Titel:
Untersagung einer Gewerbeerlaubnis wegen Unzuverlässigkeit
Normenketten:
GewO § 35
VwGO§ 84, § 124 Abs. 2
Leitsätze:
1. Es muss im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Dieser Grund entfällt nur, wenn er zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet. Darunter ist ein realistischer Plan zu verstehen, der eine Wegfertigung der Verbindlichkeiten innerhalb überschaubarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lässt und der tatsächlich und konsequent verwirklicht wird. Maßgeblich ist dabei, ob sich daraus die Prognose rechtfertigt, dass der Betroffene in Zukunft sein Gewerbe ordnungsgemäß führen wird. Es muss ersichtlich sein, dass und wie die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit künftig in einem hinnehmbaren Zeitraum beendet und damit Gefahren für andere Gewerbetreibende, Kunden, die öffentliche Hand, andere Stellen und die Rechtsordnung insgesamt abgewendet werden können. Dafür ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Gewerbetreibende das von ihm verfolgte Tilgungs- und Sanierungskonzept auch vorlegt. Allein dann, wenn nach außen hin erkennbar hervortritt, dass er im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet, kann trotz eingetretener wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit eine günstige Prognose über sein künftiges gewerbliches Verhalten angestellt werden. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO setzt bei einem Gerichtsbescheid voraus, dass der Mangel nicht durch einen Antrag auf mündliche Verhandlung gem. § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hätte geheilt werden können. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
erweiterte Gewerbeuntersagung, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Eintragungen in das Vollstreckungsportal wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft, Zuverlässigkeitsprognose, Vorlage eines Tilgungskonzepts, Verfahrensrüge, Amtsermittlungsgrundsatz, Gerichtsbescheid
Vorinstanz:
VG München, Gerichtsbescheid vom 09.02.2024 – M 16 K 23.4903
Fundstelle:
BeckRS 2025, 812
Tenor
I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts München vom 9. Februar 2024 – M 16 K 23.4903 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 7. September 2023 weiter.
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Mit diesem Bescheid untersagte der Beklagte der Klägerin die Ausübung des stehenden Gewerbes „Winterdienst, Garten- und Landschaftsbau, Gartenpflege, Vermittlung von Aufträgen, Pflasterarbeiten“ sowie jegliche andere gewerbliche Selbstständigkeit und die Tätigkeit als Vertretungsberechtigte eines Gewerbebetriebes oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes Beauftragte. Die Unzuverlässigkeit der Klägerin ergebe sich aus der Nichtentrichtung von Steuern, den drei Einträgen in das Schuldnerverzeichnis und der Nichtabgabe von Steuererklärungen. Dies lasse auf einen eingewurzelten Hang zur Missachtung der einer Gewerbetreibenden obliegenden steuerlichen Verpflichtungen schließen. Laut Mitteilungen des Finanzamts B. sei sie weder den gesetzlichen Steuererklärungspflichten noch ihren öffentlich-rechtlichen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen. Die Rückstände hätten Ende Januar 11.658,94 € betragen und sich bis Anfang Juli 2023 auf 24.529,84 € erhöht. Im Gewerbeuntersagungsverfahren nach § 35 GewO sei der Klägerin die Möglichkeit gegeben worden, sich zu äußern, von der sie keinen Gebrauch gemacht habe.
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Das Bayerische Verwaltungsgericht München wies die gegen diesen Bescheid erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 9. Februar 2024 ab, der den Bevollmächtigten der Klägerin am 12. Februar 2024 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 11. März 2024, am 12. März 2024 beim Verwaltungsgericht eingegangen, beantragte die Klägerin die Zulassung der Berufung und begründete den Antrag mit Schriftsatz vom 11. April 2024, am gleichen Tag beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen.
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Der Beklagte trat dem Antrag auf Zulassung der Berufung entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegende Vorbringen zur Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) kann, auch wenn ein Zulassungsgrund nicht ausdrücklich benannt wird, zwar ausgelegt werden (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 57). Die der Sache nach geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Gerichtsbescheids (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 84 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Halbs. 1 VwGO, dazu unter 1.) liegen aber ebenso wenig vor wie ein Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 84 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Halbs. 1 VwGO, dazu unter 2.).
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bzw. des Gerichtsbescheids, der als Urteil wirkt (§ 84 Abs. 3 Halbs. 1 VwGO), bestünden dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426.17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 62 f.). Daran fehlt es vorliegend.
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1.1 Das Verwaltungsgericht ist der Begründung des angefochtenen Bescheids vom 7. September 2023 im Ergebnis gefolgt, hat auf diese gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen und in den Entscheidungsgründen ergänzende Ausführungen gemacht. Es hat die Prognose der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit der Klägerin nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO jeweils selbstständig tragend mit den Steuerrückständen der Klägerin (inkl. Säumniszuschlägen und Vollstreckungskosten) in Höhe von deutlich über 20.000 € und drei Eintragungen im Schuldnerverzeichnis wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft einerseits sowie mit der Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten andererseits begründet. Dabei ist das Verwaltungsgericht unter Heranziehung der ständigen Rechtsprechung des Senats (BayVGH, B.v. 8.5.2020 – 22 ZB 20.127 – juris Rn. 30, 35 m.w.N.) davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall beide durch das Verhalten der Klägerin erfüllten Unzuverlässigkeitstatbestände die Prognose der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen.
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In Bezug auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hat es ausgeführt, dass im Zeitpunkt des Bescheiderlasses eine positive Prognose, wonach die Leistungsunfähigkeit der Klägerin innerhalb eines hinnehmbaren Zeitraum beendet sein würde, nicht möglich gewesen sei. Zwar habe sie beabsichtigt, ihr Haus zu einem Kaufpreis von 800.000 € zu veräußern; davon habe der Beklagte jedoch nichts gewusst, weil sich die Klägerin auf das behördliche Anhörungsschreiben nicht geäußert habe. Hinzu komme, dass der Zufluss liquider Mittel selbst nach den klägerischen Angaben im gerichtlichen Verfahren (zuletzt im Schriftsatz vom 17.1.2024, wonach Kaufinteressenten zwar vorhanden seien, aber die Finanzierung noch geprüft werden müsse) nicht abzusehen gewesen sei. Tragfähige Anhaltspunkte für eine absehbare Besserung der wirtschaftlichen Lage der Klägerin im Sinn einer positiven prognostischen Beurteilung hätten danach im Zeitpunkt des Bescheiderlasses (am 7.9.2023) tatsächlich nicht bestanden. Unabhängig davon habe das Finanzamt mit zwei Schreiben im Jahr 2023 mitgeteilt, dass die Klägerin Umsatzsteuervoranmeldungen nicht bzw. nicht fristgerecht abgegeben habe; dabei handele es sich um eine von den Steuerschulden zu trennende Pflichtverletzung, auf die die Prognose der Unzuverlässigkeit neben dem Gesichtspunkt der Steuerschulden gestützt werden könne.
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Das Verwaltungsgericht hat – in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 14 f. m.w.N.) – auch zutreffend dargelegt, dass es für die Beurteilung der Zuverlässigkeit von Gewerbetreibenden und der Rechtmäßigkeit einer Gewerbeuntersagung nicht darauf ankomme, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens weiterentwickelt hätten und dass bei Änderung der tatsächlichen Umstände die Initiative zur Wiedergestattung nach § 35 Abs. 6 GewO vom Gewerbetreibenden ausgehen müsse. Es hat die Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit der Gewerbeuntersagung bejaht, sowohl im Hinblick auf die mangelnde Leistungsfähigkeit als auch im Hinblick auf den Umstand, dass aus dem bisherigen Verhalten der Klägerin nicht erkennbar werde, welche Maßnahmen sie ergreifen wolle, um die fristgerechte Abgabe der Steuererklärungen künftig sicherzustellen.
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1.2 Die Klägerin macht zur Begründung ihres Zulassungsantrags im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass aufgrund des eingeleiteten Hausverkaufs eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nicht mehr gegeben sei. Es habe zu Unrecht angenommen, dass sich daraus keine positive Prognose für ihre wirtschaftlichen Verhältnisse herleiten ließe. Der Verkaufspreis von knapp 800.000 € sei angemessen bzw. üblich und sie habe im erstinstanzlichen Verfahren hinreichende Belege dafür erbracht, dass sie ernsthaft bemüht sei, das Haus zu verkaufen. Sie sei auch bereit, vom ursprünglichen Verhandlungspreis einen gewissen Abschlag hinzunehmen. Der Umstand, dass sie auf das Anhörungsschreiben vom 10. Juli 2023 ihre Verkaufsabsicht nicht mitgeteilt habe, spreche nicht gegen ihre Zuverlässigkeit. Sie habe nicht gewusst, dass sie der behördlicherseits angenommenen Unzuverlässigkeit die nachträgliche Schuldentilgung entgegensetzen könne. Zudem sei nur maßgeblich, ob die Zuverlässigkeit objektiv vorgelegen habe, was aufgrund des am 31. Juli 2023 abgeschlossenen Maklervertrages der Fall gewesen sei. Die Verzögerungen beim Verkauf habe sie nicht zu vertreten. Nachdem die Veräußerung aufgrund der ungünstigen Zinsentwicklung zunächst gescheitert sei, habe sich der „Zinsmarkt zwischenzeitlich etwas beruhigt“. Zum Zeitpunkt der Begründung des Zulassungsantrages (am 11.4.2024) seien acht Interessenten vorhanden, die von der Maklerfirma aufgefordert worden seien, bis „Anfang übernächster Woche ein Angebot abzugeben“. Basierend auf dem besten Angebot solle das Anwesen dann veräußert werden.
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Soweit das Verwaltungsgericht die Unzuverlässigkeit auf die nicht fristgerechte Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen für das zweite und dritte Quartal 2022 gestützt habe, sei zu berücksichtigen, dass geringfügige Verzögerungen nicht für eine Unzuverlässigkeit sprächen. Darauf könne isoliert eine Gewerbeuntersagung nicht gestützt werden. Aus den Auskünften des Finanzamts ergebe sich nicht, um welchen Zeitraum sich die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen verzögert habe. Zudem sei hinsichtlich des vierten Quartals 2023 kein Verzug mitgeteilt worden.
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1.3 Damit zieht die Klägerin jedoch die Rechtauffassung des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Zweifel.
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1.3.1 Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung muss im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Dieser Grund entfällt nur, wenn er zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 14 m.w.N.). Darunter ist ein realistischer Plan zu verstehen, der eine Wegfertigung der Verbindlichkeiten innerhalb überschaubarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lässt und der tatsächlich und konsequent verwirklicht wird (BayVGH, B.v. 11.9.2024 – 22 ZB 23.1124 – juris Rn. 15 m.w.N.). Maßgeblich ist dabei, ob sich daraus die Prognose rechtfertigt, dass der Betroffene in Zukunft sein Gewerbe ordnungsgemäß führen wird (vgl. BayVGH, B.v. 4.6.2014 – 22 C 14.1029 – juris Rn. 15 f.; B.v. 20.5.2016 – 22 ZB 16.253 – juris Rn. 9). Es muss ersichtlich sein, dass und wie die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit künftig in einem hinnehmbaren Zeitraum beendet und damit Gefahren für andere Gewerbetreibende, Kunden, die öffentliche Hand, andere Stellen und die Rechtsordnung insgesamt abgewendet werden können (BayVGH, B.v. 20.5.2016 – 22 ZB 16.253 – a.a.O. Rn. 9 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 22 C 16.1107 – juris Rn. 9). Dafür ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Gewerbetreibende das von ihm verfolgte Tilgungs- und Sanierungskonzept auch vorlegt (vgl. BayVGH, B.v. 11.9.2024 – 22 ZB 23.1124 – juris Rn. 15). Allein dann, wenn nach außen hin erkennbar hervortritt, dass er im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet, kann trotz eingetretener wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit eine günstige Prognose über sein künftiges gewerbliches Verhalten angestellt werden (BayVGH, B.v. 5.12.2016 – 22 ZB 16.2177 – juris Rn. 16).
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Daran fehlt es hier. Die Klägerin hat im behördlichen Untersagungsverfahren nicht dargelegt, dass sie ein solches Konzept verfolgt, dessen Bestandteil etwa die Veräußerung ihres Anwesens sein könnte, um langfristig an neues Kapital zu gelangen. Auf die Gründe, warum sie gegenüber dem Landratsamt ihr Tilgungskonzept nicht erläutert hat, kommt es nicht an. Die Klägerin kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, sie hätte als „rechtlicher Laie“ nicht erkannt, dass sie der behördlichen Unzuverlässigkeitsprognose habe entgegentreten können. Es war ihre Obliegenheit, der nachvollziehbar auf die Steuerverbindlichkeiten und die drei Einträge im Schuldnerverzeichnis – jeweils unter dem Anordnungsgrund der Nichtabgabe der Vermögensauskunft – gestützten Prognose der Unzuverlässigkeit entgegenzutreten. Wenn sie ungeachtet des eingeleiteten Untersagungsverfahrens, mehrerer Aufforderungen, den Sachverhalt einer drohenden Gewerbeuntersagung zu besprechen, und des förmlichen Anhörungsschreibens vom 10. Juli 2023 nicht dargelegt hat, dass und wie sie ihre wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit künftig in einem hinnehmbaren Zeitraum beenden will, kann sie sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass bei hinreichender Darlegung ihres Konzepts eine günstige Prognose gerechtfertigt gewesen wäre. Soweit die Klägerin nicht erkannt haben mag, dass sie möglicherweise „der behördlicherseits angenommenen gewerblichen Unzuverlässigkeit die nachträgliche Schuldentilgung in Folge des Hausverkaufes“ hätte entgegensetzen können, hat sie dies im Übrigen selbst zu vertreten. Aus den Schreiben des Landratsamts vom 6. April und vom 12. Mai 2023 (S. 23 f. der Behördenakte) geht hervor, dass von Behördenseite die Bereitschaft bestand, mit ihr zu besprechen, „wie ein Gewerbeuntersagungsverfahren möglicherweise abgewendet werden kann“. Von diesem mehrfach unterbreiteten Gesprächsangebot hat sie jedoch keinen Gebrauch gemacht.
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Hinzu kommt, dass das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 7. September 2023 tatsächlich noch keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine positive Prognose in Bezug auf die Beseitigung der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit innerhalb eines hinnehmbaren Zeitraums vorhanden waren. Dem ist die Klägerin im Zulassungsverfahren nicht entgegengetreten. Sie hat bisher ihr Sanierungskonzept nicht im Einzelnen dargelegt, dessen wesentlicher Bestandteil offensichtlich die Veräußerung ihres Anwesens sein soll. Dass diese Maßnahme nicht problemlos verwirklicht werden konnte, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass es der Klägerin auch bis Anfang April 2024 noch nicht gelungen war, das Anwesen zu einem für sie akzeptablen Preis zu verkaufen. Auf die Frage der Ernsthaftigkeit der Verkaufsabsichten kommt es dagegen nicht entscheidend an. Das Verwaltungsgericht hat diese nicht in Zweifel gezogen. Vielmehr ist es davon ausgegangen, dass der Zahlungszufluss und damit die Wiederherstellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin bei Bescheiderlass nicht absehbar waren. Dazu verhält sich das Zulassungsvorbringen nicht.
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Vor allem setzt sich die Zulassungsbegründung aber nicht damit auseinander, dass das Verwaltungsgericht unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des Senats (BayVGH, B.v. 11.1.2022 – 22 ZB 21.1937 – juris Rn. 14 m.w.N.) aus den drei Eintragungen der Klägerin ins Schuldnerverzeichnis über eine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hinaus auf eine fehlende Leistungsbereitschaft geschlossen hat. Es hat zu Recht ausgeführt, dass diese nicht nur hinreichend belegen, dass es der Klägerin nicht möglich war, vollstreckbare Forderungen zu begleichen, sondern auch, dass sie nicht willens war, ihrem Gläubiger Informationen über etwaige nicht bekannte Vermögensgegenstände und mögliche pfändbare Ansprüche zu verschaffen. Dies ist mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung nicht zu vereinbaren (BayVGH, B.v. 11.6.2024 – 22 ZB 23.1013 – juris Rn. 13 m.w.N.).
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1.3.2 Soweit sich die Klägerin gegen die Annahme der Unzuverlässigkeit in Bezug auf die rechtzeitige Abgabe ihrer Umsatzsteuererklärungen wendet, verfehlt sie bereits die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Sie führt zwar aus, es komme darauf an, um welchen Zeitraum die jeweilige Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung verzögert worden sei, macht dann aber keine Angaben zu diesen Umständen, die in ihrer Sphäre lagen und von denen sie Kenntnis haben musste. Vielmehr wäre es Sache der Klägerin gewesen, substantiiert darzulegen, wann und in welchem Umfang sie ihren Pflichten zur Abgabe der Steuererklärungen nachgekommen ist. Erst anhand dessen wäre eine Auseinandersetzung mit der Frage möglich gewesen, ob diese Pflichtverletzungen nach den heranzuziehenden Maßstäben (vgl. etwa BayVGH, B.v. 1.8.2017 – 22 ZB 16.2192 – juris Rn. 12; B.v. 8.5.2020 – 22 ZB 20.127 – juris Rn. 35) ausreichen, um die Unzuverlässigkeit begründen zu können. Die bloße Berufung darauf, welche Angaben in den vom Landratsamt herangezogenen Schreiben des Finanzamts gemacht wurden, reicht für eine Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen nicht aus.
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2. Soweit die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen der Sache nach auch einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO hätte rügen wollen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), weil das Verwaltungsgericht den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt habe, hat der Antrag auf Zulassung der Berufung keinen Erfolg. Eine derartige gegen einen Gerichtsbescheid erhobene Verfahrensrüge setzt voraus, dass der Mangel nicht durch einen Antrag auf mündliche Verhandlung gemäß § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hätte geheilt werden können (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2016 – 22 ZB 16.549 – juris Rn. 22; Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 48). Dies liegt bei einer Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes darin begründet, dass der Rechtsmittelführer in diesem Fall diejenigen Maßnahmen substantiiert darzulegen hat, mit denen er vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, etwa auch durch die Stellung eines Beweisantrags auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hat (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 20 m.w.N.). Dessen begibt sich ein Rechtsmittelführer, der keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gemäß § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO stellt.
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Entsprechendes gilt für das sinngemäße Vorbringen, es sei ein weiterer Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) darin zu sehen, dass das Verwaltungsgericht nicht darauf hingewiesen habe, dass die Klägerin gehalten sein könnte, im erstinstanzlichen Verfahren Näheres zu den Verkaufsverzögerungen vorzutragen (§ 86 Abs. 3 VwGO). Indem die Klägerin keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gemäß § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gestellt hat, hat sie sich der Möglichkeit begeben, einen solchen Vortrag in der mündlichen Verhandlung nachzuholen. Hinzu kommt, dass ein solches Vorbringen auch im Zulassungsverfahren unterblieben ist und dass die Klägerin bereits im Verwaltungsverfahren ihrer Obliegenheit, Umstände vorzutragen, die gegen die Unzuverlässigkeit sprechen, nicht nachgekommen ist (vgl. oben). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass bei anwaltlich vertretenen Beteiligten – wie der Klägerin – davon ausgegangen werden kann, dass der Bevollmächtigte mit der Sach- und Rechtslage hinreichend vertraut ist (vgl. BVerwG, B.v. 12.12.2017 – 8 B 16.17 – juris Rn. 10 ff.). Es bedarf schon deshalb keiner gerichtlichen Hinweise dahingehend, dass die Zuverlässigkeit im gerichtlichen Verfahren nicht hinreichend belegt wurde.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 54.2.1 und Nr. 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 i.V.m. § 84 Abs. 3 Halbs. 1 VwGO).