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OLG München, Endurteil v. 04.04.2025 – 36 U 1457/24 e
Titel:

Sittenwidrigkeit, Aufhebung des Kaufvertrags, Kfz-Kaufvertrag, Wirksamer Kaufvertrag, Nichterfüllung eines Kaufvertrages, Kaufvertragsabschluß, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Automatenaufstellungsverträge, Verleiten zum Vertragsbruch, Verpflichtungserklärung, Vorsteuerabzugsberechtigung, Vertragsstrafenklausel, Vereinbarung einer Vertragsstrafe, Vertragsstrafeversprechen, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Vertragsurkunde, Rechtsgeschäft, Vertretungsmacht, Kostenentscheidung

Schlagworte:
Kaufvertrag, Sittenwidrigkeit, Verleitung zum Vertragsbruch, Verpflichtungserklärung, Schadenersatzanspruch, Vorsteuerabzugsberechtigung
Vorinstanz:
LG München II, Endurteil vom 19.04.2024 – 11 O 2199/23
Weiterführende Hinweise:
Revision ist eingelegt.
Fundstelle:
BeckRS 2025, 8008

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 19.04.2024, Az. 11 O 2199/23 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung im Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 100.530,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen der Nichterfüllung einer kaufvertraglichen Verpflichtung geltend.
2
1. Die Klägerin ist ein in München ansässiges Unternehmen, das im wesentlichen Handel mit Luxusgütern, insbesondere mit hochpreisigen Kraftfahrzeugen betreibt. Die Klägerin kauft zu diesem Zweck Fahrzeuge entweder bei den Herstellern, bei anderen Unternehmen oder bei Privatverkäufern ein und verkauft diese an Kunden im In- und Ausland weiter.
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Die Klägerin verfügt über exklusive Kontakte zu den Vertriebsmitarbeitern der einzelnen Hersteller und Händler.
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Unter der Fa. Gebäudereinigung XX bestellte die Beklagte bei der YY AG Niederlassung Augsburg am 12.05.2021 einen Mercedes AMG G63 zum Kaufpreis von insgesamt 194.922,00 Euro (Anlage K 1). In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der YY AG (Anlage K1), die dem Kaufvertrag zugrunde lagen, findet sich unter Ziff. I folgender Passus:
„I. Vertragsabschluss/Übertragung von Rechten und Pflichten des Käufers; Weiterverkauf des Kaufgegenstandes vor Erhalt
2. Übertragungen von Rechten und Pflichten des Käufers aus dem Kaufvertrag sowie vor Erhalt Weiterverkauf des Kaufgegenstandes bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Verkäufers. Bei Verstoß oder versuchtem Verstoß des Käufers gegen diese Regelung kann der Verkäufer durch schriftliche Erklärung ohne Fristsetzung vom Vertrag zurücktreten.
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Zusammen mit dem Kaufvertrag wurde zwischen der YY AG und der Beklagten eine Ergänzungsvereinbarung getroffen, wonach auf den Kaufpreis des bestellten Fahrzeugs ein Barnachlass in Höhe von 13.602,89 € inklusive Umsatzsteuer gewährt wird.
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Hierzu unterzeichnete die Beklagte gleichzeitig eine „Verpflichtungserklärung G-Klasse“ mit folgendem Wortlaut (Anlage B4):
„Die YY AG gewährt dem Kunden einen Nachlass auf den Listenpreis (ohne Umsatzsteuer) des Fahrzeugs für Grund- und rabattfähige Sonderausstattungen.
1. Der Nachlass wird unter der Bedingung eingeräumt, dass das Fahrzeug ab dem Tag der Übernahme für die Dauer von mindestens 6 Monaten (.“Haltedauer“) auf den Kunden als Halter zugelassen und in dieser Zeit nicht weiterverkauft wird. Während der gesamten Haltedauer darf das Fahrzeug nicht an Dritte vermietet oder verleast werden und muss im Gebiet der Europäischen Union sowie der EFTA' genutzt werden.
2. Es obliegt dem Kunden, die Einhaltung dieser Bedingungen auf Verlangen der YY AG innerhalb angemessener Frist nachzuweisen. Die YY AG kann als Nachweis insbesondere verlangen, dass der Kunde – die Zulassungsbescheinigung Teil I und II (Fahrzeugschein und Fahrzeugbrief) im Original zur Einsicht vorlegt und
- das Fahrzeug, sofern es sich noch innerhalb der Haltedauer befindet, nach Abstimmung mit der YY AG bei einem autorisierten YY Vertriebs- oder Servicepartner vorführt, soweit die vertragsgemäße Nutzung des Fahrzeugs hierdurch nicht in unzumutbare Weise eingeschränkt wird.
3. Erfüllt der Kunde die vorgenannten Bedingungen und Obliegenheiten nicht oder nicht vollständig, ist der Kunde verpflichtet, die Differenz zwischen dem entrichteten Kaufpreis und dem am Tag der Lieferung gültigen Listenpreis für Fahrzeug und Sonderausstattungen zuzüglich der gültigen gesetzlichen Umsatzsteuer nachzuzahlen. Der Anspruch auf Nachzahlung richtet sich auch dann an den Kunden, wenn ihm das Fahrzeug im Wege des Leasings überlassen wurde. In diesem Zusammenhang haften Kunde und Leasinggesellschaft gegenüber der YY AG gesamtschuldnerisch.
4. Die Verpflichtung zur Nachzahlung der gewährten Konditionen entfällt, wenn das Fahrzeug einen erheblichen Schaden erlitten hat. Ein erheblicher Schaden liegt vor, wenn die Kosten seiner Beseitigung mindestens30% des am Tag der Lieferung gültigen deutschen Listenpreises der YY AG einschließlich der Sonderausstattungen ohne gesetzliche Umsatzsteuer übersteigen. Die Verpflichtung zur Nachzahlung entfällt auch dann, wenn dem Kunden das Fahrzeug nachweislich abhandengekommen ist.
Die Regelung der Ziffer 2 Satz 1 gilt entsprechend.“
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Der unverbindliche Liefertermin sollte im ersten Quartal 2023 liegen.
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Die Klägerin legt mit Anlage K2 einen gleichfalls auf den 12.05.2021 datierenden Kaufvertrag zwischen ihr und der Beklagten über einen Mercedes AMG G63 vor. Als Verkäuferin wird darin „XX“ bezeichnet, in der Unterschriftszeile auf Verkäuferseite ist die Bezeichnung „XX GmbH“ aufgeführt. Die Vereinbarungen darin lauten wie folgt:
„Der Kaufvertrag bezieht sich auf die Bestellung vom 12.05.2021 durch YY AG; NDL Augsburg.
Eine Bestellbestätigung sowie Auftragsnummer liegt nicht vor, wird jedoch nach Erhalt dem Käufer unverzüglich mitgeteilt. YY gewährt Frau XX einen Nachlass auf die Bestellung in Höhe von 10% auf den Kaufpreis. Die Ausstattung sowie Leistungsvereinbarung bezieht sich auf die Bestellung vom 12.05.2021 und ist aus dieser zu entnehmen. Der Bereitstellungsort des Fahrzeuges ist im YY-Center Sindelfingen.
Der Verkäufer bevollmächtigt und versichert dem Käufer das Fahrzeug mittels Vollmacht/Torpass dort selbst oder mittels Spedition abzuholen. Der Käufer verpflichtet sich dem Verkäufer gegenüber, einen Mehrerlös von 2.000 EUR netto (zuzüglich Umsatzsteuer) für das Fahrzeug zu bezahlen, auf den ursprünglichen (brutto) Bestellwert. Der Käufer verpflichtet sich bei Zahlungsaufforderung der YY AG den Kaufpreis brutto, binnen drei Werktagen, in Vorleistung an YY (Geschäftskonto), nach Rechnungsstellung durch diesen samt Mehrerlös, zu bezahlen. Ausschlaggebend ist der Betrag der Zahlungsaufforderung / Übernahmeinfo der YY AG.
Die Übernahmeinformation/Abrechnung ist nach Erhalt unaufgefordert vorzuzeigen beim Käufer.
Voraussetzung für den Vertrag ist, dass Frau XX eine Vorsteuerabzugsberechtigung hat.
Der Verkäufer verpflichtet sich das soeben genannte und bestellte Fahrzeug dem Käufer verbindlich zu verkaufen und der Käufer verpflichtet sich das genannte Fahrzeug vom Verkäufer mit einem Mehrerlös i.H.v. 2.000 EUR netto zu kaufen.“
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Auf Seiten der Klägerin handelte der Mitarbeiter ZZ, der zumindest bis zum 30.09.2021 bei ihr angestellt war.
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Mit Schreiben vom 12.05.2021 sicherte die Klägerin der Beklagten zu, jegliche Strafen oder sonstige zu ihren Ungunsten anfallenden Kosten aus der Fahrzeugbestellung bei der YY AG zu übernehmen. Für den Fall, dass die vorgenannte Bestellung eine Vertragsstrafe nach sich ziehen sollte, könne die Beklagte diese direkt an die Klägerin weiterleiten und gegebenenfalls auf sie abwälzen.
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Mit dem als Anlage B1 vorgelegten Schreiben vom 11.02.2022 wandte sich die Klagepartei an die Beklagte. Als Betreff wurde in dem Schreiben „Fahrzeugbestellung und Kaufvertrag vom 12.05.2021 zwischen WW und CC-GmbH Mercedes-Benz AMG G63“ angegeben. Der Wortlaut des Schreibens lautet wie folgt:
„Sehr geehrte Frau XX,
vorerst möchte ich Ihnen für lhr Vertrauen und die damit verbundene Bestellung, wie im Betreff genannt, für unser Unternehmen danken.
Leider kamen wir persönlich noch nicht in Kontakt, sondern über unseren ehemaligen Mitarbeiter Herrn ZZ, der zu der Zeit für unser Unternehmen tätig war.
Gerne würde ich mit Ihnen in Kontakt treten wollen, um das weitere Vorgehen sowie eine Bestelländerung vorzunehmen für das im Betreff genannte Fahrzeug.
Ich würde mich über einen zeitnahen Anruf, Mail oder sonstigen Weg sehr freuen für die Abstimmung.
Sie erreichen mich jederzeit unter [tel.] (auch whatsapp möglich) oder per Mail an info@CC.com.“
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Mit Schreiben vom 08.12.2022 und vom 10.05.2023 wurde die Beklagte von den anwaltlichen Vertretern der Klägerin aufgefordert, sich bei der Klagepartei zu melden und die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen.
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Die Beklagte ist den Aufforderungen in der Folgezeit nicht nachgekommen und hat den in der Klage näher bezeichneten Pkw der Klagepartei weder angeboten noch an diese übergeben.
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Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin zunächst von der Beklagten in Erfüllung des Kaufvertrages die Übergabe und Übereignung des PKWs des Herstellers Mercedes-Benz, Modell Mercedes AMG G63, Lackierung G manufaktur graphit metallic, Polsterung Leder Nappa schwarz, mit einer Laufleistung von bis zu 20 km, Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 177.869,30 €. Hilfsweise begehrte die Klägerin die Zahlung eines Schadenersatzes in Höhe von 100.530 € nebst Zinsen sowie die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.782 €. Zuletzt erklärte die Klägerin die Hauptanträge auf Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs übereinstimmend für erledigt und machte nur noch den Schadenersatzanspruch (ehemals Hilfsantrag), gerichtet auf den Nichterfüllungsschaden und auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend.
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Die Klägerin trägt vor, es sei ein wirksamer Kaufvertrag mit der Beklagten über das streitgegenständliche Fahrzeug zustande gekommen. Die Abweichungen bei den Namensbezeichnungen seien darauf zurückzuführen, dass die Beklagte ausweislich der Gewerberegisterauskunft der Gemeinde AA (Anlage K 17) ursprünglich unter ihrem Geburtsnamen X, nunmehr unter ihrem Ehenamen X, fortlaufend seit 2015 ein Gewerbe betreibe, das ursprünglich u.a. auch die Gebäudereinigung zum Gegenstand gehabt habe.
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Dieser Vertragsabschluss sei unter Einschaltung des vertretungsberechtigten Zeugen und ehemaligen Mitarbeiters der Klägerin, Herrn ZZ, erfolgt. Daran ändere auch nichts der Umstand, dass der Zeuge ZZ nach seinem Ausscheiden bei der Klägerin vermutlich Kunden der Klägerin – so auch die Beklagte – zum Vertragsbruch bzw. zur Umleitung der Fahrzeugbestellung auf ihn selbst oder auf von ihm gegründete Gesellschaften veranlasst habe. Der Zeuge ZZ sei jedenfalls in der Zeit vom 01.05.2021 bis zum 30.09.2021 als Ein- und Verkäufer bei der Klägerin angestellt und als solcher für diese tätig gewesen. Das Angebot auf Abschluss des Kaufvertrages habe der Zeuge ZZ ausdrücklich im Namen der Klägerin und nicht in fremdem – gar eigenem – Namen an die Beklagte als Einzelunternehmerin übermittelt. Irrelevant sei dabei, ob die Vertragsurkunde zuerst von der Beklagten oder vom Zeugen ZZ im Namen der Klägerin unterzeichnet worden sei.
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Unwirksamkeitsgründe seien nicht gegeben. Die Beklagte sei vorsteuerabzugsberechtigt, jedenfalls könnte sie es aufgrund ihrer Tätigkeit als Einzelgewerbetreibende jederzeit sein. Es handele sich nicht um ein Scheingeschäft, sondern allenfalls um ein Strohmanngeschäft, welches jedoch von der Rechtsordnung gebilligt werde und nicht zu einer Unwirksamkeit führe. Eine Sittenwidrigkeit sei zu verneinen, da ein etwaiger Verstoß gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der YY AG oder gegen die Verpflichtungserklärung gegenüber der YY AG allenfalls zur Rückzahlung des gewährten Rabatts führen könne. Eine Wirksamkeit des abgeschlossenen Vertrages lasse dies unberührt, so dass kein Verkaufsverbot bestehe. Für etwaige Zahlungsverpflichtungen der Beklagten gegenüber der YY AG habe hingegen die Klägerin die Kostenübernahme vertraglich zugesichert. Im Übrigen seien diese Regelungen auch nicht in die Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten einbezogen worden.
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Das Schreiben vom 11.02.2022 könne nicht als Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag aufgefasst werden. Vielmehr werde darin deutlich zum Ausdruck gebracht, dass an dem Kaufvertrag festgehalten werde und insoweit nur das weitere Vorgehen in der Zukunft abgestimmt werden solle.
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Es sei mittlerweile davon auszugehen, dass eine Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zumindest mit einem Kilometerstand von max. 20 km nicht mehr möglich sei, so dass sich das Klagebegehren nunmehr auf den Schadenersatz wegen Nichterfüllung richte. Ausweislich der Proforma-Rechnung vom 27.09.2022 (Anlage K 7) habe die Klägerin das streitgegenständliche Fahrzeug zu einem Preis von 250.000 € netto an die in Kirgisien ansässige Fa. TT LLC weiterverkauft. Der den Netto-Kaufpreis gegenüber der YY AG übersteigende Betrag sei der Klägerin als entgangener Gewinn zu ersetzen.
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Die Beklagte bestreitet bereits das Zustandekommen eines Kaufvertrages zwischen den Parteien. Einerseits existiere die im Kaufvertrag als Verkäuferin zeichnende „XX GmbH“ gar nicht. Der Name der Beklagten laute auf XX. Sowohl in den Bestellunterlagen mit der YY AG als auch in dem Kaufvertrag mit der Klägerin seien abweichende Namensbezeichnungen enthalten. Die Beklagte bringt zudem vor, bei der als Anlage K2 vorgelegte Vertragsurkunde handele es sich um eine Fälschung. Dieses Vertragsexemplar sei nicht von ihr unterzeichnet worden. Vielmehr habe sie nur eine Vertragsurkunde unterschrieben, auf welcher der nicht zeichnungsberechtigte ZZ zuvor unterschrieben habe. Mangels Vertretungsmacht habe dieser keinen wirksamen Vertrag für die Klägerin abschließen können.
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Im Übrigen sei ausweislich der schriftlichen Vertragsvereinbarungen die Vorsteuerabzugsberechtigung der Beklagten notwendige Bedingung für die Wirksamkeit des Kaufvertrags gewesen. Die Beklagte habe aber das erworbene Fahrzeug nicht ins Betriebsvermögen übernommen, sondern als Privatperson und Verbraucherin erworben und in Gebrauch genommen. Die Kaufvertragsbedingung der Vorsteuerabzugsberechtigung sei nicht eingetreten und der Kaufvertrag demnach unwirksam.
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Schließlich sei auch das an die Beklagte gerichtete Schreiben der Klägerin vom 11.02.2022 zum Zwecke der Bestelländerung als ein Rücktritt der Klägerin vom ursprünglichen Kaufvertrag bzw. als Stornierung zu werten. Die Beklagte habe die Stornierung angenommen.
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Die Klägerin habe durch Einrichtung eines auf die Beklagte lautenden E-Mail Postfaches unberechtigt Änderungen in der Ausstattung und der Fahrzeugbestellung vom 12.05.2021 vorgenommen. Der Beklagte erklärt deshalb die Anfechtung eines vermeintlich zustande gekommenen Kaufvertrages mit der Klägerin wegen Täuschung und sittenwidrigen Verhaltens sowie wegen des eingetretenen Vertrauensverlustes auch die Kündigung aus wichtigem Grund.
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Die Beklagte habe nach Klageeingang von Dritten erfahren, dass sie von der Klägerin wie zahlreiche andere Opfer zwecks Täuschung der YY AG zum Schein als Käufer vorgeschoben und missbraucht werden sollte. Die YY AG stelle das streitgegenständliche Fahrzeug in limitierter Auflage her. Es sei mit langen Lieferfristen versehen und auf dem Markt hoch begehrt, auf welchem sich Verkaufspreise von bis zu 50% über Listenpreis (Zweitmarkt) erzielen ließen. Die YY AG wolle diesen Zweitmarkt zum Schutz ihrer Vertragshändler unterbinden und deshalb müssten alle Kunden, welchen das streitgegenständliche Fahrzeugmodel AMG G63 zum Kauf angeboten werde, eine sog. „Verpflichtungserklärung G-Klasse“ mit der YY AG abschließen, worin sich der Kunde zu einer Nachzahlung gewährter Nachlässe verpflichte:
„das Fahrzeug ab dem Tag der Übernahme für die Dauer von mindestens 6 Monaten („Haltedauer“) auf den Kunden als Halter zuzulassen und in dieser Zeit nicht weiter zu verkaufen. Während der gesamten Haltedauer dürfe das Fahrzeug nicht an Dritte vermietet oder verleast werden und müsse im Gebiet der Europäischen Union sowie der EFTA genutzt werden“.
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Auch die Beklagte habe eine solche Verpflichtungserklärung anlässlich ihrer Fahrzeugbestellung unterzeichnet und sich gegenüber der YY AGzur Zulassung auf sich persönlich, eine Mindesthaltedauer und zum Schadenersatz verpflichten müssen.
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Die Beklagte bestreitet einen wirksamen Weiterverkauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs an die TT LLC. Aus der vorgelegten Proforma-Rechnung ergebe sich keine Konkretisierung auf das streitgegenständliche Fahrzeug. Der Export und die Ausfuhr des Mercedes-Benz Geländewagens an die TT LLC wäre der Klägerin zudem wegen des anhaltenden Ukraine-Krieges und der Ausfuhrbeschränkungen von Fahrzeugen mit möglicher militärischer Nutzung verboten.
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Russland unterhalte in Kant in der Kirgisischen Republik den 999. Luftwaffenstützpunkt der 5.  Luftarmee. Deshalb greife das Exportverbot.
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Der Kaufvertrag mit der Klägerin sei wegen Sittenwidrigkeit unwirksam. Vorsorglich ficht die Beklagte den Kaufvertrag an und erklärt den Rücktritt.
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2. Das Landgericht München II hob mit Endurteil vom 19.04.2024 das Versäumnisurteil vom 29.09.2023 auf und wies die Klage ab. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Klägerin auferlegt.
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Zur Begründung der Klageabweisung führt das Landgericht an, dass der Anspruch mangels eines noch bestehenden Kaufvertrages nicht gegeben sei. Es könne offenbleiben, ob überhaupt ein Kaufvertrag wirksam geschlossen worden sei, denn in dem Schreiben vom 11.02.2023 sei eine Stornierung des streitgegenständlichen Vertrages zu sehen. Bereits aus der Angabe des falschen Verkäufernamens (WW) im Betreff des Schreibens folge die Auslegungsbedürftigkeit des Schreibens. Da die Klagepartei in dem Schreiben von einer Bestelländerung spreche und auch ein anderer Verkäufername genannt sei, habe die Beklagte davon ausgehen können, dass die Klägerin nicht mehr an dem Kaufvertrag festhalten wolle.
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Der Schadensersatzanspruch der Klagepartei scheitere auch daran, dass nach der Überzeugung des Gerichtes ein Schaden der Klagepartei nicht nachgewiesen sei. Die Proforma-Rechnung vom 27.09.2022 sei für den Nachweis nicht ausreichend.
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3. Gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 19.04.2024 wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung vom 22.04.2024 und ihrer Berufungsbegründung vom 24.06.2024. Sie verfolgt ihr erstinstanzliches Klageziel weiter.
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Sie bekräftigt ihre Auffassung, dass ein wirksamer Kaufvertrag zwischen den Parteien fortbestehe.
34
Bei der Auslegung des Schreibens vom 11.02.2022 habe das Landgericht die notwendige Sachverhaltsaufklärung unterlassen und dabei Beweisanträge übergangen sowie den Kerngehalt des entscheidungserheblichen Parteivorbringens verkannt. Insbesondere sei der Vortrag der Klägerin dazu, dass mit dem im Betreff genannten Herrn WW gleichfalls ein Kaufvertrag zustande gekommen sei und dass auch Herr WW mit gleichlautendem Text angeschrieben worden sei, unerwähnt geblieben. Versehentlich sei im Schreiben an die Beklagte der Name WW nicht gelöscht worden. Sofern das Gericht also annehme, die Beklagte habe von einer „Stornierung“ seitens der Klägerin ausgehen können, „weil die Klagepartei von einer Bestelländerung spricht“, werde ignoriert, dass es eine Bestelländerung nicht gegeben habe. Diese hätte nicht von der Klägerin veranlasst werden können, sondern nur von der Beklagten im Verhältnis zur YY AG. Auf den Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten habe eine Bestelländerung zudem keinerlei Einfluss. Auch das Auslegungsergebnis sei fehlerhaft, da sich aus dem Wortlaut des Schreibens vom 11.02.2022 nicht einmal ansatzweise ein entsprechender Wille zur Aufhebung der aus dem Kfz-Kaufvertrag folgenden wechselseitigen Leistungspflichten entnehmen lasse.
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Eine Unwirksamkeit des Vertrages nach §§ 826, 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit unter dem Gesichtspunkt der Verleitung zum Vertragsbruch scheide aus. Zum einen sei mangels Sachvortrags der Beklagten hierzu der Einwand in der Berufungsinstanz als verspätet anzusehen. Zum anderen liege ein Verleiten zum Vertragsbruch jedenfalls nicht vor. Weder stelle der Verstoß gegen die Nebenabrede des Hauptvertrages mit der YY AG, das Fahrzeug mindestens sechs Monate zu halten, einen Vertragsbruch dar, noch habe die Klägerin die Beklagte dazu verleitet. Eine Hauptpflicht des Kaufvertrages zwischen der Beklagten und der YY AG werde nicht verletzt. Diese seien vielmehr mit der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises durch die Käuferin sowie Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges erfüllt worden. Die „Verpflichtungserklärung G-Klasse“ – deren Wirksamkeit einmal unterstellt – stelle eine zusätzliche Nebenabrede zum Hauptvertrag dar, in welcher sich synallagmatisch nur die auf die Verpflichtung zur Rückgewähr der Rabatte und die Mindesthaltepflicht gegenüber stehen. Schließlich handele es sich hierbei um ein unzulässiges Vertragsstrafeversprechen. Aus einem Verstoß gegen eine unwirksame Vertragsbestimmung könne kein sittenwidriges Verleiten zum Vertragsbruch begründet werden.
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Die Klägerin rügt einen Gehörsverstoß, soweit das Landgericht den Nachweis eines Schadens für nicht erbracht angesehen habe. Die Klägerin legt weitere Unterlagen über die TT LLC und ihre Geschäftsbeziehungen zu der Klägerin vor und bietet Beweis an durch Einvernahme des in Deutschland ansässigen Handelsvertreters der TT LLC.
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Im Übrigen verweist die Klägerin auf zusprechende Urteile und Hinweise in Parallelfällen vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht München.
38
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
1.
Das am 19.04.2024 verkündete Urteil des Landgerichts München, Az.: 11 O 2199/23, wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 100.530,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
2.
Das am 19.04.2024 verkündete Urteil des Landgerichts München, Az.: 11 O 2199/23, wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.282,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
3.
Vorsorglich für den Fall des Unterliegens wird beantragt, die Revision zuzulassen.
39
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
40
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist darauf, dass die Sachverhalte in den Parallelverfahren nicht mit dem hiesigen Fall vergleichbar seien. Vorliegend sei die Fahrzeugbestellung der Beklagten allein auf Veranlassung der Klägerin mit Vorkonfiguration des von ihr gewünschten Fahrzeugs bei gleichzeitigem Weiterverkauf an die Klägerin und damit ausschließlich mit dem Zweck des Vertragsbruchs und der Umgehung der Verkaufsrichtlinien von YY erfolgt. Die Klägerin habe zudem kollusiv mit der Beklagten zum Nachteil des Vertragsgläubigers gehandelt. Dies führe zur Unwirksamkeit des Vertrages mit der Beklagten.
41
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
II.
42
Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg. Das Landgericht hat zwar mit unzutreffender Begründung, aber in der Sache zu Recht die Klage abgewiesen.
43
Der Klägerin steht ein Schadenersatzanspruch mangels wirksamen Kaufvertrages nicht zu.
44
1. Zwischen den Parteien ist ein Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug zustande gekommen. Es kommt für die Entscheidung nicht darauf an, ob die von der Klägerin unter Anlage K2 vorgelegte Vertragsurkunde tatsächlich die Originalunterschrift der Beklagten trägt oder ob diese einkopiert wurde. Die Beklagte trägt selbst unter Vorlage einer entsprechenden Vertragskopie vor, sie habe eine von dem Zeugen ZZ bereits zuvor unterschriebene, inhaltsgleiche Vertragsurkunde unterzeichnet. Dass die Beklagte den Vertrag namens einer anderen natürlichen oder juristischen Person unterzeichnet habe, behauptet sie hingegen nicht. Die abweichenden Namensbezeichnungen auf Seiten der Verkäuferin (XY und XX GmbH) in der Vertragsurkunde sind für die Frage des Zustandekommens des Vertragsabschlusses unerheblich, da trotz der Falschbezeichnung für die handelnden Personen erkennbar war, wer tatsächlich Vertragspartner werden sollte. Angesichts der von der Beklagten selbst vorgetragenen Tatsache, dass eine XX GmbH oder eine Person mit dem Namen XY alternativ nicht existierte, kommt nur die Beklagte als im eigenen Namen handelnde Person als Vertragspartnerin in Betracht.
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Der Einwand der Beklagten, der Vertrag sei mangels Vertretungsmacht des Zeugen ZZ nicht mit der Klägerin zustande gekommen, greift ebenfalls nicht durch. Der Zeuge ZZ war unstreitig zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bei der Klägerin angestellt und er ist für die Klägerin aufgetreten. Zweifel daran, dass der Zeuge ZZ mit hinreichender Vertretungsmacht für die Klägerin aufgetreten ist, ergeben sich aus den vorgetragenen Tatsachen nicht. Selbst unterstellt, der Zeuge hätte mit dem Vertragsabschluss im Innenverhältnis seine Befugnisse überschritten, wovon die Klägerin nicht ausgehet, wäre Vertretungsmacht nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht anzunehmen oder aber es wäre von einer Genehmigung des Vertragsschlusses durch die Klägerin auszugehen. Eine Einigung der Parteien über das Zustandekommen des Kaufvertrages liegt auch bei Würdigung des Vortrages der Beklagten zu den Umständen der Fahrzeugbestellung bei YY auf Veranlassung der Klägerin bei gleichzeitigem Weiterverkauf an die Klägerin nahe.
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Die im Kaufvertrag zur Bedingung gemachte Vorsteuerabzugsberechtigung der Beklagten lag zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses vor. Die Vorsteuerabzugsberechtigung setzt nicht voraus, dass tatsächlich die Vorsteuer geltend gemacht wird.
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2. Der Kaufvertrag ist nicht durch Rücktritt oder Aufhebung erloschen.
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Das Schreiben der Klägerin vom 11.02.2022 lässt keinen Schluss auf einen Rücktritt oder auf ein Angebot zur Aufhebung des Kaufvertrages zu. Die unzutreffende Namensangabe im Betreff hätte allenfalls Zweifel daran wecken können, ob das Schreiben tatsächlich für die Beklagte bestimmt war. Eine Auslegung, wie sie das Landgericht vorgenommen hat, dahingehend, dass das Vertragsverhältnis mit der Beklagten beendet und die Bestellung der Beklagten über eine andere Person abgewickelt werden sollte, lässt sich weder dem Wortlaut noch den Umständen entnehmen. Aus dem Schreiben, in welchem sich die Klägerin für die Bestellung bedankt und den Wunsch zur zeitnahen Kontaktaufnahme für Absprachen über das weitere Vorgehen äußert, kommt hinreichend klar zum Ausdruck, dass die Klägerin an der bestehenden Vertragsbeziehung festhalten möchte. Die Erwähnung einer möglichen zukünftigen Änderung der Bestellung, die sich ersichtlich nur auf die Ausstattung bezieht, steht dieser Auslegung nicht entgegen.
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3. Jedoch ist der Kaufvertrag wegen vorsätzlichen Verleitens zum Vertragsbruch gemäß § 138 BGB nichtig, so dass die Klägerin hieraus keine Rechte herleiten kann.
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a) Der von der Klagepartei erhobene Verspätungseinwand hinsichtlich der Einwendungen der Beklagten zur Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages zwischen den Parteien wegen Verleitens zum Vertragsbruch greift nicht durch. Bereits erstinstanzlich hat sich die Beklagte auf die Unwirksamkeit des Kaufvertrages zwischen den Parteien wegen Sittenwidrigkeit berufen, wenngleich mit teilweise abweichenden rechtlichen Erwägungen. Die tatsächlichen Umstände, welche die Sittenwidrigkeit wegen Verleitens zum Vertragsbruch rechtfertigend, sind bereits im Sachvorbringen der Beklagten erster Instanz angelegt. So hat die Beklagte die für beide Parteien offensichtlichen Verstöße sowohl gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der YY AG als auch gegen die Verpflichtungserklärung G-Klasse erstinstanzlich dargelegt. Der Umstand, dass erstinstanzlich durch die Beklagte nur die Verpflichtungserklärung eines anderen Käufers vorgelegt und erst in der Berufungsinstanz die von der Beklagten unterzeichnete Verpflichtungserklärung als Anlage B4 nachgereicht wurde, begründet ebenfalls nicht den Verspätungseinwand, da die Existenz einer solchen Verpflichtungserklärung von der Klagepartei nicht substantiiert in Abrede gestellt wurde. Allein der Hinweis darauf, dass sich aus der als Anlage B2 vorgelegten Verpflichtungserklärung, die aus einem anderen Rechtsstreit herrühre, keine Halteverpflichtung der Beklagten ergebe, reicht hierfür nicht aus.
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b) Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB, wenn es nach seinem Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (BGH NJW-RR 2018, 906 Rn. 24). Die Bedeutung der guten Sitten erschöpft sich nicht in der Beziehung zwischen Vertragspartnern. Werden schon erworbene Rechte Dritter durch ein Rechtsgeschäft gefährdet oder zielt dieses auf Beeinträchtigung künftiger Rechtspositionen von Dritten, so kann sich hieraus ein Sittenverstoß ergeben. Das Eindringen eines Dritten in die Beziehungen von Vertragspartnern kann Rechtsgeschäfte sittenwidrig machen, wenn sich in ihm ein besonderes Maß an Rücksichtslosigkeit und ein Mangel an Loyalität im Rechtsverkehr manifestieren. Dabei ist nicht nur die Absprache über das kollusive Zusammenwirken, sondern in der Regel auch der Hauptvertrag sittenwidrig (MüKoBGB/Armbrüster, 10. Aufl. 2025, BGB § 138 Rn. 167 f.) . Verstößt das Rechtsgeschäft nicht bereits seinem Inhalt nach gegen die grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung, muss ein persönliches Verhalten des Handelnden hinzukommen, das diesem zum Vorwurf gemacht werden kann. Hierfür genügt es im Allgemeinen nicht, dass vertragliche Pflichten verletzt werden. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln oder der zutage tretenden Gesinnung ergeben kann (BGH, NJW 2014, 1380, Rn. 8). Die Sittenwidrigkeit kann darin begründet sein, dass die Beteiligten mit einem Rechtsgeschäft den Zweck verfolgen, in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken schuldrechtliche Ansprüche Dritter zu vereiteln (BGH, NJW 1981, 218; BGH, NJW 1973, 465; BGH, NJW 1988, 902). Bei einem sittenwidrigen Verhalten gegenüber der Allgemeinheit oder Dritten muss das Rechtsgeschäft außerdem objektiv nachteilig für den Dritten sein (BGH, NJW-RR 2012, 18) und die Beteiligten müssen subjektiv sittenwidrig handeln (BGH, NJW 2019, 3635 Rn. 24, 25; BGH, NJW 1990, 567).
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c) Mit dem unmittelbaren Weiterverkauf des von der Beklagten bei der YY AG bestellten Fahrzeugs an die Klägerin als gewerbliche Wiederverkäuferin wurde offensichtlich gegen die vertraglichen Regelungen aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der YY AG unter Ziff. I 2. und gegen den Inhalt der Verpflichtungserklärungserklärung G-Klasse verstoßen. Es handelt sich um einen zweifachen Verstoß durch den Weiterverkauf vor Erhalt des Fahrzeugs sowie durch die beabsichtigte unmittelbare Weitergabe des Fahrzeugs nach Auslieferung ohne Einhaltung der sechsmonatigen Haltefrist.
53
Unter diesen Umständen wäre nicht nur die Rückforderung des gewährten Rabattes, sondern auch der Rücktritt vom Vertrag durch die YY AG möglich gewesen. Durch das bewusste und von Anfang an gewollte Unterlaufen des Verbotes eines unmittelbaren Weiterverkaufs im Verhältnis zwischen der Beklagten und der YY AG offenbart sich ein besonderes Maß an Illoyalität im Rechtsverkehr.
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aa) Das in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der YY AG mit einem Rücktrittsrecht sanktionierte Zustimmungserfordernis zur Weiterveräußerung des Fahrzeugs vor Auslieferung hält einer Prüfung anhand der §§ 307 ff. BGB stand (vgl. MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 307 Rn. 104, beck-online). Der BGH hat sowohl ein in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kraftfahrzeughändlers enthaltenes Verbot, die Vertragsrechte an Dritte abzutreten oder das gekaufte Neufahrzeug vor dessen Zulassung an einen Wiederverkäufer zu veräußern, als auch eine Rücktrittsklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Automobilverkäufers für den Fall des Weiterverkaufs vor Erhalt des Fahrzeugs nicht als überraschende und unangemessene Klausel angesehen (BGH, NJW 1981, 117; BGH, NJW 1982, 178). Ein berechtigtes Interesse des Verkäufers an dieser Regelung sowohl zum Schutz des Vertragshändlersystems als auch zur Sicherstellung internationaler Handelsbeschränkungen ist anzuerkennen.
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Der in der Verpflichtungserklärung G-Klasse vereinbarte Zahlungsanspruch bei Verstoß gegen die Halteverpflichtung ist ebenfalls wirksam. Die Vertragsklausel ist nicht vergleichbar mit dem Vertragswerk, welches einer Entscheidung des OLG Düsseldorf zugrunde lag. Das OLG Düsseldorf (BeckRS 2006, 12722) hat eine Haltevereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die bei Verstoß eine Rückzahlungsverpflichtung in Höhe der gewährten Rabatte vorsah, als Vertragsstrafe gemäß § 339 BGB gewertet. Diese verstoße im konkreten Fall gegen Treu und Glauben und benachteilige den Käufer unangemessen, da die Vertragsstrafe auch unverschuldet verwirkt werden konnte. Auch vorliegend handelt es sich um eine Vertragsstrafenklausel, welche der Inhaltskontrolle des § 307 BGB unterfällt. In die Gesamtbetrachtung der Klausel ist jedoch einzustellen, dass die Nichteinhaltung der Haltefrist in zwei typischen Situationen sanktionsfrei bleibt, nämlich beim Eintritt eines erheblichen Schadens am Fahrzeug und bei dessen Abhandenkommen. Die Vertragsstrafe entfällt dann vollständig, unabhängig der Frage eines auch hier nicht gänzlich ausgeschlossenen Verschuldens. Damit enthält die Klausel eine ausgewogene Regelung, welche auch die Belange des Käufers angemessen berücksichtigt.
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bb) Der Verstoß gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie gegen die Verpflichtungserklärung G-Klasse stellt sich für den Dritten, hier die YY AG, als objektiv nachteilig dar. Es besteht ein berechtigtes und schützenswertes Interesse der YY AG an der Einhaltung dieser vertraglichen Regelungen. Dabei ist nicht allein der Schutz des Vertragshändlernetzes der YY AG vor einem unkontrollierten Zweitfahrzeugmarkt in den Blick zu nehmen, sondern auch der Kontrollverlust zur Verhinderung etwaiger Embargoverstöße und der damit verbundenen negativen
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Presseberichterstattung. Der Vertragsbruch im Verhältnis zwischen der Beklagten und der YY AG muss dabei nicht zwangsläufig in der Vereitelung einer Hauptleistungspflicht bestehen. Auch die Verletzung vertraglicher Nebenabsprachen kann die Sittenwidrigkeit begründen, wenn diese Abreden für die andere Vertragspartei erkennbar bedeutsam für den Abschluss des Vertrages waren. Dies ist hier der Fall. Mit dem fristlosen Kündigungsrecht, welches sich die YY AG für den Fall des Verstoßes gegen das Verbot des Weiterverkaufs des Fahrzeugs vor Auslieferung ohne ihre Zustimmung vorbehalten hat und mit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe bei Verstoß gegen die Halteverpflichtung wird hinreichend bestimmt zum Ausdruck gebracht, dass es der YY AG entscheidend darauf ankam, zu kontrollieren, für wen die auf dem Neuwagenmarkt erworbenen Fahrzeuge bestimmt sind.
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cc) Der Hinweis der Klagepartei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Ausschließlichkeitsvereinbarungen beispielsweise bei Automatenaufstellverträgen, welche eine Sittenwidrigkeit ausschließe, greift nicht durch. Der Bundesgerichtshof (NJW 1998, 76) hat feststellt, dass der Verpächter eines Lokals grundsätzlich nicht sittenwidrig (§ 1 UWG, § 826 BGB) handelt, wenn er das Pachtverhältnis fristgerecht kündigt, um den Pächter zum Abschluss eines neuen Pachtvertrages zu veranlassen, in dem ihm das alleinige Recht zur Automatenaufstellung eingeräumt wird, mit der zwangsläufigen Folge, dass ein ohne seine Beteiligung vom Pächter mit einem Dritten abgeschlossener Automatenaufstellvertrag mit längerer Laufzeit nicht fortgesetzt werden kann. Während in diesem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall das Risiko einer vorzeitigen vertragsgemäßen Beendigung des Pachtverhältnisses und damit eines Wegfalls der Grundlage für die Durchführung des Automatenaufstellvertrags von Anfang an angelegt war, so dass nicht auf eine bereits gesicherte Rechtsposition eines Dritten eingewirkt wurde, ist hier die Rechtsposition des Dritten vertraglich gesichert und nicht von weiteren rechtlichen oder tatsächlichen Umständen abhängig d) Das kollusive Zusammenwirken der Klägerin und der Beklagten zum Vertragsbruch zum Nachteil der YY AG wird durch das Schreiben der Klägerin vom 12.05.2021 an die Beklagte offensichtlich. In der Zusicherung der Klägerin zur Übernahme von Strafen oder sonstiger zu Lasten der Beklagten anfallender Kosten aus der Fahrzeugbestellung bei der YY AG zeigt sich, dass die Vertragsparteien im Bewusstsein des Vertragsbruchs und der möglichen Verwirkung der Vertragsstrafe handelten. Durch dieses Freistellungsversprechen wird auf signifikante Weise gerade auf die Sicherungen abgezielt, die im Vertragsrecht die Basis für den Interessensschutz der Beteiligten ausmachen (BGH, NJW 1981, 2184).
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4. Der Antrag auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Nebenforderung geht mangels Hauptforderung ins Leere und teilt das Schicksal des Hauptantrags.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Kostenentscheidung zu den ausscheidbaren Kosten der Säumnis nach § 344 ZPO war hier entbehrlich, nachdem das Versäumnisurteil vom 29.09.2023 – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit regelt sich nach den §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711 ZPO.
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Der Streitwert ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 S. 1, 53 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO. Ausgangspunkt ist der in der Berufungsinstanz gelten gemachte Zahlungsanspruch auf Schadenersatz in Höhe von 100.530 €.
IV.
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Die Revision zum Bundesgerichtshof war hier zuzulassen gemäß § 543 Abs. 2 Nr.1 und Nr. 2 ZPO. Die vorliegende Sachverhaltskonstellation war – wie die Klagepartei darlegt – mit unterschiedlichen Beklagten bereits Gegenstand mehrerer zum Teil abgeschlossener, zum Teil noch anhängiger Zivilrechtsstreitigkeiten. Die Frage, ob eine Verleitung zum Vertragsbruch, welche nicht zwangsläufig die Vereitelung der Hauptleistungspflichten im Verhältnis zum Dritten zur Konsequenz hat, die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit begründet, ist, soweit ersichtlich, noch nicht höchstrichterlich geklärt. Die Sache besitzt damit grundsätzliche Bedeutung und auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert hier eine Entscheidung des Revisionsgerichts.