Inhalt

AG Nürnberg, Endurteil v. 23.01.2025 – 244 C 7118/20 WEG
Titel:

Haftung und Aufwendungsersatz des WEG-Verwalters bei unwirksamem Verwaltervertrag  

Normenkette:
BGB § 670, § 677
Leitsatz:
Ist der Vertrag über die Verwaltung einer Wohnungseigentumsanlage unwirksam, kann der Verwalter weder auf vertraglicher Grundlage noch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag von der Eigentümergemeinschaft Zahlung eines Sonderhonorars für die Abwicklung einer größeren, das Gemeinschaftseigentum betreffenden Instandsetzungs- und Sanierungsmaßnahme verlangen. (Rn. 145 – 148) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohnungseigentum, Verwalter, unwirksame Bestellung, Schadensersatz, Haftung, mangelhafter Brandschutz, Geschäftsführung ohne Auftrag, Sonderhonorar, Fassade aus brennbarem Material
Fundstellen:
BeckRS 2025, 844
LSK 2025, 844
NZM 2025, 261

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist,
1. die Beklagte von allen Ansprüchen und Forderungen der Firma …, aus und im Zusammenhang mit dem Auftrag vom 25.10./29.10.2018 zum Abriss der Fassaden an den 5 Hochhäusern der Eigentümergemeinschaft … freizustellen;
2. der Beklagten Schadens- und Aufwendungsersatz zu zahlen, falls die Beklagte Zahlungen, insbesondere Werklohn, Zinsen, Prozess- und sonstige Kosten, aus und im Zusammenhang mit dem Auftrag vom 25.10./29.10.2018 zum Abriss der Fassaden an den 5 Hochhäusern der Eigentümergemeinschaft … an die Firma …, leisten muss, zuzüglich der bei der Beklagten anfallenden eigenen Kosten und des etwaigen eigenen Zinsschadens.
3. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
4. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 22.293.043,58 € festgesetzt (Klagestreitwert 19.211.896,26 €; Widerklagestreitwert: 3.081.147,32)

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Abriss der Fassaden an fünf Hochhäusern einer Wohnungseigentümergemeinschaft, über Freistellungsansprüche und Aufwendungsersatz und Sonderhonorar.
2
Die Klägerin ist die Wohnungseigentümergemeinschaft …, die aus 686 Sondereigentumseinheiten (Wohnungen), 11 Gewerbeeinheiten und 196 Garageneinheiten besteht. Die vorgenannten Einheiten verteilen sich auf diverse Einzelgebäude, flache Bauten und Garagengebäude sowie die 5 Hochhäuser … (Nummer 7, und 31) bzw. 20 Geschossen (Nr. 32, 53 und 54) und einer Höhe von ca. 41 m bzw. ca. 55 m.
3
In § 7 der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung ist geregelt, dass die Instandhaltung der zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Teile des Gebäudes und des Grundstücks der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegt.
4
In § 10 (Eigentümerversammlung) heißt es:
„Angelegenheiten, über die nach dem Wohnungseigentumsgesetz oder nach dem Inhalt dieser Teilungserklärung die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden können, werden durch Beschluss in einer Versammlung der Wohnungseigentümer geordnet. (…)“
5
Nach § 11 beschließen die Wohnungseigentümer über die Bestellung und Abberufung des Verwalters.
6
In § 15 findet sich folgende Regelung:
„Wegen der Vielzahl der Eigentume werden 12 wirtschaftliche Einheiten – Untereinheiten – gebildet, die so anzusehen sind, als wenn es sich jeweils um eine eigene Eigentümergemeinschaft handeln würde.
Die wirtschaftlichen Untereinheiten umfassen jeweils die Häuser bzw. das Haus
… 1-5,
… 7,
… 9-13, 19-29,
… n 31,
… 33-37, 41-51,
… 53,
… 54,
… 32,
… 34-50,
… 12-22, 28,
… 26,
… 6.
Die jeweils gebildete wirtschaftliche Untereinheit stellt die übrigen Wohnungseinheiten von allen Zahlungsverpflichtungen frei, die die jeweiligen Gebäude betreffen.
Die Instandhaltungskosten für die jeweilige Untereinheit erfassen alle Kosten der jeweiligen Gebäude, und zwar innen als auch außen sowie das jeweilige Dach.“
7
Ursprünglicher Verwalter war gemäß § 13 der Teilungserklärung vom 08.04.2000 die … GmbH. Sie wurde zunächst für 5 Jahre bis zum 07.04.2005 bestellt mit der Möglichkeit, sich anschließend wieder zur Wahl zu stellen. Die … GmbH firmierte mehrfach um und wurde zur … GmbH, die nach weiterer Umfirmierung nunmehr … GmbH heißt. Dabei handelt es sich um die Beklagte.
8
In einer Gesamtversammlung am 27.07.2010, zu der alle Eigentümer eingeladen waren, wurde die Beklagte für den Zeitraum vom 08.04.2010 bis zum 07.04.2015 erneut als WEG-Verwalter der Klägerin unter Fortgeltung des Verwaltervertrages vom 08.04.2000 bestellt (vgl. Anlage K4). Für den Folgezeitraum vom 08.04.2015 bis zum 07.04.2020 erfolgte eine Wiederwahl der Beklagten durch Mehrheitsbeschlüsse nur noch in getrennten Eigentümerversammlungen, die in den 12 wirtschaftlichen Untereinheiten abgehalten wurden. Zu diesen jeweils separat abgehaltenen Teilversammlungen waren nur die Wohnungseigentümer der jeweiligen Untereinheit eingeladen. In den Versammlungsprotokollen der Untergemeinschaften wurde das Gesamtergebnis aller Teilversammlungen festgehalten und verkündet.
9
Die Hochhäuser … 7, 31, 32, 53 und 54 wurden 1965/1966 erbaut. Die Baugenehmigungsbescheide zu den 5 Hochhäusern der Stac … datieren vom 28.02.1964 (B29/63, Anlage SH 21a/SH 7a = … 7, und B 28/63, Anlage SH 21b = … 31), vom 16.02.1965 (B1231/64 = … 53, B1658/64, Anlage SH 7b/SH 21d) und 16.09.1965 (B 1653/64, Anlage SH 7c/SH 21e = … Nr. 54) und vom 16.02.1966 (B 1646/65, Anlage Sh21c = … 32).
10
In der Baubeschreibung vom 08.09.1964 (Anlage SH 6), gestempelt mit B 1653/64 heißt es auf Seite 2 unter „Maßnahmen für den Wärmeschutz nach DIN 4108“ unter „e) Außenwände: „20-25 cm Stahlbeton, äußere Wärmedämmung aus 40 mm Hartschaum-Schicht-Platte, Eternitverkleidung auf Spezialunterkonstruktion“.
11
Ferner gibt es eine Baubeschreibung vom 27.11.1963, B2333/63, Anlage SH 20, wonach die Außenwände mit einer äußeren Wärmedämmung aus 30 mm kunststoffgebundener Glasfasermatte und Eternitverkleidung auf Spezialunterkonstruktion versehen werden sollten. Dazu gibt es keine Baugenehmigung. In der Baugenehmigung vom 16.02.1965 zu den Bauanträgen vom 13.08. und 29.10.1964, B 1231/64, Anlage SH 21d/SH 7b) heißt es, dass der entsprechende Vorbescheidsantrag B 2333/63 auf andere Weise erledigt wurde.
12
Tatsächlich wurden zur Wärmedämmung verwendet 3-Schichtplatten der Firmen Heraklith und Isotex, auf die Faserzementplatten mit einem Hinterlüftungsspalt aufgebracht wurden. Diese 3-Schichtplatten bestanden aus 2 Holzwolle-Leichtbauplatten mit einer Stärke von 5-11 mm und einem dazwischen liegenden Polystyrolkern mit einer Stärke von 20-25 mm.
13
In den Jahren 1996-1998 erfolgte eine Sanierung der Fassaden. Dabei wurden die äußeren Faserzementplatten vollständig entfernt, während die 3-Schichtplatten vor Ort verblieben und eine Verstärkung der Wärmedämmung durch vollflächig aufgebrachte A1-Mineralfaser-Dämmplatten aus Glaswolle erfolgte. Darauf kam eine neue Fassadenverkleidung mit Hinterlüftungsspalt in Form von Alucobond-Platten, ausgenommen Haus Nummer 53, an dem Faserzementplatten der Brandschutzklasse A1 aufgebracht wurden.
14
Anlässlich einer von der Bauordnungsbehörde der Stadt … angeordneten Feuerbeschau am 09.06.2015 wurde eine der Feuerwehrzufahrten auf dem WEG-Grundstück der Klägerin im Bereich des Hochhauses Nummer 7 gegenüber den damals mit anwesenden Vertretern der Beklagten als teilweise nicht nutzbar bemängelt und die Herstellung einer Feuerwehrzufahrt verlangt. In der Folgezeit ergingen Bescheide der Stadt … vom 23.12.2016, 20.04.2017, 05.01.2018 (Anlage K6), mit denen die Klägerin vertreten durch die Beklagte betreffend das Anwesen Neuselsbrunn 7 wiederholt zur Herstellung der Feuerwehrzufahrt entsprechend des Genehmigungsbescheides vom 28.02.1964 (B029/63, Anlage SH 21a) unter Androhung eines Zwangsgeldes aufgefordert wurde.
15
Ohne vorherige Information der Eigentümer beauftragte die Beklagte im Februar 2018 die Streithelferin zu 2, Planungsbüro …, mit der Begutachtung der 5 Hochhäuser hinsichtlich der Feuerwehrzufahrten. Ende März 2018 sichtete die dort im Planungsbüro tätige Architektin und Brandschutzsachverständige, Frau …, vormals … die bei der Stadt ... vorhandenen Bauakten, wobei sie zu der Vermutung gelangte, dass bei der damaligen Errichtung der 5 Hochhäuser in den Jahren 1964/1965 möglicherweise auch brennbares Material in den Fassadendämmungen verbaut worden sei. Darüber informierte sie die … und die Beklagte.
16
Die Bauordnungsbehörde forderte daraufhin die Klägerin mit Schreiben vom 20.04.2018 unter Fristsetzung bis zum 30.04.2018 auf, durch geeignete Maßnahmen feststellen zu lassen, welche Materialien bei der Dämmung der jeweiligen Häuser zum Einsatz gekommen seien und welcher Baustoffklasse diese Materialien entsprechen würden sowie Bestätigung der Angaben durch einen Prüfsachverständigen. Nachdem die Beklagte nicht tätig wurde, erließ die Bauordnungsbehörde im Mai 2018 sofort vollziehbare Anordnungsbescheide betreffend die 5 Hochhäuser, jeweils zugestellt am 01.06.2018 an die Beklagte. Mit diesen Bescheiden (Anlage K7) wurde die WEG Neuselsbrunn vertreten durch die Beklagte verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen (zum Beispiel Bauteilöffnung) feststellen zu lassen, welche Materialien bei der Dämmung des Hochhauses zum Einsatz gekommen seien und welcher Baustoffklasse diese entsprechen würden. Begründet wurde dies mit den baurechtlichen Mängeln in der Herstellung der Feuerwehrzufahrt zum Haus Neuselsbrunn 7 und der nicht entsprechend den genehmigten Plänen hergestellten Feuerwehrzufahrt. Im Brandfall sei eine Rettung der Bewohner und aller im Hochhaus befindlichen Personen nicht ausreichend gewährleistet. Eine Information der Eigentümer erfolgte nicht.
17
Am 07.08.2018 erfolgte eine von der Beklagten beauftragte Entnahme von Probematerial aus der Fassadenverkleidung des Hauses … 7 und bis 24.09.2018 auch an den anderen Hochhäusern. Im Auftrag der Beklagten wurden diese Materialproben von dem Prüfinstitut ...  GmbH ausschließlich mit dem Auftrag zur Bestimmung des absoluten Wertes der Verbrennungswärme untersucht. Mit Schreiben vom 21.09.2018 (Anlage K9) informierte die Beklagte die Verwaltungsbeiräte der WEG … 7, 31, 32, 53 und 54 darüber, dass an den Hochhäusern brennbare Materialien verbaut sein könnten, dass die Bauordnungsbehörde die Bauteilöffnung aller Fassaden angeordnet habe und dass ein Prüfinstitut die Bauteilöffnung durchführen werde und zur Materialprüfung hinzugezogen wurde. Ferner wurde darüber informiert, dass ein bereits beauftragter Prüfsachverständiger für den Brandschutz das Ergebnis des Instituts eingehend prüfen und bewerten solle und erst dann über weitere Schritte entschieden werden könne. Die dafür anfallenden Kosten würden momentan aus den Rücklagen der jeweiligen Untergemeinschaften bestritten. Sobald die Ergebnisse der Bauteilöffnungen vorlägen, würde zu einer außerordentlichen Eigentümerversammlung eingeladen werden.
18
Das von der Beklagten eingeschaltete Prüfinstitut … GmbH erstellte unter dem 01.10.2018 einen ersten Prüfprotokoll-Entwurf zu der Probe aus der Fassadenverkleidung des Hochhauses … 7 und übermittelte diesen Entwurf an die Beklagte und auch direkt an die … mit Eingang dort am 02.10.2018 (Anlage K 10). Auf dessen Grundlage kam es am 11.10. und 19.10.2018 zu Besprechungen bei der Stadt …. Wegen der Einzelheiten der Besprechungsniederschriften der Stadt … vom 11.10.2018 (Anlage K13) und vom 19.10.2018 (Anlage K14) wird auf diese Bezug genommen.
19
Bei der ersten Besprechung am 11.10.2018 waren neben Vertretern der Beklagten auch der Dienststellenleiter der Berufsfeuerwehr, der Dienststellenleiter der Bauordnungsbehörde, Herr K. vom ... sowie Verantwortliche des Katastrophenschutzes und des Sozialamtes anwesend. In der Niederschrift zu dieser Besprechung heißt es unter anderem:
„Als Ergebnis wird festgestellt, dass die brennbare Außendämmung mit eventueller Kaminwirkung durch Hinterlüftungsspalt (auch unter Berücksichtigung der aus heutiger Sicht unzureichenden, bauzeitlichen Rettungswege) eine Gefahr darstellt und zur Sicherheit der Bewohner umgehend gehandelt werden muss. (…) Mit Herrn M., v. Hausverwaltung, wurde besprochen, dass bis zum 19.10.2018 um 12:00 Uhr das beauftragte Prüfsachverständigenbüro O. und H. ein Konzept zur Gefahrenanalyse mit Kompensationsmaßnahmen vorlegt. (…) Sollte das geforderte Konzept (…) bis zum genannten Termin nicht vorliegen oder sollte dieses Konzept zu dem Ergebnis kommen, dass trotz Kompensationsmaßnahmen eine erhebliche Gefahr vorliegt, sind die Hochhäuser unverzüglich zu räumen. (…)“
20
In einer Summary der Stadt … Planungs- und Baureferat, vom 28.01.2019 (Anlage SH2, Chronologie, S. 5) findet sich folgende Darstellung:
„11.10.2018: Besprechung bei der Bauordnungsbehörde mit der Hausverwaltung und der Feuerwehr:
Es wurde einvemehmlich entschieden, dass aufgrund der vorliegenden konkreten Gefahr die Fassadenverkleidungen unverzüglich, d.h. spätestens bis zum 20.12.2018, entfernt werden müssen. Aufgrund der Einsicht der WEG-Verwalterin und der von ihr als Kompensation angebotenen Schutzmaßnahmen und im Einvernehmen aller Beteiligten musste von der Bauordnungsbehörde kein schriftlicher Bescheid erlassen werden.“
21
Mit Schreiben vom 16.10.2018, Anlage K15, informierte die Beklagte die Eigentümer/Bewohner der 5 Hochhäuser über die behördlich angeordneten und durchzuführenden Brandschutzmaßnahmen – Fassaden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf dieses Schreiben, Anlage K 15, Bezug genommen. Mit Schreiben vom 19.10.2018, Anlage K 16, informierte die Beklagte die Eigentümer/Bewohner der 5 Hochhäuser ergänzend zu dem Schreiben vom 16.10.2018 darüber, dass „zur behördlich angeordneten Entfernung der Fassade“ die Stellung eines Gerüstes erforderlich sei, womit ab 22.10.2018 begonnen werde, sowie darüber, dass die Fassadenentfernung „bis zum 20.12.2018 abgeschlossen sein (behördliche Fristsetzung)“ soll, ferner über eine beabsichtigte außerordentlichen Eigentümerversammlung am 29.10.2018 und die Einrichtung einer Brandwache. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf dieses vorgenannte Schreiben Bezug genommen.
22
Nach einer weiteren Bauteilöffnung am 18.10.2018 u.a. zur Prüfung, welche Art der Dämmung in den Jahren 1996/1998 verbaut wurde, wurde das Ergebnis am 19.10.2018 bei der Stadt … zwischen den Vertretern der Bauordnungsbehörde und den Vertretern der Beklagten diskutiert. In der Niederschrift der Besprechung vom 19.10.2018, Anlage K 14, heißt es zum Aufbau der Fassadenverkleidung unter anderem:
„Polystyrolplatten, beidseitig in Beton geschlämmte Holzwolle gefasst („Sauerkrautplatte“); darauf geschraubte Metallunterkonstruktion mit Glaswolle.
Alucobondplatte und Metallunterkonstruktion mit Glaswolle sind nach DIN 4102-1 der Baustoffklasse A2, nicht brennbar, mit brennbaren Bestandteilen, zuzurechnen. (…)
Es besteht keine erhebliche, unmittelbare Gefahr, die eine sofortige Räumung erforderlich macht. Der sofortige Abbau der Fassadenverkleidung muss erfolgen. Die sofortige Umsetzung des Maßnahmenkataloges ist erforderlich.“
23
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Besprechungsniederschrift, Anlage K14/B8, Bezug genommen.
24
Die Endversion des Prüfprotokolls betreffend alle Hochhäuser wurde am 26.10.2018 vom ... fertiggestellt (Anlage K 10 a bis e). Dort findet sich unter Ziffer 4 folgender Hinweis:
„Die Prüfergebnisse beziehen sich nur auf das Verhalten der Proben von einem Produkt unter den besonderen Prüfbedingungen bei der Prüfung; sie sind nicht als alleiniges Kriterium zur Bewertung der potentiellen Brandgefahr des Produktes im Anwendungsfall zu verstehen.
Der vorliegende Prüfbericht dient als Grundlage zur Ausstellung eines Klassifizierungsberichts. Er ersetzt nicht einen gegebenenfalls notwendigen baurechtlichen/bauaufsichtlichen Nachweis nach Landesbauordnung (MBO § 17, Abs. 3).“
25
Unter der Bezeichnung „Beobachtungen während der Prüfung“ wird bei den protokollierten Einzelergebnissen die jeweilige Feststellung getroffen: „vollständige Verbrennung des Probematerials ja“. Wegen der weiteren Einzelheiten der Prüfprotokolle wird auf diese, Anlage K10a-e, Bezug genommen.
26
Der Gerüstaufbau für den Fassadenabriss begann am 22.10.2018.
27
Mit Schreiben vom 23.10.2018, Anlage K2, lud die Beklagte sämtliche Eigentümer der Klägerin zu einer außerordentlichen Eigentümerversammlung für den 29.10.2018. Mit der Einladung wurden alle Eigentümer erstmals über die anstehenden Brandschutzmaßnahmen und die Zusammenstellung eines Projektteams informiert sowie über im Rahmen einer Notgeschäftsführung erteilte Aufträge u.a. zur Erstellung von Brandschutzkonzepten, Erstellung der Statikplanung für die Feuerwehrzufahrten, Analyse der verwendeten Dämmstoffe und Fassadenbestandteile, Beauftragung eines Prüfsachverständigen, sowie über weitere im Rahmen der Notgeschäftsführung noch anstehende Aufträge hinsichtlich der Entfernung der Fassadenplatten und Dämmstoffe. In der Einladung heißt es unter anderem: „Aufgrund der zwingend behördlichen Anordnung in Bezug auf den Brandschutz der Gebäude … 7, 31, 32, 53 und 54 war eine Notgeschäftsführung und Auftragserteilung zur Abwendung von Personen- und Vermögensschäden erforderlich.“ Wegen der genauen Einzelheiten wird auf das Einladungsschreiben vom 23.10.2018, Anlage K2, Bezug genommen.
28
Für die Eigentümerversammlung am 29.10.2018 hatte der Beiratsvorsitzende, Gerhard Berr, ein Handout vorbereitet und verteilt. In diesem, Anlage B19, ist ausgeführt:
„Meine dringende Empfehlung: dem Rückbau der Fassade (bis zum 20.12.2018) zuzustimmen, damit die Auflagen der Baubehörde erfüllt werden!“.
29
Zu Beginn der Eigentümerversammlung erläuterten die Brandschutzsachverständigen Frau … vom Planungsbüro … GbR und der Prüfsachverständige für Brandschutz Herr … den Wohnungseigentümern ausführlich, weshalb der Fassadenabriss zwingend notwendig war.
30
In der Eigentümerversammlung vom 29.10.2018 beschlossen die Eigentümer mehrheitlich unter TOP 3a (Anlage K17):
„Die Eigentümergemeinschaft beschließt, dass die im Rahmen der Notgeschäftsführung bereits eingeleiteten und beauftragten Maßnahmen:
- Erstellung Brandschutzkonzepte
- Erstellungsstatik-Planung Feuerwehrzufahrten
- Analyse der Baustoffe und Nachweis Führung
- Begleitung und Auswertungsmaterialproben
- Brandwache
- Einrüstung Fassaden
- Herstellung Baustrom
- Installation Rauchwarnmelder im Gemeinschaftseigentum
sowie die in diesem Zusammenhang noch kurzfristig anstehenden – zur Abwendung von Personen und Vermögensschäden – erforderlichen Maßnahmen:
- Entfernung Fassadenplatten und Dämmstoffe
- Miete eines mobilen Brandmeldesystems
- Vergabe Koordination und Bauleitung
- Erstellung Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination
- Aufrüstung der Gebäude gem. Brandschutzkonzepte“
für die Gebäude … 7, 31, 32, 53 und 54 über die gesamte Eigentümergemeinschaft und deren Rücklagen vorfinanziert werden. (…)“
31
Die Finanzierung sollte aus den Geldbeständen der betroffenen Untergemeinschaften vorrangig aufgebracht werden und erst im Anschluss die Rücklagenbestände der übrigen Untergemeinschaften genutzt werden. Die Beschlussfassung erfolgte unter einem Haftungs- und Regressvorbehalt gegenüber der Verwaltung … GmbH und der …. Wegen der genauen Einzelheiten wird auf das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 29.10.2018, Anlage K 17, Bezug genommen.
32
Bis 20.12.2018 waren sämtliche Fassadenisolierungen an den Außenfassaden der 5 Hochhäuser demontiert. Mit den Fassaden-Abrissarbeiten an den Außenfassaden der 5 Hochhäuser war die Firma … GmbH beauftragt im Auftragswert von 3.570.000,00 €. Über deren Forderung (Schlussrechnung über 2.915.000,00 €) ist derzeit in 2. Instanz ein Verfahren beim Oberlandesgericht in Nürnberg unter dem Aktenzeichen 13 U 3276/20 gegen die hiesige Klägerin anhängig.
33
Der in der Eigentümerversammlung unter TOP 3a gefasste Beschluss wurde mit 3 Klagen angefochten. Diese Verfahren wurden zunächst unter den Aktenzeichen 244 C 8239/18 WEG (Kirsch), 244 C 8212/18 WEG (…) und 244 C8240/18 WEG (…) geführt und mit späterem Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 12.02.2019 zum führenden Verfahren 244 C 8212/18 verbunden. Mit gleichlautenden Beschlüssen des Amtsgerichts Nürnberg vom 22.01.2019 in den vorgenannten drei Verfahren wurde die Beklagte zum Ersatzzustellungsvertreter bestellt, Anlage B 23 a bis c. Weiter heißt es im Tenor der Beschlüsse:
„2. Die Kosten der Ersatzzustellungsvertreterin richten sich nach den Konditionen des Verwaltervertrages vom 08. April 2000.“
34
In den Gründen der Beschlüsse ist dazu ausgeführt, dass zur Bestimmung der üblichen Vergütung des Ersatzzustellungsvertreters gemäß §§ 675, 612 Abs. 2 BGB auf den Verwaltervertrag vom 04.04.2000 zurückgegriffen werden kann. In diesem (Anlage B51) heißt es unter § 6 (3):
„Nicht in der Verwaltervergütung enthalten sind folgende Leistungen:
- Honorar für die Abwicklung größerer Instandsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum ab 15.000,- DM Auftragsvolumen, in Höhe und 5 % der Auftragssumme zzgl. Mehrwertsteuer;
- (…)
- Kopie- und Zustellungskosten für eigentümerseits gewünschte Kopien aus Verwaltungsunterlagen in Höhe von 1,- DM zuzüglich Mehrwertsteuer und Porto;“
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Mit inzwischen rechtskräftiger Entscheidung erklärten das Amtsgericht Nürnberg im Verfahren 244 C 8212/18 mit Urteil vom 30.10.2019 und in der Berufungsinstanz das Landgericht Nürnberg-Fürth mit Berufungsurteil vom 10.11.2021, Aktenzeichen 14 S 7436/19, den unter TOP 3a gefassten Beschluss für ungültig, weil die Bestellung der Beklagten zum Verwalter in Teil-Eigentümerversammlungen der Untergemeinschaften im Jahr 2014 nichtig gewesen sei und die Beklagte deshalb nicht wirksam zu der Eigentümerversammlung vom 29.10.2018 habe einladen können.
36
In der Eigentümerversammlung vom 01.07.2019 beschlossen die Eigentümer bestandskräftig unter TOP 23/2019 die Vergemeinschaftung der Schadensersatzansprüche der Eigentümer das Gemeinschaftseigentum betreffend, soweit sie im Zusammenhang mit der Entfernung der Fassaden an den 5 Hochhäusern gegenüber der Beklagten stehen, sowie deren außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung gegenüber der Beklagten.
37
Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 30.10.2020, Anlage K20, wurde die Beklagte unter Fristsetzung zum 16.11.2020 zur Bezahlung von 15.711.896,26 € aufgefordert sowie zur Anerkennung einer Pflicht zur Erstattung sämtlicher darüber hinausgehender Schäden.
38
Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 24.08.2020, Anlage B 26, wurde die Klägerin unter Fristsetzung zum 07.09.2020 aufgefordert, einen Betrag von 49.571,32 € an die Beklagte zu erstatten für die Aufwendungen, die diese im Rahmen der Ersatzzustellung für die Zustellung der Klageschriften in drei Beschlussanfechtungsverfahren (244 C 8239/18, 244 C 8212/18 und 244 C 8240/18) aufgewandt hat.
39
Die Klägerin meint, dass die Beklagte seit dem 08.04.2015 wegen der unwirksamen Bestellung in Untergemeinschaften nicht mehr zur Vertretung der Klägerin gegenüber Dritten legitimiert und berechtigt gewesen, was diese auch gewusst habe.
40
Hinsichtlich der geforderten Feuerwehrzufahrt sei die Beklagte, als vermeintlicher Verwalter der Klägerin, über 1,5 Jahre untätig geblieben. Hinsichtlich der weiteren Anordnungsbescheide zur Fassadendämmung habe die Beklagte gegenüber der Stadt … nicht deutlich gemacht, dass sie als nicht ordnungsgemäß bestellte Verwaltung der Klägerin nicht mit Vertretungsvollmachten ausgestattet und daher die falsche Ansprechpartnerin für das Anliegen der Stadt ... sei.
41
Die Klägerin behauptet, die Errichtung der 5 Hochhäuser sei plangerecht erfolgt. Bereits aus den Bauakten sei ersichtlich gewesen, dass die zum Einsatz gelangte Dämmung an den Außenfassaden der Hochhäuser aus kunststoffgebundenen Platten und Hartschaumplatten bestanden habe, die brennbare Bestandteile enthielten. Dieser Sachverhalt habe der Bauabnahme zugrunde gelegen. Der genehmigenden Behörde sei die Art und die Zusammensetzung der zu Dämmung der Hochhausfassaden gelangten Baustoffe aus der Bauakte genauestens bekannt gewesen. Die 3-Schichtplatten seien unter Zuhilfenahme einer sogenannten „verlorenen Schalung“ direkt in die Schalung der Gebäudeaußenwand eingelegt und so unmittelbar mit dem Baukörper fest und dicht verbunden worden oder mit zementösem Material unmittelbar an die Stahlbetonwände der Hochhäuser geklebt worden. Sie seien dadurch unmittelbar mit der Außenwand des Gebäudes zu einer kompakten Einheit verschmolzen. Die äußere Seite der Platten sei dann anschließend noch mit Beton eingeschlämmt worden, was eine geschlossene Oberfläche nach sich gezogen habe. Auf diese verschmolzenen Schichtplatten seien abschließend Faserzementplatten aufgebracht worden. Die 3-Schicht-Dämmplatten seien bei der Rohbauabnahme für die Behörde sichtbar gewesen. Nach Fertigstellung der Hochhäuser sei abschließend auch eine formelle Schlussabnahme seitens der Bauordnungsbehörde erfolgt. Die Klägerin meint, nachdem die Hochhäuser baugenehmigungskonform erstellt worden seien, würden sie seit ihrer Errichtung in dieser Ausführung auch zumindest formellen Bestandsschutz genießen. Außerdem trägt die Klägerin erstmals mit Schriftsatz v. 11.10.2024, S. 9, Bl. 1377 d.A., vor, dass das in den Mehrschicht-Leichtbauplatten verwendete Polystyrol massiv mit Flammschutzmittel versehen gewesen sei.
42
Die Klägerin behauptet, ab 1998 habe die gesamte Fassadendämmung und -verkleidung der fünf Hochhäuser aus nicht brennbaren Baustoffen bestanden, mit Ausnahme der vollständig verkapselten mittleren Schicht der 3-Schichtplatten. In allen Bereichen der Fassaden seien sämtliche Wärmedämmplatten mit den neuen Glaswollplatten ummantelt worden. Offene Flanken der weiterhin an der Fassade verbliebenen Wärmedämmplatten habe es nicht gegeben.
43
Die Auftragserteilung sei, unstreitig, ohne vorherige Ermächtigung durch Eigentümerbeschlüsse erfolgt. Die Klägerin meint, dass der Verwalter nach dem Gesetz allenfalls für laufende Maßnahmen der erforderlichen ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG eine gesetzliche Vertretungsmacht habe. Dabei könne es sich nur um alltägliche jedenfalls nicht außergewöhnliche Arbeiten größeren Umfangs handeln.
44
Ferner sei der Auftrag an das Prüfinstitut in R. unzureichend gewesen. Eine Ermittlung der Baustoffklasse sei entgegen des Bescheids der Stadt … vom 22.05.2018, Anlage K7, nicht Gegenstand des Auftrags gewesen. Die Beklagte habe lediglich den Heizwert gemäß DIN 4102 feststellen lassen. Die weiteren Prüfungsschritte, Brandschadenprüfung und Prüfung der Rauchentwicklung seien nicht durchgeführt worden. Die Beklagte habe es unterlassen, die gemäß Entwurf des Prüfprotokolls des ... vom 01.10.2018 als notwendig angegebenen weiteren Untersuchungen oder Feststellungen zu den Fassaden-Dämmstoffen in die Diskussion mit der Stadt ... einzubringen oder gar zur Entscheidung über eine Beauftragung durch die Eigentümer zu stellen.
45
Aufgrund der Feststellung des Prüfinstituts hätte keine Veranlassung für den Fassadenabriss bestanden. Aus dem Vermerk über die vollständige Verbrennung hätten die Beklagte und die anderen Beteiligten den irrigen Fehlschluss gezogen, dass die gesamten Fassaden der Hochhäuser aus brennbaren Materialien bestünden und der Abriss notwendig sei. Ein Fachmann hätte dem Prüfbericht entnehmen können, dass von den geprüften Materialproben lediglich der Baustoff Polystyrol bei einer Prüfung als Einzelbestandteil der Dreischichtplatte nicht als nichtbrennbar A1/A2 eingestuft werden könne. Das Polystyrol sei zwar entflammbar, müsse jedoch infolge beiderseitiger Einkapselung als nicht brennbar eingestuft werden. Für die vier untersuchten Baustoffe habe das Prüfinstitut eine Bewertung als „nicht brennbar mit brennbaren Bestandteilen“ ermittelt. Eine weitere Prüfung hätte allerdings ergeben, dass die bei Errichtung der fünf Hochhäuser angebrachte Fassadendämmung und -verkleidung den damals (1965/1966) geltenden baurechtlichen Normen und baubehördlichen Auflagen entsprochen habe mit der Folge eines Bestandschutzes für die jeweilige bauliche Anlage.
46
Die Errichtung der Hochhäuser sei unter Beachtung der Vorgaben der bayerischen Bauordnung 1962 sowie der damals geltenden Hochhausrichtlinien erfolgt. Es sei auch eine behördliche Endabnahme erfolgt. In der bayerischen Bauordnung 1962 sowie den damals geltenden Hochhausrichtlinien hätten sich damals keine Anforderung an eine Außenwanddämmung/Außenwanddämmstoffe von Häusern gefunden. Die Verwendung von Baustoffen als Dämmung an Außenwänden von Hochhäusern sei bauaufsichtlich gar nicht geregelt gewesen. Festgelegt sei allein das Erfordernis der nicht Brennbarkeit von Verkleidungen an und in Hochhäusern gewesen. Unter Berücksichtigung der normativen Definition der „nicht Brennbarkeit“ von Verkleidungen zum Errichtungszeitpunkt habe die Stadt … Bauordnungsbehörde, die zur Wärmedämmung verwendeten 3-Schichtplatten, weil von Art. 27 Abs. 4 der bayerischen Bauordnung gar nicht erfasst, ohne weiteres als für den Verwendungszweck geeignet und als ausreichend sicher angesehen.
47
Da es 1964/1965 auf dem Markt überhaupt keine Wärmedämmverbundsysteme mit ausschließlich nicht brennbarem Dämmmaterial gegeben habe, führe der Einsatz der 3-Schichtplatten mit beidseitig abgedeckter, also gekapselter Polystyrolschicht an den Fassaden der 5 Hochhäuser noch dazu „verstärkt“ mit darauf montierten Faserzement-Fassadenplatten zu konform mit den damaligen Anforderungen der Bauordnung erstellten Außenwänden. Die Fassaden seien danach brandschutztechnisch fachgerecht errichtet worden und hätten den damaligen anerkannten Regeln der Technik entsprochen.
48
Die Fassadensanierung der Hochhäuser in den Jahren 1996-1998 sei mit der Bauordnungsbehörde abgestimmt gewesen und vom Bauamt seien die als vorhanden dokumentierten 3-Schichtplatten nicht beanstandet worden seien. Eine irgendwie geartete erhebliche Gefahr für Leib und Leben der Bewohner der Häuser bei einem Brandfall sei weiterhin nicht gegeben gewesen.
49
Die Klägerin behauptet, dass die Bauordnungsbehörde im Besprechungstermin am 11.10.2018 keine sofortige Entfernung der Fassadendämmung verlangt und auch von sich aus keinen Termin für die Entfernung der Fassade bestimmt habe, schon gar nicht den 20.12.2018. Eine behördliche Anordnung zur Entfernung der Fassade mit behördenseitig aufgegebener Erledigungsfrist bis zum 20.12.2018 habe es nicht gegeben. Dennoch habe die Beklagte bereits unmittelbar im Anschluss an diese Besprechung eigenmächtig eine Gerüstbaufirma beauftragt, die ab dem 22.10.2018 die fünf Hochhäuser vollständig eingerüstet habe, ohne das von der Stadt ... geforderte Sicherheitskonzept der Streithelferin zu 2 abzuwarten.
50
Das Sicherheitskonzept der Streithelferin vom 19.10.2018 (Anlage B7) habe lediglich das Entfernen von Fassadenplatten im räumlichen Umfang auf den Bereich der Sicherheitstreppenräume der 3 Hochhäuser mit den Nrn. 32, 53 und 54 beschränkt.
51
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sich die Beklagte der übereilten Einschätzung der Stadt ... , die Fassadenverkleidung sei insgesamt brennbar gewesen, angeschlossen habe, ohne hierbei weniger einschneidende Maßnahmen auch nur in Erwägung zu ziehen oder einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu verlangen. Die von der … GmbH durchgeführten Prüfungen und deren Ergebnisse seien gründlich missverstanden und fehlinterpretiert worden, was zu der panischen Schlussfolgerung geführt habe, dass infolge angeblicher Brennbarkeit der kompletten Außenfassade zur Sicherung der Bewohner der fünf Hochhäuser umgehend gehandelt werden müsse. Die Beklagte sei nicht auf die Idee gekommen, die gestellte Beurteilung der Sachlage auch nur ansatzweise zu hinterfragen oder anzuzweifeln. Obwohl anlässlich der Besprechung vom 19.10.2018 bei der Stadt … kein akuter Gefährdungstatbestand festzustellen gewesen sei und die Bauordnungsbehörde ihre ursprünglich angestellte Überlegung, die Hochhäuser gegebenenfalls räumen zu lassen, nicht mehr weiterverfolgt habe, habe sich die Beklagte ohne Notwendigkeit der übereilten Einschätzung der Stadt … angeschlossen, wonach zumindest ein zeitnaher Abbau der Fassadenverkleidung zu erfolgen habe. Darüber sei zwischen den Gesprächspartnern ein Einvernehmen erzielt worden, ohne dass die Frage der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme auch nur ansatzweise von Seiten der Beklagten aufgeworfen worden sei. Weniger einschneidende Maßnahmen, zum Beispiel die Einbringung von Brandriegeln, seien nicht zur Sprache gekommen. Das Datum 20.12.2018 habe die Beklagte selbst vorgeschlagen. Von Seiten der Stadt … sei ein solch kurzfristiges Tätigwerden, noch dazu über die Wintermonate 2018, nicht gefordert worden.
52
Die Möglichkeit der Erhaltung der Hochhausfassaden unter dem Gebot des Bestandsschutzes bzw. unter dem Blickwinkel geringfügiger Eingriffe sei von der Beklagten nicht eingewandt oder gar geprüft worden. Eine Entscheidung der unmittelbar betroffenen Eigentümer mittels einer Eigentümerversammlung sei nicht herbei geführt worden. So hätten die Eigentümer nicht darüber entscheiden können, ob die seitens der Stadt … nur mündlich mitgeteilte brandschutzrelevante Einschätzung geteilt werde, ob man ihr folgen oder es nicht vielmehr auf den Erlass eines offiziellen Bescheides ankommen lassen wolle, gegen den man hätte rechtlich vorgehen können. Ebenso wenig hätten die Eigentümer darüber entscheiden können, ob gegebenenfalls weitergehende Untersuchungen und Prüfungen in Erwägung gezogen würden bzw. ob man hierzu noch weitere Gutachten einholen wolle.
53
Die Klägerin meint, dass die Beklagte der falsche Adressat einer Anordnungsverfügung der Stadt ... gewesen sei. Vielmehr seien die einzelnen Wohnungseigentümer der Klägerin nach § 20 Abs. 1 WEG a.F. zur Verwaltung berufen gewesen. Eine entsprechende Abrissverfügung hätte, um Wirkung gegenüber den Wohnungseigentümern zu entfalten, jedem einzelnen Eigentümer zugestellt werden müssen. Bei der Besprechung am 19.10.2018 sei jedoch kein einziger Eigentümer zugegen gewesen.
54
Ohne Zustimmung oder Genehmigung der Eigentümer habe die Beklagte im Nachgang zum Zusammentreffen am 19.10.2018 bereits die Gerüst-Aufstellungsarbeiten an den fünf Hochhäusern in Auftrag gegeben und die Firma … GmbH am 25.10.2018 mit den Fassadenabrissarbeiten an den fünf Hochhäusern im Auftragswert von 3.570.000,00 € beauftragt. Dabei habe es die Beklagte versäumt, dafür Sorge zu tragen, dass die beauftragte Firma die bis dahin zur Fassadenverkleidung angebrachten und in ihrem Zustand einwandfreien Alucobond-Platten von den Hochhäusern schonend abbaut und zwischenlagert, um deren Wiederverwendung zu sichern. Tatsächlich seien die Platten ohne Rücksicht auf einen Erhalt aus ihren Verankerungen gerissen und dabei beschädigt und unbrauchbar gemacht worden.
55
In der Eigentümerversammlung vom 29.10.2018 habe die Beklagte fälschlich und ungeprüft behauptet, dass sich an den Fassaden der 5 Hochhäuser brennbare Materialien befänden, weshalb der sofortige Abriss der kompletten Fassade zum Schutz von Leib und Leben der Bewohner dringend erforderlich und ohne Alternative sei. Die Stadt … habe deshalb die sofortige Entfernung der Fassadenverkleidung angeordnet. Es drohe eine Zwangsräumung. Die Kosten für die bereits eingeleiteten und unmittelbar bevorstehenden Maßnahmen würden sich auf ca. 5 bis 5,7 Millionen € netto belaufen.
56
Die Klägerin meint, in der Eigentümerversammlung vom 29.10.2018 sei nicht über eine Vertretungsmacht der Beklagten oder über die Genehmigung von bereits eingeleiteten und beauftragten bzw. über die Ermächtigung zur Durchführung von kurzfristig anstehenden Maßnahmen beschlossen worden, sondern lediglich über deren Finanzierung. Der unter TOP 3a gefasste Beschluss stelle lediglich eine Entscheidung der Eigentümer über die Art und Weise einer Vorfinanzierung von baulichen Maßnahmen dar.
57
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte anlässlich der Beauftragung der Gerüststellung und des Fassadenabrisses und der damit verbundenen Zusatzaufwendungen in unsachgemäßer, nicht ordnungsgemäßer Weise gehandelt habe. Dieses Vorgehen sei auch nicht im Nachhinein genehmigt worden, zumindest nicht unter Aufgabe des ausdrücklich zulasten der Beklagten formulierten Haftungs- und Regressvorbehaltes. Als ehemalige Verwalterin sei die Beklagte bei Erteilung der vorstehend angesprochenen Aufträge nicht mehr berechtigt gewesen, die Klägerin zu vertreten. Mit Ende der Verwalterstellung sei auch jede etwa der Beklagten zuvor erteilte Ermächtigung erloschen. Aus dem Vorgehen der Beklagten stünden den Wohnungseigentümern und der Gemeinschaft Ersatzansprüche zu, die die Klägerin mit Beschluss vom 01.07.2019 vergemeinschaftet habe.
58
Die Klägerin meint, ihr stünden gegen die Beklagte Rückzahlungsansprüche hinsichtlich der von der Beklagten aus Anlass des Fassadenabrisses vom Konto der Klägerin entnommenen Beträge aus Anlass des von der Beklagten in Auftrag gegebenen Fassadenabrisses in der Zeit vom 29.10.2018 bis 30.01.2019 zu, die sich auf 1.829.662,02 € beliefen. Wegen der Einzelheiten der zugrunde liegenden Rechnungen wird auf die Klageschrift Seite 57 und die Auflistung, Anlage K 18, Bezug genommen.
59
Die Beklagte hafte gegenüber der Klägerin auch für sämtliche Folgekosten und -aufwendungen, die der Klägerin im Zusammenhang mit der anschließend notwendig gewordenen Wiederherstellung/Neuerrichtung der Fassaden an den fünf Hochhäusern entstanden seien. Diese Kosten beliefen sich auf 13.882.234,490 €. Wegen der Einzelheiten der Kostenauflistung wird auf die Klageschrift Seite 70-79, sowie die Anlage K 19 a Bezug genommen. Die diesen Rechnungen zugrunde liegenden Leistungen/Arbeiten seien für die Wiederherstellung der Wärmedämmung/Außenfassaden an den fünf Hochhäusern notwendig und erforderlich. Insgesamt stünde der Klägerin daher ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 15.711.896,26 € zu.
60
Die infolge des von der Beklagten veranlassten Fassadenabrisses an den Hochhäusern noch entstehenden Folgekosten seien derzeit nicht absehbar, weshalb der geltend gemachte Feststellungsantrag zulässig und begründet sei. Es müsse mit einem Kostenaufwand von mindestens ca. 500.000 € für die Restgewerke gerechnet werden. Außerdem stünde die Rechnung der Firma … GmbH für den Fassadenabriss im Streit. Insoweit käme ein Freistellungsanspruch in Höhe von ca. 3 Millionen € in Betracht.
61
Die Klägerin meint, dass die Beklagte infolge der schuldhaften Pflichtverletzungen auch die Kosten für das anwaltliche Aufforderungsschreiben vom 30.10.2020 in Höhe von 84.038,40 € berechnet aus einem Gegenstandswert von 18 Millionen € zu tragen habe.
62
Die Streithelfer sind dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten, die Streithelferin zu 2 (… GbR) mit Schriftsatz vom 17.05.2021 (Blatt 213 der Akte), die Streithelfer zu 3 (Diplom-Ingenieur (FH) …) und 4 (… und …) mit Schriftsatz vom 23.11.2021, Blatt 513 der Akte, und die Streithelferin zu 1 (Stadt …) mit Schriftsatz vom 03.12.2021, Blatt 572 der Akte.
63
Die Klägerin beantragt:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.711.896,26 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.2020 zu bezahlen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin sämtliche darüber hinausgehenden Schäden zu ersetzen und dabei die Klägerin insbesondere von solchen Forderungen Dritter freizustellen hat, die ihr noch dadurch entstehen bzw. ihr gegenüber deshalb noch geltend gemacht werden, weil die Beklagte im Oktober 2018 den Abriss der Fassaden an den 5 zur WEG-Anlage der Klägerin zählenden 5 Hochhäusern beauftragt und veranlasst hat.
III. Weiter wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 84.038,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.2020 zu erstatten.
64
Die Beklagte und die Streithelfer zu 1 bis 4 beantragen,
die Klage abzuweisen.
65
Widerklagend beantragte die Beklagte zunächst,
die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 50.769,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.09.2020 zu zahlen,
66
Mit Schriftsatz vom 13.12.2021, Bl 584 d.A., beantragte die Beklagte weiter festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist,
1. die Beklagte von allen Ansprüchen und Forderungen der Firma …, aus und im Zusammenhang mit dem Auftrag vom 25.10./29.10.2018 zum Abriss der Fassaden an den 5 Hochhäusern der Eigentümergemeinschaft … 1-55, Nürnberg freizustellen;
2. der Beklagten Schadens- und Aufwendungsersatz zu zahlen, falls die Beklagte Zahlungen, insbesondere Werklohn, Zinsen, Prozess- und sonstige Kosten, aus und im Zusammenhang mit dem Auftrag vom 25.10./29.10.2018 zum Abriss der Fassaden an den 5 Hochhäusern der Eigentümergemeinschaft … 1-55, Nürnberg an die Firma … GmbH, … Leisten muss, zuzüglich der bei der Beklagten anfallenden eigenen Kosten und des etwaigen eigenen Zinsschadens.
67
Mit Schriftsatz v. 19.12.2022, Bl. 1058 d.A., beantragt die Beklagte im Wege der Erhöhung der ursprünglichen Widerklage um 115.377,96 €,
die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 166.147,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 50.769,36 € seit dem 08.09.2020 und aus 115.377,96 € seit Rechtshängigkeit dieser erhöhten Widerklage zu zahlen.
68
Die Klägerin beantragt,
die Widerklage kostenpflichtig abzuweisen.
69
Die Beklagte meint, keine Pflichtverletzung begangen zu haben.
70
Die Stadt ... habe die sofortige Entfernung der Fassade angewiesen, nachdem ihre Experten des Bauordnungsamtes und der Berufsfeuerwehr die Alternativlosigkeit des Fassadenabrisses und weitere Maßnahmen eines Sicherheitskonzeptes festgestellt hätten. Ohne den Fassadenabriss habe eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit der Bewohner akut bestanden, weshalb die Stadt ... ansonsten die Räumung angeordnet und die Obdachlosigkeit der Bewohner verursacht hätte.
71
Auf eine Klassifizierung sei aus Zeitgründen verzichtet worden wegen der großen Gefährdungslage. Die Brandgefahr sei nicht nur vom …, sondern auch von den eingeschalteten Brandschutzsachverständigenc …, dem Bauordnungsamt der Stadt … und der Berufsfeuerwehr so eingeschätzt worden.
72
Einen Bestandsschutz habe es nicht gegeben, weil die Errichtung der Hochhäuser mit brennbaren Material schon bei deren Errichtung nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprochen habe. Bei der Fassadensanierung 1996/1998 sei die alte Dämmung nicht beseitigt, sondern nur überdeckt worden.
73
Das bei Errichtung des Gebäudes zur Wärmedämmung der Fassade verwendete Polystyrol sei ein brennbarer Baustoff, der an den Hochhäusern nicht hätte verwendet werden dürfen. Die Baugenehmigung sei für diese Frage nicht relevant, da kein Antrag auf Verwendung brennbarer Baustoffe gestellt worden sei. Es habe kein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis zur Nichtbrennbarkeit der Wärmedämmung gegeben und auch keine Zustimmung im Einzelfall zur Verwendung von brennbaren Baustoffen.
74
Brandversuche des von der Klägerin beauftragten … und der … hätten ergeben, dass das Material die Qualifikation „ist schwer entflammbar erreichen“ könne. Die 3-Schichtplatten seien insgesamt schwer entflammbar gewesen. Die äußere Deckschicht der Holzwolle-Leichtbauplatten würde sogar als nicht brennbar eingestuft werden (TÜV Gutachten, Anlage K11, Seite 121). Mangels genügend Originalmaterials habe die … dies aber nicht abschließend bewerten können. Auch die … sei zu dem Ergebnis gekommen, dass das Polystyrol brennbar sei. Es sei nicht um die isolierte Bewertung der Holzwolle, die als nicht brennbar bezeichnet werden könne, gegangen, sondern um die Bewertung der 3-Schichtplatten mit einem Polystyrolkern. Eine Ummantelung brennbarer Baustoffe an Hochhäusern sei nicht zulässig gewesen. Nach der bayerischen Bauordnung 1962 hätten in jedem Segment der Fassade wegen der Brand- und Verqualmungsgefahr nur nicht brennbare Baustoffe verwendet werden dürfen.
75
Auf der Grundlage des Prüfbefundes habe die Stadt t … entschieden, dass bis zum 19.10.2018 ein Brandschutzkonzept der Klägerin zur Gefahrenanalyse vorliegen müsse. In der Besprechung vom 11.10.2018 sei gegenüber dem Zeugen … ausgeführt worden, sollte sich die Eigentümergemeinschaft nicht zum Fassadenabriss entscheiden, die Räumung derart verfügt werde, dass den Bewohnern nur 2 Stunden Zeit eingeräumt würden, das Nötigste zu packen. In der Besprechung habe der Vertreter des …, Herr …, klar gestellt, dass die Fassade aus brennbarem Material bestünde. Die Beklagte habe keine Feststellungen interpretiert bzw. fehlinterpretiert, sondern lediglich die unmissverständlichen Ausführungen der Stadt ... zur Kenntnis genommen.
76
In der Besprechung vom 19.10.2018 bei der Stadt ... sei keine Entwarnung erteilt worden. Die Formulierung, es bestünde keine erhebliche, unmittelbare Gefahr mehr, habe lediglich dazu gedient, der Beklagten Zeit einzuräumen, den Fassadenabriss einzuleiten. Wäre weiterhin eine unmittelbare Gefahr angenommen worden, wäre es schon am nächsten Tag zur Räumung des Objektes gekommen. Dies wäre auch geschehen, wenn die Beklagte das vorläufige Sicherheitskonzept nicht sofort um gesetzt hätte.
77
Seitens des Leiters der … Berufsfeuerwehr, Herr … sei in dieser Besprechung dargelegt worden, dass ein Brand hinter der Alucobond-Fassade nicht gelöscht werden könne, da diese Platten das Löschwasser abweisen würden. Für die Feuerwehr wäre es unmöglich, hinter die Fassadenplatten zu kommen. Die Feuerwehr habe das Brandrisiko so groß angesehen, dass sie die Forderung aufgestellt habe, die Fassade müsse noch vor Weihnachten beseitigt sein, weil schon Feuerwerkskörper zu Silvester einen Fassadenbrand auslösen könnten.
78
In der Bürgerversammlung vom 06.12.2018 habe der Baudezement … darauf hingewiesen, dass kein Bestandsschutz bestehe, weil die brennbare Dämmung an den Hochhäusern zu keinem Zeitpunkt legal gewesen sei. Auch der Prüfsachverständige … habe in dieser Bürger-Informationsveranstaltung erläutert, dass in den Fassaden der Häuser brennbare Baustoffe verbaut worden seien und deshalb kein Bestandsschutz bestünde, weil bereits die Errichtung nicht rechtmäßig gewesen sei. Er habe es für richtig gehalten, die brennbaren Baustoffen der Fassade zur Gefahrenabwehr zu entfernen.
79
In der Eigentümerversammlung 29.10.2018 sei mehrere Stunden lang unter Einbeziehung der Brandschutzsachverständigen … und … über die durchzuführenden Maßnahmen diskutiert worden, bevor es zur Beschlussfassung gekommen sei. Mit dem sodann gefassten Beschluss, sei nicht nur das Geld für die ersten Maßnahmen zur Verfügung gestellt worden, sondern die Maßnahmen selbst gleichsam genehmigt worden. Wer im Rechtsverkehr eine Leistung bezahle bzw. das Geld dafür bereit stelle, wolle dass die Maßnahme durchgeführt werde und erkenne sie damit dem Grunde nach an. Die Wohnungseigentümer hätten im Zeitpunkt der Beschlussfassung Kenntnis von den gesamten Maßnahmen gehabt, die notwendig gewesen seien und noch sein würden. Dies sei von den Brandschutzsachverständigen … und … ausführlich begründet worden. Weil beide Sachverständigen zum Fassadenabriss geraten hätten, hätten die Wohnungseigentümer den Beschluss zum ersten Finanzierungsteil der Maßnahmen gefasst. Die Eigentümer hätten den Fassadenabriss gewollt. Dazu sei ihnen durch die Sachverständigen … und … dringend geraten worden. Die Stadt … habe den sofortigen Abriss der Fassade kompromisslos gefordert. Dem habe sich die Berufsfeuerwehr ebenfalls angeschlossen. Die Beklagte selbst habe weder die Notwendigkeit des Fassadenabrisses festgestellt noch dazu geraten. Sie habe nur wiedergegeben, was die Stadt … und die Brandschutzsachverständigen gefordert hätten. Die Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen sei nicht von der Beklagten zu beurteilen gewesen. Sie habe nicht mehr Wissen gehabt, als die beiden Brandschutzsachverständigen.
80
Die im Beschluss vom 29.10.2018 genannten Maßnahmen seien allesamt notwendig gewesen, um die sofortige Räumung der Hochhäuser zu vermeiden. Diese Maßnahmen seien ebenfalls in Auftrag gegeben und von der Klägerin bezahlt worden mit Ausnahme der Kosten des Fassadenabrisses. Die Beklagte habe die Fassade erst nach der Eigentümerversammlung abreißen lassen, ohne dass ein Wohnungseigentümer versucht habe, dies zu stoppen. Alle Wohnungseigentümer seien daher von einem Genehmigungsbeschluss ausgegangen. Zumindest sei das Schweigen zu den Abrissarbeiten als Duldungsvollmacht zu verstehen.
81
Der Fassadenabriss habe keinen Aufschub geduldet, weil die Stadt ... andernfalls die sofortige Räumung der Hochhäuser angekündigt gehabt habe. Eine entsprechende Verfügung der Stadt ... wäre sofort vollziehbar gewesen. Eine verwaltungsrechtliche Klage hätte keine aufschiebende Wirkung gehabt. Nachdem die Bauaufsichtsbehörde von einer konkreten Gefahr ausgegangen sei, die auch von den Brandschutzsachverständigen … und … im Auftrage der Eigentümergemeinschaft bestätigt worden sei, sei für die Beklagte kein Raum mehr für eigene oder gar anderslautende Überlegungen gewesen. Sie habe von einer drohenden Gefahr ausgehen müssen, die den Abriss der Fassade erfordert habe.
82
Zur Widerklage trägt die Beklagte vor, dass die drei Beschlussanfechtungsklagen an alle jeweils beklagten Wohnungseigentümer versandt bzw. bei den im Objekt wohnenden Eigentümern in die Briefkästen geworfen worden seien. Dafür habe die Beklagte 97.370 Kopien gefertigt und 1411 Briefe zugestellt. Infolgedessen seien ihr unter Zugrundelegen des Verwaltervertrags Aufwendungen in Höhe von insgesamt 49.784,31 € für Kopien, 987,70 € für Porto zzgl. Umsatzsteuer, mithin ein Gesamtbetrag von 60.418,69 € entstanden. Damit habe die Beklagte die zur Rückzahlung geforderte halbe Verwaltervergütung für den Monat Februar 2019 verrechnet. Unter Berücksichtigung eines weiteren vermeintlichen Schadens der Klägerin wegen nicht Berücksichtigung von Skontobeträgen bei Bezahlung diverser Rechnungen durch die Beklagte für die Klägerin vom Konto der Eigentümergemeinschaft, ergebe sich letztendlich die Widerklageforderung von 50.769,36 €, Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Klageerwiderung S. 93, 94, Bl. 195, 196 d.A., und den Schriftsatz der Beklagten v. 29.11.2021, S. 47, 48, Bl. 567, 568 d.A., Bezug genommen.
83
Widerklageerweiternd meint die Beklagte, ihr stünde nach § 6 Abs. 3 des Verwaltervertrages ein Anspruch auf Zahlung eines Zusatzhonorars für die Abwicklung größerer Instandsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen in Höhe von 5 % der Auftragssumme zuzüglich Umsatzsteuer zu. Sie begehre mit der Erhöhung der Widerklage allerdings lediglich ein Zusatzhonorar in Höhe von 2 % für ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Fassadenabriss und den Maßnahmen, die zur Umsetzung des Sicherheitskonzeptes notwendig gewesen seien. Aus der klägerischen Kostenaufstellung ergäben sich alle Ausgaben, die im Jahr 2018 und Anfang 2019 bis zur Abberufung der Beklagten am 12.02.2019 in Zusammenhang mit dem Sicherheitskonzept und dem Fassadenabriss aufgewandt worden seien. Es handele sich insgesamt um eine Summe von 1.932.813,25 €. Wegen der Einzelheiten der Ausgaben wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 19.12.2022, Seite 4-7, Blatt 1061 bis Blatt 1064 der Akte, Bezug genommen. Hinzuzurechnen sei die Schlussrechnung der Firma … in Höhe von 2.915.000,00 €, so dass sich Gesamtausgaben von 4.847.813,25 € ergäben.
84
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Sachverständigen und Inaugenscheinnahme eines Stücks der Fassadendämmung (3-Schichtplatte). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen S.  vom 23.08.2022, auf seine beiden Stellungnahmen vom 05.04.2023, Bl. 1151 ff d.A. und Bl. 1183 ff. d.A., sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2024, Bl. 1458 ff. d.A., und das zur Akte genommene Stück Fassadendämmung Bezug genommen.
85
Ferner wurden die Akten des Amtsgerichts Nürnberg 244 C 8239/18, 244 C 8212/18 und 244 C 8240/18 im Hinblick auf den seitlichen Umfang der dortigen Beschlussanfechtungsklagen beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
86
Die innerhalb der gewährten Schriftsatzfristen eingegangenen Schriftsätze wurden bei der Entscheidung berücksichtigt. Eine Wiederaufnahme der mündlichen Verhandlung war nicht veranlasst.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die zulässige Widerklage ist nur teilweise begründet, soweit die Beklagte Feststellung begehrt. Im Übrigen war die Widerklage abzuweisen.
A.
88
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz zu.
89
I. Der Klägerin ist kein Schaden durch ein Handeln der Beklagten entstanden. Die Fassade hätte ohnehin abgerissen werden müssen, da entgegen der bayerischen Bauordnung und der Hochhausrichtlinien brennbare Baustoffe verwendet wurden. Das Gericht hat daher keine Zweifel, dass die Stadt … wenn die Beklagte den Fassadenabriss nicht veranlasst hätte, entsprechende Abriss- bzw. Räumungs- und Nutzungsuntersagungsverfügungen erlassen hätte. Gemäß Art. 54 Abs. 4 der bayerischen Bauordnung vom 14.08.2007, die zum Zeitpunkt des Fassadenabrisses galt, konnte die Bauaufsichtsbehörde auch bei bestandsgeschützten baulichen Anlagen Anforderungen stellen, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig ist.
90
1. Zum Zeitpunkt der Errichtung der Gebäude galt die bayerische Bauordnung von 1962. Nach Art. 27 Abs. 3 sind die Wände aus nicht brennbaren Baustoffen herzuzustellen, soweit dieses Gesetz oder Vorschriften aufgrund dieses Gesetzes nichts anderes bestimmten. Nach Abs. 4 Satz 2 dieser Vorschrift dürfen Verkleidungen in oder an Hochhäusern (…) nicht brennbar sein. Tragende Wände waren gemäß Art. 28 Abs. 1 feuerbeständig herzustellen. Nach Art. 29 Abs. 3 konnten nicht feuerbeständige Außenwände und an Außenwände von Hochhäusern besondere Anforderungen gestellt werden. Solche finden sich in der Bauaufsichtlichen Richtlinie für Hochhäuser 1954 unter 5., wonach alle tragenden Bauteile, die Außenwände, (…) aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen mussten. Sollte die Wärmedämmung in die Schalung eingelegt worden und dadurch mit der Außenwand des Gebäudes zu einer kompakten Einheit verschmolzen sein, wie dies von der Klagepartei behauptet wird, so gehört sie mit zur Wand. Sollte sie später aufgeklebt worden sein, gilt nichts anderes. Auch wenn die Wärmedämmung nicht ausdrücklich in der damaligen Bauordnung aufgeführt ist, ist sie jedoch auch bei einem nachträglichen Ankleben als Bestandteil der Außenwand anzusehen. Für die Wärmedämmung kann nichts anderes gelten als für die Wand selbst.
91
2. Diese Anforderung der Nichtbrennbarkeit der Außenwände haben die streitgegenständlichen Hochhäuser nicht erfüllt.
92
a) Ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen … und seinen im Rahmen der mündlichen Anhörung vom 30.10.2024 gemachten Ausführungen war die Polystyrolschicht der zur Dämmung verwendeten Dreischichtplatten brennbar (S. 47, S. 50, 1. Stellungnahme S. 11). Sollte sie mit Flammschutzmitteln behandelt gewesen sein, was der Sachverständige nicht geprüft hat, wäre sie allenfalls schwer entflammbar und damit immer noch brennbar gewesen. Die Holzwolle-Leichtbauplatten um die Polystyrolschicht waren gemäß DIN 4102 als schwer entflammbar einzustufen. Als feuerhemmendes Bauteil hätten sie nur dann klassifiziert werden können, wenn sie über entsprechende Putzaufträge gemäß IV. der DIN 4102-2 (Seite 45 des Gutachtens) verfügt hätten. Dazu hätte ein mindestens 15 mm dicker Putz auf einem Spritzvorwurf aufgebracht werden müssen, was hier unstreitig nicht geschehen ist. Insgesamt war die aufgebrachte Dämmung daher als brennbar einzustufen (Anhörung des Sachverständigen vom 31.10.2024 Seite 4, Blatt 1461 der Akte).
93
b) Nichts anderes ergibt sich aus der Anlage K 26, der gutachterlichen Stellungnahme der technischen Universität München vom 12.12.2019. Danach wurde von einer Nichtbrennbarkeit der Holzwolle-Deckschicht und von einer Normalentflammbarkeit der EPS-Schäume ausgegangen, was insgesamt gemäß Seite 3 dieser Anlage zur Schwerentflammbarkeit der Holzwolle-Mehrschicht-Leichtbauplatte mit verdeckten Kanten führte. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass für eine formelle Klassifizierung der beiden Verbunde nach DIN 4102-B1 weitere Versuche erforderlich wären.
94
Ferner heißt es in der Anlage der Klagepartei, K 27, dass die Deckschichten der Holzwolle-Mehrschicht-Leichtbauplatten bezüglich der ermittelten Werte den Anforderungen nach DIN 4102-A2 entsprächen und die Holzwolle-Mehrschicht-Leichtbauplatten gemäß Anlage K 28 insgesamt die Grenzwerte der Klasse DIN 4102-B1 einhielten und damit schwerentflammbar, also brennbar sind.
95
Aus der Anlage K 28, Versuchsbericht der technischen Universität München vom 22.11.2019 ergibt sich, dass die Holzwolle-Mehrschicht-Leichtbauplatten „bei der gewählten Prüfungsanordnung“ die Grenzwerte der Klasse DIN 04.01.2002-B1 einhielten. Zugleich erfolgte auf Seite 5 unter 7. der Hinweis, dass die Eigenschaft „schwerentflammbar“ nur für das unter 1. beschriebene Material in der geprüften Anordnung gelte. Gemäß Ziffer 1 wurden 2 Stück Mehrschicht-Leichtbauplatten aus dem Gebäude Nummer 7 und eine weitere Mehrschicht-Leichtbauplatte ohne weitere Angaben untersucht. In sämtlichen untersuchten Platten befand sich ein EPS-Schaum mit einer Dicke von ca. 25 mm. In der von der Klagepartei als Anlage K 11 vorgelegten gutachterlichen Beurteilungen des TÜV Süd vom Dezember 2019 heißt es diesbezüglich auf Seite 120, dass die Dreischichtplatten sicher nicht „nicht brennbar“ gemäß der Definition nach DIN 4102-1:1940-1 waren. Auf Seite 121 heißt es in dieser Beurteilung unter Ziffer 5.2.4, dass die Dreischichtplatte im gesamten, schwerentflammbar sei.
96
c) Auch aus dem Püfbescheid PA III v. 18.12.1964, Anlage B46, ergibt sich, dass die dort beschriebene Isotex-Hartschaum-Schichtplatte allenfalls „schwer entflammbar“ ist, wie die Klagepartei zutreffend im Schriftsatz v. 12.12.2024, S. 7, Bl. 1503 d.A. ausführt, wobei dies nur dann galt, wenn die besonderen Bestimmungen zum geprüften Baustoff eingehalten sind. Diese lauteten: „rd. 15 mm dicke Hartschaumschicht aus Styropor, beidseitig beschichtet mit Holzwolle-Leichtbauplatten; außen Spezialreibeputz und Zementschlämpe auf der anderen Seite. Nenndicke ca. 32 mm.“ Ein solcher Spezialreibeputz war auf den verwendeten Holzwolle-Leichtbauplatten nicht aufgetragen, wie bei der Überprüfung des im Verhandlungstermin am 31.10.2024 von der Streithelferin zu 2 übergebenen Stücks der Fassadendämmung vom Sachverständigen festgestellt wurde. Das verwendete Material entsprach daher nicht dem vorgenannten Prüfbescheid. Insoweit greift auch der Vortrag der Klagepartei im Schriftsatz vom 12.12.2024, Seite 17, Blatt 1513 der Akte, nicht, dass bei Untersuchungen der Bauaufsicht Frankfurt am Main von vergleichbaren Fassaden von Hochhäusern mit ihren Dämmungen und Verkleidungen festgestellt worden sei, dass eine 2 cm dicke Kalk-Zement-Putzschicht auf der Heraklith-Holzwolleplatte eine Entzündung der Verbundplatte ausreichend lang verhindern würde und daher bei derartigen Gebäuden kein Handlungsbedarf bestehe.
97
d) Bei der Beurteilung der Gefährdungslage ist der Aufbau der Fassade zu berücksichtigen. Hier wurde auf eine ca. 20 cm dicke Stahlbeton-Außenwand eine Mehrschicht-Leichtbauplatte, bestehend aus 2 Holzwolle-Leichtbauplatten (ca. 5-11 mm breit) und einer dazwischenliegenden Polystyrolschicht von ca. 20-25 mm, aufgebracht. Darauf wurden im Rahmen der Fassadensanierung nach Entfernung der ursprünglichen äußeren Faserzementplatten in den Jahren 1996-1998 A1-Mineralfaserdämmplatten aus Glaswolle mit Ausnahme der Treppenräume der Häuser 32, 53 und 54 aufgebracht. Darauf kam eine neue Fassadenverkleidung mit einem Hinterlüftungsspalt von ca. 4-5 cm bestehend aus Alucobondplatten ausgenommen das Haus Nummer 53, an dem A1-Faserzementplatten verbaut wurden.
98
Zur Gefährdungslage hat der Sachverständige in seinem Gutachten unter Bezugnahme auf anderweitige Realbrandversuche ausgeführt, dass bei der Verwendung einer schwerentflammbaren Polystyroldämmung im direkten Sturzbereich des Fensters zum Brandraum Temperaturen von teilweise über 900° herrschen würden. Die kritische Phase, bei geöffneter Brandraumöffnung im Bereich der Fassade, sei unmittelbar darüber vorhanden (Seite 80 des Gutachtens). Ferner heißt es in dem Gutachten, dass der Flammenüberschlag von Etage zu Etage auch bei vollständig nicht brennbarer Außenwand über die Fensteröffnungen erfolge und ohne Löschangriff der Feuerwehr kontinuierlich fortschreiten würde. Dies würde je Etage innerhalb von 10-15 Minuten erfolgen. Auf Seite 83 seines Gutachtens heißt es, dass eine Wohnung bei einem Brand in der Regel innerhalb von ca. 10-12 Minuten im Vollbrand stehe. Sollten Fenster in der Außenwand schon während des Entstehungsbrandes geöffnet sein, erfolge eine frühere Ausleitung der heißen Rauchgase, jedoch anfangs ohne Flammen, auf die Fassade. Die Flammenlängen über dem Fenstersturz des Brandraumes seien durch Realbrandereignisse festgestellt und gemessen worden mit 3-5 m. Bei einer Lochfassade, wie sie hier vorliege, sei das darüber liegende Geschoss und das Fenster von den Flammen nach ca. 10-12 Minuten voll beaufschlagt. Zugleich könne auch das Fenster im nächsten darüberliegenden Geschoss schon teilweise von den Flammen beaufschlagt werden. Erfahrungen würden zeigen, dass in der Regel spätestens nach 10 Minuten, nachdem die Flammen aus dem Brandraum austreten und die Fassade beaufschlagen, der Brand sich in das darüber liegende Geschoss über die Fensteröffnungen ausbreite und die nächste darüberliegenden Nutzungseinheit angreife. Dies bedeute, dass nach ca. 20-25 Minuten nach Brandbeginn bereits 2 Geschosse am Brand beteiligt seien (Gutachten Seiten 84, 5 85). Aufgrund der Entfernung der nächsten Feuerwache 5 der Stadt ... bis zur Hausnummer Neuselsbrunn 53 sei davon auszugehen, dass die ersten Einsatzkräfte bereits nach 3-5 Minuten nach der Alarmierung vor Ort seien. Dann müsse die Feuerwehr jedoch den Einsatzort zunächst erkunden, sich ein Anlagenbild verschaffen, zum Brandraum gelangen und mit den ersten Angriffs- und Rettungsmaßnahmen beginnen. Ferner hat der Sachverständige ausgeführt, dass es für wirksame Brandbekämpfungsmaßnahmen durch die Feuerwehr zwingend erforderlich sei, dass die erforderlichen Flächen für die Feuerwehr frei und zugänglich seien, eine ausreichende Löschwasserversorgung vorhanden sei, sicherheitstechnische Anlagen und Einrichtungen im Gebäude wirksam und betriebssicher seien. Außerdem müssten die notwendigen Rettungswege innerhalb des Gebäudes frei zugänglich und funktionsbereit sein. Gegebenenfalls müsse gleichzeitig mit den ersten Löschmaßnahmen mit der Evakuierung von hilfsbedürftigen Personen im Gebäude begonnen werden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass ein 2. Rettungsweg über Hubrettungsgeräte der Feuerwehr nur bis zu einer maximalen Höhe von 22 m technisch möglich sei. Außerdem müssen die entsprechenden Aufstellflächen baulich ausgebildet sein. Da die Gebäude hier höher als 22 m seien, müsste sowohl der 1. als auch der 2. Rettungsweg baulich innerhalb der Gebäude sichergestellt sein. Eine begrenzte Brandbekämpfung mit Löschmitteln von außen könne in der Regel nur bis ca. 30-32 m über die Drehleiter der Feuerwehr erfolgen, da die Wurfhöhe des Löschwassersstrahls auf ca. 22 m begrenzt sei. Des Weiteren hat der Sachverständige ausgeführt, dass, sofern sich ein Brand innerhalb der Hinterlüftungsebene der vorgehängten Fassade ausbreitete, die Feuerwehr in der Regel von außen, ohne Bauteilöffnung der hinterlüfteten Fassade, keine wirksame Brandbekämpfung durchführen könne. Oberhalb einer Höhe von ca. 22 bzw. 30-32 m sei eine Brandbekämpfung einer brennenden Fassade durch die Feuerwehr grundsätzlich nicht möglich, da sie diese nicht öffnen bzw. entfernen oder wirksame Löscharbeiten durchführen könne. Damit kämen ab dem 10.-11. Geschoss nur noch Brandbekämpfungsmaßnahmen vom Inneren des Gebäudes in Betracht (Seite 87 des Gutachtens). Des Weiteren heißt es auf Seite 95 des Gutachtens das, sofern die höchsten Temperaturen von ca. 900° im Bereich des Fenstersturzes erreicht würden, diese auf dem Fußpunkt der Mehrschicht-Leichtbauplatten angreifen können. Dies würde dazu führen, dass das unmittelbar darüber sich befindliche ungeschützte Polystyrol schwinden, sich verflüssigen und gegebenenfalls abtropfen würde.
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Sofern der Flammenaustritt die Außenfassade, bestehend aus den ursprünglichen Alucobond-Platten, welche nicht brennbar sind, beaufschlagt, sei es aufgrund des gegebenen Hinterlüftungsspaltes von ca. 5 cm und den dahinterliegenden nicht brennbaren Fassadenplatten aus Mineralwolle unkritisch.
100
Innerhalb des Hinterlüftungsspaltes würde im Brandfall durch die Kaminwirkung eine Strömung von heißen Rauchgase nach oben erfolgen, die sich mit zunehmender Entfernung vom Brandraum abkühlen würden. Bei einem Flammenaustritt aus dem Brandraum sei die Gefahr der Brandübertragung in das darüber liegende Geschoss aufgrund der vorhandenen Fensteröffnungen als größer anzusehen als die Brandweiterleitung über die hinterlüftete Fassade. Auf Seite 96 ist dargestellt, dass das Polystyrol bereits bei einer Temperatur von ca. 140° beginne zu schmelzen, ohne dass es sich entzünde. Die Entzündungstemperatur bei Fremdzündung mit Flamme betrage ca. 480°, eine Selbstzündung ohne Zündflammen beginne bei ca. 575°. Ausweislich der Darstellung in Bild 63, auf Seite 94 des Gutachtens, werden diese Temperaturen im Bereich der Brüstung des darüberliegenden Geschosses erreicht. Dies wird durch Bild 65 auf Seite 97 des Gutachtens nochmals bestätigt. Dies bezieht sich jedoch auf die Temperaturen, welche unmittelbar auf die Außenfassade einwirken, nicht aber auf den Hinterlüftungsspalt hinter den Alucobondplatten selbst. Letztendlich kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass nur eine Materialprüfanstalt für Fassadenbrände im Rahmen von Realbrandversuchen ermitteln könne, wie sich die Temperaturbeanspruchung der einzelnen Bauteile der Fassade im Hinterlüftungsspalt verhalte. Dies gelte auch für die Frage, in welchem Umfang das eingebaute Polystyrol der Mehrschicht-Leichtbauplatten gegebenenfalls nur schwindet, schmilzt, sich verflüssigt und abtropft. Ein eigenständiges Brennen des Polystyrols der Mehrschicht-Leichtbauplatten hielt der Sachverständige für unwahrscheinlich. Zugleich führte er allerdings aus, dass durch den unmittelbaren Eintritt des Feuers und der Flammen in den Hinterlüftungsspalt durch den Kamineffekt eine Flammenverlängerung auftrete.
101
Ferner hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass die Brandgefahr auch von den Einbaufaktoren der Bauprodukte abhänge. So sei mitentscheidend, ob das Fugenbild der Mehrschicht-Leichtbauplatten offen oder geschlossen gewesen sei, ob die Zementschlämme werkseitig oder bauseitig aufgebracht und ob die Mehrschicht-Leichtbauplatten in die Schalung eingelegt oder nachträglich aufgebracht worden seien. Außerdem müsse berücksichtigt werden, ob der Einbau der Fassadendämmplatten aus Mineralwolle dicht gestoßen flächendeckend gewesen sei ohne offene Fugen und ob das Fugenbild der Mehrschicht-Leichtbauplatten und der Fassadenplatten aus Mineralwolle versetzt oder deckungsgleich gewesen sei (Gutachten Seite 64, 65).
102
Letztendlich kann der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass es für eine wesentliche Reduktion der Brandgefahr eines möglichen Fassadenbrandes ausgereicht hätte, die Schwachstellen der vorgehängten und hinterlüfteten Fassade zu ertüchtigen. Hierzu hat er vorgeschlagen, die Fensterstürze und gegebenenfalls die seitlichen Fensterlaibungen zu ertüchtigen mit einem Einbau von Mineralwolle mit einer Schmelztemperatur größer 1.000°und intumeszierender Bauteile, um einen Einbrand in die Hinterlüftungsebene im Sturzbereich wirksam zu unterbinden. Zugleich hat er abschließend darauf hingewiesen, dass die Beantwortung der Beweisfrage ausschließlich auf theoretischen Erkenntnissen des Sachverständigen beruhe und Realbrandversuche unter Umständen völlig abweichende Ergebnisse liefern könnten.
103
Bei diesen Vorschlägen des Sachverständigen ist jedoch außer Acht geblieben, dass es nicht darauf ankommt, ob die Polystyrolschicht zu einem großflächigen oder kleinflächigen Fassadenbrand beigetragen hätte. Ausreichend ist es, wenn dieses überhaupt zu einem Fassadenbrand beitragen konnte. Auch der technische und zeitliche Aufwand für die Alternativmaßnahmen, nämlich die vorhandenen Alucobondplatten im Sturzbereich zu demontieren und die darüber liegende nicht brennbare Mineralwolle gegen eine Mineralwolle mit einer Schmelztemperatur größer 1.000° in ausreichender Stärke auszutauschen und gegebenenfalls die Mehrschicht-Leichtbauplatten zu kürzen und eine horizontale Brandsperre in Form eines intumeszierenden Lochblechs oder dergleichen im Hinterlüftungsspalt einzubauen, wurde vom Sachverständigen bei seinen Vorschlägen nicht berücksichtigt.
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Zum Zeitpunkt des Feststellens, dass brennbares Material an der Fassade der 5 Hochhäuser verwendet wurde, bestand angesichts des Umstandes, dass ein Anleitern der Feuerwehr bei den 41 m bzw. 55 m hohen Gebäuden nur bis zu einer Höhe von ca. 22 m und aufgrund der begrenzten Reichweite der Wasserstrahlrohre von außen nur bis 30-32 m möglich ist, eine erhebliche Gefahr. Ab dem 10.-11. Geschoss der 15-20-geschossigen Hochhäuser kommt ein Löschangriff nur noch vom Inneren der Gebäude in Betracht. Hinzu kommt, dass die Zufahrten für die Feuerwehr an allen Gebäuden nicht gegeben war und, wie die klägerische Kostenaufstellung zeigt, neu geplant werden mussten. In der Baugenehmigung BV-Nummer B 29/63, … 7, Anlage 21a, war beispielsweise unter den Auflagen zum Bauantrag unter 9. aufgeführt: „An allen mit Fenstern versehenen Außenwänden muss das Hochhaus mit Feuerwehrfahrzeugen angefahren werden können. Diese Zufahrtswege sind 3,20 m breit und so herzustellen, dass sie mit 12 to schweren Feuerwehrfahrzeugen befahren werden können.“. Diese Auflage war nicht erfüllt worden, weshalb die Stadt …, Bauordnungsbehörde, mit Bescheiden vom 23.12.2016 und 05.01.2018 die Erfüllung dieser Auflage forderte, Anlage K6. Die Ankunft der Feuerwehr innerhalb von 3-5 Minuten, wie vom Sachverständigen unterstellt, war daher nicht möglich.
105
Mit zu berücksichtigen war auch der Umstand, dass Weihnachten und Silvester 2018 unmittelbar bevorstanden und so das Risiko eines Inbrandsetzen der Fassade beispielsweise durch Feuerwerkskörper nicht auszuschließen war. Zeit, für die vom Sachverständigen angeregten Realbrandversuche, für die gemäß seiner mündlichen Anhörung vom 31.10.2024, Protokoll Seite 8, Blatt 1465 der Akte, die Fassade über 2-3 Etagen einschließlich Fenster nachgebaut werden und ein entsprechender Termin bei einer Materialprüfungsanstalt zur Verfügung stehen müsste, war nicht gegeben. Außerdem hätte ohne eine Entfernung der Alucobondplatten nicht festgestellt werden können, wie das Fugenbild der Mineralwolldämmung ausgebildet ist. Erst nach Entfernung dieser Mineralwolldämmung hätte das Verlegebild der Mehrschicht-Leichtbauplatten beurteilt werden können.
106
3. Die Bauordnungsbehörde war daher berechtigt und verpflichtet, gegen die brennbare Fassadendämmung vorzugehen. Dem Umstand, dass die Beklagte einer schriftlichen Ordnungsverfügung auf Räumung dadurch zuvorgekommen ist, dass sie die Entfernung der Fassadenverkleidung zugesagte und diese in die Wege leitete, kommt bei der Schadensentstehung keine Bedeutung zu, da die brennbare Fassadendämmung auf jeden Fall hätte entfernt werden müssen, sodass die mit der Fassadenentfernung und Errichtung einer neuen Fassade verbundenen Kosten den Eigentümern ohnehin entstanden wären.
107
So heißt es in der Zusammenfassung der Stadt … Planungs- und Baureferat, vom 28.01.2019 (Anlage SH 2, Seite 1 und Seite 5), das „nach Beratung mit dem von der WEG beauftragten Brandschutzplaner, dem ebenfalls von der WEG beauftragten Prüfsachverständigen für Brandschutz, der Berufsfeuerwehr …, der Bauordnungsbehörde und dem Stab Katastrophenschutz einvemehmlich entschieden wurde zur Abwendung einer konkreten Gefahr für Leben und Gesundheit, die Fassade so schnell als technisch möglich abbrechen zu lassen“ bzw. „es wurde einvernehmlich entschieden, dass aufgrund der vorliegenden konkreten Gefahr die Fassadenverkleidungen unverzüglich, d.h. spätestens bis zum 20.12.2018, entfernt werden müssen und aufgrund der Einsicht der WEG Verwalterin und der von ihr als Kompensation angebotenen Schutzmaßnahmen und im Einvernehmen aller Beteiligter musste von der Bauordnungsbehörde kein schriftlicher Bescheid erlassen werden.“
108
In der Besprechungsniederschrift zum 11.10.2018 der Stadt …, Bauordnungsbehörde, Anlage K 13 ist ausgeführt, dass aufgrund des Entwurfs des Prüfberichtes der … als Ergebnis festgestellt wurde, dass die brennbare Außendämmung mit eventueller Kaminwirkung durch Hinterlüftungsspalt (auch unter Berücksichtigung der aus heutiger Sicht unzureichenden, bauzeitlichen Rettungswege) eine Gefahr darstelle und zur Sicherheit der Bewohner umgehend gehandelt werden müsse. Ferner ist festgehalten, wenn das geforderte Konzept nicht bis zum 19.10.2018 vorliegen oder dieses Konzept zu dem Ergebnis kommen sollte, dass trotz Kompensationsmaßnahmen eine erhebliche Gefahr vorliege, die Hochhäuser unverzüglich zu räumen seien.
109
Nicht richtig ist der Vortrag der Klagepartei, dass das Sicherheitskonzept der Streithelferin vom 19.10.2018 (Anlage B7) lediglich das Entfernen von Fassadenplatten im räumlichen Umfang auf den Bereich der Sicherheitstreppenräume der 3 Hochhäuser mit den Nrn. 32, 53 und 54 beschränkt habe. Auf Seite 5 der Anlage B7 heißt es viel mehr, „aufgrund des bereits vorliegenden vorläufigen Berichts des ... für das Haus 7 wurde von der Baubehörde angeordnet, dass die Fassadenkonstruktion entfernt werden muss.“Dementsprechend heißt es dann auch in der Besprechungsniederschrift zum 19.10.2018, Anlage K 14, dass der sofortige Abbau der Fassadenverkleidung erfolgen müsse. Soweit es in dieser Niederschrift heißt, dass keine erhebliche, unmittelbare Gefahr bestehe, bezog sich dies allein darauf, dass eine sofortige Räumung nicht für erforderlich erachtet wurde. Im Übrigen wurde die sofortige Umsetzung des Maßnahmenkatalogs für erforderlich erachtet. Einer der Punkte des Maßnahmenkatalogs ist unter Ziffer 4. die vollständige Fassadenentfernung bis 20.12.2018.
110
Dass letztendlich auch der Beiratsvorsitzende von der Notwendigkeit des Fassadenabrisses überzeugt war, zeigt dessen Handout zur Eigentümerversammlung vom 29.10.2018, Anlage B 19, indem er dringend empfahl, dem Rückbau der Fassade zuzustimmen und die Maßnahme der Bauordnungsbehörde, die Fassadenverkleidung zu entfernen, umzusetzen und nicht zu verhindern.
111
4. Die Klagepartei kann sich auch nicht auf Bestandsschutz berufen.
112
a) Die eingebaute Wärmedämmung weicht von der genehmigten ab. Ausweislich der Baugenehmigung, Anlage SH 21e, v. 16.09.1965 zum Bauantrag v. 31.10.1964 B1653/64 (Errichtung eines 20-geschossigen Wohngebäudes im Anwesen …, Objekt 12, … 54) zur Baubeschreibung, Anlage SH6, B 1653/64 wurde auf den Außenwänden eine äußere Wärmedämmung aus 40 mm Hartschaum-Schicht-Platte und eine Eternitverkleidung auf Spezialunterkonstruktion auf einer 20-25 cm dicken Stahlbetonwand genehmigt.
113
Tatsächlich wurde von der Baubeschreibung gemäß Anlage SH 6 abweichend eingebaut eine Wärmedämmung aus einer Dreischichtplatte bestehend aus 2 Holzwolle-Leichtbauplatten mit einer Stärke von 5-11 mm und einem dazwischenliegenden Polysterolkern mit einer Stärke von 20-25 mm. Das Gericht schließt sich der Ansicht des Sachverständigen nicht an, wonach mit Genehmigung der 40 mm Hartschaum-Schicht-Platte lt. Baubeschreibung grundsätzlich etwas Brennbares genehmigt worden sei und die abweichende Ausführung unerheblich sei (vgl. Gutachten, S. 160, 4. Abs. von unten; Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2024, S. 8, Bl. 1465 d.A.). Darauf kommt es letztendlich auch nicht an, da selbst, wenn etwas Brennbares genehmigt worden sein sollte, dessen Gefährlichkeit erst später erkannt wurde, die Bauordnungsbehörde dagegen vorgehen konnte.
114
b) Nicht zum Tragen kam die Baubeschreibung vom 27.11.1963, B 2333/63, Anlage SH 20, wonach die Außenwände mit einer äußeren Wärmedämmung aus 30 mm kunststoffgebundener Glasfasermatte und Eternitverkleidung auf Spezialunterkonstruktion versehen werden sollten. Ausweislich der Baugenehmigung vom 16.02.1965 zu den Bauanträgen v. 13.8. und 29.10.1964, Anlage SH 21d = SH 7b, wurde der entsprechende Vorbescheidsantrag auf andere Weise erledigt.
115
c) Zu den Baugenehmigungen v. 16.02.1965 zu den Bauanträgen v. 13.08. und 29.10.1964 B1231/64 (… 53), B 1658/64 (Errichtung eines 20-geschossigen Wohngebäudes im Anwesen …, Objekt 2), Anlage SH 21d, v. 16.02.1966 zum Bauantrag v. 16.08.1965 B1646/65 (Errichtung eines 20-geschossigen Wohngebäudes im Anwesen …, Objekt 16, … 32), v. 28.02.1964 zu den Bauanträgen v. 19.12.1963 B 28/63 (… 31) und B 29/63 (Errichtung eines Wohnhochhauses, Objekt 3 und 4, im Anwesen … 7), Anlage SH 21b und SH 21a, gibt es keine Baubeschreibungen, wurden jedenfalls nicht vorgelegt.
116
Die oben aufgeführten Baugenehmigungen enthalten jedoch zum Teil die Auflage, die Bestimmungen der Bayerischen Bauordnung vom 1.08.1962 und die sonstigen baurechtlichen DIN-Normen einzuhalten, vgl. B 29/63, Anlage SH 21a Nr. 1 und Nr. 23 und B 28/63, Anlage SH 21b, unter Nr. 1, B 1231/64 und B 1658/64 v. 16.2.1965 unter Nr. 27, Anlage SH 7b. Danach durften die Außenwände und ihre Verkleidungen nicht brennbar sein. Die an den streitgegenständlichen Gebäuden aufgebrachte Dämmung entsprach damit nicht dem damals geltenden Recht. Irgendwelche Ausnahmegenehmigungen wurden nicht erteilt.
117
d) Die Klagepartei kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Baubehörde bei der Rohbauabnahme das verwendete Material hätte erkennen können. Die Bauabnahme legalisiert eine von der Genehmigung abweichende Bauausführung nicht, zumal nach dem Klagevortrag die Wärmedämmung mit der Außenwand zu einer kompakten Einheit verschmolzen sein soll. Sollte sie erst später angeklebt worden sein, war sie zum Zeitpunkt der Rohbauabnahme nicht erkennbar, da noch nicht vorhanden.
118
e) Auch zu späteren Zeitpunkten war die zur Wärmedämmung verwendete Mehrschicht-Leichtbauplatte nicht zulässig, weshalb auch kein materieller Bestandsschutz gegeben war. Materieller Bestandsschutz ist dann gegeben, wenn eine bauliche Anlage ohne rechtswirksam genehmigt zu sein, zur Zeit der Errichtung den materiellen Bauvorschriften entsprochen hat oder, wenn die bauliche Anlage, ohne rechtswirksam genehmigt unterrichtet worden zu sein, nach der Errichtung längere Zeit den materiellen Bauvorschriften entsprochen hat. Wie oben dargelegt, entsprach die aufgebrachte brennbare Wärmedämmung nicht den zur Zeit der Errichtung geltenden materiellen Bauvorschriften. Sie entsprach auch nach der Errichtung nicht längere Zeit den materiellen Bauvorschriften.
119
aa) In der BayBO 1969 und auch vom 1.10.1974 heißt es unter § 29 Abs. 4 Satz 1, dass nichttragende Außenwände in Hochhäusern aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen müssen. Tragende Wände sind in Art. 28 geregelt. Diese müssen, soweit das Gesetz oder Vorschriften aufgrund dieses Gesetzes nichts anderes bestimmen, feuerbeständig sein. Nach DIN 4102-2, Stand März 1965, müssen sie daher, um feuerbeständig zu sein, aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen (vgl. GA des SV … v. 23.08.2022, S. 47, Bild 30; Antwort auf schriftliche Anfrage zum Brandschutz von Hochhäusern in Bayern, Bayerischer Landtag, Drucksache 17/18157 v. 08.03.2018, zum Teil wiedergegeben in Anlage K11, TÜV-Gutachten v. Dezember 2019, S. 71 ff.). Dies deckt sich mit der Hochhausrichtlinie, wonach alle tragenden Bauteile, die Außenwände, (…) aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen müssen. Für die auf die Außenwand angebrachte Wärmedämmung kann nichts anderes gelten, auch wenn die Vorschrift Wärmedämmungen nicht explizit aufführt. Hintergrund dieser Regelungen war der Brandschutz unter besonderen Berücksichtigung der Höhe von Hochhäusern und der damit verbundenen Schwierigkeiten beim Löschen durch die Feuerwehr.
120
bb) In der Hochhausrichtlinie 25.05.1983 war unter Ziffer 3.1.1 geregelt, dass tragende Wände mindestens feuerbeständig und aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen müssen. In Ziffer 3.1.3.1 ist dann ausdrücklich geregelt, dass Verkleidungen an Außenwänden aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen müssen. Ebenso mussten die Unterkonstruktion der Verkleidungen, die Halterungen und Befestigungen, sowie die Dämmstoffe aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen.
121
cc) Nach der BayBO vom 04.08.1997 Art. 28 Abs. 1 mussten tragende Wände feuerbeständig, also aus nicht brennbaren Baustoffen, sein. Nichttragende Außenwände und nichttragende Teile tragender Außenwände mussten aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen oder aus mindestens feuerhemmenden, Art. 29 Abs. 1 BayBO. In Art. 15 Abs. 1 heißt es zum Brandschutz, dass bauliche Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und zu unterhalten sind, dass der Entstehung und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren und wirksame Löscharbeiten möglich sind. In Abs. 3 dieser Vorschrift heißt es, „Für die Feuerwehr ist von öffentlichen Verkehrsflächen aus eine ausreichende Zu- oder Durchfahrt, (…) zu schaffen, von denen aus es notwendig werden kann, Menschen zu retten. (…) Zu- und Durchfahrten, Bewegungsflächen und auf Stellflächen müssen für Feuerwehrfahrzeuge ausreichend befestigt und tragfähig sein; sie sind ständig freizuhalten“. Nach Abs. 4 war die Verwendung brennbarer Baustoffe zulässig, soweit dieses Gesetz oder Vorschriften aufgrund dieses Gesetzes nichts anderes bestimmen. Nimmt man die Mehrschicht-Leichtbauplatten als nichttragende Teile tragender Außenwände an, hätten sie aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen müssen, was, wie oben ausgeführt, nicht der Fall war. Sie waren maximal schwerentflammbar und bestanden aus brennbaren Baustoffen.
122
In Abs. 1 Satz 3 war geregelt, dass Außenwandverkleidungen einschließlich der Dämmstoffe sowie Außenwandoberflächen aus mindestens schwerentflammbaren Baustoffen herzustellen sind. Nach Satz 4 galt, dass die Unterkonstruktion der Verkleidungen aus mindestens normalentflammbaren Baustoffen, die Halterungen und Befestigungen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen müssen. In Ziffer 3.1.3.1 der damals geltenden Hochhausrichtlinie von 1983 war, s.o., ausdrücklich geregelt, dass Verkleidungen an Außenwänden aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen müssen. Ebenso mussten die Unterkonstruktion der Verkleidungen, die Halterungen und Befestigungen, sowie die Dämmstoffe aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen.
123
Die Klagepartei kann nicht einwenden, dass eine äußere Gebäude-Wärmedämmung keine Verkleidung im Sinne der obengenannten Vorschriften darstellt. Sinn der Vorschriften über die Ausgestaltung von Wänden ist der Brandschutz unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten von Hochhäusern (Gebäude mit einer Höhe von mehr als 22 Metern). So heißt es in den Erläuterungen zur Hochhausrichtlinie 2015 unter 3.4., dass der Ausschluss brennbarer Baustoffe in den Bauteilen der Außenwand oder vor der Fassade erforderlich ist, weil ein Fassadenbrand am Hochhaus wegen der begrenzten Wurfweite der Strahlrohre der Feuerwehr nicht wirksam bekämpft werden kann. Ferner ist dort ausgeführt, dass Brandereignisse belegen, dass sich schwerentflammbare Baustoffe in mehrschaligen hinterlüfteten Fassaden wegen deren Kaminwirkung wie normalentflammbare Baustoffe verhalten können.
124
Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass das Polysterol ggf. schwerentflammbar war und damit Art. 29 Abs. 1 Satz 3 BayBO zulässig war. Dies hätte vorausgesetzt, dass auch die übrigen Bestimmungen der Bayerischen Bauordnung eingehalten waren. Insoweit fehlte es bereits an zureichenden Zufahrten für die Feuerwehr. So heißt es in dem Bescheid vom 22.05.2018, Anlage K7, der Bauordnungsbehörde der Stadt … an die WEG: „Im Brandfall ist derzeit eine Rettung der Bewohner und aller im Hochhaus befindlichen Personen nicht ausreichend gewährleistet.“
125
dd) Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 BayBO (Fassung v. 14.08.2007, die auch 2018 galt) mussten nicht tragende Außenwände und nicht tragende Teile tragender Außenwände aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen. Gemäß Art. 26 Abs. 3 BayBO mussten Oberflächen von Außenwänden sowie Außenwandbekleidungen einschließlich der Dämmstoffe von Unterkonstruktionen schwerentflammbar sein; nach Satz 3 durften Baustoffe, die schwerentflammbar sein mussten, in Bauteilen nach Satz 1 Halbsatz 1 nicht brennend abfallen oder abtropfen. Gemäß Abs. 4 waren bei Außenwandkonstruktionen mit geschossübergreifenden Hohl- oder Lufträumen wie Doppelfassaden gegen die Brandausbreitung besondere Vorkehrungen zu treffen; dies gilt für hinterlüftete Außenwandbekleidung entsprechend. Ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen … 23.08.2022, S. 56, wird das Polysterol, sollte es mit Flammschutzmittel behandelt worden sein, bei direkter Beflammung schmelzen, sich ggf. verflüssigen und abtropfen, so dass § 26 Abs. 1 Satz 3 BAyBO nicht erfüllt ist. Die Außenwandverkleidung einschließlich der Dämmstoffe hätte daher insgesamt aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen müssen. Dies ergibt sich auch aus Anhang 6 der Bayerischen Technischen Baubestimmungen (BayTB) (Hinterlüftete Außenwandbekleidungen, Stand Juli 2016) Ziff. 3.1. Danach muss die Wärmedämmung abweichend von Art. 26 Abs. 3 Satz 1 BayBO nichtbrennbar sein. Die Bayerische Bauordnung (BayBO) enthält in Art. 81a Abs. 1 BayBO die Ermächtigung, die allgemeinen Anforderungen an bauliche Anlagen, Bauprodukte und andere Anlagen und Einrichtungen durch Technische Baubestimmungen zu konkretisieren (Bayerische Technische Baubestimmungen).
126
Besondere Vorkehrungen gegen die Brandausbreitung im Hinterlüftungsspalt waren ebenfalls nicht getroffen, da es andernfalls der Alternativvorschläge des Sachverständigen nicht bedurft hätte. Diese sehen vor, dass intumeszierende Lochbleche im Fenstersturz und Mineralwolle mit einer Schmelztemperatur >1.000 Grad im Sturzbereich eingebracht werden.
127
ee) In der Hochhausrichtlinie vom 21.04.2015, die die Hochhausrichtlinie 1983 ersetzt, heißt es unter Punkt 3.1.1 darüberhinaus, dass tragende und aussteifende Bauteile feuerbeständig und aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen müssen. Ebenso müssen raumabschließende Bauteile aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen (3.2.1). Nichttragende Außenwände und nichttragende Teile tragender Außenwände müssen ebenfalls in all ihren Teilen aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen (3.4). Dies gilt gemäß Satz 3 auch für die Außenwandbekleidung.
128
f) Selbst bei bestandsgeschützten baulichen Anlagen konnten Anforderungen gestellt werden, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig ist, Art. 54 Abs. 4 BayBO.
129
Baugenehmigungen legalisieren ein Vorhaben während seines Bestandes nur unter dem Vorbehalt, dass nachträglich keine erheblichen Gefahren entstehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein technischer Mangel, auf den die Gefährdung zurückzuführen ist, schon bei der Planung oder Genehmigung vorlag oder erst später aufgetreten ist. Die Anforderungen zur Abwehr erheblicher Gefahren für Leben und Gesundheit können darin begründet sein, dass die Gefahr erst nachträglich auftritt oder erst nachträglich erkannt oder ihre Schwere nunmehr anders beurteilt wird (Busse/Kraus, bayerische Bauordnung, Kommentar, Werksstand Oktober 2023, § 54, Rn. 162, 163, 167).
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Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn aus einer tatsächlich vorhandenen Situation hinreichend wahrscheinlich eine Gefährdung der bedrohten Rechtsgüter folgt. Es muss in überschaubarer Zukunft mit einem Schadenseintritt zu rechnen sein. Dabei hängen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit von der Qualität des möglicherweise eintretenden Schadens ab. Bei Gefährdungen von Leben oder Gesundheit als geschützten Rechtsgütern sind an die Feststellung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen (VG Düsseldorf, Urteil vom 30.01.2020 – 28 K12588/10, Rn. 135). Der Umstand, dass es in den vorangegangenen Jahren nicht zu einem Brandereignis gekommen ist, stellt nicht aus sich heraus einen Dauerzustand da. Dies beweist insbesondere nicht, dass insoweit keine Gefahr besteht, sondern stellt für die Betroffenen lediglich einen Glücksfall dar, mit dessen Ende jederzeit gerechnet werden kann (VG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 141).
131
Hier wurde bei der Überprüfung der Wärmedämmung festgestellt, dass mit den verwendeten Mehrschicht-Leichtbauplatten brennbares Material verwendet wurde. Ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen S. und seiner beiden Stellungnahmen steht fest, dass das verwendete Dämmmaterial, selbst wenn das Polystyrol mit Flammschutzmittel ausgestattet gewesen sein sollte, allenfalls schwerentflammbar jedenfalls nicht nichtbrennbar war.
132
g) Auch der Einwand der Klägerin, dass heute auch Holzfassaden an Hochhäusern möglich seien, lässt außer Acht, dass dies nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. So ist in der Musterholzbauurichtlinie in der Fassung von Oktober 2020 geregelt unter Ziff. 3.4, dass Dämmstoffe nichtbrennbar sein und einen Schmelzpunkt ≥ 1.000°C entsprechend DIN 4102-17 (DIN 4102-17:2017-12) aufweisen müssen, sofern in dieser Richtlinie nichts anderes bestimmt ist. Wie oben dargelegt, ist das Polysterol bereits bei deutlich niedrigeren Temperaturen entflammbar.
133
5. Der Klägerin steht auch kein teilweiser Schadensersatzanspruch zu, weil seitens der Beklagten beim Fassadenabriss nicht dafür Vorsorge getroffen wurde, dass die Alucobond-Platten hätten wieder verwendet werden können bei einer neuen Fassade durch entsprechende vorsichtige Entfernung und Lagerung.
134
Zum Zeitpunkt der Fassadenentfernung stand nicht fest, wie eine neue Fassade aussehen könnte, die zu diesem Zeitpunkt weder beschlossen noch geplant war. In diesem Moment ging es lediglich um die unverzügliche Entfernung des brennbaren Fassadenmaterials.
135
Außerdem gab es Ende 2018 angesichts der bestehenden Gefahr (brennbares Dämmmaterial und unzureichende Feerwehrzufahrten) weder Zeit für länger andauernde Untersuchungen zur konkreten Brennbarkeit des verwendeten brennbaren Dämmmaterials wie dies der Sachverständige in seinem Gutachten und seiner mündlichen Anhörung mit Realbrandversuchen forderte, noch Zeit für vorsichtige Entfernung und Lagerung der Alucobondplatten für den Fall einer möglichen Wiederverwendung.
136
II. Für den Feststellungsantrag fehlt es damit ebenfalls an einer Anspruchsgrundlage.
137
Die Beauftragung und Veranlassung des Fassadenabrisses war im Sinne der Klägerin. Ein Schaden ist ihr durch den Fassadenabriss nicht entstanden, weil die Fassade aufgrund der Verwendung brennbaren Dämmmaterials entgegen der baurechtlichen Vorschriften ohnehin hätte entfernt werden müssen. Damit steht der Klägerin kein Anspruch gegen die Beklagte auf Freistellung von Forderungen Dritter im Zusammenhang mit dem Fassadenabriss zu.
138
III.Nachdem die Klägerin in der Hauptsache unterlegen ist, steht ihr auch kein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu.
B.
139
Die Widerklage ist nur teilweise begründet.
140
I.Der Beklagten steht gegen die Klägerin kein Anspruch auf Zahlung von Kopierkosten und Portokosten in Höhe von 50.7772,01 € zu.
141
In den Beschlüssen des Amtsgerichts Nürnberg vom 22.01.2019 in den Beschluss-Anfechtungsverfahren 244 C 8239/18, 244 C 81212/18 und 244 C 81240/18 wurde die Beklagte, damals noch firmierend unter dem Namen … GmbH zum Ersatzzustellungsvertreter bestellt. Zugleich wurde festgelegt, dass sich die Kosten der Ersatzzustellungsvertreterin nach den Konditionen des Verwaltervertrages vom 08.04.2000 richten. Nach dem Verwaltervertrag, § 6 Abs. 3, kann der Verwalter Kopie- und Zustellungskosten für eigentümerseits gewünschte Kopien aus Verwaltungsunterlagen in Höhe von 1,- DM zuzüglich Umsatzsteuer und Porto berechnen. Dementsprechend hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz zur Widerklage vom 25.02.2021, Seite 93, Blatt 195 der Akte ausgeführt, dass sie einen Anspruch auf Erstattung von 1,- DM zuzüglich Umsatzsteuer je Kopie und zuzüglich konkreter Portokosten habe.
142
Der Beklagten würde aufgrund ihrer Verpflichtung, die Eigentümer über das Vorliegen von Anfechtungsklagen zu informieren, grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz der dabei entstandenen Kopie- und Portokosten zu stehen. Die Kosten sind der Höhe nach aber nur insoweit erstattungsfähig, als sie notwendig sind (BGH, Beschluss vom 14.05.2009-V ZB 172/08, NZM 2009, 517 Rn 15 m.w.N.). Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, wie viel Kopien sie tatsächlich gefertigt und wie viele Briefe sie tatsächlich versandt hat. Das Kopieren von Anlagen zu den drei Anfechtungsklagen war jedenfalls nicht erforderlich.
143
Ausweislich der beigezogenen Akten zu den drei Beschluss-Anfechtungsverfahren 244 C 8239/18, 244 C 81212/18 und 244 C 81240/18 ergeben sich an Klage und Klagebegründung lediglich gesamt 48 Seiten (244 C 8239/18 (3 Kläger): 10 Seiten Klage; 244 C 81212/18 (3 Kläger): 3 Seiten Klage + 10 Seiten Klagebegründung; 244 C 8240/18 (10 Kläger): 3 Seiten Klage + 22 Seiten Klagebegründung) gesamt 48 Seiten. Selbst bei Berücksichtigung von 2 Seiten Anschreiben würden sich maximal 50 Seiten ergeben. Eine Notwendigkeit, Anlagen zu kopieren, was letztendlich zu einem Gesamtumfang von 215 Seiten führte, kann das Gericht nicht erkennen, zumal es sich bei diesen Anlagen u.a. um die Eigentümerauskunft, die Einladung zur und das Protokoll der Eigentümerversammlung v. 29.10.2018 und die Teilungserklärung handelte. Anlagen also, die den Eigentümern ohnehin zur Verfügung standen (vgl. auch BGH, Beschluss v. 14.05.2009, a.a.O., Rn 17). Für die Unterrichtung war das Übersenden der Klageschriften und ihrer Begründungen ausreichend zzgl. eines Anschreibens von nicht mehr als 2 Seiten. Dies führt zu grundsätzlich berechtigten Kopierkosten für die drei Anfechtungsklagen mit Anschreiben von 50 Kopien ä 0,60 € = 30,50 €.
144
Wie viele Kopien für wie viele Eigentümer die Beklagte tatsächlich aber gefertigt hat und in welchem Umfang sie erforderlich waren, steht allerdings nicht fest. Die Beklagte hat ausgeführt, dass sich die Summe der Sondereigentume auf 893 belaufe. Davon habe sie die 80 Einheiten, die zum damaligen Zeitpunkt der Schwestergesellschaft der Beklagten gehörten, abgezogen und behauptet, dass 813 Zustellungen vorzunehmen gewesen seien, wobei die Widerklage lediglich von 812 Stück ausgegangen sei. Nicht nachvollziehbar ist dann aber, weshalb die Beklagte 1.411 Briefe zugestellt haben will und dafür Portokosten berechnet. Die im Bestreitensfalle zum Beweis angebotenen Versandbelege wurden nicht vorgelegt. Selbst die Zahl von 812 Zustellungen ist nicht nachvollziehbar, da, wie sich aus der Anlage B 40 ergibt etliche Eigentümer Eigentümer mehrerer Wohnungen waren. Sollten mehrere Wohnungseigentümer zusammen in einer Wohnung wohnen, war es ebenfalls nicht geboten, für jeden von ihnen die Unterlagen zu kopieren und zu übersenden (BGH, Beschluss v. 14.05.2009, a.a.O. Rn. 16). Soweit Eigentümer selbst Anfechtungsklage erhoben hatten, musste diesen weder ihre eigene Klage noch die dazugehörigen Anlagen zugesandt werden. Wenn die Beklagte zuletzt vorträgt, dass die drei Anfechtungsklagen nicht gleichzeitig zugestellt worden seien und deshalb nacheinander versandt worden seien (Schriftsatz v. 12.11.2024, S. 6, Bl. 1478 d.A.) lässt sich auch damit die behauptete Anzahl von 1.411 versendeten Briefen nicht nachvollziehen, erst recht nicht, wenn zuletzt vorgetragen wird, dass auch noch weitere Portokosten für das Versenden eines Rundschreibens vor der Eigentümerversammlung und das Protokoll nach der Eigentümerversammlung, mithin für 5 Briefe, angefallen seien, zumal diese Kosten jedenfalls nicht von den Beschlüssen des Amtsgerichts Nürnberg vom 22.01.2019 umfasst sind. Soweit die Beklagte ausführt, dass ein Teil der Post bei den Eigentümern, die im Objekt wohnen, per Boten eingeworfen worden sei, so lässt sich mangels näherer Angaben zur Anzahl nicht feststellen, ob sich damit die angesetzte Zahl von 1.411 Postsendungen errechnen lässt. Jedenfalls ist es nicht die Aufgabe des Gerichts aus der 18-seitigen Anlage K40 mit vermutlich 893 Eigentümern, die herauszurechnen, die selbst Klage erhoben haben, die im Objekt wohnen und die, denen mehrere Wohnungen im Objekt gehören. Damit lässt sich umgekehrt nicht feststellen, wie viel Kopien tatsächlich mindestens gefertigt und versandt werden mussten. Darüber hinaus ist der Sachvortrag der Beklagten widersprüchlich. Im Schriftsatz vom 05.08.2021 Seite 51, Blatt 369 der Akte, hat sie noch ausgeführt, dass sie in keiner Weise verpflichtet gewesen sei, die Kopien in die Briefkästen der Hausbewohner zu werfen und so Portokosten zu ersparen. Dies hätte auch einen erheblichen Zeitaufwand gekostet, weshalb die Beklagte wegen der besonderen Eilbedürftigkeit der Zustellung nicht noch lange habe eruieren können, welche Wohnungseigentümer gegebenenfalls im Objekt selbst bewohnen. Dem widersprechen die Ausführungen im Schriftsatz vom 12.11.2024, Seite 6, Blatt 1478 d.A., wonach ein Teil der Briefe bei den im Objekt wohnenden Wohnungseigentümern doch eingeworfen worden sei.
145
II. Der Beklagten steht gegen die Klägerin kein Anspruch auf Zahlung eines Sonderhonorars zu.
146
Nach dem Verwaltervertrag vom 08.04.2000, Anlage B 51, § 6 Abs. 3 sind in der normalen Verwaltervergütung nicht enthalten das Honorar für die Abwicklung größerer Instandsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum ab 15.000,00 DM Auftragsvolumen in Höhe von 5 % der Auftragssumme zuzüglich Mehrwertsteuer.
147
Auf diesen Verwaltervertrag, nach dem die Bestellung für die Dauer von 5 Jahren, zunächst bis zum 07.04.2005, erfolgte, kann sich die Beklagte jedoch nicht berufen. In der Eigentümergesamtversammlung vom 27.07.2010 wurde die Beklagte für den Zeitraum vom 08.04.2010 bis zum 07.04.2015 erneut als WEG Verwalter der Klägerin unter Fortgeltung des Verwaltervertrages vom 08.04.2000 bestellt. In den Eigentümerversammlungen im Jahr 2014 für den Bestellungs-Zeitraum ab 08.04.2015 wurde die Beklagte jedoch nicht mehr wirksam als Verwalterin bestellt, da diese Eigentümerversammlungen nur in den wirtschaftlichen Untergemeinschaften erfolgten (vergleiche Landgericht Nürnberg-Fürth, Aktenzeichen 14 S7436/19 WEG, Urteil vom 10.11.2021 (244 C8212/18 WEG AG Nürnberg). Mangels Beschlusskompetenz der Untergemeinschaften konnte weder eine wirksame Bestellung der Beklagten zum Verwalter beschlossen werden noch eine Verlängerung des Verwaltervertrages. Damit steht der Beklagten mangels wirksamen Verwaltervertrages kein vertraglicher Anspruch auf Zahlung eines Sonderhonorars zu (vgl. Bärmann, WEG, Kommentar, 15. Aufl. 2023, § 26 Rn. 231).
148
Ein Zahlungsanspruch ergibt sich auch nicht unter Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Ein solches Sonderhonorar ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht üblich, sondern kann in einem Verwaltervertrag vereinbart werden. Ansonsten bedarf es für die Zahlung eines Sonderhonorars eines entsprechenden Beschlusses der Eigentümer. Ein solcher Beschluss, in dem sich die Eigentümer verpflichtet hätten, der Beklagten ein Sonderhonorar für die Abwicklung größerer Instandsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum zu zahlen, wurde jedoch nie gefasst.
149
III. Der Beklagten steht gegen die Klägerin ein Anspruch auf Feststellung zu dahingehend,
1. dass die Beklagte von allen Ansprüchen und Forderungen der Firma … GmbH in … im Zusammenhang mit dem Fassadenabriss freizustellen ist, sowie
2. dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten Schadens- und Aufwendungsersatz zu zahlen, falls die Beklagte Zahlungen erbringt und ihr Kosten entstehen im Zusammenhang mit dem Auftrag zum Fassadenabriss an die Firma ….
150
Die Beklagte war als „faktischer“ Verwalter berechtigt und verpflichtet, den Abriss der Fassade zu veranlassen. Dies war auch im Interesse der Klägerin, da andernfalls die Stadt … die Räumung der streitgegenständlichen Hochhäuser und deren Nutzung aufgrund der bestehenden Brandgefahr untersagt hätte. Die Beklagte handelte dabei nicht im eigenen Interesse, sondern im Interesse der Klägerin. Folglich ist sie auch von möglichen Ansprüchen Dritter, die im Zusammenhang mit dem Auftrag an die … mit dem Fassadenabriss stehen, freizustellen.
C.
151
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
152
Angesichts der Streitwerthöhe war die Zuvielforderung der Beklagten nur geringfügig und hat keine oder nur geringfügig höhere Kosten verursacht. Es war daher gerechtfertigt, der Klagepartei die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.