Inhalt

VGH München, Beschluss v. 27.01.2025 – 7 ZB 23.1535
Titel:

Anforderung an Zulassungsgrund im Rahmen der Berufung

Normenketten:
Prüfungs- und Studienordnung § 19 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, § 124 a Abs. 4 S. 4
Leitsatz:
Ein Zulassungsgrund für die Berufung besteht nur, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hinsichtlich sämtlicher selbstständig tragender Begründungen des Verwaltungsgerichts dargelegt werden. Fehlt es an einer hinreichend substantiierten Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen und an einer schlüssigen Begründung für besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten iSv § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, ist die Berufung unzulässig. (Rn. 19 und 10 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nichtbestehen des Bachelorstudiengangs, Deutsch als Fremdsprache mit Nebenfach, Sprache, Literatur und Kultur wegen endgültigen Nichtbestehens der Bachelorprüfung, Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen bei Abweisung der Klage gegen zwei Bescheide mit identischer Rechtsfolge, aber unterschiedlicher, selbständig tragender Begründung., Zulassungsgrund, Berufung, Darlegung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 04.07.2023 – M 3 K 21.5824
Fundstelle:
BeckRS 2025, 824

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. In Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin nahm im Wintersemester 2011/2012 ihr Studium im Bachelorstudiengang Deutsch als Fremdsprache (im Folgenden: DaF) mit dem Nebenfach Sprache, Literatur, Kultur (im Folgenden: NF SLK) an der beklagten L.-M.-Universität M. auf. Im Sommersemester 2013, Wintersemester 2014/2015 und vom Sommersemester 2016 bis zum Sommersemester 2017 war sie beurlaubt. Vom Sommersemester 2018 bis zum Sommersemester 2019 war sie nicht im vorgenannten Studiengang, sondern im Bachelorstudiengang Germanistik mit dem Nebenfach DaF immatrikuliert. Zum Wintersemester 2019/2020 wurde die Klägerin wieder in den Bachelorstudiengang DaF mit NF SLK immatrikuliert.
2
Mit E-Mail vom 7. Mai 2020 verlängerte die Beklagte auf Antrag der Klägerin wegen Krankheit die Frist zur Ablegung der noch fehlenden Modul- und Modulteilprüfungen um ein Semester und setzte den Prüfungstermin auf den 30. September 2020 fest. Mit E-Mail der Beklagten vom 11. September 2020 wurde die Klägerin davon unterrichtet, dass im Hinblick auf Art. 99 des Bayerischen Hochschulgesetzes die maximal zulässige Studiendauer sich automatisch um ein weiteres Semester bis zum 31. März 2021 verlängere.
3
Am 28. September 2020 nahm die Klägerin ohne Erfolg am Erstversuch der Modulteilprüfung zum Pflichtmodul P14.2 „Disputation“ teil. Den am 1. Oktober 2020 erklärten Rücktritt von der Disputation genehmigte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Oktober 2020. Mit E-Mail vom 16. Oktober 2020 wurde der Klägerin von der Beklagten mitgeteilt, dass der Rücktritt nicht genehmigt werden könne. Die Genehmigung vom 6. Oktober 2020 sei unwirksam, da die Klägerin zur Prüfung angetreten sei und sich dementsprechend für prüfungsfähig erklärt habe.
4
Mit Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2020 wurde festgestellt, dass die Klägerin das Studium des Fachs DaF als Hauptfach im Umfang von 120 ECTS-Punkten im Bachelorstudiengang DaF mit NF SLK (Ziffer I.) und die Bachelorprüfung DaF mit NF SLK im Umfang von 180 ECTS-Punkten endgültig nicht bestanden habe (Ziffer II.), weil die zum sechsten Mal nicht bestandene Modulprüfung zum Modul P5 „Basismodul Spracherwerbs- und Mehrsprachigkeitsforschung“ nicht mehr fristgerecht bestanden werden könne und eine Anrechnung der bestandenen Prüfungsleistung „Übersetzen in Theorie und Praxis I – eine Einführung“ abgelehnt werde. Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 8. Januar 2021 Widerspruch.
5
Den Zweitversuch der Modulteilprüfung P14.2 „Disputation“ legte die Klägerin am 11. Januar 2021 ohne Erfolg ab.
6
Mit Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 2021 wurde die Klägerin zum Ende des Wintersemesters 2020/21 exmatrikuliert. Hiergegen erhob die Klägerin am 20. Mai 2021 Klage zum Verwaltungsgericht München (Az. M 3 K 21.2726).
7
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2021 hob die Beklagte die mit E-Mail vom 7. Mai 2020 ausgesprochene Studienzeitverlängerung bis 30. September 2020 und die mit E-Mail vom 11. September 2020 mitgeteilte weitere Verlängerung bis 31. März 2021 auf (Ziffer I.), wies den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 16. Dezember 2020 zurück (Ziffer II.) und stellte fest, dass die Klägerin das Studium des Fachs DaF im Umfang von 120 ECTS-Punkten im Bachelorstudiengang DaF mit NF SLK und die Bachelorprüfung im Bachelorstudiengang DaF mit NF SLK (auch) wegen des endgültigen Nichtbestehens der Modulteilprüfung P14.2 „Disputation“ endgültig nicht bestanden habe (Ziffer III.).
8
Die gegen die Bescheide vom 16. Dezember 2020 und 6. Oktober 2021 gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 4. Juli 2023 ab. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtschutzbegehren weiter. Die Beklagte tritt dem Berufungszulassungsantrag entgegen.
9
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
10
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.
11
1. Die Beklagte hat das endgültige Nichtbestehen des Bachelorstudiengangs DaF mit NF SLK gegenüber der Klägerin mit zwei Bescheiden mit unterschiedlicher Begründung ausgesprochen. Im Bescheid vom 16. Dezember 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Oktober 2021 (dort Ziffer II.) stellt die Beklagte darauf ab, dass die für die erfolgreiche Ablegung der Bachelorprüfung geltende Frist des § 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der Prüfungs- und Studienordnung der L.-M.-Universität M. für den Bachelorstudiengang DaF (2015) vom 16. März 2016 (im Folgenden: PStO) schon im Hinblick auf das Modul P5 „Basismodul Spracherwerbs- und Mehrsprachigkeitsforschung“ nicht eingehalten sei und deswegen die Bachelorprüfung als endgültig nicht bestanden gelte. Zusätzlich wird in Ziffer III. des Bescheids der Beklagten vom 6. Oktober 2021 das endgültige Nichtbestehen der Bachelorprüfung auf die endgültig nicht bestandene Modulteilprüfung P14.2 „Disputation“ gestützt.
12
Die gegen die Bescheide vom 16. Dezember 2020 und 6. Oktober 2021 gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 4. Juli 2023 abgewiesen. Es hat die beiden auf dieselbe Rechtsfolge zielenden, aber im Hinblick auf das endgültige Nichtbestehen des Bachelorstudiengangs DaF mit NF SLK selbständig und unterschiedlich begründeten Bescheide vom 16. Dezember 2020 und 6. Oktober 2021 (dort Ziffer III.) für rechtmäßig erachtet. Dies ergibt sich hinsichtlich des Bescheids vom 16. Dezember 2020 aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichts ab Seite 8 des Urteilsabdrucks und in Bezug auf Ziffer III. des Bescheids vom 6. Oktober 2021 ab Seite 18.
13
In einem solchen Fall kommt eine Zulassung der Berufung nur in Betracht, wenn die Klägerin sowohl hinsichtlich der Abweisung ihrer gegen den Bescheid vom 16. Dezember 2020 in Gestalt von Ziffer II. des Bescheids vom 6. Oktober 2021 gerichteten Klage als auch hinsichtlich der Abweisung der gegen Ziffer III. des Bescheids vom 6. Oktober 2021 gerichteten Klage einen Zulassungsgrund geltend macht und dieser vorliegt. Denn ist nur hinsichtlich der Klageabweisung bezüglich eines der beiden Bescheide ein Zulassungsgrund gegeben, kann diese Klageabweisung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens im Ergebnis ändert.
14
2. Diesen Anforderungen wird der Zulassungsantrag der Klägerin nicht gerecht. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 VwGO greifen nicht gegen beide Entscheidungsbestandteile des Verwaltungsgerichts durch.
15
a. Die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO begründet die Klägerin einerseits damit, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 PStO angenommen habe. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die in der Bestimmung genannte Fristüberschreitung von ihr nicht selbst zu vertreten gewesen und darüber hinaus hätte im Hinblick auf das Modul P5 eine Anrechnung ihrer Prüfungsleistung im Modul „Übersetzen in Theorie und Praxis I – eine Einführung“ erfolgen müssen. Zum anderen macht die Klägerin zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend, entgegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts habe sie einen Anspruch auf Ermöglichung ihres Studienabschlusses durch Verlängerung der Frist zur Ablegung der restlichen Bachelorprüfung. Die mit Bescheid vom 6. Oktober 2021 (dort Ziffer I.) verfügte Aufhebung der mit E-Mails vom 7. Mai und 11. September 2020 ausgesprochenen Verlängerung der Prüfungsfrist bzw. Höchststudienzeit sei schon wegen Ablaufs der Jahresfrist nach Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG rechtswidrig.
16
Mit diesen Einwendungen kann die Klägerin insgesamt nicht durchdringen, da sie sich ausschließlich gegen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2020 in Gestalt von Ziffer II. des Bescheids vom 6. Oktober 2021 sowie gegen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu Ziffer I. des Bescheids vom 6. Oktober 2021 richten. Gegen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts ab Seite 18 des Urteilsabdrucks, die Beklagte habe das in Ziffer III. des Bescheids vom 6. Oktober 2021 ausgesprochene endgültige Nichtbestehen der Bachelorprüfung zu Recht (auch) auf die endgültig nicht bestandene Modulteilprüfung P14.2 „Disputation“ stützen dürfen, verhält sich die Klägerin nicht. Ernstliche Zweifel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO legt sie insoweit nicht dar.
17
b. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO werden nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt.
18
Die Klägerin begründet den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO damit, dass sie ihr Studium im Bachelorstudiengang DaF mit NF SLK nicht ununterbrochen durchgeführt habe, sondern über längere Zeit beurlaubt und auch noch in einem anderen Studiengang immatrikuliert gewesen sei, und deswegen verschiedene Studien- und Prüfungsordnungen zu berücksichtigen gewesen seien. Ferner hätten bei der Klägerin besondere krankheitsbedingte Umstände vorgelegen, die einen Studienabschluss innerhalb der Regelstudienzeit nicht ermöglicht hätten. Schließlich hätten sich die Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren lange hingezogen, weshalb die Klägerin nicht gewusst habe, ob sie zur Fortsetzung ihres Studiums und zum Ablegen der Prüfungen zugelassen werde. Dadurch seien spezielle Hürden aufgebaut worden, die ein normales und unbeeinflusstes Studium sowie das Ablegen der entsprechenden Prüfungen unmöglich gemacht hätten.
19
Das Vorbringen der Klägerin lässt bereits die – auch hinsichtlich der Darlegung besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten – erforderliche substantiierte Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen i.S.v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vermissen. Der geltend gemachte Zulassungsgrund bezieht sich vielmehr völlig allgemein auf die Abweisung der Klage gegen die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens des Bachelorstudiengangs DaF mit NF SLK. Dass dies von der Beklagten mit zwei Bescheiden sowie mit jeweils unabhängiger tragender Begründung festgestellt wurde und das Verwaltungsgericht beide Bescheide für rechtmäßig erachtete, lässt die Klägerin völlig außer Betracht.
20
c. Da die Klägerin in Bezug auf die Feststellungen des Verwaltungsgerichts bezüglich Ziffer III. des Bescheids der Beklagten vom 6. Oktober 2021 keine Zulassungsgründe i.S.v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt hat, kommt eine Zulassung der Berufung nicht in Betracht.
21
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
22
4. Der Streitwert war in Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG auf jeweils 10.000 Euro festzusetzen. Der Senat legt für die Höhe der Streitwertfestsetzung Nr. 18.4 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO) zugrunde, da die Klage im Kern das Nichtbestehen bzw. weitere Ablegen der Bachelorprüfung betrifft.
23
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).