Titel:
Ausweisung von Wohnbauflächen zur Deckung des Wohnraumbedarfes der ortsansässigen Bevölkerung
Normenkette:
BauGB § 1 Abs. 3, § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Leitsätze:
1. Ein städtebaulicher Vertrag ist grundsätzlich geeignet, die Erreichung des Planungsziels der Deckung des Wohnraumbedarfes der ortsansässigen Bevölkerung sicherzustellen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein städtebaulicher Vertrag, der die Bevorzugung der ortsansässigen Bevölkerung sicherstellen soll, ist unwirksam, wenn im Vertragswerk keine Regelungen existieren, die sicherstellen, dass es sich bei der insoweit bevorzugten örtlichen Bevölkerung um einkommensschwächere und weniger begüterte Personen handelt. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fehlende Erforderlichkeit eines Bebauungsplans, Planungsziel, den Wohnbedarf der ortsansässigen Bevölkerung zu decken, Einheimischenmodell, Städtebaulicher Vertrag, städtebaulicher Vertrag, Bebauungsplan, Erforderlichkeit, ortsansässige Bevölkerung, Wohnbedarf
Fundstelle:
BeckRS 2025, 816
Tenor
I. Der Bebauungsplan "...-Nord – Nördlicher Ortsrand ...zwischen T. Weg und M2. Straße“ der Antragsgegnerin ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Antragsteller vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird auf 60.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan „...-Nord – Nördlicher Ortsrand ...zwischen T. Weg und M2. Straße“ der Antragsgegnerin, der in der Stadtratssitzung vom 21. April 2020 beschlossen und am 5. Mai 2020 bekannt gemacht wurde. Festgesetzt werden ein allgemeines Wohngebiet mit über 50 Bauparzellen für Einzel- und Doppelhäuser sowie eine Umgehungsstraße. Das überplante Gebiet liegt weitgehend im bisherigen Außenbereich. Die Aufstellung des Bebauungsplanes dient ausweislich der Begründung (Nr. 8.2.2.1) der Ausweisung von Wohnbauflächen zur Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung sowie der Entlastung des Ortskerns von Bühl durch die Umgehungsstraße. Zum Zeitpunkt der Planaufstellung seien in der Stadtverwaltung zahlreiche Anfragen zu Wohnbaugrundstücken registriert gewesen. Zur möglichen Innenentwicklung heißt es, die Gebäudeleerstände sowie die Baulücken seien alle in Privatbesitz und könnten auf Nachfrage der Stadt bei den Eigentümern auch kurz- bis mittelfristig nicht erworben werden. Die vorliegende Planung werde somit aufgestellt, da in der Stadt Potenziale der Innenentwicklung nicht in ausreichender Menge gegeben seien.
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Bereits am 20. März 2020 schloss die Antragsgegnerin, die Eigentümerin einiger weniger Flächen im Plangebiet ist, mit den beiden Eigentümern der restlichen als Bauland ausgewiesenen, deutlich überwiegenden Flächen im Plangebiet einen städtebaulichen Vertrag, in dem auf den streitgegenständlichen Bebauungsplan und dessen Planungsziele Bezug genommen wird. Damit Wohnbauland tatsächlich dem Wohnbedarf der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werde, bedürfe es eines städtebaulichen Vertrags. § 1 des städtebaulichen Vertrages (Veräußerungsbeschränkung) lautet wie folgt:
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„Der jeweilige Eigentümer verpflichtet sich, die im Plangebiet entstehenden Baugrundstücke für Einzel- und Doppelhäuser nur an solche Personen zu veräußern, die entweder
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a) in I. ihre Hauptwohnung im Sinne des Bundesmeldegesetzes haben
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b) nach I. zur Arbeit einpendeln oder ein Geschäft in I. betreiben und/oder ihren Hauptwohnsitz nach I. verlegen,
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c) seit 3 Jahren im Landkreis Oberallgäu ihre Hauptwohnung im Sinne des Bundesmeldegesetzes haben.“
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Bei einem Verkauf der künftigen Baugrundstücke sind die Erwerber in vorstehender Reihenfolge auszuwählen. Der jeweilige Eigentümer hat auf Anforderung die anstehenden Erwerberdaten der Stadt vor der Veräußerung vorzulegen. Eine Veräußerung von Grundstücken an Bauträger ist möglich, sofern die Verpflichtungen aus diesem Vertrag übernommen werden. Die vorstehende Regelung gilt ab dem Zeitpunkt der Fertigstellung der Erschließung im Plangebiet für die Dauer von zwei Jahren. Danach ist die Veräußerung der Baugrundstücke an jeglichen Personenkreis möglich, sofern mit dem Erwerb des Baugrundstückes die Begründung eines Hauptwohnsitzes im Sinne des Bundesmeldegesetzes entweder durch den Erwerber selbst oder im Zusammenhang mit der Begründung einer Kapitalanlage zur Schaffung eines Mietobjektes begründet wird.“
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Der Antragsteller ist Eigentümer von im Plangebiet gelegenen Grundstücken. Teilflächen der Grundstücke werden mit einer öffentlichen Verkehrsfläche überplant. Insoweit befürchtet der Antragsteller die Durchführung eines Enteignungsverfahrens. Darüber hinaus meint er, durch die Festsetzung des Bebauungsplans daran gehindert zu sein, seine Flächen für einen geplanten Aussiedlerhof nutzen zu können.
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den streitgegenständlichen Bebauungsplan für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin verteidigt den Bebauungsplan.
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Das Gericht hat die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung im Beschlussverfahren angehört und darauf hingewiesen, das Planungsziel, Wohnbedarf für die einheimische Bevölkerung zu befriedigen, könne nur in Zusammenschau mit dem städtebaulichen Vertrag erreicht werden. Dieser begegne im Hinblick auf die enthaltene Veräußerungsbeschränkung, die eine bevorzugte Berücksichtigung der ortsansässigen Bevölkerung bei der Vergabe von Grundstücken gewährleisten solle, Wirksamkeitsbedenken.
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Die Antragsgegnerin hat in diesem Zusammenhang mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2024 darauf hingewiesen, die Bereitstellung von Baugrundstücken für die ortsansässige Bevölkerung sei nicht das primäre Planungsziel des Bebauungsplans, vielmehr gehe es in erster Linie um die Bereitstellung von Baugrundstücken überhaupt. Im Bebauungsplan selbst bzw. seiner Begründung sei keine Bezugnahme auf den städtebaulichen Vertrag vorhanden.
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Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
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1. Die Entscheidung kann im Beschlussweg ergehen, weil der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Aus dem Zusammenwirken von § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ergibt sich nichts Anderes, nachdem sich die Antragsgegnerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht auf letztere Vorschrift berufen kann.
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2. Der Antrag ist zulässig. Nach § 47 Abs. 2 VwGO kann einen Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendungen in ihren Rechten verletzt zu sein oder verletzt zu werden. Ausreichend ist, wenn ein Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt ist. Der Antragsteller ist Eigentümer von Flächen, die durch den angegriffenen Bebauungsplan im Hinblick auf ihre zukünftige Bebaubarkeit bzw. bauliche Nutzung neuen Anforderungen unterworfen werden, sodass eine Antragsbefugnis ohne weiteres besteht.
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3. Der Antrag ist auch begründet. Dem streitgegenständlichen Bebauungsplan fehlt es an der notwendigen städtebaulichen Rechtfertigung (§ 1 Abs. 3 Satz 1 HS 1 BauGB).
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a) Bauleitpläne sind erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB, soweit sie nach der planerischen Konzeption der Gemeinde erforderlich sind. In ständiger Rechtsprechung weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass es Sache der Gemeinde sei, wie sie ihre Planungshoheit handhabe und welche Konzeption sie ihr zu Grunde lege, dass die Entscheidung über planerische Zielsetzungen eine Frage der Gemeindepolitik und nicht bloße Rechtsanwendung sei und dass sich die geordnete städtebauliche Entwicklung im Einzelfall nach den vorhandenen, hinreichend konkretisierten planerischen Willensbetätigungen der Gemeinde bestimme (vgl. zuerst BVerwG, U.v. 29.4.1964 – 1 C 30.62 – juris Rn. 20,). Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinde, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (vgl. etwa BVerwG, U. v. 27.3.2013 – 4 C 13.11 – juris). Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass es an der gemeindlichen Planungsbefugnis fehlt, wenn die fragliche Bauleitplanung im Einzelfall offensichtlich nicht geeignet ist, das gemeindliche Planungsziel sicherzustellen.
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b) Im hier zu entscheidenden Fall ergibt sich aus der Begründung des streitgegenständlichen Bebauungsplans mit hinreichender Deutlichkeit, dass es der Antragsgegnerin darum ging, Flächen für den Wohnbedarf der ortsansässigen Bevölkerung zu schaffen. Unter Nr. 8.2.2 (Erfordernis der Planung) des Bebauungsplans heißt es ausdrücklich: „Die Aufstellung des Bebauungsplanes dient der Ausweisung von Wohnbauflächen zur Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung sowie der Entlastung des Ortskerns von Bühl durch die Umgehungsstraße. Zum Zeitpunkt der Planaufstellung waren in der Stadtverwaltung zahlreiche Anfragen zu Wohnbaugrundstücken registriert. Ohne die Aufstellung eines Bebauungsplanes ist es der Stadt nicht möglich, dieser Nachfrage gerecht zu werden.“ Unter Nr. 9.1.1 (Kurzdarstellung des Inhalts und der wichtigsten Ziele des Bebauungsplans) heißt es: „Die Aufstellung des Bebauungsplanes dient der Ausweisung von Wohnbauflächen zur Deckung des Wohnraumbedarfes der ortsansässigen Bevölkerung (Nr. 9.1.1.4).“ Demgegenüber kann nicht eingewandt werden, die Schaffung von Wohnraum für die ortsansässige Bevölkerung sei nur ein untergeordnetes Planungsziel, da unter Nr. 8.2.2 auch die Planungsziele der Entlastung des Ortskerns von Bühl durch die Umgehungsstraße sowie die Ermöglichung eines Wachstums der Kommune bzw. Stärkung der Siedlungsentwicklung, um vorhandene Infrastruktur auch künftig auslasten zu können, genannt seien. Die Notwendigkeit des Baus der Umgehungsstraße wird zentral damit begründet, dass die bisherigen Straßen den durch das geplante Baugebiet neu hervorgerufenen Verkehr nicht mehr aufnehmen könnten. Das Wachstum der Kommune und die Stärkung der Siedlungsentwicklung werden (auch) durch ein Baugebiet, das den Wohnbedarf der Bevölkerung decken soll, befördert. Zwar können die beiden letzteren Ziele auch durch ein Baugebiet, dass die Schaffung von neuem Wohnraum unabhängig von einer Bevorzugung der örtlichen Bevölkerung ermöglicht, erreicht werden. Allein hieraus folgern zu wollen, dass es in erster Linie um die mögliche Befriedigung von Wohnbedarf unabhängig oder weitgehend unabhängig von einer Bevorzugung der örtlichen Bevölkerung geht, erscheint aber gerade vor dem Hintergrund, dass die Befriedigung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung in Nr. 8.2.2 ausdrücklich genannt und unter Nr. 9.1.1 (Kurzdarstellung des Inhalts und der wichtigsten Ziele des Bebauungsplans) die Planungsziele der Entlastung des Ortskerns von Bühl durch die Umgehungsstraße sowie die Ermöglichung eines Wachstums der Kommune bzw. Stärkung der Siedlungsentwicklung, um vorhandene Infrastruktur auch künftig auslasten zu können, nicht genannt werden, nicht gerechtfertigt. Auch der Einwand, in Nr. 8.2.4.5 sei nur von einem Wohngebiet die Rede, ohne einen Bezug zur ortsansässigen Bevölkerung herzustellen, verfängt nicht, da es unter Nr. 8.2.4 insgesamt um die Geeignetheit des konkreten Standortes für Wohnbebauung überhaupt geht und zwar unabhängig davon, welcher Wohnbedarf durch die Ausweisung des Wohngebietes am konkreten Standort gedeckt werden soll. Der Umstand, dass in dem städtebaulichen Vertrag der Kreis der ortsansässigen Bevölkerung relativ weit gezogen wird, indem auch Landkreisbürger zum Zuge kommen können, spricht ebenfalls nicht gegen das angenommene Planungsziel. Denn diese Gruppe soll nachrangig zu Bürgern der Antragsgegnerin oder zu solchen Personen, die einen beruflichen Bezug zum Gemeindegebiet haben, zum Zuge kommen; im Übrigen ist der örtliche Bezug von Landkreisbürgern zum Gebiet der Antragsgegnerin im weiteren Sinne ebenfalls gegeben. Schließlich spricht auch die Tatsache, dass die Veräußerungsbeschränkung im städtebaulichen Vertrag nur für die Dauer von zwei Jahren ab Fertigstellung der Erschließung im Plangebiet gilt, nicht gegen das Planungsziel, den Wohnbedarf der ortsansässigen Bevölkerung zu decken, sondern wurde wohl in erster Linie aus Verhältnismäßigkeitsgründen aufgenommen.
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c) Weiteres Planungsziel der Stadt ist es, Grundstücke zu überplanen, deren Verfügbarkeit zur Deckung des Wohnbedarfs für die ortsansässige Bevölkerung auch gewährleistet ist. Dies ergibt sich ebenfalls aus Nr. 8.2.2.1 der Begründung des Bebauungsplans. Dort wird die grundsätzlich vorrangige Innenentwicklung als nicht erfolgversprechend bezeichnet, da die Gebäudeleerstände sowie die Baulücken alle in Privatbesitz seien und auf Nachfrage der Stadt bei den Eigentümern auch kurz- bis mittelfristig nicht erworben werden könnten. Die vorliegende Planung werde somit ins Werk gesetzt, da in der Stadt Potenziale der Innenentwicklung nicht in ausreichender Menge gegeben seien.
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d) Weder aus dem Bebauungsplan selbst noch aus seiner Begründung ergibt sich, wie sichergestellt sein soll, dass die beiden genannten Planungsziele mittels der streitgegenständlichen Bauleitplanung auch verwirklicht werden können. Die nunmehr überplanten Flächen befinden sich größtenteils in Privatbesitz. Weder die Verkaufsbereitschaft überhaupt noch die Sicherstellung, dass ortsansässige Bewerber bevorzugt behandelt werden, sind damit, wenn man allein den streitgegenständlichen Bebauungsplan betrachtet, gewährleistet. Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten (§ 1 Abs. 1 BauGB). Der Grundsatz der Planmäßigkeit „nach Maßgabe dieses Gesetzes“ lässt es nicht zu, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke durch andere Mittel als die der Bauleitplanung förmlich vorzubereiten und zu leiten (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr/Battis, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 1 Rn. 18). Ergänzende vertragliche Gestaltungen im Zusammenhang mit der Bauleitplanung in Form eines städtebaulichen Vertrages können aber zulässig sein, solange sie weder an die Stelle der Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der Bauleitplanung treten, noch die Bauleitplanung zu einer lediglich formalen Hülse werden lassen (vgl. OVG BB, U.v. 22.9.2011 – OVG 2 A 8/11 – BeckRS 2012, 45009).
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e) Der städtebauliche Vertrag vom 20. März 2020 wäre grundsätzlich geeignet, die Erreichung der genannten Planungsziele sicherzustellen, da er sowohl die Veräußerungsbereitschaft der privaten Grundstückseigentümer überhaupt als auch die Bevorzugung der ortsansässigen Bevölkerung festzuschreiben versucht. Ob damit der grundsätzliche Vorrang der Bauleitplanung zu stark ausgehöhlt wird und ob die sonstigen Voraussetzungen für eine Zusammenschau von Bauleitplanung und städtebaulichem Vertrag vorliegen (vgl. hierzu OVG BB, U.v. 22.9.2011 – OVG 2 A 8/11 – BeckRS 2012, 45009) kann dahinstehen, da der Vertrag jedenfalls, soweit er die Bevorzugung der ortsansässigen Bevölkerung sicherstellen soll, unwirksam ist. Er gibt den derzeitigen Grundstückseigentümern vor, die Baugrundstücke zwei Jahre nach Fertigstellung der letzten Erschließungsanlage ausschließlich an Einheimische zu vergeben. Dies kann zwar grundsätzlich Inhalt eines städtebaulichen Vertrages sein, setzt aber voraus, dass es sich bei der insoweit bevorzugten örtlichen Bevölkerung um einkommensschwächere und weniger begüterte Personen handelt (§ 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 letzte Alt. BauGB). Es existieren im Vertragswerk keinerlei Regelungen, um letztere Voraussetzung sicherzustellen.
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Zwar regelt § 11 BauGB den Inhalt von städtebaulichen Verträgen nicht abschließend. Ausweislich der Begründung des Gesetzes zur Umsetzung der RL 2014/52/EU
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im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt (vgl. BR-Drs. 18/11439 S. 20), mit dem § 11 BauGB seine aktuelle Fassung, die bei Inkrafttreten des streitgegenständlichen Bebauungsplans bereits galt, erhalten hat, sollte zur Vermeidung einer europarechtswidrigen Diskriminierung auch im Wortlaut der Vorschrift hervorgehoben werden, dass Einheimischenmodelle bei europarechtskonformer Ausgestaltung dem Erwerb angemessenen Wohnraums durch einkommensschwächere und weniger begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung dienen. Hieraus ergibt sich ohne weiteres der Wille des Gesetzgebers, dass die Regelungen betreffend die Bevorzugung der örtlichen Bevölkerung im Rahmen von städtebaulichen Verträgen stets auch der Berücksichtigung der genannten sozialen Komponente bedürfen, nachdem andernfalls europarechtliche Vorschriften entgegenstehen könnten.
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Auch mag es sich bei dem hier in Rede stehenden städtebaulichen Vertrag um einen solchen des Zivilrechts handeln. Jedoch muss er sich, nachdem eine Kommune Vertragspartner ist und er der Erfüllung von bauleitplanerischen Zielsetzungen dient, am Vorrang des Gesetzes messen lassen, sodass er aufgrund des Verstoßes gegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 letzte Alt. BauGB in entsprechender Anwendung von Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG jedenfalls in der Frage der Bevorzugung von Einheimischen nichtig ist (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 11 Rn. 72 m.w.N.).
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f) Da somit weder durch den Bebauungsplan selbst noch durch den städtebaulichen Vertrag die Erreichung der genannten Planungsziele sichergestellt ist, fehlt es der Planung an der notwendigen Erforderlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB. Folge einer fehlenden Erforderlichkeit und damit Planungsbefugnis im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 ist auch unter Berücksichtigung der Vorschriften der §§ 214 f. BauGB die Unwirksamkeit des Bauleitplans (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, 155. EL August 2024, BauGB, § 1 Rn. 31 a.E.).
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g) Der Verstoß gegen § 1 Abs. 3 BauGB in Bezug auf die fehlende Sicherstellung der Bevorzugung der ortsansässigen Bevölkerung führt zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans. Nach ständiger Rechtsprechung zur Teilunwirksamkeit von Rechtsnormen (vgl. BVerwG, B.v. 6.4.1993 – 4 NB 43.92 – juris Rn. 11 = NVwZ 1994, 272) führen einzelne Mängel nur dann nicht zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans, wenn die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel die Satzung dennoch beschlossen hätte (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2014 – 4 CN 3.14 – ZfBR 2014, 58 = juris Rn. 26 m.w.N.). Dieser Rechtssatz stellt die bauplanungsrechtliche Konkretisierung eines allgemeinen Rechtssatzes dar, der auch in anderen Rechtsgebieten gilt (vgl. § 139 BGB). Er bewirkt, dass nicht jeder Planungsfehler zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans führen muss, solange der Plan noch (objektiv) sinnvoll bleibt und (subjektiv) vom Planungswillen der Gemeinde getragen wird. An beiden Voraussetzungen fehlt es hier. Vor dem Hintergrund der zentralen Bedeutung der Versorgung der ortsansässigen Bevölkerung mit Wohnraum macht die Bauleitplanung ohne Gewährleistung derselben keinen Sinn.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 und § 161 Abs. 2 VwGO.
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5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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6. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 und 8 GKG.
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7. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
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8. Nach § 47 Abs. 5 Satz 2 HS 2 VwGO ist die Nr. I. der Entscheidungsformel allgemein verbindlich und muss von der Antragsgegnerin in derselben Weise veröffentlicht werden wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB).