Inhalt

VG München, Urteil v. 01.04.2025 – M 19L DK 23.889
Titel:

Disziplinarklage, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Justizvollzugsbeamter, Betrug, Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse und Urkundenfälschung

Normenketten:
BayDG Art. 11
BayDG Art. 14 Abs. 2 S. 1
Schlagworte:
Disziplinarklage, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Justizvollzugsbeamter, Betrug, Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse und Urkundenfälschung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 8559

Tenor

I.Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
II.Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt mit seiner Disziplinarklage die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.
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Der 1991 geborene Beklagte ist seit 2010 ausgebildeter Industriemechaniker. Von 2013 bis 2017 leistete er Dienst bei der Bundeswehr. In dieser Zeit absolvierte er eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement. Seit dem 1. Februar 2018 ist der Beklagte Beamter der zweiten Qualifikationsebene im Justizvollzugsdienst, seit dem 1. August 2021 im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Als Obersekretär im Justizvollzugsdienst verrichtete er zuletzt seinen Dienst in der Justizvollzugsanstalt (JVA) … Er bezieht Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 7.
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Der Beklagte ist ledig und Vater einer anderthalbjährigen Tochter. Er war vor den streitgegenständlichen Vorfällen straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Der Beklagte wurde zur Probezeit beurteilt. Am 16. Dezember 2020 war dem Beklagten die Genehmigung für eine Nebentätigkeit als Hilfskraft bei der Fa. … … im zeitlichen Umfang von acht Stunden pro Woche erteilt worden. Den Angaben des Beklagten zufolge beendete er die Nebentätigkeit am 31. Mai 2021.
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Das Amtsgericht Augsburg erließ am 20. Januar 2022 in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten wegen Bestechlichkeit und Betrugs in drei Fällen einen Untersuchungshaftbefehl. Es bestand demnach der dringende Tatverdacht, dass der Beklagte einem Gefangenen gegen Entgelt ein Mobiltelefon in die JVA … mitgebracht hat sowie unter Vorspiegelung krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit rund drei Monate einer nicht genehmigten Nebentätigkeit als Sicherheitskraft nachgegangen ist. Der Beklagte befand sich in der Zeit vom 24. Januar 2022 bis 9. März 2022 in Untersuchungshaft.
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Die Leiterin der JVA … verbot dem Beklagten mit Bescheid vom 31. Januar 2022 die Führung der Dienstgeschäfte. Mit Verfügung vom 14. März 2022 leitete sie ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein, das sie im Hinblick auf die anhängigen strafrechtlichen Ermittlungen aussetzte.
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Es wurde im Disziplinarverfahren außerdem bekannt, dass das Amtsgericht Augsburg bereits am 16. Dezember 2021 in einem weiteren Strafverfahren gegen den Beklagten einen Strafbefehl über eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 60 Euro wegen außerdienstlich begangener vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung zum Nachteil einer früheren Lebensgefährtin erlassen hatte. Gegen den Strafbefehl legte der Beklagte Einspruch ein. Mit Beschluss vom 4. April 2022 stellte das Amtsgericht das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die u.a. wegen Betrugs zu erwartende Strafe vorläufig ein; es wurde anschließend nicht mehr aufgenommen.
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Zudem ergab sich der Verdacht, dass der Beklagte seine in der JVA … als Krankenschwester tätige Lebensgefährtin angestiftet hatte, Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel, Corona-Schnelltests und Blanko-Bescheinigungen über Corona-Antigentests aus dem Bestand der Anstalt zu entwenden. Ferner war er verdächtig, während seiner Nebentätigkeit als Sicherheitskraft im Corona-Testzentrum … … Corona-Schnelltests sowie Dienstbekleidung der Johanniter-Unfallhilfe (2 Jacken und 2 Hosen) entwendet zu haben. Hinsichtlich der Anstiftung zum Diebstahl von Gegenständen der JVA und des Diebstahls von Gegenständen aus dem Corona-Testzentrum … … sah die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 13. Juli 2022 gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung ab.
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Die weiteren strafrechtlichen Ermittlungen bestätigten den Vorwurf der Übergabe eines Mobiltelefons gegen Bezahlung an einen Gefangenen der JVA … nicht. Mit Verfügung vom 13. Juli 2022 stellte die Staatsanwaltschaft Augsburg die betreffenden Ermittlungen wegen Bestechlichkeit gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.
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Im Hinblick auf die vorgeworfene Ausübung einer ungenehmigten Tätigkeit als Sicherheitskraft während Zeiten vorgeblicher Arbeitsunfähigkeit und bezüglich Fällen der Fälschung von Corona-Antigentests verhängte das Amtsgericht Augsburg gegen den Beklagten wegen Betrugs in Tateinheit mit Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse in vier tateinheitlichen Fällen und Urkundenfälschung in vier Fällen mit Strafbefehl vom 1. August 2022 eine Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 80 EUR sowie Einziehung von Wertersatz in Höhe von 6.346,33 EUR zugunsten des Freistaats Bayern. Der Strafbefehl ist nach dem auf die Tagessatzhöhe beschränkten Einspruch des Beklagten, worauf der Tagessatz mit Beschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 19. September 2022 auf 30 EUR abgeändert wurde, seit 30. September 2022 rechtskräftig.
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Unter dem 3. August 2022 erstellte die Leitung der JVA … ein Persönlichkeitsbild zum Beklagten.
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Mit Verfügung vom 17. August 2022 übernahm die Generalstaatsanwaltschaft als Disziplinarbehörde das Disziplinarverfahren, dehnte es entsprechend den Ermittlungsergebnissen in den Strafverfahren aus, konkretisierte den vorgeworfenen Sachverhalt und gab dem Beklagten Gelegenheit zur Äußerung zum Verdacht der Begehung vorsätzlicher Körperverletzung, Nötigung, Betrug, Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse, Diebstahl, Anstiftung zum Diebstrahl und die Ausübung einer ungenehmigten Nebentätigkeit. Zugleich wurde dem Beklagten die weitere Aussetzung des Verfahrens mitgeteilt und dieser zum Verfahrensstand sowie zur beabsichtigten vorläufigen Entfernung aus dem Dienst sowie dem vorläufigen Einbehalt von Dienstbezügen angehört. Der Beklagte nahm mit Schreiben vom 1. September 2022 Stellung.
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Mit Verfügung vom 16. September 2022 wurde der Beklagte unter Einbehalt von Dienstbezügen in Höhe von 30% vorläufig des Dienstes enthoben.
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Mit Verfügung vom 28. November 2022 setzte die Disziplinarbehörde das Disziplinarverfahren fort und beschränkte es auf den Gegenstand des rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts Augsburg vom 1. August 2022. Der Beklagte erhielt gleichzeitig Gelegenheit zur abschließenden Äußerung. Am 8. Februar 2023 wurde der Beklagte auf seinen Wunsch hin persönlich angehört.
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Am 13. Februar 2023 erhob der Kläger Disziplinarklage. Hinsichtlich der Einzelheiten wird gemäß § 117 Abs. 3 VwGO auf die Disziplinarklageschrift vom 21. Dezember 2021 Bezug genommen.
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Der Kläger beantragte,
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gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen.
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Der Beklagte beantragte in der mündlichen Verhandlung des Disziplinargerichts vom 1. April 2024,
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die Disziplinarklage abzuweisen, hilfsweise, auf eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Dienst zu erkennen.
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Der Beklagte erwiderte schriftlich auf die Klage, er sei dem ungerechtfertigten Vorwurf gegenüber seiner Lebensgefährtin am 1. September 2021 eine Körperverletzung begangen zu haben, ausgesetzt gewesen. Er habe befürchtet, dass man ihm nicht glauben würde und er mit einer Geldstrafe sowie Anwaltskosten zu rechnen habe. Deshalb habe er die Möglichkeit ergriffen, bei einem Sicherheitsunternehmen eine Nebentätigkeit aufzunehmen. Einen Antrag auf Genehmigung einer solchen Tätigkeit habe er aus Angst, er könnte abgelehnt werden, nicht gestellt. Er habe darauf gehofft, dass dies weniger schlimm sei, als im Fall einer Ablehnung trotzdem zu arbeiten. Der Beklagte habe für die Nebentätigkeit zu Beginn seinen bereits angetretenen Urlaub genutzt. Nachdem ihm die im Fall der Körperverletzung ermittelnde Kommissarin in einem Telefongespräch mitgeteilt habe, man werde ihm nicht glauben, habe er sich, um zusätzliches Geld zu verdienen, krankschreiben lassen. Dies sei unüberlegt und absolut falsch gewesen. Es sei aber aus Verzweiflung und Überforderung geschehen. Sonst sei der Beklagte immer die Person, die keinesfalls, selbst mit einem gebrochenen Fuß, vom Dienst fernbleibe.
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Da der Beklagte nicht geimpft gewesen sei, habe er für Tätigkeiten im Testzentrum in … … negative Testnachweise benötigt. Anfänglich habe ihn seine damalige Lebensgefährtin getestet. Da sie der Auffassung gewesen sei, dass es auffalle, wenn immer ihr Name auf den Testnachweisen stehe, habe sie vorgeschlagen, andere Namen zu verwenden. Dies sei ihm schlüssig vorgekommen. Er habe nicht darüber nachgedacht, dass er damit Urkundenfälschung begehen könnte. Im Nachhinein ärgere er sich über sein Fehlverhalten, da er sich auch kostenlos vor Ort im Testzentrum hätte testen lassen können. Er habe lediglich an einen reibungslosen Arbeitsbeginn gedacht.
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Neben Schlafstörungen, Albträumen und Verfolgungswahn, worunter der Beklagte seit seiner Verhaftung leide, sei für den Beklagten besonders schlimm, dass er seit seiner Suspendierung nicht arbeiten dürfe. Der „ganze Aufwand“ habe sich nicht gelohnt. Zum einen habe er vom Sicherheitsunternehmen nur einen kleinen Teil seines Geldes erhalten. Zum anderen habe er seinen Traumjob im Justizvollzugsdienst aufs Spiel gesetzt. Es sei ihm daran gelegen, sich im Dienst zu rehabilitieren, zumal er aufgrund seiner Verhaftung von den Kollegen missachtet und gemieden werde.
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Der Beklagte weist außerdem darauf hin, dass er im Strafverfahren eingeräumt habe, unter Krankschreibung anderweitig gearbeitet und falsche Testnachweise abgegeben zu haben. Ihm sei bewusst, dass er absolut falsch gehandelt, seine Dienstpflicht verletzt, dem Bild eines Beamten geschadet und das Vertrauen des Dienstherrn missbraucht habe. Zu seinen Gunsten sei zu berücksichtigen, dass er unschuldig in Untersuchungshaft gekommen sei. Dies sei eine belastende und einschneidende Erfahrung gewesen, die sich wie Strafe angefühlt habe. Darüber hinaus habe er auch in seiner Zeit als Soldat und bis dato nicht gegen seine Dienstpflichten verstoßen. Ebenso wenig sei er zuvor strafrechtlich auffällig gewesen. Soweit ihm noch eine Chance eingeräumt werde, könne er versichern, sich zukünftig statusgerecht zu verhalten. Seinem Kind wolle er nicht nur Vorbild sein, sondern auch Sicherheit bieten können.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichtsakte nebst Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 1. April 2025 sowie die von der Disziplinarbehörde vorgelegten Akten einschließlich Strafakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) erkannt.
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1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine wesentlichen Mängel auf (vgl. Art. 53 BayDG). Der Beklagte hat solche auch nicht geltend gemacht.
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2. Das Disziplinargericht legt seiner Entscheidung den in der Disziplinarklage dargestellten Sachverhalt zugrunde:
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„1. Seit Januar 2021 ging der Beklagte bei dem Sicherheitsunternehmen … Security * … * … … … … … … … … Security*, für einen Stundenlohn von 16 bis 17 EUR einer Nebentätigkeit als Sicherheitskraft nach, ohne dass er die Nebentätigkeit zuvor angezeigt hatte und ihm eine entsprechende Nebentätigkeitgenehmigung erteilt worden war. Ungeachtet dessen, ob ihm für die Tätigkeit als solche überhaupt eine Genehmigung hätte erteilt werden können, arbeitete er in einem zeitlichen Umfang für das Sicherheitsunternehmen, der mit der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten unvereinbar und daher nicht genehmigungsfähig war.
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Um der Tätigkeit als Sicherheitskraft in möglichst großem Umfang nachgehen zu können und auf dieses Weise zusätzlich zu seinen Dienstbezügen möglichst viel Geld zu verdienen, ließ sich der Beklagte von der Arztpraxis … … … … … … …, für den Zeitraum vom 06.10.2021 bis zum 26.12.2021 dauerhaft arbeitsunfähig krankschreiben. Weil er gegenüber den Ärzten falsche Angaben zu seinem Gesundheitszustand machte, stellten diese ihm eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum von 06.10.2021 bis zum 24.10.2021 sowie drei Folgebescheinigungen bis einschließlich 26.12.2021 aus. Tatsächlich lagen bei dem Beklagten keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor, die eine Arbeitsunfähigkeit gerechtfertigt hätten. Die unrichtigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen legte er in der Folge bei der Justizvollzugsanstalt … vor und leistete dort während der Dauer der Krankschreibung vom 06.10.2021 bis zum 26.12.2021 keinen Dienst. Stattdessen arbeitete er für die … Security, und zwar für 57,5 Stunden in der Zeit vom 06. bis zum 31.10.2021, 217 Stunden im November 2021 und 286,5 Stunden in der Zeit vom 01. bis zum 26.12.2021.
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Der Beklagte wusste, dass er bei schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst – ein solches lag aufgrund der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit vor – nach Art. 9 Absatz 1 Satz 1 BayBesG seinen Anspruch auf die Besoldung verliert. Da sein Dienstherr aufgrund der vorgelegten falschen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen davon ausging, dass der Beklagte in der Zeit tatsächlich arbeitsunfähig war, wurden ihm in dieser Zeit seine Dienstbezüge (Besoldungsstufe A7 Stufe 4 samt einer monatlichen Zulage von 163,95 Euro) in Höhe von insgesamt 6346,33 Euro netto ausgezahlt. Dem Freistaat Bayern entstand hierdurch ein Schaden in dieser Höhe und der Beklagte erhielt einen entsprechenden Vermögensvorteil, auf den er, wie er wusste, keinen Anspruch hatte.
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2. Am 15.01.2022 füllte der Beklagte, mutmaßlich in seiner Wohnung in … … … …, eine Bescheinigung über einen angeblich durchgeführten negativen Corona-Antigentest aus, in der er als Testperson eine Frau … … von der Justizvollzugsanstalt … angab und die er mit diesem Namen unterschrieb. Hierbei handelte es sich um einen fiktiven Namen. Sodann legt er im Rahmen seiner Tätigkeit als Sicherheitsmitarbeiter das Zertifikat im Testzentrum … … vor. Mit der Bescheinigung wollte er darüber täuschen, dass ein Antigentest tatsächlich von der angegebenen Person durchgeführt und die Bescheinigung von dieser unterschrieben worden sei.
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3. Am 21.01.2022 füllte der Beklagte, mutmaßlich in seiner Wohnung in Regenstauf, eine Bescheinigung über einen angeblich durchgeführten negativen Corona-Antigentest aus, in der er als Testperson einen Herrn … … von der Justizvollzugsanstalt … angab und die er mit diesem Namen unterschrieb. Hierbei handelte es sich um einen fiktiven Namen. Sodann legte er im Rahmen seiner Tätigkeit als Sicherheitsmitarbeiter das Zertifikat im Testzentrum … … vor. Mit der Bescheinigung wollte er darüber täuschen, dass ein Antigentest tatsächlich von der angegebenen Person durchgeführt und die Bescheinigung von dieser unterschrieben worden sei.
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4. Am 23.01.2022 füllte der Beklagte, mutmaßlich in seiner Wohnung in Regenstauf, eine Bescheinigung über einen angeblich durchgeführten negativen Corona-Antigentest aus, in der er als Testperson Herrn … … von der Justizvollzugsanstalt … angab und die er mit diesem Namen unterschrieb. Bei Herrn … … handelte es sich um einen Beschäftigten der Justizvollzugsanstalt …, der die Testung in Wirklichkeit aber nicht vorgenommen hatte. Sodann legte der Beklagte im Rahmen seiner Tätigkeit als Sicherheitskraft das Zertifikat im Testzentrum … … vor. Mit der Bescheinigung wollte er darüber täuschen, dass ein Antigentest tatsächlich von der angegebenen Person durchgeführt und die Bescheinigung von dieser unterschrieben worden sei.
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5. Am 23.01.2022 füllte der Beklagte, mutmaßlich in seiner Wohnung in …, eine weitere Bescheinigung über einen angeblich durchgeführten negativen Corona-Antigentest aus, in der er als Testperson einen Herrn … … von der Justizvollzugsanstalt … angab und die er mit diesem Namen unterschrieb. Hierbei handelte es sich um einen fiktiven Namen. Die Bescheinigung erstellte er, um sie anschließend im Testzentrum … … vorzulegen. Mit der Bescheinigung wollte er darüber täuschen, dass ein Antigentest tatsächlich von der angegebenen Person durchgeführt und die Bescheinigung von dieser unterschrieben worden sei“
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Der vorstehende Sachverhalt entspricht im Wesentlichen den tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Augsburg vom 1. August 2022. Diese sind zwar nicht bindend. Sie entfalten aber Indizwirkung und können der Entscheidung im Disziplinarverfahren ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden, zumal der Beklagte die Vorwürfe sowohl im Straf- als auch im Disziplinarverfahren eingeräumt hat (vgl. Art. 25 Abs. 2, Art. 55 BayDG; vgl. BayVGH, U.v. 5.11.2014 – 16a D 13.1568 – juris Rn. 32). Letzteres gilt auch hinsichtlich der nicht von einer Nebentätigkeitsgenehmigung abgedeckten Tätigkeit bei der benannten Sicherheitsfirma, die nach den Angaben des Beklagten jedenfalls ab Anfang September 2021 bereits während seines Urlaubs bzw. im vorgeworfenen Tatzeitraum von Oktober bis Dezember 2021 erhebliche Ausmaße annahm.
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3. Der Beklagte hat durch die ihm zur Last gelegten Sachverhalte ein einheitliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtstG begangen.
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In dem der Beklagte Betrug in Tateinheit mit dem Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse in vier tateinheitlichen Fällen und Urkundenfälschung in vier Fällen begangen hat, hat er gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. § 263 Abs. 1, § 279, § 267 Abs. 1 Variante 1 und 3, § 52, § 53 StGB) verstoßen. Das Disziplinargericht hat keinen Anlass, von der rechtlichen Einschätzung des Amtsgerichts Augsburg in dessen Strafbefehl abzuweichen.
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Durch das strafbare Verhalten und insbesondere die Ausübung einer nicht angezeigten und genehmigten sowie jedenfalls hinsichtlich ihres zeitlichen Umfangs auch nicht genehmigungsfähigen Nebentätigkeit (vgl. § 40 BeamtStG, Art. 81 Abs. 2 Satz 1 BayBG i.V.m. §§ 6 ff. BayNV; BayVGH, U.v. 15.11.2023 – 16a D 22.1183 – juris Rn. 34) während Zeiten vorgeblicher Arbeitsunfähigkeit hat der Beklagte außerdem gegen seine Pflichten, sich mit vollem Einsatz dem Beruf zu widmen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) und sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), verstoßen.
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Dabei ist der Betrug gegenüber dem Dienstherrn einhergehend mit dem Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse als innerdienstliche Verfehlung zu werten (vgl. BayVGH, U.v. 15.11.2023 – 16a D 22.1183 – juris Rn. 25). Ob dies entsprechend der Auffassung des Klägers auch hinsichtlich der Urkundenfälschungen anzunehmen ist, weil der Beklagte insoweit Testungen hinsichtlich einer Coronainfektion innerhalb und durch Bedienstete der JVA vorgab, kann dahinstehen. Jedenfalls weisen die vorliegenden Urkundenfälschungen im Fall der Annahme einer außerdienstlichen Verfehlung auch den für die Einordnung als Dienstvergehen erforderlichen Amtsbezug im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG auf, da der Strafrahmen bis zu einer Höchststrafe von fünf Jahren reicht und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten vier Taten auch nicht nur gering wiegt (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2020 – 2 C 12.19 – BVerwGE 168, 254 = juris Rn. 16).
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Der Beklagte hat die Dienstpflichtverletzungen vorsätzlich und schuldhaft begangen. Er hat sein bewusstes und planvolles Vorgehen selbst eingeräumt. Sein Motiv lag demnach hinsichtlich der Vorspiegelung von Dienstunfähigkeit in einem von ihm angenommenen kurzfristig gesteigerten Geldbedarf anlässlich einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Körperverletzung und Nötigung; hinsichtlich der Verwendung von ihm gefälschter Antigen-Testnachweise in der bloßen Zeitersparnis im Zusammenhang mit einer Nebentätigkeit in einem Testzentrum.
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4. Die festgestellten Dienstpflichtverletzungen wiegen nach der gebotenen Gesamtwürdigung vorliegend so schwer, dass die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis die angemessene Disziplinarmaßnahme darstellt.
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Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12 m.w.N.). Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG).
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Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 16).
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Fallen einem Beamten – wie hier – mehrere Dienstpflichtverletzungen zur Last, die in ihrer Gesamtheit das einheitliche Dienstvergehen ergeben, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BVerwG, U.v. 8.9.2004 – 1 D 18.03 – juris Rn. 47). Diese liegt hier in dem strafrechtlich relevanten Verhalten des Betrugs unter Verwendung unrichtiger Gesundheitszeugnisse, indem der Beklagte unter Vortäuschung einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit mehrmonatig dem Dienst fernblieb, in dieser Zeit einer umfänglichen außerdienstlichen Tätigkeit nachging und sich weiter Dienstbezüge auszahlen ließ.
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Zur konkreten Bestimmung der disziplinaren Maßnahme bei innerwie bei außerdienstlichen Vergehen ist in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 19 f.; U.v. 24.10.2019 – 2 C 3.18 – juris Rn. 29; BayVGH, B.v. 28.9.2016 – 16a D 14.991 – juris Rn. 54). Diese grundsätzliche Ausrichtung am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarrechtliche Ahndung der Dienstvergehen und verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Gehalts eines Dienstvergehens an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen. Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind (BVerwG, U.v. 16.6.2020 – 2 C 12.19 – juris Rn. 21). Begeht ein Beamter eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme schon bei Straftaten, die keinen besonderen Bezug zu der dienstlichen Stellung des Beamten aufweisen, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 24.10.2019 – 2 C 3.18 – juris Rn. 29; BayVGH, U.v. 18.12.2024 – 16a D 23.525 – juris Rn. 34).
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Demnach ist vorliegend der Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet. Denn während der Strafrahmen für den Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse (§ 270 StGB) bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe reicht, kann für Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verhängt werden.
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Im Übrigen kann auch unabhängig hiervon im Fall eines Beamten, der wegen (angeblicher) Krankheit längere Zeit keinen Dienst verrichtet, während dieser Zeit aber ohne Nebentätigkeitsgenehmigung außerdienstlich erwerbstätig ist, nach den Umständen des Einzelfalls die Entfernung aus dem Dienst geboten sein (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.1999 – 1 D 49.97 – juris LS; BayVGH, U.v. 15.11.2023 – 16a D 22.1183 – juris Rn. 31 ff.).
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Nach der anzustellenden Gesamtbetrachtung ist der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Klägers und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG).
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a) Das Dienstvergehen ist als äußerst schwerwiegend anzusehen. Indem sich der Beklagte für einen Zeitraum von nahezu drei Monaten insgesamt vier unrichtige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen ließ, um in der fraglichen Zeit anderweitig zu arbeiten und zusätzlich zu seinen weitergezahlten Dienstbezügen Geld zu verdienen, hat er eklatant gegen seine Dienstleistungspflicht als Kernelement des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treuverhältnisses verstoßen (vgl. BVerwG, U.v. 6.5.2003 – 1 D 26.02 – juris Rn. 54). Betroffen ist hier eine zentrale Hauptpflicht des Beamten. Ohne die pflichtgemäß, das heißt, im verbindlich festgelegten Umfang und nach Maßgabe der Dienstpläne zu erbringende Dienstleistung ihrer Mitarbeiter ist die Verwaltung nicht imstande, die ihr gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen. Deshalb kann einer Beamtin oder einem Beamten, die oder der ohne triftigen Grund nicht zum vorgeschriebenen Dienst erscheint, grundsätzlich nicht mehr das Vertrauen entgegengebracht werden, das für eine gedeihliche Zusammenarbeit unerlässlich ist (vgl. VG Lüneburg, U.v. 17.4.2019 – 10 A 6/17 – juris Rn. 187 m.w.N.). Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Integrität des öffentlichen Dienstes (vgl. BayVGH, U.v. 15.11.2023 – 16a D 22.1183 – juris Rn. 38).
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Der Beklagte verursachte durch sein Verhalten einen Vermögensschaden von über 6.000 EUR. Zusätzlich negativ anzulasten ist ihm, dass er nach eigenen Angaben planvoll und überlegt abgewogen hat, die Taten ohne vorherige Beantragung einer Nebentätigkeit zu begehen, weil er hierzu in seinem eigenen finanziellen Interesse ohnehin entschlossen war. Im Rahmen seiner mündlichen Anhörung durch die Disziplinarbehörde hat er dies ausdrücklich bekundet. Gleiches gilt hinsichtlich seiner Äußerungen in der mündlichen Verhandlung des Disziplinargerichts. Der Beklagte war demnach jedenfalls bereit, sein privates Ziel einer schnellen Geldmehrung über seine Pflichten gegenüber seinem Dienstherrn zu stellen. Mit dem Absehen von der Beantragung einer Nebentätigkeitsgenehmigung wollte er lediglich vermeiden, auch noch gegen die von ihm zu Recht befürchtete Versagung zu verstoßen, zumal ihm eine Nebentätig geringeren Umfangs ohnehin nicht genügt hätte. Somit hat der Beklagte eine innere Loslösung aus seiner beamtenrechtlichen Pflichtenstellung offenbart und zugleich zu erkennen gegeben, dass er für erzieherische Maßnahmen nicht mehr zugänglich ist (BayVGH, U.v. 29.1.2025 – 16a D 23.497 – juris Rn. 72 m.w.N.).
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Erschwerend kommt vorliegend hinzu, dass der Beklagte weitere Straftaten, nämlich in vier Fällen Urkundenfälschung begangen hat, für die von Gesetzes wegen ebenfalls ein Strafrahmen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe eröffnet ist (vgl. § 267 Abs. 1 StGB) und die ebenso wie sein Betrug schwerwiegende Einstellungs- und Charaktermängel offenbaren. Der Beklagt war nach eigenen Angaben allein wegen der hierdurch zu erreichenden Zeitersparnis vor seinem Arbeitsbeginn in einem Testzentrum bereit, Corona-Antigentestnachweise zu fälschen. Hierbei hatte er auch keine Skrupel, seine Dienststelle in Kombination mit dort nicht existierenden Testpersonen und in einem Fall einen tatsächlich nicht befassten Kollegen als ausstellende Stelle bzw. Person anzugeben.
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b) Mildernde Umstände von solchem Gewicht, die trotz der Schwere des Dienstvergehens die Verhängung der Höchstmaßnahme als unangemessen erscheinen lassen, liegen nicht vor.
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Hat das Dienstvergehen insgesamt ein solches Gewicht, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als angemessene Disziplinarmaßnahme indiziert ist, kommt es für die Bestimmung der im konkreten Einzelfall zu verhängenden Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beklagten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG derart ins Gewicht fallen, dass ausnahmsweise eine mildere Maßnahme geboten ist (vgl. BayVGH, U.v. 29.1.2025 – 16a D 23.497 – juris Rn. 74 m.w.N.).
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aa) Ein von der Rechtsprechung anerkannter (klassischer) Milderungsgrund, der zum Absehen von der Höchstmaßnahme führen könnte, liegt nicht vor. Für eine Verminderung der Schuldfähigkeit des Beklagten, ein einmaliges persönlichkeitsfremdes Handeln in einer besonderen Versuchungssituation, eine schockartig ausgelöste psychische Ausnahmesituation oder für ein Handeln aus altruistischen Motiven gibt es keine konkreten Ansatzpunkte.
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Der Beklagte befand sich wegen der ihm drohenden Kosten in ihn betreffenden Strafverfahren auch nicht in einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage (vgl. BayVGH, U.v. 25.9.2013 – 16a D 12.1369 – juris Rn. 50). Diesbezüglichen Geldforderungen hätte er auf legalem Wege, sei es mittels Aufnahme von Krediten oder dem Erwirken von Teilzahlungsmöglichkeiten, ggf. Stundung begegnen können. Selbst wenn der Beklagte in einer Art Kurzschlussreaktion zunächst derartige Möglichkeiten ausgeblendet haben sollte, vermag dies nicht zu rechtfertigen, dass er nach der Intensivierung seiner Tätigkeit bei der … Security während seines Urlaubs im Anschluss über Monate mehrere unzutreffende Krankschreibungen erwirkte, um dort im Umfang einer Vollzeittätigkeit an Stelle seines Dienstes in der JVA weiterarbeiten zu können.
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Auch der Milderungsgrund der freiwilligen, vollständigen und vorbehaltlosen Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung durch einen bisher unbescholtenen Beamten scheidet aus (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 33 m.w.N.). Der Beklagte hat seine Taten erst nach ihrer Entdeckung eingeräumt. Er hat zwar in der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe nach Rückkehr in den Dienst ein schlechtes Gewissen gehabt und sich gegenüber seinem Dienstleiter offenbaren wollen, jedoch bei ihm keinen Termin bekommen. Das Gericht wertet dies allerdings als nachträgliche Schutzbehauptung. Unabhängig davon vermag es diesem Vorbringen auch keinen ersthaften Versuch, sich selbst anzuzeigen, zu entnehmen.
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bb) Die Voraussetzungen für die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme sind auch unter Einbeziehung des gesamten Persönlichkeitsbildes des Beklagten in die Gesamtschau gegeben.
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Stehen dem Beklagten keine in der Rechtsprechung anerkannten Milderungsgründe zur Seite, bedeutet dies nicht, dass die entlastenden Aspekte seines Persönlichkeitsbildes bei der Maßnahmebemessung unberücksichtigt bleiben dürften. Sie sind vielmehr auch dann mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen, wobei generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen im Einzelfall wiegt (BayVGH, U.v. 29.1.2025 – 16a D 23.497 – juris Rn. 78 f.).
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Das über den Beklagten erstellte Persönlichkeitsbild zeigt keine besonderen positiven Eigenschaften, die auch nur ansatzweise die Schwere seiner Dienstpflichtverletzung verringern könnten. Es zeigt vielmehr ein gemischtes Bild eines Beamten, dem u.a. ein hilfsbereites und kollegiales Verhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten attestiert, der seit seiner Verbeamtung auf Lebenszeit von Kollegen aber auch häufiger als unzuverlässig bezeichnet worden sei.
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Neben der im Wesentlichen unbeanstandeten Dienstausübung kann auch die fehlende strafrechtliche und disziplinare Vorbelastung weder für sich genommen noch in der Gesamtschau ein anderes Abwägungsergebnis zur Folge haben. Selbst eine langjährige Dienstleistung ohne Beanstandungen, womöglich mit überdurchschnittlichen Beurteilungen, fällt jedenfalls bei gravierenden Dienstpflichtverletzungen neben der Schwere des Dienstvergehens in aller Regel nicht mildernd ins Gewicht. Denn jeder Beamte ist verpflichtet, dauerhaft bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der Arbeitskraft zu erbringen und sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten. Die langjährige Erfüllung dieser Verpflichtung kann nicht dazu führen, dass die Anforderungen an das inner- und außerdienstliche Verhalten abgesenkt werden. Weder die langjährige Beachtung der Dienstpflichten noch überdurchschnittliche Leistungen sind geeignet, schwere Pflichtenverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BVerwG, B.v. 23.1.2013 – 2 B 63.12 – juris Rn. 13 m.w.N.).
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Ebenso wenig kann sich der Beklagte erfolgreich auf eine Entgleisung während einer zwischenzeitlich überwundenen negativen Lebensphase, die den Beklagten zum Zeitpunkt der Tatbegehung aus der Bahn geworfen hatte (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2015 – 2 B 49.15 – juris Rn. 10 f.), berufen, welche im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen wäre (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2016 – 2 B 49.15 – juris Rn. 13). Solche früheren Lebensumstände des Beklagten, die sein dienstpflichtwidriges Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist in Anbetracht des Strafverfahrens wegen Körperverletzung und Nötigung zu Lasten seiner ehemaligen Lebensgefährtin, dem sich der Beklagte ausgesetzt sah, umso weniger nachvollziehbar, dass er auf von ihm befürchtete Konsequenzen hieraus mit neuerlichen Straftaten in Form des Betrugs bzw. den entsprechenden Dienstpflichtverletzungen reagierte.
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Soweit der Beklagte der Auffassung ist, die verbüßte Untersuchungshaft müsse berücksichtigt werden, führt auch dies nicht zu einer milderen Beurteilung. Untersuchungshaft wird aus den in § 112 Abs. 2 StPO benannten Haftgründen angeordnet und erfordert gemäß Absatz 1 dieser Vorschrift einen dringenden Tatverdacht, der sich hinsichtlich des Betrugs auch bestätigt hat. Ist – wie hier – eine auf dem eingetretenen Vertrauensverlust beruhende reinigende und nicht nur erzieherische Maßnahme indiziert, kann eine erlittene Untersuchungshaft keine günstige Wirkung entfalten. Das Disziplinarrecht zielt nicht auf eine Ahndung begangener rechtswidriger Taten ab (vgl. BayVGH, U.v. 25.3.2009 – 16a D 07.1652 – juris Rn. 55).
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Schließlich kann sich auch die Verfahrensdauer nicht als mildernder Umstand auswirken. Ergibt – wie im vorliegenden Fall – die für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme erforderliche Gesamtwürdigung aller erschwerenden und mildernden Umstände des Dienstvergehens, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, kann davon nicht abgesehen werden, weil das Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. Ein Verbleib im Beamtenverhältnis ausschließlich aufgrund einer überlangen Verfahrensdauer – die hier im Übrigen in Anbetracht der abzuwartenden Strafverfahren auch nicht anzunehmen wäre – ließe sich nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis, nämlich dem Schutz der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und der Integrität des Berufsbeamtentums, vereinbaren (vgl. BVerwG, B.v. 12.7.2018 – 2 B 1.18 – juris Rn. 9).
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5. Angesichts des vom Beklagten begangenen Dienstvergehens und der aufgezeigten Gesamtwürdigung ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht unverhältnismäßig. Der Beamte hat besonders schweres Fehlverhalten gezeigt und damit die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Seine Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Eine anderweitige Verwendung des Beklagten – verbunden mit einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis – kommt nicht als „mildere Maßnahme“ in Betracht, wenn – wie hier – das Vertrauensverhältnis des Dienstherrn aufgrund eines schweren Dienstvergehens endgültig zerstört ist. Die darin liegende Härte für den Beamten – insbesondere hinsichtlich des Verlustes seiner Dienstbezüge bzw. seines künftigen Ruhegehalts – ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der wissen musste, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt (vgl. BayVGH, U.v. 20.3.2024 – 16a D 22.2572 – juris Rn. 57).
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Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG.