Titel:
Fortsetzung des Mietverhältnisses, Besichtigungsrecht, Kündigung des Mietverhältnisses, Bestehendes Mietverhältnis, Beendigung des Mietverhältnisses, Räumungsfrist, Fristlose Kündigung, Sachverständigengutachten, Unbillige Härte, Wohnungseigentümergemeinschaft, Elektronisches Dokument, Fensteraustausch, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Zutrittsrecht, Ausforschungsbeweis, Wasserschäden, Elektronischer Rechtsverkehr, Angemessenheit Ersatzwohnung, Zutrittsverweigerung
Normenkette:
BGB § 573 Abs. 2 Nr. 2
Leitsätze:
1. Ein Zutrittsrecht für den Vermieter ergibt sowohl aus der aus einem Wasserschadensverdacht folgenden Notwendigkeit, die Wasserinstallation im Mietobjekt zu überprüfen, als auch aus dem Umstand, dass Handwerker zum Zwecke des (von der Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossenen) Fensteraustauschs bzw. dessen Vorbereitung Zugang zum Mietobjekt benötigen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Falle der (wiederholten) Zutrittsverweigerung ist die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses gerechtfertigt (im Anschluss an BGH, NJW 2015, 2417; ZMR 2011, 366; AG München, ZMR 2021, 247; Klimesch, IMR 2021, 16: „Besichtigung grundlos verweigert: Und tschüss!“) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Darlegung einer unbilligen Härte gem. § 574 BGB setzt bei der Berufung auf gesundheitliche Gründe voraus, dass konkret zu den jeweiligen medizinischen Gründen und deren konkreten Auswirkungen auf die Umzugs- bzw. Räumungsfähigkeit vorgetragen wird, widrigenfalls ein unzulässiger Ausforschungsbeweis vorliegt und Beweis durch Erholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nicht zu erheben ist. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fristlose Kündigung, Zutrittsverweigerung, Besichtigungsrecht, Härtefallregelung, Räumungsfrist, Substanzschäden, Obdachlosigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2025, 7994
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, die Wohnung Nr. PK4A5 in der K… Puchheim, gelegen im 5. OG links, bestehend aus 2,5 Zimmern, 1 Küche, 1 Bad mit WC, 1 Flur und Balkon nebst Kellerraum Nr. 18, zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.
2. Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist von drei Monaten ab Zustellung des Urteils an den Beklagten gewährt.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 819,91 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 21.08.2024 zu bezahlen.
4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist in Bezug auf Ziffer 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000 € und in Bezug auf Ziff. 3. und 4. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
6. Der Streitwert wird auf 7.667,76 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Beendigung des Wohnungsmietvertrages im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Besichtigungsrechts des Klägers an der von dem Beklagten als Mieter bewohnten Wohnung in der K… 4 in P. .
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Mit Schreiben vom 28.06.2023 kündigte der Kläger dem Beklagten das Mietverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich wegen wiederholter Zutrittsverweigerung nach vorheriger erfolgloser Abmahnungen vom 28.02.2023 und vom 29.03.2023. Mit Schreiben vom 22.07.2024 wurde erneut unter Kündigungsandrohung erfolglos um Zutritt ersucht und mit Schreiben vom 06.08.2024 unter Aufrechterhaltung der Kündigung vom 28.06.2023 eine weitere fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen.
in das Mietverhältnis mit dem Beklagten eingetreten zu sein. Die WEG habe den Austausch der Fenster bereits in der Eigentümerversammlung vom 28.06.2022 beschlossen und er sei entsprechend zum Austausch der Fenster in der vom Beklagten bewohnten Wohnung verpflichtet. Ferner sei eine Überprüfung des Wohnungszustands mit Blick auf Wasserschäden in der Wohnung des Beklagten, zuletzt im April 2024, geboten. Der Beklagte sei mit Schreiben vom 17.04.2024 über die Notwendigkeit einer unverzüglichen Reparatur infolge eines Wasserschadens nebst Übermittlung des Gutachtens der Firma APT vom 16.04.2024 informiert worden. Seit Februar 2023 versuche er erfolglos Zutritt zu der gegenständlichen Wohnung zu erhalten, um den Fensteraustausch und Trocknungsarbeiten vornehmen zu lassen. Er geht von einem berechtigten Interesse an einer Wohnungsbesichtigung aus.
den Beklagten zu verurteilen, die Wohnung Nr. PK4A5 in der K… straße 4, … P., gelegen im 5. OG links, bestehend aus 2,5 Zimmern, 1 Küche, 1 Bad mit WC, 1 Flur und Balkon nebst Kellerraum Nr. 18, zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben, hilfsweise die vorgenannte Wohnung zum 31.05.2025 (höchst hilfsweise zum 30.06.2025) zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben sowie den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 819,91 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 21.08.2024 zu bezahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Gewährung einer Räumungsfrist.
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Der Beklagte behauptet,
er habe Fachhandwerkern und einem Vertreter der Hausverwaltung Zutritt zu der Wohnung gewährt und hierbei habe sich herausgestellt, dass es keiner Trocknungsarbeiten bedarf. Ein Wasserschaden liege nicht vor. Der 82 Jahre alte und gesundheitlich erheblich beeinträchtigte Beklagte sei im Übrigen nicht räumungsfähig. Seit einem Schlaganfall im Februar 2015 sei die Beweglichkeit des Beklagten reduziert und er leide an einer Herzinsuffizienz, wodurch er einen Umzug nicht bewältigen könne.
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Für die Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen. Ferner wird Bezug genommen auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 21.02.2025. Der Beklagte wurde informatorisch angehört.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Die Aktivlegitimation der Klageseite ist von dem Beklagten im Zuge seiner Anhörung bestätigt worden. Der Beklagte erhielt eine Mitteilung über den Erwerb der Immobilie durch den Kläger und stellte die Eigentümerstellung des Klägers im Zuge seiner Anhörung nicht in Abrede. Der Kläger ist damit gem. § 566 Abs. 1 BGB in das Mietverhältnis mit dem Beklagten eingetreten.
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Auch stand dem Kläger zur Überzeugung des Gerichts ein Zutritts-/Besichtigungsrecht zu, welches der Beklagte nicht erfüllt hat. Der Beklagte ist in Bezug auf die Erfüllung der Verpflichtung zur Ermöglichung des Fensteraustauschs sowie zur Überprüfung und gegebenenfalls Beseitigung vorhandener älterer oder neuerer Wasserschäden trotz wiederholter Aufforderungen darlegungs- und beweisfällig geblieben. Es wurde nicht vorgetragen, wem, wann der Zugang zur Wohnung zu welchem Zweck gewährt wurde und ob sowie wann Termine mitgeteilt wurden.
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Der Beklagte hat im Rahmen seiner Anhörung im Gegenteil angegeben, der Fensteraustausch in seiner Wohnung, welcher ausweislich der Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft – nachgewiesen durch die Anlage K8 (TOP 6) – seitens des Klägers geschuldet ist und woraus der Kläger ein Zutrittsrecht zur Wohnung zum Zwecke des Fensteraustauschs ableiten kann, sei nicht möglich und er habe daher keine Termine vereinbart. Dies aufgrund des Zustands der von ihm bewohnten Wohnung, welche so zugestellt sei, dass kein Zugang zu den Fenstern bestünde. Dies gleichwohl nachweislich wiederholte Aufforderungen hierzu an Beklagten gerichtet wurden.
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Auch räumte der Beklagte im Rahmen seiner Anhörung zumindest ein, dass eine Erneuerung der Badezimmerarmatur notwendig sei und es hier tropfe, wenn diese nicht richtig schließe, sodass sich bereits daraus in Übereinstimmung mit den Angaben der Klageseite die Notwendigkeit der Überprüfung und des Austauschs der Armatur sowie gegebenenfalls weiterer Maßnahmen ergibt. Wenn der Beklagte einen Wasserschaden in seiner Wohnung und einen Maßnahmenbedarf abstreitet, so steht dies im Widerspruch zu den Feststellungen der Firma APT (Anlage K10 samt Lichtbildern), wonach in der unter der von ihm bewohnten Wohnung Feuchtigkeitsschäden an der Decke des Badezimmers feststellbar waren (Verfärbungen und Farbablösungen) und mittels Thermografie und Feuchtigkeitsmessungen der Feuchtigkeitsverlauf nachvollzogen werden konnte und das Schadenszentrum im Badezimmer der Wohnung des Beklagten festgestellt wurde. Die Firma APT empfahl insbesondere den Austausch von Armaturen und eine Austrocknung der durchfeuchteten Bereiche. Hieraus leitet sich für den Kläger ein Besichtigungs-/Zutrittsrecht zur Wohnung ab, welches der Beklagte trotz wiederholter Aufforderungen verwehrte. Der Beklagte konnte im Rahmen seiner Anhörung auch Schimmelbefall in der von ihm bewohnten Wohnung nicht ausschließen und räumte Feuchtigkeit in der Wohnung ebenso wie länger zurückliegenden Schimmelbefall in der Küche und im Arbeitszimmer ein. Nicht nachvollziehbar ging er von der Trocknung desselben aus sowie davon, dass es keiner weiteren Maßnahmen mehr bedarf. Dies zu überprüfen und zu bewerten ist hingegen Aufgabe des Klägers als Eigentümer und der von ihm eingeschalteten Fachpersonen und nicht des Beklagten als Mieter. Insoweit steht dem Eigentümer ein Besichtigungs-/Zutrittsrecht zu.
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Die wiederholte und beharrliche Zutrittsverweigerung zur Mietwohnung beziehungsweise fehlende Mitwirkung seitens des Beklagten trotz wiederholter Abmahnungen und Aufforderungen – wie vorliegend – rechtfertigen mit Blick auf die berechtigten Interessen des Klägers die vom Kläger ausgesprochene fristlose Kündigung des Mietverhältnisses. Das Mietverhältnis ist damit beendet.
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Einen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund unbilliger Härte der Beendigung des Mietverhältnisses gem. § 574 BGB hat der Beklagte nicht nachgewiesen. Bis zuletzt wurden keine Atteste vorgelegt. Alleine die angeführten Umstände ohne nähere Beweisangaben rechtfertigen eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht, sodass auch nicht Beweis zu erheben war durch Einvernahme des Hr. Dr. *** zu nicht konkret angegebenen „medizinischen Tatsachen“. Alleine das Alter des Beklagten spricht nicht für eine Räumungsunfähigkeit des Beklagten und einen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses. Auf das Beklagtenvorbringen hin war auch die Erholung eines Sachverständigengutachtens nicht gerechtfertigt. Sofern über ein Sachverständigengutachten oder die Einvernahme des Hr. Dr. *** medizinische Gründe für eine Fortsetzung des Mietverhältnisses ermittelt werden sollten, so läge hierin ein unzulässiger Ausforschungsbeweis. Es obliegt dem Beklagten konkret zu etwaigen medizinischen Gründen und deren konkreten Auswirkungen auf die Umzugsfähigkeit vorzutragen, wie vorliegend nicht. Die Angaben, wonach der Beklagte „gesundheitlich erheblich beeinträchtigt“ sei und nach einem Schlaganfall im Jahr 2015 „in seiner Beweglichkeit deutlich reduziert“ sei, sind unsubstantiiert und der Umstand, dass infolge einer Herzinsuffizienz täglich Medikamente eingenommen werden müssen bedingt auch nicht ohne nähere Angaben eine Umzugsunfähigkeit.
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Die Gewährung und auch die Dauer der Räumungsfrist stehen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (§ 721 ZPO). Dabei sind die widerstreitenden Interessen der Parteien, nämlich das befristete Bestandsinteresse des Mieters und das Wiedererlangungsinteresse des Vermieters, gegeneinander abzuwägen. Die Mieter soll insbesondere die Möglichkeit gegeben werden, eine angemessene Ersatzwohnung zu finden.
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Diese Abwägung der widerstreitenden Interessen ergibt vorliegend, dass die Interessen der Beklagten an der Gewährung einer Räumungsfrist im konkreten Fall das Wiedererlangungsinteresse der Klägerin jedenfalls für die gewährte Zeit überwiegen, nicht jedoch über den gewährten dreimonatigen Zeitraum hinaus, denn der Beklagte hatte hinreichend Zeit nach der ersten Kündigung des Mietverhältnisses Mitte 2023 Bemühungen zum Auffinden von Ersatzwohnraum zu unternehmen, ohne dass Bemühungen zur Beschaffung von Ersatzwohnraum vorgetragen wurden. Die Nachfrage im Termin ergab, dass auch Anträge beim Wohnungsamt nicht gestellt wurden. Darüber hinaus ergibt sich mit Blick auf unter Umständen drohende oder schon vorhandene Substanzschäden ein dringliches Interesse des Klägers an der Wiedererlangung der Wohnung.
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Die Frist von drei Monaten erscheint mit Blick auf das lange bestehende Mietverhältnis seit 01.05.1974 (K1) sowie zur Vermeidung einer Obdachlosigkeit des Beklagten hingegen angemessen.
18
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 709 ZPO.