Inhalt

OLG München, Endurteil v. 26.02.2025 – 7 U 7508/22 e
Titel:

Hemmung der Verjährung, Einrede der Verjährung, Verjährungseintritt, Verjährung des Anspruchs, Beginn der Verjährungsfrist, Verjährungshemmung, Atypische stille Gesellschaft, Stille Gesellschaft, Losverfahren, Klageschrift, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Stille Beteiligung, Einziehung des Geschäftsanteils, Gesellschafterversammlung, Schriftsatznachlass, Sicherheitsleistung, Geschäftsjahr, Schriftsatzfrist, Schiedsgutachters, Gesellschafterkonten

Schlagworte:
Verjährung, Einziehungsvergütung, Abfindungsanspruch, Schiedsgutachten, Losverfahren, Hemmung der Verjährung, Stille Gesellschaft
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 02.12.2022 – 3 HK O 14160/20
Fundstelle:
BeckRS 2025, 8237

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 02.12.2022 (Az.: 3 HK O 14160/20) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das angegriffene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

A.
1
Die Parteien streiten um Einziehungsvergütung bzw. Abfindung im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Klägers aus der Beklagten.
2
Der Kläger war Gesellschafter der Beklagten mit einem Anteil von 50%. Einziger weiterer Gesellschafter war der nunmehrige Alleingesellschafter und -geschäftsführer … [im Folgenden: …]. Am 16.3.2015 beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten in Anwesenheit und mit Zustimmung des Klägers die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers. Die Wirksamkeit der Einziehung steht zwischen den Parteien außer Streit.
3
Die Satzung der Beklagten (Anlage S& P 03) hat auszugsweise den folgenden Wortlaut.
§ 2 Dauer der Gesellschaft, Geschäftsjahr …
(2) Das Geschäftsjahr beginnt mit dem 1. April eines Jahres und endet mit dem 31. März des nächsten Jahres.
§ 16 Einziehungsvergütung
(1) Der Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil eingezogen wird, erhält als Abfindung eine Einziehungsvergütung. …
(3) Die Höhe der Einziehungsvergütung ist von einem Wirtschaftsprüfer, der gemeinsam von der Gesellschaft und dem von der Einziehung der Geschäftsanteile betroffenen Gesellschafter beauftragt wird, zu bestimmen. Sofern keine Einigung hinsichtlich der Beauftragung des Wirtschaftsprüfers erfolgt, entscheidet das Los unter dem von der Gesellschaft und dem von der Einziehung der Geschäftsanteile betroffenen Gesellschafter vorgeschlagenen Wirtschaftsprüfer.
(5) Der ausscheidende Gesellschafter ist berechtigt, von der Gesellschaft vollumfängliche Sicherheitsleistungen für die jeweils ausstehenden Zahlungen einschließlich der gesetzlichen Zinsen zu verlangen. …
(6) Die Zahlung der Einziehungsvergütung durch die Gesellschaft muss innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Geschäftsjahres in dem der Einziehungsbeschluss endgültig wirksam wurde erfolgen. …
4
Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Satzung wird auf Anlage … 03 Bezug genommen.
5
Der Kläger war auch als stiller Gesellschafter an der Beklagten beteiligt. Die Beklagte, vertreten durch Herrn …, kündigte die stille Gesellschaft außerordentlich mit zwei Schreiben vom 27.3.2015 (vgl. .. 11), welche dem Kläger am 28.3.2015 zugegangen sind (vgl. Anlage B 22). Die Wirksamkeit der Kündigung steht zwischen den Parteien außer Streit.
6
Dem Senat liegen zwei Vertragsdokumente über die stille Beteiligung, datierend vom 4.8.2004 (Anlage … 05) bzw. vom 14.6.2004 (Anlage S& P 04) vor, die sich materiell im Wesentlichen dadurch unterscheiden, dass bei der Ermittlung des Abfindungsguthabens eines ausscheidenden stillen Gesellschafters nach Ziffer 14.1 in der Version vom 4.8.2004 stille Reserven und ein Firmenwert berücksichtigt werden, in der Version vom 14.6.2004 hingegen nicht. Welche der vorgelegten Versionen für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien maßgeblich ist, ist zwischen den Parteien streitig.
7
Das Geschäftsjahr der stillen Gesellschaft entspricht nach Ziff. 2.2 beider Versionen dem Geschäftsjahr der Beklagten. Zur Zahlung und Ermittlung der Abfindungsvergütung enthalten beide Versionen in Ziffern 14.3, 14.5, 14.6 inhaltlich den oben wiedergegebenen Satzungsbestimmungen parallele Regelungen. Hinsichtlich des Wortlauts der beiden vorgelegten Versionen im Einzelnen wird auf die Anlagen … 04 bzw. … 05 Bezug genommen.
8
Der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater … war als Steuerberater der Beklagten und zumindest zeitweise auch als Steuerberater des Klägers tätig. Bereits im März 2015 schlug Herr …vor, Herrn … mit der Ermittlung der Einziehungsvergütung gemäß § 16 Abs. 3 der Satzung der Beklagten und der Abfindung gemäß Ziff. 14.3 der Verträge über die stille Gesellschaft zu beauftragen (vgl. Anlagen …10, … 11).
9
Im Jahr 2017 war Herr … mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung des Klägers beauftragt.
10
Mit Schreiben vom 16.8.2018, hinsichtlich dessen Inhalts auf Anlage … 15 Bezug genommen wird, bot Herr … dem Kläger im Zusammenhang mit der Ermittlung der Einziehungsvergütung bzw. Abfindung Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Beklagten an. Dieses Angebot nahm der Kläger am 15.10.2018 wahr. In der Folgezeit bis zum 19.3.2020 kam es zu Email-Korrespondenz zwischen den Parteien und Herrn … über die Regelung der Einziehungsvergütung bzw. Abfindung. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass diese Einigungsversuche nach einem Telefonat am 20.3.2019 zwischen dem Klägervertreter und Herrn … gescheitert waren.
11
Mit an Herrn … gerichtetem Anwaltsschreiben vom 20.11.2019 (Anlage … 12) schlug der Kläger vor, die … GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft [im Folgenden: … GmbH] mit der Ermittlung der Ansprüche des Klägers zu beauftragen, und setzte eine Frist zur Stellungnahme über das weitere Vorgehen bis zum 29.11.2019. Mit an Herrn … gerichtetem Anwaltsschreiben vom 12.2.2020 (Anlage … 20) forderte der Kläger die Beklagte auf, bis zum 21.2.2020 das Losverfahren hinsichtlich des zu beauftragenden Wirtschaftsprüfers durch eine zur Neutralität verpflichtete Person wie einen Notar durchführen zu lassen, und kündigte an, anderenfalls selbst einen Notar entsprechend zu beauftragen. Hinsichtlich des genauen Wortlauts der Schreiben wird auf die Anlagen … 12 und S& P 20 Bezug genommen. Eine Reaktion der Beklagten auf die genannten Schreiben erfolgte nicht.
12
Mit Anwaltsschreiben vom 14.4.2020 beauftragte der Kläger sodann den Notar … in …, welcher am 21.4.2020 die Verlosung unter den vorgeschlagenen Wirtschaftsprüfern … und … GmbH durchführte; das Los fiel auf die … GmbH (vgl. Anlagenkonvolut … 21).
13
Mit seiner am 28.10.2020 eingegangenen und am 12.12.2020 zugestellten Klage begehrte der Kläger die Beauftragung der … GmbH mit der Ermittlung der Einziehungsvergütung für den GmbH-Anteil und der Abfindung für die stille Beteiligung sowie im Wege der Stufenklage (jeweils getrennt für die Einziehungsvergütung und die Abfindung) die Erteilung bestimmter Auskünfte an die … GmbH (hilfsweise an den Kläger), ggf. eidesstattliche Versicherung sowie auf der dritten Stufe Zahlung (hinsichtlich der Abfindung primär nach dem Vertrag vom 4.8.2004, hilfsweise nach dem Vertrag vom 14.6.2004) sowie hilfsweise Feststellung der Ansprüche (hinsichtlich der Abfindung wiederum gestaffelt nach den beiden Verträgen). Hinsichtlich des genauen Wortlauts der umfänglichen erstinstanzlichen Anträge des Klägers wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen. Die Beklagte hat erstinstanzlich die Abweisung der Klage beantragt.
14
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
15
Das Landgericht hat angenommen, dass die Ansprüche des Klägers verjährt seien, und daher die Klage insgesamt abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen. Mit seiner zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter.
16
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 02. Dezember 2022 wie folgt zu verurteilen:
I.1. Die Beklagte wird verurteilt, die … GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, …, …, mit der Ermittlung der Einziehungsvergütung des Klägers nach § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten in der Fassung vom 25. Mai 2011 (Anlage … 03 zur Klageschrift vom 28. Oktober 2020) in der Folge der von der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 16. März 2015 beschlossenen Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers mit einem Nennwert von EUR … zu beauftragen.
2. Die Beklagte wird im Wege der Stufenklage verurteilt,
a) der … GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, …,…, – hilfsweise: dem Kläger –, Auskunft zu erteilen durch Vorlage insbesondere folgender Unterlagen:
< Handelsrechtliche und steuerliche Jahresabschlüsse der Beklagten für die Geschäftsjahre 01. April 2013 bis 31. März 2014 sowie 01. April 2014 bis 31. März 2015
< Gegliederte Summen- und Saldenlisten (Bilanz und GuV auf Kontenebene) für die Geschäftsjahre 01. April 2013 bis 31. März 2014 sowie 1. April 2014 bis 31. März 2015
< Gegliederte Summen- und Saldenlisten sowie Buchhaltungsauswertungen (BWA) auf Monatsebene für das Geschäftsjahr 01. April 2014 bis 31. März 2015 sowie zum Stichtag 30. März 2015;
b) gegebenenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern;
c) den sich aus der Auskunft ergebenden Betrag einer Einziehungsvergütung nach § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten vom 25. Mai 2011 (Anlage … 03 zur Klageschrift vom 28. Oktober 2020) in Folge der von der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 16. März 2015 beschlossenen Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers an der Beklagten mit einem Nennwert von EUR … nebst Zinsen in Höhe von jährlich 9 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz für das Jahr seit 31. März 2016 an den Kläger zu bezahlen.
II.1. Die Beklagte wird verurteilt, die … GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, …, …, mit der Ermittlung der Höhe der Abfindungsvergütung des Klägers nach Ziffer 14.1 des Vertrages über eine atypische stille Gesellschaft vom 4. August 2004 (Anlage … 05 zur Klageschrift vom 28. Oktober 2020) – hilfsweise: nach Ziffer 14.1 des Vertrages über eine atypische stille Gesellschaft vom 14.6.2004 (Anlage … 04 zur Klageschrift vom 28. Oktober 2020) – in der Folge der Beendigung der stillen Gesellschaftsbeteiligung des Klägers an der Beklagten durch Kündigung der Beklagten vom 27. März 2015 zu beauftragen.
2. Die Beklagte wird im Wege der Stufenklage verurteilt,
a) der … GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, …, … – hilfsweise: dem Kläger –, Auskunft zu erteilen durch Vorlage folgender Unterlagen:
< Handelsrechtliche und steuerliche Jahresabschlüsse der Beklagten für die Geschäftsjahre 01. April 2013 bis 31. März 2014 sowie 01. April 2014 bis 31. März 2015
< Gegliederte Summen- und Saldenlisten (Bilanz und GuV auf Kontenebene) für die Geschäftsjahre 01. April 2013 bis 31. März 2014 sowie 01. April 2014 bis 31. März 2015
< Gegliederte Summen- und Saldenlisten sowie Buchhaltungsauswertungen (BWA) auf Monatsebene für das Geschäftsjahr 01. April 2014 bis 31. März 2015 sowie zum Stichtag 28. März 2015
< Betriebsprüfungsbericht für den Zeitraum 01. April 2013 bis 31. März 2014 sowie 01. April 2014 bis 31. März 2015 (sofern vorhanden)
< Handelsrechtliche und steuerliche Jahresabschlüsse der Beklagten für die Geschäftsjahre 01. April 2015 bis 31. März 2018
< Prognose zur künftigen Umsatz- und Ertragsentwicklung in Form einer Gewinn- und Verlustrechnung der Beklagten, gegliedert entsprechend § 275 Abs. 2 HGB, für die Geschäftsjahre 01. April 2015 bis 31. März 2018, ausgehend vom Kenntnisstand zum Stichtag 28. März 2015
< Detailzusammensetzung der Gesellschafterkonten der stillen Gesellschafter zu den Stichtagen 31. März 2014 sowie 28. März 2015;
b) hilfsweise zu Antrag II.2.lit.a): der … GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, …, …, – hilfsweise: dem Kläger –, Auskunft zu erteilen durch Vorlage folgender Unterlagen:
< Handelsrechtliche und steuerliche Jahresabschlüsse der Beklagten für die Geschäftsjahre 01. April 2013 bis 31. März 2015
< Gegliederte Summen- und Saldenlisten (Bilanz und GuV auf Kontenebene) für die Geschäftsjahre 01. April 2013 bis 31. März 2015
< Gegliederte Summen- und Saldenlisten sowie Buchhaltungsauswertungen (BWA) auf Monatsebene für das Geschäftsjahr 01. April 2014 bis 31. März 2015 sowie zum Stichtag 28. März 2015
< Detailzusammenstellung der Gesellschafterkonten der stillen Gesellschafter zu den Stichtagen 31. März 2014 sowie 28. März 2015;
c) gegebenenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern;
d) den sich aus Auskunft nach vorstehendem Antrag zu II.2.lit.a) ergebenden Betrag einer Abfindungsvergütung nach Ziffer 14.1 des Vertrages über eine atypische stille Gesellschaft vom 4. August 2004 (Anlage … 05 zur Klageschrift vom 28. Oktober 2020) in Folge der Beendigung der stillen Gesellschaftsbeteiligung des Klägers an der Beklagten durch Kündigung der Beklagten vom 27. März 2015 nebst Zinsen in Höhe von jährlich 9 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit 31. März 2016 an den Kläger zu bezahlen;
e) hilfsweise zu Antrag II.2.lit.d): den sich aus der Auskunft nach vorstehendem Antrag zu II.2.lit.b) ergebenden Betrag einer Abfindungsvergütung nach Ziffer 14.1 des Vertrages über eine atypische stille Gesellschaft vom 14. Juni 2004 (Anlage … 04 zur Klageschrift vom 28. Oktober 2020) in Folge der Beendigung der stillen Gesellschaftsbeteiligung des Klägers an der Beklagten durch Kündigung der Beklagten vom 27. März 2015 nebst Zinsen in Höhe von jährlich 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31. März 2016 an den Kläger zu bezahlen.
III. Hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Antrags zu I.1 und/oder des Antrags zu I.2:
Es wird festgestellt, dass dem Kläger gegen die Beklagte in Folge der mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 16. März 2015 beschlossenen Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers an der Beklagten mit einem Nennwert von EUR … ein Anspruch auf Zahlung einer Einziehungsentschädigung nach Maßgabe von § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten in der Fassung vom 25. Mai 2011 (Anlage … 03 zur Klageschrift vom 28. Oktober 2020) zusteht.
IV. Hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Antrags zu II.1. und/oder des Antrags zu II.2:
1. Es wird festgestellt, dass dem Kläger gegen die Beklagte in Folge der Kündigung seiner stillen Gesellschaftsbeteiligung an der Beklagten auf Grundlage des Vertrages über eine atypische stille Gesellschaft vom 4. August 2004 (Anlage … 05 zur Klageschrift vom 28. Oktober 2020) eine Abfindungsvergütung nach Maßgabe von Ziffer 14.1 des vorgenannten Vertrages zusteht.
Weiter hilfsweise zu vorstehendem Antrag IV.1:
2. Es wird festgestellt, dass dem Kläger gegen die Beklagte in Folge der Kündigung seiner stillen Gesellschaftsbeteiligung an der Beklagten auf Grundlage des Vertrages über eine atypische stille Gesellschaft vom 14. Juni 2004 (Anlage … 04 zur Klageschrift vom 28. Oktober 2020) eine Abfindungsvergütung nach Maßgabe von Ziffer 14.1 des vorgenannten Vertrages zusteht.
17
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
B.
18
Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Der Senat teilt im Ergebnis die Einschätzung des Landgerichts, dass die Ansprüche des Klägers auf Einziehungsvergütung für seinen GmbH-Anteil bzw. auf Abfindungsvergütung für seinen Anteil als stiller Gesellschafter verjährt sind, so dass auch die diesbezüglichen Auskunfts- bzw. Wertermittlungsansprüche keinen Erfolg haben können. Damit hat das Landgericht zu Recht die Klage insgesamt abgewiesen.
I.
19
Die Verjährung von Hauptansprüchen und die Verjährung von zu ihrer Vorbereitung geltend gemachten Hilfsansprüchen wie Auskunftsansprüchen ist grundsätzlich jeweils isoliert zu beurteilen. Allerdings werden die Hilfsansprüche mangels Informationsbedürfnisses gegenstandslos, wenn die Hauptansprüche verjährt sind (vgl. zu Vorstehendem BGH, Urteil vom 23.6.16 – VII ZR 28/15, Rz. 14; Urteil vom 25.7.2017 – VI ZR 222/16, Rz. 8). Auf der Basis der zutreffenden Prämisse, dass die Ansprüche auf Einziehungsvergütung bzw. Abfindung verjährt sind (dazu sogleich unten II ff.), hat das Landgericht die geltend gemachten Auskunftsansprüche somit zu Recht abgewiesen. Diese Grundsätze gelten entsprechend für den geltend gemachten Anspruch auf Beauftragung eines Wirtschaftsprüfers zur Ermittlung des Werts der Beteiligungen des Klägers.
II.
20
Die Verjährungsfrist für die Ansprüche auf Einziehungsvergütung bzw. Abfindung begann mit Ablauf des Jahres 2016 und hätte damit regulär mit Ablauf des 31.12.2019 geendet (§§ 195, 199 BGB).
21
1. Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Jahres, in welchem der Anspruch entsteht und der Gläubiger die Anspruchsvoraussetzungen kennt oder grob fahrlässig nicht kennt (§ 199 Abs. 1 BGB). Ein Anspruch ist entstanden, sobald er klageweise (und sei es nur durch Feststellungsklage) durchsetzbar ist, was (abgesehen von – hier nicht vorliegenden – synallagmatischen Ansprüchen) die Fälligkeit des Anspruchs voraussetzt (vgl. Grüneberg / Ellenberger, BGB, 84. Aufl., § 199 Rz. 3 und die dortigen Nachweise).
22
Nach § 16 Abs. 6 der Satzung der Beklagten (Anlage … 2) muss die Zahlung der Einziehungsvergütung innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Geschäftsjahres erfolgen, in welchem der Einziehungsbeschluss endgültig wirksam wurde. Das Geschäftsjahr der Beklagten läuft nach § 4 Abs. 2 der Satzung jeweils vom 1.4. bis zum 31.3. des Folgejahres. Damit wurde die Einziehung (unabhängig davon, ob man auf die Beschlussfassung in Anwesenheit des Klägers oder auf den Zugang einer förmlichen Mitteilung über die Einziehung abstellt) jedenfalls im bis zum 31.3.2015 laufenden Geschäftsjahr wirksam. Folglich war die Einziehungsvergütung bis zum 31.3.2016 zu bezahlen.
23
Der Senat teilt die Einschätzung des Landgerichts, dass hiernach der Anspruch auf Einziehungsvergütung mit Ablauf des 31.3.2016 fällig und klageweise durchsetzbar war; einer zuvor erhobenen Klage hätte die Beklagte den Einwand mangelnder Fälligkeit entgegenhalten können. Nichts anderes ergibt sich aus § 16 Abs. 5 der Satzung, wonach der Kläger Sicherheitsleistung für ausstehende Zahlungen einschließlich der gesetzlichen Zinsen hätte verlangen können. Insoweit ist zunächst dem Landgericht beizupflichten, dass die Vereinbarung einer Sicherheitsleistung auch für noch nicht fällige Ansprüche Sinn macht. Zinsen sieht die Satzung nur für „ausstehende“, also fällige Zahlungen vor, so dass aus der Vereinbarung von Zinsen kein Rückschluss auf den Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit gezogen werden kann.
24
Nachdem der Anspruch somit im Kalenderjahr 2016 fällig wurde und der Kläger auch jederzeit die Anspruchsvoraussetzungen (also sein Ausscheiden aus der Beklagten und die entsprechenden Satzungsregelungen) kannte, begann der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist mit Ablauf des 31.12.2016.
25
2. Nachdem der Vertrag über die stille Beteiligung (insoweit gleichlautend in beiden vorgelegten Versionen … 04 und … 05) in Ziffern 2.2, 14.5, 14.6 für die Abfindungsvergütung des Klägers parallele Regelungen zu § 4 Abs. 2, 16.5, 16.6 der Satzung der Beklagten enthält und die unstreitig wirksame Kündigung der Beteiligung dem Kläger im am 31.3.2015 endenden Geschäftsjahr der Beklagten zugegangen ist, gelten die vorstehenden Ausführungen für den Beginn der Verjährungsfrist des Anspruchs auf Abfindungsvergütung für die stille Beteiligung des Klägers entsprechend.
III.
26
Weitestgehend zutreffend hat das Landgericht die Frage einer Hemmung der Verjährung in den Jahren 2016 bis Herbst 2018 beurteilt. Auch der Senat kommt insoweit zu einer Hemmung für 217 Tage, so dass sich der Verjährungseintritt auf den 4.8.2020 (nicht: 14.8.2020) verschiebt.
27
1. Verhandlungen zwischen den Parteien über die gegenständlichen Ansprüche im Laufe des Jahres 2016 führten schon deshalb nicht zu einer Hemmung der Verjährungsfrist gemäß § 203 BGB, weil die Frist noch nicht begonnen hatte und es somit einer Hemmung nicht bedurfte.
28
2. Den Vortrag der Klagepartei zur Verjährungshemmung im Jahr 2017 hat das Landgericht zu Recht nach § 296a BGB nicht berücksichtigt. Abgesehen davon lässt dieser Vortrag die Voraussetzungen eines Hemmungstatbestandes ohnehin nicht erkennen.
29
a) Das tatsächliche Vorbringen einer Partei, das erstinstanzlich zu Recht nach § 296a ZPO nicht berücksichtigt wurde, ist als neuer Tatsachenvortrag in der Berufungsinstanz zu werten und nach § 531 Abs. 2 zu würdigen (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 27.2.2018 – VIII ZR 90/17, Rz. 19; Beschluss vom 239.2020 – IV ZR 74/20, Rz. 10). Nach diesen Grundsätzen ist das Vorbringen der Klagepartei zu Verhandlungen zwischen den Parteien über die gegenständlichen Ansprüche im Jahr 2017 als in der Berufungsinstanz neu zurückzuweisen.
30
aa) Das Landgericht hat den entsprechenden Vortrag der Klagepartei im Schriftsatz vom 12.9.2022 zu Recht nach § 296a BGB nicht berücksichtigt.
31
Das Landgericht hatte dem Kläger der Sache nach Schriftsatzfrist zu neuem Vortrag im Schriftsatz der Beklagten vom 24.6.2022 gewährt. Zwar lautet der entsprechende Beschluss (Bl. 197 der Akten) auf Einräumung einer Schriftsatzfrist zu neuem Vorbringen im „Schriftsatz vom 3.5.2022“. Nachdem der Schriftsatz vom 3.5.2022 aber vom Kläger selbst stammte und der Kläger Schriftsatzfrist zum letzten Schriftsatz der Beklagten beantragt hatte, war für alle Verfahrensbeteiligten offenkundig, dass das Landgericht Schriftsatzfrist auf den letzten Beklagtenschriftsatz, also denjenigen vom 24.6.2022 gewähren wollte. Entsprechend hat der Kläger den Schriftsatznachlass auch verstanden, weil er sich in seinem Schriftsatz vom 12.9.2022 ausführlich mit der Argumentation der Beklagten im Schriftsatz vom 24.6.2022 auseinandersetzte.
32
Allerdings waren Ausführungen zu Hemmungstatbeständen im Jahr 2017 nicht vom Schriftsatznachlass umfasst, weil der Beklagtenschriftsatz vom 24.6.2022 hierzu keine konkreten Ausführungen enthält; dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte a.a.O. S. 6 (Bl. 162 der Akten) lediglich in einem Satz feststellt, dass es auch im Jahr 2017 keine Verhandlungen über die Ansprüche gegeben habe. Nachdem zuvor im Verfahren trotz ausführlicher Ventilierung der Verjährungsproblematik nie von Verhandlungen im Jahre 2017 die Rede gewesen war, kann die genannte lapidare Feststellung nicht als „neuer Vortrag im Schriftsatz vom 24.6.2022“ gewertet werden, auf den der Kläger hätte erwidern dürfen.
33
bb) Folglich ist der genannte Vortrag als in der Berufungsinstanz neu zu werten. Er ist gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Klagepartei legt nicht dar, warum entsprechender Vortrag nicht schon vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz möglich gewesen wäre, zumal die Verjährungsproblematik seit der Klageerwiderung im Mittelpunkt des Verfahrens stand.
34
b) Selbst wenn man den entsprechenden Vortrag der Klagepartei abweichend von den vorstehenden Ausführungen in der Berufungsinstanz zuließe, könnte ebenfalls nicht von einer Hemmung der Verjährung im Laufe des Jahres 2017 ausgegangen werden; denn dem Klägervortrag lassen sich Verhandlungen (§ 203 BGB) zwischen den Parteien im Lauf des Jahres 2017 nicht entnehmen.
35
Der vom Landgericht zurückgewiesene Klägervortrag bezieht sich auf Geschehnisse im Zusammenhang mit einer Einkommensteuererklärung des Klägers, für welche der Steuerberater … vom Kläger mandatiert war. Soweit Herr … im Rahmen dieses Mandates (also für die Zwecke der notwendig vorläufigen Steuererklärung und -festsetzung) von der Beklagten bzw. deren Geschäftsführer die voraussichtliche Höhe der Einziehungs- bzw. Abfindungsvergütung abfragte (was als bestritten und nur durch die insoweit nichtssagenden Anlagen … 25 und … 26 unter Beweis gestellt ohnehin nicht zugrunde gelegt werden könnte), verhandelt er nicht namens des Klägers mit der Beklagten (und auch nicht namens der Beklagten mit dem Kläger) über den Anspruch als solchen im Sinne einer konkreten Geltendmachung des Anspruchs.
36
3. Der Senat teilt auch die Einschätzung des Landgerichts, dass die Verjährung durch Verhandlungen zwischen den Parteien (§ 203 Abs. 1 BGB) über die gegenständlichen Ansprüche vom 16.8.2018 bis 20.3.2019 gehemmt war.
37
a) Zu Recht nimmt das Landgericht den Beginn der Verhandlungen mit dem Schreiben des Steuerberaters … an den Kläger vom 16.8.2018 (Anlage … 15) an.
38
Nach der Einleitung des Schreibens („Herr … hat mich gebeten …“) und der nachfolgenden Nennung der einschlägigen Regelungen der Satzung der Beklagten und des Vertrages über die stille Gesellschaft betreffend Einziehungs- bzw. Abfindungsvergütung handelte Herr …insoweit eindeutig im Namen der Beklagten (und nicht nur von deren Geschäftsführer …) zu dem Zweck, eine Klärung der Höhe der gegenständlichen Ansprüche herbeizuführen. Damit sollten ersichtlich Verhandlungen namens der Beklagten mit dem Kläger eingeleitet werden; insoweit verweist das Landgericht zu Recht darauf, dass die Initiative für Verhandlungen auch vom Schuldner ausgehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 20.2.2001 – VI ZR 179/00, Rz. 13).
39
Auf diese Initiative ist der Kläger auch eingegangen, weil er die in dem genannten Schreiben angebotene Akteneinsicht in den Räumen des Herrn … am 15.10.2018 schließlich wahrgenommen hat, soweit ersichtlich ohne sich zuvor ablehnend zu dem entsprechenden Vorschlag geäußert zu haben. Damit bestehen keine Bedenken dagegen, die Hemmungswirkung mit der Initiative der Beklagtenseite (vertreten durch Herrn …) vom 16.8.2018 beginnen zu lassen.
40
b) Dass in der Folgezeit Verhandlungen zwischen den Parteien im Sinne des Austauschs von Vorschlägen und Gegenvorschlägen schwebten, wird dokumentiert durch den vorgelegten Mailverkehr (in der Regel über den Steuerberater …) gemäß den Anlagen … 17, … 18 und … 19, wobei die Mails vom 18./19.3.2019 (Anlage …19) ein unmittelbar bevorstehendes Scheitern der Verhandlungen nahelegen; den Abbruch der Verhandlungen sehen die Parteien übereinstimmend in einem Telefonat vom 20.3.2019, so dass die Verjährungshemmung an diesem Tag endete.
41
c) Die Hemmung hat zur Folge, dass der Zeitraum der Hemmung nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet wird (§ 209 BGB), dass sich mit anderen Worten der Eintritt der Verjährung entsprechend verzögert, also nicht zum regulären Verjährungsende erfolgt, sondern sich um die Hemmungsdauer hinausschiebt. Vorliegend betrug die Hemmungsdauer 217 Tage (16.8.2018 – 20.3.2019). Die Verjährung endet damit nicht regulär mit Ablauf des 31.12.2019, sondern 217 Tage später, also mit Ablauf des 4.8.2020. Soweit das Landgericht auf den 14.8.2020 kommt, hat es sich offenbar um 10 Tage verrechnet.
42
Zutreffend ist aber jedenfalls die Annahme des Landgerichts, dass sich die Frage einer Ablaufhemmung nach § 203 Abs. 2 BGB nicht stellt, da zwischen dem Ende der Hemmung (20.3.2019) und dem Eintritt der Verjährung (4.8.2020) mehr als drei Monate liegen.
IV.
43
Die von der Klagepartei vorgetragenen Ereignisse ab November 2019 (beginnend mit dem Anwaltsschreiben vom 20.11.2019, Anlage S& P 12) konnten keine weitere Verjährungshemmung mehr bewirken, so dass die gegenständliche Klage (eingegangen am 28.10.2020 und zugestellt am 12.12.2020) in verjährter Zeit erfolgte und keine Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB mehr herbeiführen konnte.
44
Das Landgericht befasst sich mit dieser Problematik nur unter dem Gesichtspunkt von Verhandlungen nach § 203 BGB und kommt zu dem Ergebnis, dass von einer weiteren Hemmung nach dieser Vorschrift nicht ausgegangen werden könne, weil die Beklagte weder auf das klägerische Schreiben vom 20.11.2019 (Anlage … 12) noch auf das weitere Schreiben vom 12.2.2020 (Anlage … 20) reagiert habe, so dass von einem Verhandeln im Sinne eines Meinungsaustauschs über die gegenständlichen Ansprüche nicht die Rede sein könne. Diese im Ergebnis zutreffende Sichtweise erschöpft die aufgeworfene Problematik aber nicht, sondern bedarf im Hinblick auf die Argumente der Berufung der Präzisierung.
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1. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf einige Stimmen in der Literatur (vgl. BB 8) die Auffassung vertritt, eine Reaktion der Beklagten auf die genannten Schreiben sei nicht erforderlich gewesen, um die Hemmungswirkung auszulösen, weil die Beklagte verpflichtet gewesen sei, in Verhandlungen einzutreten, kann offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzung eine Pflicht zur Aufnahme von Verhandlungen eine Hemmung der Verjährung entsprechend § 203 BGB auslösen kann. Denn den einschlägigen Regelungen in der Satzung der Beklagten bzw. in dem Vertrag über die stille Gesellschaft lässt sich eine Verhandlungspflicht der Beklagten im November 2019 nicht entnehmen.
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§ 16 Abs. 3 der Satzung der Beklagten und Ziff. 14.3 der Verträge über die stille Gesellschaft sahen die Bestimmung der Einziehungs- bzw. Abfindungsvergütung durch einen Wirtschaftsprüfer und bei Uneinigkeit über den zu beauftragenden Wirtschaftsprüfer einen Losentscheid vor. Eine Pflicht zur Verhandlung über die Höhe der Ansprüche war somit nicht vorgesehen, da diese gerade von einem Wirtschaftsprüfer festzulegen war. Eine Pflicht zur Verhandlung über die Person des Wirtschaftsprüfers bestand angesichts des vorgesehenen Losentscheids nur insoweit, als jede Partei gehalten war, einen Wirtschaftsprüfer vorzuschlagen. Dieser Pflicht waren beide Parteien im November 2020 nachgekommen, nachdem die Beklagte bereits im Frühjahr 2015 den Steuerberater (und Wirtschaftsprüfer) … und der Kläger mit dem Anwaltsschreiben gemäß Anlage … 20 die … GmbH vorgeschlagen hatten. Eine Pflicht zu weiteren Verhandlungen sieht der Senat nicht; nunmehr hatten zunächst das Los und sodann der geloste Wirtschaftsprüfer zu entscheiden.
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2. Nicht überzeugend erscheint dem Senat die von der Berufung gezogene Analogie zum Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB. Die Norm betrifft die Bekanntgabe des Antrags an eine staatliche oder staatlich anerkannte (lit. a) oder sonstige (lit. b) Gütestelle. Dem ist die vorliegende Einleitung eines Losverfahrens mit Schreiben an den Notar … vom 14.4.2020 (bei Anlage … 21) aus mehreren Gründen nicht vergleichbar.
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Zum einen knüpft die Hemmungswirkung an die Veranlassung der Bekanntgabe eines entsprechenden Antrags an den jeweiligen Antragsgegner an. Dass das Schreiben an den Notar der Beklagten bekannt gegeben oder dies vom Kläger oder dem Notar veranlasst wurde, trägt der Kläger jedoch nicht vor.
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Zum anderen betrifft die vertragliche Regelung der Ansprüche auf Einziehungs- bzw. Abfindungsvergütung gerade kein Schlichtungs- oder Güteverfahren, in welchem die Schlichtungsperson eine Einigung zwischen den Parteien herbeiführen soll, sondern die verbindliche Festlegung der Höhe des Anspruchs durch einen Dritten (Wirtschaftsprüfer), stellt sich also als Schiedsgutachtensabrede dar. Einschlägig für eine Hemmung im Zuge der Ermittlung des Anspruchs ist daher nicht § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB, sondern § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB.
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3. Aber auch eine Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB hat der Kläger vor dem Eintritt der Verjährung am 4.8.2020 nicht herbeigeführt.
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a) Wann im Fall des § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB die Hemmungswirkung eintritt, sagt das Gesetz nicht. Veröffentlichte höchst- oder obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage gibt es nicht. Nach überwiegender Auffassung in der Kommentarliteratur beginnt die Hemmung mit Eingang des Auftrags beim Schiedsgutachter (Grüneberg / Ellenberger, a.a.O. § 204 Rz. 2; Beck-OGK BGB / Meller-Hanich, § 204 Rz. 285; Beck-OK BGB / Hau / Poßeck, § 204 Rz. 41; Münch-Komm / Grothe, BGB, 10. Aufl., § 204 Rz. 49). Dem gegenüber wird auch vertreten, dass auf den Zeitpunkt der Einigung auf einen Schiedsgutachter abzustellen sei, weil Verzögerungen bei der Beauftragung oder eine Ablehnung des Gutachtens durch den Beauftragten nicht zu Lasten des Gläubigers gehen dürften (Staudinger / Jacoby, BGB, Stand 2024, § 204 Rz. 91).
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Auf dieser Basis wäre eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB vorliegend nicht eingetreten. Denn unstreitig wurde weder ein Schiedsgutachter beauftragt noch haben sich die Parteien auf die Person eines Gutachters geeinigt.
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b) Die genannten Kommentierungen stimmen jedoch darin überein, dass die Vertragsparteien im Rahmen der Schiedsgutachtensabrede einvernehmlich einen anderen Beginn (als Beauftragung des bzw. Einigung auf den Gutachter) des Begutachtungsverfahrens und damit der Hemmungswirkung festlegen können. Der Senat hat erwogen, ob dies vorliegend dadurch geschehen ist, dass die Parteien dem eigentlichen Schiedsgutachten ein Losverfahren zur Bestimmung der Person des Schiedsgutachters vorgeschaltet haben. Diese Frage ist zu verneinen.
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Denn der Senat sieht insoweit kein Bedürfnis für eine Vorverlagerung der Hemmungswirkung. Eventuelle Erörterungen der Parteien über die Auswahl des Schiedsgutachters und über die Durchführung des Losverfahrens dienen mittelbar der Ermittlung und Durchsetzung des Anspruchs und lassen sich daher unter den Begriff der Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB subsumieren. Wirkt der Schuldner am Losverfahren nicht mit, etwa indem er keinen Wirtschaftsprüfer benennt, oder weigert sich der Schuldner, an der Beauftragung eines gelosten oder einvernehmlich bestimmten Wirtschaftsprüfers mitzuwirken, steht dem Gläubiger eine entsprechende Klagemöglichkeit zu, mit der eine Verjährungshemmung herbeigeführt werden kann. Der Gläubiger ist also insoweit nicht schutzlos gestellt, so dass der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür sieht, dass die Parteien in der Satzung bzw. dem Vertrag über die stille Gesellschaft den Beginn der Hemmungswirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB auf den Beginn oder gar die Vorbereitung des Losverfahrens festsetzen wollten.
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Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Losverfahren haben die Parteien allerdings, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, nicht geführt, weil die Beklagte auf die Schreiben gemäß Anlagen … 12 und … 20 nicht reagiert hat. Selbst wenn man insoweit (letztlich gestützt auf § 242 BGB) eine Hemmung jeweils für die Dauer der in den Schreiben gesetzten Fristen annehmen wollte (mit dem Argument, dass die Beklagte bis zum jeweiligen Fristablauf mit weiteren Maßnahmen wie etwa Klageerhebung zuwarten durfte und redlicherweise musste), käme man nur zu einer weiteren Hemmung um 18 Tage (… 12: 20.11.2019 – 29.11.2019; …20: 12.2.2020 – 21.2.2020), so dass Verjährung (statt am 4.8.2020) am 22.8.2020 eingetreten wäre. Auch dieser Zeitpunkt läge weit vor Klageerhebung und mehr als drei Monate nach Hemmungsende am 21.2.2020 (so dass sich die Frage des § 203 Abs. 2 ZPO auch insoweit nicht stellt).
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c) Selbst wenn man abweichend von den vorstehenden Ausführungen das Losverfahren und das Schiedsgutachtensverfahren als Einheit betrachten und deshalb als den die Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB auslösenden Tatbestand den Beginn des Losverfahrens ansehen würde, wäre vorliegend eine Hemmung der Verjährung nach der genannten Vorschrift nicht eingetreten.
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Denn auch unter der vorstehenden Prämisse hätte das Losverfahren noch nicht mit den Anwaltsschreiben gemäß Anlage … 12 bzw. Anlage … 20 begonnen. Die Aufforderung an die Beklagte, das Losverfahren selbst durchzuführen, bzw. die Ankündigung der Klägerin, das Losverfahren anderenfalls selbst durchzuführen, bewegen sich noch im Vorstadium des eigentlichen Losverfahrens und führen nicht zu dessen Beginn.
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Auch der entsprechende Auftrag des Klägers an den Notar … vom 14.4.2020 (bei Anlage 21) führt nach dem Leitbild des § 204 BGB nicht zu einem die Verjährung hemmenden Beginn des Losverfahrens. Die einzelnen Tatbestände des § 204 Abs. 1 BGB sind jeweils gekennzeichnet dadurch, dass das Vertrauen des Schuldners auf eine Nichtgeltendmachung des Anspruchs durch den Gläubiger durch einen formalen Akt der Offenbarung der Einleitung eines auf Anspruchsdurchsetzung gerichteten Verfahrens gegenüber dem Schuldner zerstört wird (etwa Zustellung der Klage, des Mahnbescheides, der Streitverkündung, Nrn. 1, 3, 6; Bekanntgabe des Güteantrags, Nr. 4). Hiernach kann nach der Überzeugung des Senats auch der Beginn des Losverfahrens, selbst wenn man ihn für den Beginn des Schiedsgutachtensverfahrens im Sinne von Nr. 8 ausreichen lassen würde, nur dann die Hemmungswirkung auslösen, wenn der Schuldner (hier also die Beklagte) in irgendeiner Weise in den Beginn des Losverfahrens einbezogen wird, etwa durch Information der Beklagten über den konkreten Auftrag an den Notar durch den Kläger oder unmittelbar durch den Notar. Dies ist vorliegend nicht geschehen.
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Zum selben Ergebnis führt folgende Überlegung. Die Parteien haben die Durchführung des Losverfahrens weder in der Satzung der Beklagten noch im Vertrag über die stille Gesellschaft näher geregelt. Insoweit sind die Regelwerke lückenhaft. Da das Losverfahren letztlich der Ermöglichung der Leistungsbestimmung durch einen Dritten dient, liegt es nahe, insoweit zur Lückenfüllung auf den Rechtsgedanken der §§ 315, 317 BGB zurückzugreifen; hiernach muss die Durchführung des Losverfahrens billigem Ermessen entsprechen. Danach entsprach es zwar billigem Ermessen, dass der Kläger das Losverfahren selbst einleitete, nachdem er der Beklagten mit dem Schreiben gemäß Anlage … 20 unter Fristsetzung selbst die Gelegenheit dazu gegeben hatte. Auch war es ermessensgerecht, einen (berufsmäßig zur Neutralität verpflichteten) Notar mit der Verlosung zu beauftragen. Es musste aber auch billig erscheinen, den Beklagten über den konkreten Auftrag an den Notar zumindest zu informieren, nachdem die Satzung der Beklagten und der Vertrag über die stille Beteiligung grundsätzlich von einem einvernehmlichen Vorgehen der Parteien als Regelfall (einvernehmliche Beauftragung eines Wirtschaftsprüfers) ausgehen und – worauf die Beklagte zu Recht hinweist – zwischen dem Ablauf der der Beklagten mit Anlage S& P 20 gesetzten Frist (21.2.2010) und dem Auftrag an den Notar (14.4.2020) annähernd weitere zwei Monate verstrichen waren.
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d) Ohne dass es hierauf noch ankäme, weist der Senat darauf hin, dass der Auftrag an den Notar selbst dann, wenn man ihm abweichend von den vorstehenden Ausführungen grundsätzlich eine verjährungshemmende Wirkung beimessen würde, nur die Verjährung des Anspruchs auf Einziehungsvergütung für den GmbH-Anteil und nicht auch die Verjährung des Anspruchs auf Abfindung für den stillen Gesellschaftsanteil gehemmt hätte. Denn im Anschreiben an den Notar ist nur vom Losverfahren betreffend einen Gutachter für die Ermittlung der Einziehungsvergütung die Rede und werden die entsprechenden Satzungsbestimmungen zitiert und übersandt. Mit keinem Wort erwähnt werden die stille Gesellschaft, das Ausscheiden des Klägers aus dieser und der daraus resultierende Abfindungsanspruch. Damit hat der Notar … aus seiner Sicht nur ein Losverfahren gemäß § 16.3 der Satzung der Beklagten und nicht zugleich auch ein Losverfahren gemäß Ziffer 14.4 der Verträge über die stille Gesellschaft durchgeführt; mit letzterem war er nicht beauftragt.
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Folglich wurde selbst dann, wenn man dem Losverfahren verjährungshemmende Wirkung beimessen wollte, nur der Anspruch auf Einziehungsvergütung gehemmt. Insoweit kann die Lage nicht anders beurteilt werden als bei der Hemmung durch Klageerhebung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Gehemmt wird hierdurch naturgemäß nur die Verjährung der jeweils streitgegenständlichen Ansprüche. Damit kann auch eine Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB, selbst wenn man diese auf das Losverfahren vorverlagern würde, nur diejenigen Ansprüche betreffen, hinsichtlich derer ein Losverfahren durchgeführt wurde.
C.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zu würdigen waren vielmehr die Umstände des Einzelfalles.