Inhalt

LG München I, Endurteil v. 28.04.2025 – 22 O 134/25
Titel:

Verjährungsfrist, Verkürzung der Verjährung, Rückabwicklung des Kaufvertrags, Einrede der Verjährung, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Ausübung des Rücktrittrechtes, Verjährungsverkürzung, Streitwert, Elektronischer Rechtsverkehr, Mängelrechte, Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten, Rückzahlung des Kaufpreises, Mängelansprüche, Vertragsschluss, Willenserklärungen, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Nutzungsentschädigung, Sachverständigengutachten

Schlagworte:
Verjährungseinrede, Rücktrittsrecht, Mängelrechte, Gebrauchtwagenkauf, Verjährungsverkürzung, Vertragsgestaltung, Annahmeverzug
Fundstelle:
BeckRS 2025, 8669

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 34.712,64 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufes.
2
Die Klägerin erwarb von der Beklagten ein gebrauchtes Kfz zum Preis von 35.900,00 €. Hierzu unterzeichnete sie am 25.4.2023 eine „Verbindliche Bestellung“. Auf diesem Formular fand sich unmittelbar vor der Unterschriftenzeile folgender Passus:
„Die gesetzlichen Sachmängelansprüche gegen den Verkäufer werden auf ein Jahr ab Auslieferungsdatum befristet. Im Rahmen der Gewährleistung oder Fahrzeugaufbereitung können Teile des Fahrzeuges nachlackiert bzw. ersetzt worden sein.“
3
Wegen der Einzelheiten wird auf die Bestellung gem. Anlage K 1 vollumfänglich verwiesen.
4
Die Klägerin wurde von der Beklagten über die Verkürzung der Verjährungsfrist vor Unterzeichnung in Kenntnis gesetzt. Zudem unterzeichnete sie eine gesonderte „Vereinbarung über die Verkürzung der Verjährungsfrist“ und eine „Dokumentation der Erfüllung der vorvertraglichen Informationspflichten beim Verkauf von Fahrzeugen oder Teilen/Zubehör“.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen B 1 und B 2 vollumfänglich Bezug genommen.
6
Am 4.5.2023 wurde das Fahrzeug der Klägerin übergeben. Im September 2024 forderte die Klägerin die Beklagte auf, einen Getriebeschaden am Fahrzeug nachzubessern. Nachdem die Beklagte dies abgelehnt hatte und auch auf Aufforderung des Klägervertreters eine solche nicht vornahm, erklärte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 15.11.2024, dass sie vom Vertrag zurücktrete und die Rückabwicklung des Vertrags verlange.
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Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 15.11.2024, Anlage K 3, vollumfänglich Bezug genommen.
8
Die Klägerin trägt vor, dass das Fahrzeug im September 2024 einen Getriebeschaden erlitten habe. Dieser sei bereits bei Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin angelegt gewesen. Denn das Automatikgetriebe habe nicht die erwartbare Haltbarkeit von mindestens 250.000 km erreicht. Es sei gerade keine Verschleißerscheinung und es liege auch keine unsachgemäße Benutzung durch die Klägerin vor.
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Sie könne aufgrund des Rücktritts nunmehr den gezahlten Kaufpreis zuzüglich Nutzungszinsen abzüglich Nutzungsentschädigung (ausgehend von einer voraussichtlichen Gesamtlaufleistung von 400.000 km und damit einer erwartbaren Reststrecke von rund 365.000 km – das entspricht 0,27 % je 1.000 KM Fahrstrecke – und von der Klägerin gefahrenen 32.000 km 8,77 % des vereinbarten Fahrzeugpreises von 35.900,- € also rund 3.150,- €, die der Beklagten zu erstatten seien) von der Beklagten zurückverlangen. Der an die Beklagte bezahlte Kaufpreis sei angemessen mit 3,5 % p.a. zu verzinsen, so dass sie von der Beklagten insgesamt 34.712,64 € verlangen könne.
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Die Klägerin beantragt:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 34.712,64 € zzgl. 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz liegender Zinsen hieraus seit 22.11.2024 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw F. E. FIN …92 nebst Zulassungsbescheinigungen I und II sowie 2 Fahrzeugschlüsseln.
II. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Pkw Ford Edge FIN …92 in Verzug befindet.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche, nicht anrechenbare Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 1.318,28 € zzgl. 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz liegender Zinsen hieraus ab Zustellung der Klage zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt:
Klageabweisung.
12
Die Beklagte ist der Meinung, mit der Klägerin ordnungsgemäß eine gem. § 476 BGB zulässige Verjährungsverkürzung vereinbart zu haben. Insbesondere sei die Klägerin rechtzeitig und in der richtigen Form darauf hingewiesen worden. Sie hat daher die Einrede der Verjährung erhoben.
13
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2025 vollumfänglich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
15
Ein möglicher Rücktritt der Klägerin als Grundlage für die verlangte Rückzahlung des Kaufpreises ist wegen der erhobenen Einrede der Verjährung unwirksam.
16
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 34.712,64 € gegen die Beklagte. Ein solcher Anspruch aus §§ 437, 323, 346 Abs. 1 BGB ist unbegründet.
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Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrags aufgrund des Rücktritts nach unterlassener Nacherfüllung hinsichtlich eines behaupteten Mangels am streitgegenständlichen Fahrzeug. Der Ausübung des Rücktrittrechts steht gem. §§ 434 Abs. 4, 218 Abs. 1 BGB die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Daher kann vorliegend dahinstehen, ob das Fahrzeug überhaupt einen Mangel aufweist. Ein Sachverständigengutachten war daher nicht einzuholen.
18
Die Parteien haben wirksam die Frist der Verjährung der Mängelrechte gem. § 476 Abs. 2 BGB auf ein Jahr ab Übergabe des Fahrzeugs verkürzt. Das gebrauchte Fahrzeug wurde am 4.5.2023 an die Klägerin übergeben. Im September 2024 wandte sich die Klägerin an die Beklagte mit der Bitte um Nachbesserung wegen eines angeblichen Getriebeschadens. Die Rücktrittserklärung erfolgte mit Schreiben vom 15.11.2024. Mit Ablauf des 4.5.2024 war aufgrund der wirksamen Verkürzung der Verjährung aber bereits nach § 476 Abs. 2 BGB die Geltendmachung der Mängelrechte aus § 437 BGB unwirksam geworden.
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Die Vereinbarung zur Verkürzung der Verjährung auf ein Jahr ist gem. § 476 Abs. 2 S 2 BGB wirksam zwischen den Parteien zustande gekommen. Die Voraussetzungen sind eingehalten.
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Auf die Verkürzung der Verjährung wurde die Klägerin gem. § 476 Abs. 2 S 2 Nr. 1 BGB eigens und rechtzeitig vor Abgabe ihrer Vertragserklärung aufmerksam gemacht. Hierfür ist es ausreichend, dass dies unmittelbar bei ihrer Vertragsunterschrift geschehen ist. Eine entsprechende Zeile findet sich unmittelbar gut leserlich über ihrer Unterschrift auf der Anlage K 1. Zudem hat sie unstreitig zugleich die Anlagen B 1 und B 2 unterzeichnet, in denen ebenfalls die Verkürzung der Verjährung der Mängelrechte ausdrücklich vereinbart und darauf hingewiesen wurde. Der Wortlaut dieser Vereinbarungen ist insoweit eindeutig und unmissverständlich. So heißt es in der Vereinbarung gem. Anlage B 2 („Vereinbarung mit einem Verbraucher über eine Verkürzung der Verjährungsfrist beim Verkauf von Gebrauchtwagen oder gebrauchten Ersatzteilen/Zubehör“):
„Abweichend von der gesetzlich geregelten zweijährigen Verjährungsfrist vereinbaren die Vertragsparteien hiermit eine Verjährungsfrist von 1 Jahr für die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Sach- und Rechtsmängeln der gebrauchten Kaufsache/Ware (…)“
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In zeitlicher Hinsicht ist ausreichend, dass dies unmittelbar vor der Abgabe der Vertragserklärung der Klägerin erfolgte. Eine Frist zum Nachdenken, wie die Klägerin meint, ist nicht erforderlich, da es der Klägerin nach Kenntnisnahme des Hinweises unbenommen bleibt, keine Vertragserklä rung abzugeben. Eine gesonderte Zeitspanne zwischen Hinweis und Vertragserklärung ist im Gesetz nicht vorgesehen (vgl. MüKo § 476 BGB Rn. 33) und im Übrigen auch nur schwer bestimmbar. Sie ist auch nicht notwendig, da ohne eine Willenserklärung des Käufers ein Vertragsschluss nicht möglich ist. Somit ist seinem Schutz genügt, wenn er vor seiner Erklärung in Kenntnis gesetzt wird. Dies ist auch bei anderen vertraglichen Vereinbarungen und Abweichungen von gesetzlichen Regelungen (bspw. durch AGB) grundsätzlich ausreichend. Weshalb eine zeitliche Frist (welche wird auch von der Klägerin nicht aufgezeigt) zwischen Mitteilung und Unterzeichnung bei der Verjährungsverkürzung erforderlich sein soll, die das Gesetz sonst nicht kennt, ist nicht erkennbar. Soweit die Klägerin insoweit auf die Gesetzesbegründung abstellt und daraus ein entsprechendes Erfordernis einer frühzeitigen Information ableiten will, verkennt sie den Zusammenhang der zitierten Fundstelle. Darin wird darauf abgestellt, dass im deutschen Recht nicht erst auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses (im Regel also Annahme des Angebots des Käufers durch den Verkäufer), sondern bereits auf den Zeitpunkt der Abgabe des Kaufangebots des Käufers abgestellt werden soll, damit der Verkäufer nicht erst nach Unterschrift des Käufers auf die Verkürzung hinweisen kann und damit der Käufer bei Abgabe seiner Vertragserklärung im Unklaren gelassen werden kann. Entscheidend für den Schutz des Käufers ist aber, dass er bei Abgabe seiner Erklärung auf die Verkürzung hingewiesen wird. Dies ist hier erfolgt.
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Die Parteien haben die Verjährungsverkürzung auch ausdrücklich und gesondert im Vertrag vereinbart gem. § 476 Abs. 2 S2 Nr. 2 BGB. Dies erfolgte zum einen zum einen durch die Aufnahme der entsprechenden Zeile im Bestellformular gem. Anlage K 1 und zum anderen durch die gesondert unterschrieben Vereinbarung gem. Anlage B 2.
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II. Mangels Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags befindet sich die Beklagte auch nicht im Annahmeverzug des Fahrzeugs. Auch Ansprüche auf Bezahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestehen mangels Anspruch in der Hauptsache nicht.
24
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
B.
25
Der Streitwert war gem. des klägerischen Begehrens auf 34.712,64 € festzusetzen.