Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 06.03.2025 – W 6 E 25.283
Titel:

Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens – einstweiliger Rechtsschutz

Normenketten:
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4
VwGO § 44a, § 88, § 123
FeV § 11 Abs. 8
Leitsätze:
Die Anordnung, ein Gutachten beizubringen und sich untersuchen zu lassen, ist lediglich eine der eigentlichen Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde vorausgehende und sie vorbereitende Maßnahme zur Sachverhaltsaufklärung und mangels Regelungswirkung insbesondere kein Verwaltungsakt, welcher bei Nichtbefolgung der auferlegten Verpflichtung mittels Verwaltungszwang durchgesetzt werden könnte. (redaktioneller Leitsatz)
1. Die Anordnung eines Fahreignungsgutachtens begründet keine vollziehbare Verpflichtung, sich im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Begutachtung untersuchen zu lassen. Sie stellt lediglich eine vorbereitende Maßnahme zur Sachverhaltsaufklärung und mangels Regelungswirkung keinen vollziehbaren Verwaltungsakt dar und kann nicht gesondert angegriffen werden. (Rn. 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die vom Bundesverfassungsgericht herangezogenen Gründe für eine zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verfassungsrechtlich gebotene selbstständige Anfechtbarkeit einer dienstrechtlichen Untersuchungsaufforderung (BVerfG BeckRS 2022,1226 Rn. 18 ff.) lassen sich auf die Anordnung eines Gutachtens zur Klärung von Fahreignungszweifeln nicht übertragen. (Rn. 27 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Nichtvorlage eines geforderten Fahreignungsgutachtens stellt kein rechtswidriges Verhalten dar. Dass die Fahrerlaubnisbehörde dann nach dem normativen Beweiswürdigungsgrundsatz des § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung schließen und die Fahrerlaubnis entziehen darf, stellt – anders als die disziplinarische Ahndung eines die Untersuchung verweigernden Beamten – keine Sanktion dar. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
4. Für vorbeugenden Rechtsschutz gegen eine drohende Entziehung der Fahrerlaubnis bei Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens fehlt ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis, weil durch eine etwaige Entziehung der Fahrerlaubnis keine vollendeten Tatsachen geschaffen oder sonst nicht wiedergutzumachende Schäden eintreten würden. Ein subjektives Angewiesensein auf die Fahrerlaubnis unterscheidet sich nicht gravierend von anderen Betroffenen in vergleichbarer Situation. (Rn. 33 und 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fahrerlaubnisrecht, einstweiliger Rechtsschutz, isolierte Anfechtbarkeit einer Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, verneint, Gutachtensanordnung, vollziehbare Verpflichtung, Verwaltungsakt, vorbereitende Maßnahme, Gefahrenabwehr, selbständige Anfechtbarkeit, effektiver Rechtsschutz, normativer Beweiswürdigungsgrundsatz, Sanktion, vorbeugender Rechtsschutz, qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 02.06.2025 – 11 CE 25.519
Fundstellen:
DAR 2025, 412
BeckRS 2025, 8092
LSK 2025, 8092

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 3.125,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung ihrer Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen.
2
1. Die Antragstellerin ist derzeit Inhaberin einer Fahrerlaubnis der Klassen A 79.03, A 79.04, A1 79.05, AM, B, BE 79.06, L 174, L 175 und T.
3
Am 8. August 2023 verursachte die Antragstellerin auf einem Parkplatz einen Unfall mit Sachschaden. Ausweislich des Berichts der Polizeiinspektion … habe die Antragstellerin bei der Unfallaufnahme stark verwirrt gewirkt und nicht erklären können, wie es zu dem Unfall gekommen sei. Sie sei zudem mehrfach zu einem falschen Fahrzeug gegangen, um ihre Dokumente zu holen. Auf wiederholte Nachfrage habe sie sehr zögerlich angegeben, diverse Medikamente hinsichtlich psychischer Erkrankungen einzunehmen.
4
Daraufhin bat die Führerscheinstelle am Landratsamt ... (in der Folge: Fahrerlaubnisbehörde) unter anderem um Vorlage ärztlicher Atteste. Aus den vorgelegten Unterlagen ergab sich, dass bei der Antragstellerin eine rezidivierende depressive Erkrankung (F 33.2 der ICD-10; gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome) vorliegt.
5
Mit Schreiben vom 22. Februar 2024 ordnete die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens zur Klärung der Fahreignung im Hinblick auf die psychische Erkrankung der Antragstellerin an.
6
Am 15. Mai 2024 legte die Antragstellerin ein ärztliches Gutachten des Dr. med. … … vom 5. Mai 2024 vor. Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin trotz des Vorliegens einer Erkrankung nach Nr. 7.5 der Anlage 4 zur FeV in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 gerecht zu werden. Es liege eine ausreichende Compliance vor und es seien keine Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges der Gruppe 1 gerecht zu werden. Es sei keine fachlich einzelfallbegründete Nachuntersuchung notwendig. Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß seien nicht zu erwarten und es sei auch keine medizinisch-psychologische Untersuchung erforderlich. Auf die weiteren Ausführungen des Gutachtens wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
7
Im Rahmen der Testung der kognitiven Fähigkeiten erreicht die Antragstellerin beim Mini-Mental-Status-Test (MMST) 26 von 30 Punkten und beim Test DemTec einen Wert von zwölf (leichte kognitive Beeinträchtigung).
8
Auf Nachfrage der Fahrerlaubnisbehörde führte der Gutachter mit Schreiben vom 23. August 2024 unter anderem aus, bei der Antragstellerin würden im Hinblick auf die psycho-physische Leistungsfähigkeit keine Gründe gesehen, die einer aktiven Teilnahme der Antragstellerin am Straßenverkehr entgegenstünden, insbesondere nicht in Bezug auf die eingenommene Medikation. Bezüglich der Testergebnisse sei anzumerken, dass die Antragstellerin im Rahmen des DemTec-Tests nur einen Punkt mehr gebraucht hätte, um einen Normalbefund zu erreichen. Sie sei während der Testung sehr aufgeregt gewesen und es hätten sich ein paar Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen. Er sei als Facharzt für Psychiatrie/Psychologie und Neurologie sowie Gutachter davon überzeugt, dass die Antragstellerin, wenn sie des Öfteren eine Begutachtung machen würde, sich schnell an die Situation gewöhnen und nicht mehr Fehler als der Durchschnitt der Bevölkerung machen würde. Die angewandten Testverfahren seien ausreichend, um entscheiden zu können, ob der Verdacht auf verkehrsbedeutsame kognitive Defizite bestehe. Dies sei bei der Antragstellerin nicht der Fall.
9
Mit Schreiben vom 22. November 2024 ordnete die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bis zum 24. Februar 2025 an, welches zu folgenden Fragen Stellung nehmen sollte:
„Liegt bei [der Antragstellerin] eine ausreichende psychophysische Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 vor ? Ist [die Antragstellerin] in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 gerecht zu werden ?
Soweit erforderlich wird darüber hinaus ggf. um Mitteilung gebeten, unter welchen Beschränkungen und/oder Auflage die Kraftfahreignung für die Gruppe 1 gewährleistet ist ? Ist eine Nachbegutachtung im Sinne einer erneuten medizinisch-psychologischen Untersuchung erforderlich ? Wenn ja, in welchem zeitlichen Abstand ?“
10
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens könne nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV angeordnet werden, wenn dies nach Würdigung eines ärztlichen Gutachtens zusätzlich erforderlich sei. Vorliegend bestünden Zweifel an der psycho-physischen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen. Insbesondere könne eine Dauerbehandlung mit Arzneimitteln wie bei der Antragstellerin zu einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen führen (Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV). Darüber hinaus deuteten die Testergebnisse im MMST und DemTec-Test auf kognitive Beeinträchtigungen hin. Die im Rahmen der ärztlichen Begutachtung angewandten Testverfahren könnten eine computergestützte Leistungsuntersuchung nicht ersetzen. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass es am 8. August 2023 zu Auffälligkeiten bei der Teilnahme am Straßenverkehr gekommen sei. Die Antragstellerin habe sich nach dem Unfallbericht „völlig teilnahmslos“ und „stark verwirrt“ gezeigt und Tests seien auffällig gewesen. Im Nachgang zu dem Geschehen sei ärztlicherseits von einer „Überdosierung“ des Lithiums, mutmaßlich durch Veränderungen im Stoffwechsel bzw. der Nierenfunktion ausgegangen worden. Stelle man diese Tatsache der Regelvermutung der Nr. 9.6.1 der Anlage 4 zur FeV (Vergiftung durch Arzneimittel) gegenüber, sei seinerzeit von fehlender Kraftfahreignung auszugehen gewesen. In der Gesamtschau seien die entstandenen Bedenken an der Kraftfahreignung nicht zweifelsfrei durch das ärztliche Gutachten und die nachfolgende Stellungnahme ausgeräumt worden. Der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Antragstellerin werde im Sinne der Straßenverkehrssicherheit als gerechtfertigt angesehen und die finanziellen, zeitlichen und sonstigen Aufwendungen, die die Antragstellerin als Betroffene im Zusammenhang mit der Erstellung des Gutachtens zu tragen habe, stünden im angemessenen Verhältnis dazu, dass die Eignungsfrage geklärt werden könne. Auf die weitere Begründung der Gutachtensanordnung wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog). Die Beibringungsanordnung enthielt den Hinweis, dass die an die begutachtende Stelle zu übersendenden Unterlagen vorab bei der Fahrerlaubnisbehörde eingesehen werden können.
11
Ein Gutachten wurde nicht vorgelegt.
12
Mit Schreiben vom 11. Februar 2025 kündigte die Fahrerlaubnisbehörde an, dass sie nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen werde, wenn das Gutachten nicht bis zum 24. Februar 2025 vorgelegt werde und hörte sie zu der dann beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Es wurde eine Frist zur Stellungahme bis spätestens 25. Februar 2025 gesetzt.
13
Mit Schreiben vom 18. Februar 2025 bat der Antragstellerbevollmächtigte um Fristverlängerung für eine Stellungnahme bis 18. März 2025.
14
2. Am 25. Februar 2025 ließ die Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg beantragen,
Die Antragstellerin ist bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Widerspruchs, und/oder Klageverfahrens nicht verpflichtet, sich auf der Grundlage der Anordnung des Antragsgegners vom 22. Februar 2024 im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Begutachtung untersuchen zu lassen.
15
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei zulässig. § 44a „VwVfG“ (richtig wohl: VwGO) greife ausnahmsweise nicht ein, da bereits ein positives Gutachten vorliege und in einer Abwägung die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis im Vergleich zur Schädigung der medizinischen Behandlung der Antragstellerin deutlich in den Hintergrund trete. Insbesondere wenn die behördliche Verfahrenshandlung eine zusätzliche und schwerwiegende materielle Beschwer für den Betroffenen bedeute, dürfe im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gerichtlicher Rechtsschutz dagegen nicht verwehrt werden. Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf beamtenrechtliche Untersuchungsaufforderungen. Das Bundesverwaltungsgericht habe die Auswirkungen dieser Rechtsprechung auf das Fahrerlaubnisrecht ausdrücklich offen gelassen. Die Gutachtensanordnung sei vor dem Hintergrund der vorgelegten Stellungnahmen auch mit Hinblick auf die Gefahrenabwehr nicht erforderlich. Einem etwaigen Entziehungsbescheid wäre die Rechtswidrigkeit „auf die Stirn geschrieben“ und dieser nichtig. Es liege auch ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für einen vorbeugenden Rechtsschutz vor. Der Antrag sei begründet, da die Regelung nötig erscheine, um wesentliche Nachteile abzuwehren oder drohende Gewalt zu verhindern. Die Voraussetzungen für die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens seien nicht gegeben. Es werde nicht vorgetragen, inwieweit das bereits erstellte Gutachten nicht wissenschaftlichen Standards genüge, aber gleichzeitig behauptet, es besser zu wissen und deshalb die eindeutige Feststellung des selbst vorgeschlagenen Sachverständigen ignoriert. Das ärztliche Gutachten habe eindeutig festgestellt, dass kein medizinisch-psychologisches Gutachten erforderlich sei. Ein medizinisch-psychologisches Gutachten dürfte nicht schon dann gefordert werden, wenn die Behörde mit dem Ergebnis der fachärztlichen Untersuchung nicht einverstanden sei. Es lägen zudem Ermessensfehler vor und die Anordnung sei nicht verhältnismäßig. Die Anforderung sei darüber hinaus formal deshalb rechtswidrig, weil nicht darauf hingewiesen werde, dass die Fahrerlaubnisakte eingesehen werden könne. Der fehlende Hinweis nach § 11 Abs. 6 Satz 2 Hs. 2 FeV führe regelmäßig zur Rechtswidrigkeit der Gutachtensanordnung. Da der Antragsgegner angekündigt habe, bereits am 25. Februar 2025 die Fahrerlaubnis zu entziehen, bestehe eine hohe Eilbedürftigkeit und auch eine Vorwegnahme der Hauptsache sei gerechtfertigt.
16
Mit weiterem Schriftsatz vom 4. März 2025 ließ die Antragstellerin ihr Vorbringen vertiefen. Es liege ein Rechtsschutzbedürfnis vor, da der Antragsgegner an der Gutachtensaufforderung festhalte. Es bestehe keine Identität mit der Hauptsache, da die Beibringung zur Anordnung eines Gutachtens nach herrschender Meinung keinen Verwaltungsakt darstelle. Im Rahmen der Hauptsache handele es sich um eine Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage. Es werde keine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt, sondern nur eine Unterbrechung. Die Voraussetzungen für präventiven Rechtsschutz lägen vor. Es gebe keinen Nachweis, dass von der Antragstellerin eine Gefährdung ausgehe, weshalb fraglich sei, ob eine Entziehung der Fahrerlaubnis einem legitimen Zweck diene.
17
Das Landratsamt ... beantragt für den Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
18
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei nicht zulässig, da es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehle. Es sei bislang kein Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnis erlassen worden. Zudem liege eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache vor. Es sei beabsichtigt, den gestellten Fristverlängerungsantrag abzulehnen und zeitnah einen Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu erlassen.
19
3. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
20
Der Antrag hat keinen Erfolg.
21
Er ist bereits unzulässig, da ihm – unabhängig wie das Antragsbegehren genau zu verstehen ist – unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Im Einzelnen:
22
1. Der Antrag ist unzulässig.
23
Der ausdrücklich anwaltlich formulierte Antrag, dass die Antragstellerin nicht verpflichtet ist, sich auf Grundlage der Anordnung des Antragsgegners vom 22. November 2024 sich im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Begutachtung untersuchen zu lassen, geht bereits deshalb ins Leere, weil sich eine derartige Pflicht im Sinne einer vollziehbaren Verpflichtung aus der Beibringungsanordnung vom 22. November 2024 nicht ergibt. Die Anordnung, ein Gutachten beizubringen und sich untersuchen zu lassen, ist lediglich eine der eigentlichen Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde vorausgehende und sie vorbereitende Maßnahme zur Sachverhaltsaufklärung und mangels Regelungswirkung insbesondere kein Verwaltungsakt, welcher bei Nichtbefolgung der auferlegten Verpflichtung mittels Verwaltungszwang durchgesetzt werden könnte (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – juris Rn. 29; Derpa in Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 48. Aufl. 2025, § 11 FeV Rn. 25). Auch wenn die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens aus Sicht des oder der Betroffenen, auch vor dem Hintergrund von § 11 Abs. 8 FeV, ggf. faktisch als eine Verpflichtung empfunden werden mag, ist sie dies im rechtlichen Sinne nicht. Der gestellte Antrag begegnet zudem im Hinblick auf die Bezugnahme auf ein etwaiges Klage- oder Widerspruchsverfahren Bedenken bezüglich seiner Zulässigkeit. Denn ein solches Klage- oder Widerspruchsverfahren wurde vorliegend mangels bislang erfolgter Entziehung der Fahrerlaubnis nicht eingeleitet. In einem solchen wäre – sollte die Antragstellerin das geforderte Gutachten nicht noch bis zum Erlass eines etwaigen Bescheides vorlegen – die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung vom 22. November 2024 wegen § 11 Abs. 8 FeV und des Umstands, dass der Schluss auf die Nichteignung nur bei formell und materiell rechtmäßiger Anordnung gerechtfertigt ist (vgl. Derpa, a.a.O., Rn. 51 m.w.N. zur Rechtsprechung), zwingend zu überprüfen. Für die im vorliegenden Verfahren begehrte (vorläufige) Feststellung ist daneben kein Raum.
24
Auch wenn man das Vorbringen der Antragstellerin im Wege der Auslegung (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) dahingehend verstehen wollte, dass sie die (vorläufige) Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beibringungsanordnung vom 22. November 2024 oder die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners, die Fahrerlaubnis der Antragstellerin im Falle einer Nichtvorlage des Gutachtens nicht auf Grundlage von § 11 Abs. 8 FeV zu entziehen, begehrt, wäre ein solcher Antrag nicht zulässig.
25
Wie bereits oben ausgeführt, stellt die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens eine der Entscheidung über die Entziehung / Erteilung der Fahrerlaubnis vorausgehende vorbereitende Maßnahme zur Sachverhaltsaufklärung und mangels verbindlicher Regelungswirkung keinen eigenständigen Verwaltungsakt dar, welche nicht gesondert angegriffen werden kann (vgl. zuletzt etwa: BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – juris Rn. 29; U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 29.10.2024 – 11 CS 24.1155 – juris Rn. 30; HessVGH, B.v. 27.2.2023 – 2 B 2156/22 – juris Rn. 17 ff.; offen gelassen: BVerwG, U.v. 7.4.2022 – 3 C 9.21 – juris Rn. 14).
26
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der vom Bevollmächtigten der Antragstellerin herangezogenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur isolierten Anfechtbarkeit einer Untersuchungsaufforderung im Dienstrecht (B.v. 14.1.2022 – 2 BvR 1528/21 – juris Rn. 18 ff.).
27
Die Gründe, welche das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung mit Blick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG für eine erweiternde Auslegung des § 44a VwGO heranzieht und die eine selbstständige Anfechtbarkeit der dienstrechtlichen Untersuchungsaufforderung verfassungsrechtlich gebieten, lassen sich auf die vorliegende Konstellation der Anordnung eines Gutachtens zur Klärung von Fahreignungszweifeln nicht ohne Weiteres übertragen (vgl. so auch: HessVGH, a.a.O., Rn. 21 ff.).
28
So führt das Bundesverfassungsgericht im genannten Beschluss aus, dass im dort zur Entscheidung stehenden Fall der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung zur Überprüfung der Dienstfähigkeit eines Beamten der Verweis auf nachträglichen Rechtsschutz im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens nicht den Anforderungen gerecht werde, die sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von der Untersuchungsanordnung betroffenen Beamten (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ergäben. Eine inzidente Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens würde voraussetzen, dass der Beamte der Anordnung des Dienstherrn, sich ärztlich untersuchen zu lassen, nicht entspreche. Dies sei für den Betroffenen jedoch unzumutbar. Aufgrund ihrer Weisungsgebundenheit seien Beamte verpflichtet, einer dienstlichen Anordnung nachzukommen. Zwar bestehe keine Verpflichtung, einer rechtswidrigen Untersuchungsanordnung Folge zu leisten. Dabei treffe den Beamten jedoch ein erhebliches Prognoserisiko, weil sich die Rechtmäßigkeit einer Untersuchungsanordnung ohne eine gerichtliche Entscheidung nicht immer rechtssicher beurteilen lasse. Darüber hinaus setzten sich Beamte, die der Untersuchungsanordnung nicht nachkommen, der Gefahr disziplinarrechtlicher Sanktionen aus. Wolle sich der Beamte rechtstreu verhalten und komme der Untersuchungsanordnung nach, weil er deren Rechtswidrigkeit nicht zweifelsfrei prognostizieren könne, sei ihm nachträglicher Rechtsschutz im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens nicht mehr möglich. Denn das Gutachten könne auch dann verwertet werden, wenn sich die Aufforderung zur Untersuchung bei der gerichtlichen Prüfung im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens als rechtswidrig erweise.
29
Die Situation bei einer Gutachtenanordnung zur Klärung der Fahreignung ist mit der Untersuchungsanordnung zur Klärung der Dienstfähigkeit eines Beamten nicht vergleichbar. Das Bundesverfassungsgericht stellt maßgeblich auf die Weisungsgebundenheit und die Treuepflicht von Beamten gegenüber ihrem Dienstherrn ab und den Umstand, dass bei rechtswidrigem Verhalten ggf. dienstrechtliche Konsequenzen drohen (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 27 ff.).
30
Kommt dagegen ein Fahrerlaubnisinhaber einer Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens nicht nach, liegt hierin kein rechtswidriges Verhalten. Denn den Betroffenen trifft nur die Obliegenheit, durch die Beibringung des Gutachtens zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen. Der Umstand, dass die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 FeV bei Nichtvorlage des Gutachtens auf die Nichteignung schließen und die Fahrerlaubnis entziehen darf, stellt – anders als die disziplinarische Ahndung eines die Untersuchung verweigernden Beamten – keine Sanktion dar. Die Regelung des § 11 Abs. 8 FeV ist vielmehr ein in normative Form gebrachter Beweiswürdigungsgrundsatz (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – juris Rn. 26; Derpa, a.a.O., Rn. 51). Es ist zudem zu beachten, dass es sich beim Fahrerlaubnisrecht um Gefahrenabwehrrecht handelt und vor diesem Hintergrund auch Aspekte der Straßenverkehrssicherheit gegen eine ggf. verzögernde isolierte Anfechtbarkeit einer Gutachtensanordnung streiten.
31
Das Gericht verkennt insoweit nicht die gravierenden Rechtsfolgen bei Nichtvorlage des geforderten Gutachtens und den bereits mit der Gutachtensanordnung verbundenen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dem wird jedoch dadurch Rechnung getragen, dass – wie dargestellt – ein Schluss auf die Nichteignung nach § 11 Abs. 8 FeV nur bei formell und materiell rechtmäßiger Gutachtensanordnung gerechtfertigt ist und hieran gerade im Hinblick auf die fehlende Anfechtbarkeit strenge Anforderungen gestellt werden.
32
Eine vorläufige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Gutachtensanordnung scheitert nach Vorstehendem mithin an der Regelung des § 44a VwGO.
33
Soweit man das Antragsbegehren dahingehend auslegen wollte, dass die Antragstellerin vorbeugenden Rechtsschutz dahingehend begehrt, dass der Antragsgegner bei Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens die Fahrerlaubnis nicht auf Grundlage von § 11 Abs. 8 FeV entzieht, fehlt dem Antrag ebenfalls das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes erfordert wegen seines Ausnahmecharakters ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis. Ein solches ist dann ausnahmsweise gegeben, wenn der reguläre nachrangige Rechtsschutz (hier: Widerspruch oder Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis) nicht ausreicht etwa, weil bei Inanspruchnahme dieses Rechtsschutzes notwendig bereits vollende Tatsachen geschaffen oder sonst nicht wiedergutzumachende Schäden eintreten würden (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 42 Rn. 67 m.w.N.), wobei in der Regel zumutbar ist, einen bevorstehenden Verwaltungsakt abzuwarten (Wysk in Wysk, VwGO, 4. Aufl. 2025, § 42 Rn. 78).
34
Gemessen hieran hat die Antragstellerin kein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis glaubhaft gemacht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass durch eine etwaige Entziehung der Fahrerlaubnis vollendete Tatsachen geschaffen würden oder sonst nicht wiedergutzumachende Schäden eintreten würden. Vielmehr steht der Antragstellerin Rechtsschutz gegen eine etwaige Entziehung der Fahrerlaubnis zu. Soweit sie ihre persönliche Situation und subjektive Angewiesenheit auf ihre Fahrerlaubnis aufgrund mangelhafter Anbindung ihres Wohnorts an den öffentlichen Nahverkehr anführt, unterscheidet sich dies nicht gravierend von anderen Betroffenen in vergleichbarer Situation und ist nicht geeignet, ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis im obigen Sinne zu begründen. Dass der Antragstellerin im Falle einer Entziehung der Fahrerlaubnis nicht wiedergutzumachende Schäden drohen, wurde nicht glaubhaft gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich.
35
Nach alledem ist der Antrag unzulässig.
36
Auf die Frage, ob die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 22. November 2024 rechtmäßig war, kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an.
37
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
38
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Maßgeblich sind vorliegend die Fahrerlaubnisklassen B, BE und T, welche die übrigen Klassen mitumfassen. Die Fahrerlaubnisklassen A und A mit Zusatzzeichen wirken sich nicht streitwerterhöhend aus. Für die Klassen B und BE (Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs) ist jeweils der Auffangwert in Höhe von 5.000,00 EUR anzusetzen und für die Klasse T nach Nr. 46.9 der halbe Auffangwert in Höhe von 2.500,00 EUR. Diese Werte waren nach Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs auf insgesamt 12.500,00 EUR zu addieren. Da es der Antragstellerin vorliegend um die Rechtmäßigkeit einer der Fahrerlaubnisentziehung vorgelagerten Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung handelt, ist es sachgerecht, die Hälfte dieses Wertes (6.250,00 EUR) als Streitwert anzusetzen. Dieser Wert war im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs wiederum zu halbieren und der Streitwert mithin auf 3.125,00 EUR festzusetzen.