Inhalt

LG München II, Beschluss v. 20.03.2025 – 2 T 1795/24 NOT
Titel:

Gesamtrechtsnachfolger, Willenserklärungen, Rechtsnachfolger, Erteilung von Abschriften, Recht auf Abschriften, Urkundsbeteiligter, Nichtabhilfeentscheidung, Anspruch auf Erteilung, Notariat, Notarielle, Kostenentscheidung, Ausfertigung einer Urkunde, Sonderrechtsnachfolger, Auskunftsbegehren, Urkunden, Außergerichtliche Kosten, Einsichtsrecht, Nichtabhilfebeschluss, Auskunftsanspruch, Beschwerdebegründung

Schlagworte:
Abschrifterteilung, Gesamtrechtsnachfolge, Beschwerdeverfahren, Rechtsnachfolgeranspruch, Urkundenbezug, Landgerichtsbeschluss
Fundstelle:
BeckRS 2025, 8804

Tenor

1. Der Notar ... wird angewiesen, der Antragstellerin eine Abschrift der Urkunde vom 22.4.2013 URNr. ... zu erteilen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
1
Mit Schriftsatz vom 02.04.2024 beantragte die Antragstellerin bei Herrn Notar ... die Erteilung einer Abschrift betreffend eine Urkunde vom 22.04.2013 URNr. ....
2
In der genannten Urkunde hat Frau ... als Veräußerin Grundbesitz überlassen.
3
Frau ... ist verstorben und wurde zumindest zu 1/2 beerbt von ihrem ..., welcher am ... 2023 ebenfalls verstorben ist und von der Antragstellerin beerbt wurde.
4
Die entsprechenden Nachweise der bezeichneten Erbfolgen nach der Veräußerin wurden erbracht.
5
Mit Anwaltsschreiben vom 02.04.2024 bat die Antragstellerin um Erteilung einer Abschrift als Rechtsnachfolgerin der Veräußerin.
6
Seitens des Notars ... wurde die Erteilung der Abschrift unter Bezugnahme auf einen Ablehnungsbeschluss sowie einen Nichtabhilfebeschluss in einem Parallelverfahren betreffend die Urkunde vom 27.09.2016 URNr. ... abgelehnt.
7
Mit Anwaltsschreiben vom 25.04.2024 hat die Antragstellerin gegen die Ablehnung Beschwerde gemäß § 54 BeurkG eingelegt.
8
Mit Beschluss des Notars ... vom 06.05.2024 wurde der Beschwerde nicht abgeholfen und die Angelegenheit dem Landgericht München II zur Entscheidung vorgelegt.
9
Der Notar führte im Rahmen seiner Nichtabhilfeentscheidung aus, die Antragstellerin habe zu seiner Überzeugung ihre Rechtsstellung als Erbeserbin und damit grundsätzlich als Gesamtrechtsnachfolgerin der Veräußerin im Sinne des § 51 Abs. 1 BeurkG nachgewiesen.
10
Ausweislich einer Stellungnahme der Landesnotarkammer setze die Erteilung einer Abschrift jedoch auch im Fall der Gesamtrechtsnachfolge eine Rechtsnachfolge eine konkrete Rechtsposition voraus, die Gegenstand der Urkunde gewesen sei. Diese Voraussetzungen seien bei der Antragstellerin nicht gegeben. Herr Notar ... sei daher weiterhin an das Bestehen seiner Schweigepflicht im Sinne von § 18 Abs. 3 BNotO gebunden.
11
Die Antragstellerin führt im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung aus, dem Gesamtrechtsnachfolger stehe ein umfassendes Einsichtsrecht bzw. das Recht auf Abschriften und Ausfertigungen zu. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut von § 51 Abs. 1 BeurkG. Eine Beteiligung des Rechtsnachfolgers an der Urkunde, in die Einsicht genommen werden soll, sei nicht erforderlich.
12
Die Landesnotarkammer Bayern ist ausweislich der eingeholten Stellungnahme vom 12.02.2025 der Ansicht, dass Voraussetzung für die Erteilung einer Abschrift sei, dass sich die Rechtsnachfolge auf den Gegenstand der beurkundeten Willenserklärungen bezieht sowie dass Rechte und Pflichten aus der Urkunde auf den Rechtsnachfolger übergegangen sein können und dort weiter bestehen können. Hierbei seien bei Gesamtrechtsnachfolgern niedrigere Anforderungen an eine Betroffenheit bzw. Beteiligung zu stellen als bei Sonderrechtsnachfolgern. Es genüge die bloße Möglichkeit des Fortbestehens von Rechten und Pflichten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme der Landesnotarkammer Bezug genommen.
13
Die Vizepräsidenten des Landgerichts München II wurde am Verfahren beteiligt.
14
Hinsichtlich des Akteninhaltes wird auf die entsprechenden Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.
II.
15
Die nach §§ 51 Abs. 1, Abs. 3, 54 Abs. 1 BeurkG statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie ging gemäß § 63 Abs. 1 FamFG binnen eines Monats bei dem Notar ein.
16
Die Zivilkammer des Landgerichts München II ist zur Entscheidung zuständig, § 54 Abs. 2 S. 2, da das Notariat im hiesigen Bezirk seinen Sitz hat.
17
Die Beschwerde ist begründet, da der Antragstellerin gemäß § 51 Abs. 1 BeurkG als Rechtsnachfolgerin der damaligen Veräußerin ein Anspruch auf Erteilung einer Abschrift zusteht.
18
Nach dem Wortlaut des § 51 Abs. 1, Abs. 3 BeurkG kann nicht nur der Berechtigte eine Ausfertigung verlangen bzw. einfache oder beglaubigte Abschriften verlangen und die Urschrift einsehen. Danach bezieht sich § 51 BeurkG jeweils auf eine bestimmte Urkunde bzw. die Ausfertigung einer Urkunde.
19
Nicht dagegen lässt sich aus dem Wortlaut entnehmen, dass ein Beteiligter, insbesondere der Rechtsnachfolger, generell den Anspruch hat, die Ausfertigungen aller Urkunden bzw. die Abschriften aller bei dem Notariat betreffend einer Person vorliegenden Urkunden zu fordern. Es ergibt sich nach § 51 BeurkG kein allgemeiner Auskunftsanspruch, ob und bejahendenfalls welche Urkunden ein Beteiligter bei einem Notar hat errichten lassen.
20
§ 51 Abs. 1 BeurkG ist ein gesetzlicher Ausnahmetatbestand zur notariellen Pflicht zur Verschwiegenheit gemäß § 18 Abs. 1 BNotO. Als gesetzlicher Ausnahmetatbestand ist § 51 BeurkG eng auszulegen.
21
Nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte, wie auch der Literatur, ist deshalb anerkannt, dass der Antragsteller konkret und so genau wie möglich bezeichnen muss, auf welche Urkunde sich sein Auskunftsbegehren bezieht. Einem Ausforschungsersuchen darf der Notar nicht nachkommen (BGH, Beschluss v. 31. Januar 2013, V ZB 168/12, OLG Düsseldorf, Beschluss v. 14.10.2005, 3 Wx 212/05, Winkler, BeurkG, § 51 Rdnr. 5).
22
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
23
Die Antragstellerin begehrt die Erteilung einer Abschrift einer konkreten Urkunde der Erblasserin.
24
Nach Überzeugung der Kammer ist es dabei nicht erforderlich, dass eine Rechtsnachfolge in eine konkrete Rechtsposition vorliegen muss, die Gegenstand der Urkunde gewesen ist.
25
Die Kammer schließt sich insoweit nicht der Auslegung der Landesnotarkammer in ihrer Stellungnahme vom 11.2.2025 an.
26
Bereits dem eindeutigen Wortlaut des § 51 Abs. 1 BeurkG ist zu entnehmen, dass der Rechtsnachfolger desjenigen, der an einer entsprechenden Beurkundung beteiligt war, einen Anspruch auf Erteilung einer Abschrift hat. Aus dem Wortlaut ist gerade nicht zu entnehmen, dass insoweit weitere Voraussetzungen erforderlich wären.
27
Auch aus der Entscheidung des BGH vom 08.07.2021 V ZB 42/19 ergibt sich, dass der Notar verpflichtet ist, bei einem konkreten Begehren des Gesamtrechtsnachfolgers auf Erteilung einer Abschrift einer Urkunde, diesem nachzukommen.
28
Der Anspruch auf Erteilung von Abschriften nach § 51 Abs. 1 und 3 BeurkG bezieht sich nur auf einzelne Urkunden, die konkret und so genau wie möglich bezeichnet werden müssten (OLG Düsseldorf v. 14.10.2005 – I-3Wx 212/05, RNotZ 2006, 72; LG Freiburg v. 28.4.2015 – 4 T 254/14, BeckRS 2015, 12319, ZEV 2015, 669 Ls.; Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG/DONot, 8. Aufl., § 51 BeurkG Rn. 4; Regler in BeckOGK BGB, 4/2021, § 51 BeurkG Rn. 53; Limmer in Frenz/Miermeister, BNotO, 5. Aufl., § 51 BeurkG Rn. 16a; Grziwotz/Heinemann, BeurkG, 3. Aufl., § 51 Rn. 11; Staudinger/Hertel, BGB, BeurkG Rn. 649 Abs. 3; Winkler, BeurkG, 19. Aufl., § 51 Rn. 1; iE ebenso für Klage gegen den Notar: OLG Brandenburg AnwBl. 1996, 474 [475]; OLG Schleswig v. 14.5.2013 – 11 U 46/12, ZIP 2013, 1633 [1634]; offenlassend LG Darmstadt v. 19.5.2008 – 5 T 685/07, ZIP 2008, 1783 [1784]).
29
Allerdings kann nach § 51 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BeurkG jeder, von dem oder für den bei Errichtung einer Niederschrift eine Willenserklärung abgegeben worden ist, vom Notar die Erteilung einer Ausfertigung oder Abschrift verlangen.
30
Der Notar ist zur Erteilung der Abschriften bei Vorliegen dieser Voraussetzungen verpflichtet; er hat keinen Ermessensspielraum (OLG Hamm v. 13.7.2011 – 11 U 234/09, BeckRS 2012, 14881; OLG Karlsruhe v. 16.1.2007 – 14 Wx 51/06, ZEV 2007, 590 mAnm Keim; LG Darmstadt ZIP 2008, 1783; Armbrüster/Preuß/Renner § 51 BeurkG Rn. 2; Limmer § 51 BeurkG Rn. 1; Grizwotz/Heinemann § 51 BeurkG Rn. 8).
31
Der Anspruch ist nicht vom Nachweis eines berechtigten Interesses abhängig (Entwurfsbegründung in BT-Drs. V/3282, 41). Er steht auch nicht nur dem Urkundsbeteiligten selbst zu, sondern nach § 51 Abs. 1 Hs. 2 BeurkG auch dessen Rechtsnachfolger. Unbestritten ist, dass der Begriff des Rechtsnachfolgers iSd Vorschrift nicht nur Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger des Urkundsbeteiligten, sondern auch Parteien kraft Amtes umfasst wie den Insolvenzverwalter und andere erfasst.
32
Die Ansicht der Landesnotarkammer mag zwar für Fälle der Sonderrechtsnachfolge gelten (so auch Winkler BeurkG 23. Auflage § 51 Rndr. 15), im vorliegenden Fall liegt jedoch eine Gesamtrechtsnachfolge einer Person vor, die gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG an der Errichtung der Urkunde beteiligt war.
33
Auch die entsprechende Kommentarliteratur zu § 51 BeurkG sieht eine Einschränkung des Rechts von Gesamtrechtsnachfolgern nicht vor (BeckOGK, BeckOK, Winkler jeweils zu § 51 BeurkG).
34
Auch aus der seitens der Landesnotarkammer zitierten Kommentierung bei BeckOK, 11. Edition 1.3.2025 Rdnr. 11 a.E. lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten.
III.
35
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 81 FamFG. Im Beschwerdeverfahren nach § 54 BeurkG sind dem Notar als Vorinstanz keine Kosten aufzuerlegen, da er am Verfahren nicht beteiligt ist (Winkler BeurkG, 21. Aufl. 2023, BeurkG § 54 Rn. 26).