersagung erforderlich und angesichts der drohenden Gefahren auch im engeren Sinne verhältnismäßig (s.o.). Zum Zwecke der Erfüllung der Ausweispflicht aus § 1 Abs. 1 PAuswG wurde dem Antragsteller gemäß § 6a Abs. 3 PAuswG ein Ersatz-Personalausweis ausgestellt.
84
Die Verpflichtung zur Herausgabe des entzogenen Personalausweises in Satz 2 der Ziffer 3. des Bescheids vom 23. Januar 2025 beruht auf § 29 Abs. 2 Nr. 3, § 7 Abs. 3, § 6a Abs. 2 PAuswG. Sie erfolgte rechtmäßig.
85
dd) Die in Ziffer 4. des Bescheides vom 23. Januar 2025 enthaltene Ausstellung eines Ersatz-Personalausweises ist rechtmäßig.
86
Die Ausstellung eines Ersatz-Personalausweises bei Entzug des Personalausweises basiert auf und wird gefordert durch § 6a Abs. 3 PAuswG. Sie erfolgt ohne Antrag von Amts wegen, § 9 Abs. 6 Satz 1 PAuswG und für Personen, die wie der Antragsteller gemäß § 1 Abs. 1 PAuswG der Personalausweispflicht unterliegen. Der Antragsteller war auch verpflichtet, diesen entgegenzunehmen (Beimowski/Gawron, PassG, PAuswG, 1. Aufl. 2018, § 6a PAuswG Rn. 22), was er am 24. Januar 2025 getan hat.
87
ee) Die in Ziffer 9. geregelte Speicherung der Anordnungen aus Ziffer 1. und 2. jeweils des Bescheides vom 23. Januar 2025 ist rechtmäßig.
88
Sie basiert für den Passentzug aus Ziffer 1. auf § 9 PassG und für die Beschränkung des räumlichen Geltungsbereichs des Personalausweises aus Ziffer 2. auf § 6 Abs. 8, Abs. 7 PAuswG. Zweifel an der Rechtmäßigkeit sind nicht ersichtlich.
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c) Selbst wenn man entgegen der obigen Ausführungen die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers als offen betrachten würde, käme es zu einer allgemeinen, von den Erfolgsaussichten unabhängigen Abwägung der widerstreitenden Interessen (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2023 – 15 CS 23.95 – juris Rn. 23), die zugunsten der Antragsgegnerin ausfallen würde. Die Abwägung der widerstreitenden Interessen wäre nach der sog. Doppelhypothese vorzunehmen, also durch Gegenüberstellung der Lage bei einem angenommenen Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache, aber unterbliebener Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit derjenigen bei einem angenommenen Unterliegen in der Hauptsache, aber erfolgter Anordnung der aufschiebenden Wirkung (hierzu Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 46. EL August 2024, § 80 VwGO Rn. 371, 375 ff. m.w.N.). Hätte der Antragsteller in der Hauptsache Erfolg und wäre im Eilverfahren nicht zu seinen Gunsten entschieden worden, bestünde sein Nachteil darin, dass er bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache (oder Erfolg im Beschwerdeverfahren) ohne Reisepass und regulären Personalausweis leben müsste, also vor allem keine Auslandsreisen unternehmen könnte. Sollte er allerdings, wie sich aus dem jüngsten Vortrag der Antragsgegnerin ergibt, über einen syrischen Reisepass verfügen, minderte sich diese Belastung erheblich, was aber im Ergebnis dahinstehen kann. Würde der Antragsteller hingegen im Eilverfahren obsiegen und in der Hauptsache unterliegen, käme er, so sein Bevollmächtigter noch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO stellen sollte, wieder in den vorläufigen Genuss von Reisepass und regulärem Personalausweis und könnte ungehindert ins Ausland ausreisen. Angesichts der vorliegenden Anhaltspunkte für eine radikal-islamistische Ausrichtung des Antragstellers unter Billigung der Tötung von selbst definierten Feinden und Ungläubigen, seines bisherigen Reiseverhaltens, der weiteren Social-Media-Inhalte, der unklaren Verhältnisse zu einem festen Wohnsitz in Deutschland und der Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu seiner, einem anderen Namen zugeordneten Mobilfunknummer, ergibt sich das substanzielle Risiko irreversibler Schäden und der Beeinträchtigung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland durch eine Ausreise insbesondere nach Syrien und dortige Unterstützung oder Begehung djihadistisch motivierter Gewalthandlungen. Dieses ist höher zu gewichten als die temporäre Einbuße von Reisepass und Personalausweis bis zu einem etwaigen Obsiegen im Hauptsacheverfahren.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach dessen Nr. 30.1 ist bei Streitigkeiten betreffend den Personalausweis oder Reisepass der Auffangstreitwert anzusetzen. Dies sind gemäß § 52 Abs. 2 GKG 5.000 EUR. Dieser Wert ist zunächst nach Ziffer 1.1.1 des Streitwertkatalogs zu verdoppeln, da Streitgegenstand sowohl der Entzug des Reisepasses als auch des Personalausweises ist, die trotz der materiell-rechtlichen Verbindungen jeweils einen selbstständigen materiellen Gehalt haben; die Beschränkung des räumlichen Geltungsbereiches des Personalausweises bleibt insoweit als Vorstufe zu dessen Entzug außer Betracht. Gleiches gilt für Annexentscheidungen wie die Speicherung im polizeilichen Grenzfahndungsbestand und die Ausstellung eines Ersatz-Personalausweises. Die sich so ergebenden 10.000 EUR sind sodann wegen Ziffer 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs zu halbieren, womit sich ein Streitwert von 5.000 EUR ergibt.