Inhalt

VGH München, Beschluss v. 27.01.2025 – 12 ZB 23.1589
Titel:

Erledigung der Verpflichtung zur Teilnahme an Krankenhausentgelt-Kalkulation durch Zeitablauf

Normenketten:
KHG § 17b Abs. 2, Abs. 3 S. 5
VwGO § 67 Abs. 3, § 108 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 4, § 124 Abs. 2 Nr. 1
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die von der Trägerin einer Klinik angefochtene Verpflichtung, an der Kalkulation der Krankenhausentgelte für die Jahre 2020, 2021 und 2022 (Datenjahre 2019 bis 2021) teilzunehmen, hat sich spätestens mit Ablauf des Jahres 2022 erledigt. Damit fehlt es einer Anfechtungsklage am Rechtsschutzbedürfnis. (Rn. 16 und 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Möglichkeit, bei Eintritt eines erledigenden Ereignisses nach Ergehen des erstinstanzlichen Urteils die bisherige Anfechtungsklage im Berufungszulassungsverfahren in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umzustellen, scheidet aus, wenn das erledigende Ereignis bereits zuvor im ersten Rechtszug eingetreten ist, die Klageumstellung aber unterlassen wurde. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kalkulation von Krankenhausentgelten, Erhöhung der Repräsentativität der Kalkulationsstichprobe, Erledigung des Verpflichtungsbescheids durch Zeitablauf, anderweitige Ergebnisrichtigkeit, Krankenhausentgelt, Kalkulation, Bewertungsrelation, Repräsentativität, Erledigung, Zeitablauf, Rechtsschutzbedürfnis, Anfechtungsklage, Fortsetzungsfeststellungsklage, Umstellung, richterlicher Hinweis
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 10.07.2023 – M 15 K 20.2598
Fundstelle:
BeckRS 2025, 795

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 10. Juli 2023 wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahren einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 50.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

1
Die Klägerin wendet sich mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung weiterhin gegen ihre Verpflichtung zur Teilnahme an der Krankenhausentgelt-Kalkulation für die Jahre 2020, 2021 und 2022 (Datenjahre 2019 bis 2021).
I.
2
Die Klägerin ist Trägerin einer Klinik in M.
3
Den Beklagten – Selbstverwaltungsparteien auf Bundesebene – wurde gem. § 17b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG) u.a. die Aufgabe übertragen, Grundstrukturen des Vergütungssystems und des Verfahrens zur Ermittlung der Bewertungsrelation auf Bundesebene (Bewertungsverfahren) zu vereinbaren. Sie sind Gesellschafter der Beigeladenen, welche insbesondere Aufgaben im Zusammenhang mit der gesetzlich vorgeschriebenen Einführung und Weiterentwicklung des sogenannten DRG-Systems (eines pauschalisierenden Abrechnungssystems anhand von Fallpauschalen) und der Entwicklung eines pauschalisierenden Entgeltsystems für Psychiatrie und Psychosomatik wahrnimmt.
4
Die Beklagten vereinbarten am 2. September 2016 gemäß § 17b Abs. 3 Satz 4 KHG in der Fassung vom 11. Dezember 2018, die bis zum 31. Dezember 2019 gültig war (im Folgenden: KHG a.F.), ein Konzept für eine repräsentative Kalkulation der Bewertungsrelationen (Vereinbarung zur Erhöhung der Repräsentativität der Kalkulation vom 2.9.2016, geändert mit Vereinbarung vom 17.7.2019, im Folgenden: ReprKalkV). Zweck der Vereinbarung war es, die bisher auf einer freiwilligen Teilnahme aufbauende Kalkulationsstichprobe durch eine Auswahl einzelner, bislang unterrepräsentierter Krankenhäuser zu ergänzen. Aufgrund der Ergänzungsvereinbarung vom 1. September 2017 wurde das in der ReprKalkV für den DRG-Bereich entwickelte Konzept weiterentwickelt und der Entgeltbereich der psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen nach § 17d KHG (sogenannter Entgeltbereich „PSY“) einbezogen. Auf Grundlage des § 17b Abs. 3 Satz 5 KHG a.F. konnten die Beklagten bestimmte Krankenhäuser zur Teilnahme an der Kalkulation verpflichten und Maßnahmen ergreifen, um die Lieferung uneingeschränkt verwertbarer Daten zu gewährleisten.
5
Die Modalitäten zur „Sicherstellung der Kalkulationsteilnahme“ waren in den §§ 2 und 3 ReprKalkV geregelt. Insbesondere waren dort Fristen für die Lieferung der Daten vorgesehen. Bei Nichteinhaltung dieser Fristen hatte das jeweilige Krankenhaus Abschlagszahlungen zu leisten. Die seitens der Krankenhäuser gelieferten Daten wurden gem. § 17b Abs. 1 S. 4 und 5 KHG a.F. zur Festlegung der Bewertungsrelationen verwendet.
6
Nach § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG a.F. vereinbarten die Beklagten das Entgeltsystem und seine grundsätzlich jährliche Weiterentwicklung und Anpassung. In § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz – KHEntgG) findet sich die formalgesetzliche Grundlage der Vereinbarung eines Fallpauschalen-Katalogs.
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Auf dieser Grundlage schlossen die Beklagten für die streitgegenständlichen Jahre im September 2020, im September 2021 und im September 2022 jeweils eine „Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser (Fallpauschalenvereinbarung – FPV“. Diese jährlichen Vereinbarungen hatten jeweils eine Laufzeit von einem Kalenderjahr. Die FPV 2021 enthielt als Anlage den jährlichen Fallpauschalenkatalog. Für die Jahre 2022 und 2023 wurde der Fallpauschalenkatalog als Rechtsverordnung erlassen (DRG-EKV 2022 und DRG-EKV 2023).
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Am 31. Oktober 2016 wurde die Klägerin im Rahmen eines Losverfahrens zur verpflichtenden Teilnahme an der Kalkulation gezogen.
9
Mit Bescheid vom 24. Juli 2019 wurde die Klägerin durch die Beigeladene „namens und im Auftrag“ der Beklagten verpflichtet, für die Jahre 2020, 2021 und 2022 an der Kalkulation für den Entgeltbereich „PSY“ teilzunehmen (Datenjahre 2019 bis 2021, Abgabe der Daten jeweils im darauffolgenden Jahr 2020 bis 2022). Die Klägerin wurde auf die Regelungen der Kalkulationsvereinbarung für die Teilnahme an der Kalkulation hingewiesen und dass eine unvollständige oder ausbleibende Kalkulationsteilnahme sanktionsbehaftet sei (Ziff. 2). Die Klägerin wurde zudem verpflichtet, bis zum 9. August 2019 einen Ansprechpartner für die Teilnahme an der Kalkulation zu benennen (Ziff. 3).
10
Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2019 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 10. Juli 2023 abgewiesen. Die im Hauptantrag gestellte Feststellungsklage sei aufgrund der Subsidiarität gegenüber einer Anfechtungsklage unzulässig. Die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage sei unbegründet. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wurde mit Beschluss vom 29. Januar 2021 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 16. Juni 2021 zurück.
11
Laut Veröffentlichung der Beigeladenen gem. § 4 Abs. 2 ReprKalkV hat die Klägerin in keinem der streitgegenständlichen Datenjahre die geforderten Daten geliefert (https://www.g-drg.de/kalkulation/erhoehung-der-repraesentativitaet-der-kalkulation/ teilnehmer-und-erfolg-der-zur-kalkulation-verpflichteten-krankenhaeuser; abgerufen am 27. Januar 2025).
12
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil macht die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und das Vorliegen von Verfahrensfehlern im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend. Demgegenüber verteidigen die Beklagten und die Beigeladene das angefochtene Urteil.
13
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
14
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Zulassungsgründe liegen – soweit dargelegt – nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
15
1. Die Richtigkeit der angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung begegnet keinen ernstlichen Zweifeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klagen – im Ergebnis – zutreffend abgewiesen.
16
Soweit das Verwaltungsgericht die – hilfsweise erhobene – Anfechtungsklage als unbegründet abgewiesen hat, erweist sich diese Entscheidung unabhängig von den geltendgemachten Zweifeln an ihrer Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO jedenfalls im Ergebnis als richtig, weil sich der angefochtene Bescheid bereits zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung erledigt hatte (dazu 1.1). Die Klägerin hat die Erledigung des Verpflichtungsbescheids nicht zum Anlass genommen, ihre Anfechtungsklage bereits in erster Instanz zumindest hilfsweise auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umzustellen und das Bestehen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses darzulegen, weshalb ihre Klage schon zum damaligen Zeitpunkt infolge des Wegfalls ihres Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden war (dazu 1.2). Im Hinblick auf die Erledigung des streitgegenständlichen Bescheids sowie die daraus folgenden prozessualen Konsequenzen bedurfte es keines richterlichen Hinweises (dazu 1.3.). Zur Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Feststellungsklage sei aufgrund der Subsidiarität gegenüber einer Anfechtungsklage unzulässig, verhält sich der Zulassungsantrag nicht (dazu 1.4).
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1.1 Erledigung eines Verwaltungsakts im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bedeutet Wegfall der mit der Anfechtungsklage bekämpften beschwerenden Regelung, wobei sich der Eintritt des Wegfalls objektiv nach dem Regelungsgehalt des Verwaltungsakts und nicht etwa vom Klägerinteresse her beurteilt (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 100 unter Verweis auf BVerwGE 73, 312 [314]). Der Verwaltungsakt verliert mithin seine Wirksamkeit, wenn die in ihm getroffene rechtsverbindliche Regelung nachträglich entfallen ist (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 113 Rn. 102).
18
Der Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2019 hatte als Regelungsgegenstand die Verpflichtung der Klägerin, für die Jahre 2020 bis 2022 an der Kalkulation der Bewertungsrelationen teilzunehmen. Die Klägerin sollte die relevanten Daten aus den Jahren 2019 bis 2021 im jeweils darauffolgenden Jahr innerhalb bestimmter Fristen liefern, damit diese Eingang in die Kalkulation finden können. Die Klägerin ist also nicht isoliert zur Datenlieferung als solcher verpflichtet worden, sondern zur Teilnahme an einer zeitlich definierten und begrenzten Kalkulation. Die Regelungen zur Kalkulation der Bewertungsrelationen enthalten bestimmte Fristen, die nicht beliebig verlängert werden können. Verspätete Datenlieferungen werden von der Beigeladenen nicht mehr angenommen, sondern zurückgewiesen. Auch die gesetzliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Verpflichtungsbescheide soll gewährleisten, „dass sich Krankenhäuser, die zu einer Kalkulationsteilnahme verpflichtet wurden, nicht durch Widerspruch oder Klage einer Kalkulationsteilnahme entziehen können. Die Regelung beugt damit der Gefahr vor, dass durch Widerspruch oder Klage eine repräsentative Datengrundlage nicht erreicht wird“ (BT-Drs. 19/5593, S. 110). Daraus folgt zugleich, dass verspätete, nachträgliche Datenlieferungen nicht mehr für die jeweilige Kalkulation verwendet werden können.
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Dementsprechend heißt es im Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. September 2022 (Az. VG 33 K 5/21), welches mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) und 3) sowie der Beigeladenen vom 9. Mai 2023 vorgelegt worden ist und das dieselbe Konstellation betrifft, auch ausdrücklich, dass die (dortige) Klägerin keine Daten für die streitbefangenen Datenjahre geliefert habe und solche nach dem Vortrag der Beklagten auch keinen Eingang mehr in die Krankenhausentgelt-Kalkulation finden könnten (VG Berlin, U.v. 8.9.2022 – VG 33 K 5/21 – S. 8, n.v.).
20
Die Teilnahme der Klägerin an der Kalkulation war nach dem eindeutigen Wortlaut des streitgegenständlichen Bescheids auf die drei genannten Jahre bezogen. Die Kalkulationen einschließlich der Festlegung von Entgeltkatalogen haben stattgefunden, auch wenn sie wegen der nicht gelieferten Daten der Klägerin möglicherweise weniger repräsentativ waren als nach der ReprKalkV beabsichtigt. Sie sind inzwischen abgeschlossen und zeitlich überholt. Gleichwohl trägt die Klägerin diesbezüglich nichts vor. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Daten der Klägerin aus den Jahren 2019 bis 2021 nicht mehr nachträglich in die abgeschlossene Kalkulation einbezogen werden können. Die angefochtene Verpflichtung, an der Kalkulation der Bewertungsrelationen teilzunehmen, greift mithin spätestens mit Ablauf des Jahres 2022 ins Leere. Der Bescheid hatte sich somit – bereits zum Zeitpunkt des angegriffenen Urteils – auch im prozessrechtlichen Sinne erledigt und für seine nachträgliche Aufhebung besteht keine Handhabe mehr.
21
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 3 ReprKalkV zur „Sicherstellung der Kalkulationsteilnahme“. Danach hatten die ausgewählten Krankenhäuser innerhalb bestimmter Fristen die Kalkulationsdaten an die Beigeladene zu liefern. Bei Nichteinhaltung hatte das jeweilige Krankenhaus Abschlagszahlungen zu leisten. Auch wenn die Nichtlieferung der Daten Anknüpfungspunkt für eine Abschlagszahlung sein konnte, vermag dies die Bejahung des Rechtsschutzbedürfnisses für eine nachträgliche Aufhebung des angegriffenen Verpflichtungsbescheids nicht zu rechtfertigen. Ungeachtet der Frage, ob aktuell eine solche Abschlagszahlung überhaupt noch eingefordert werden könnte und würde, handelte es sich hierbei jedenfalls um einen neuen Streitgegenstand, der nicht identisch ist mit dem des vorliegenden Verfahrens und der in einem eigenständigen Verfahren zu überprüfen wäre. Die im Verpflichtungsbescheid getroffene Regelungswirkung hat sich jedenfalls erschöpft.
22
1.2. Die Klägerin hat aus der Erledigung bereits in erster Instanz nicht die erforderlichen prozessualen Konsequenzen gezogen. Sie hat vor dem Verwaltungsgericht nicht zumindest hilfsweise einen Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO gestellt. Ihre Anfechtungsklage war bereits zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils infolge des Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden und das angegriffene, klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts München deshalb jedenfalls im Ergebnis richtig. Die im Hauptantrag erhobene allgemeine Feststellungsklage führt zu keiner anderen Beurteilung, weil die Klägerin mit dieser nicht die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verpflichtungsbescheids erreichen kann (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 43 Rn. 16).
23
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage sind auch im Berufungszulassungsverfahren von Amts wegen zu prüfen. Fehlende Prozessvoraussetzungen der Entscheidung der Vorinstanz werden durch eine gleichwohl ergangene Sachentscheidung nicht geheilt und sind vom Rechtsmittelgericht auch ohne Rüge eines Beteiligten immer von Amts wegen zu berücksichtigen (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, Vorb § 124 Rn. 32). Eine Bindung des Rechtsmittelgerichts an die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts besteht im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage nicht (vgl. BayVGH, B.v. 9.3.2015 – 12 ZB 12.1640 – juris Rn. 14).
24
Die als unbegründet abgewiesene Anfechtungsklage war zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münchens bereits unzulässig, weil sich der angegriffene Verwaltungsakt – wie oben ausgeführt – inzwischen erledigt hatte. Die Klage könnte somit im angestrebten Berufungsverfahren ebenfalls nur noch als unzulässig abgewiesen werden. In dieser Konstellation scheidet eine Zulassung der Berufung unabhängig von den vorgetragenen Zulassungsgründen von vornherein aus (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, Vorb § 124 Rn. 32; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 98, 101, 102a; Dietz in Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 124 Rn. 32; BayVGH, B.v. 26.3.2003 – 8 ZB 02.2918 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 12 ZB 13.2095 – juris Rn. 9). § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verlangt nicht, die Berufung wegen eines Fehlers zuzulassen, der für den Ausgang des Berufungsverfahrens und damit für das Ergebnis des Prozesses mit Sicherheit bedeutungslos bleiben wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – juris Rn. 9; BVerfG, B.v. 24.1.2007 – 1 BvR 382/05 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 6.11.2003 – 22 ZB 03.2602 – juris Rn. 6). Zudem steht in diesem Fall auch der Rechtsgedanke von § 144 Abs. 4 VwGO analog der Zulassung der Berufung entgegen (vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 12 ZB 13.2095 – juris Rn. 9).
25
Auf das Vorliegen der von der Klägerin geltendgemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel (keine Verpflichtung der Klägerin zur Kalkulationsteilnahme mangels Vorliegen eines Verwaltungsverfahrens, fehlende Rechtsgrundlage, fehlende Behördeneigenschaft der Beklagten, keine Zurechnung des Verpflichtungsbescheids oder des Widerspruchsbescheids an die Beklagten, Unwirksamkeit der ReprKalkV, Rechtswidrigkeit von Ziffer 1 Satz 2 und Ziffer 2 des Verpflichtungsbescheids vom 24. Juli 2019, keine Heilung durch den Widerspruchsbescheid, Beklagte keine Widerspruchsbehörde, Besorgnis der Befangenheit des Geschäftsführers der Beigeladenen, (Un-)wirksame Prozessvertretung durch G. L.) kommt es daher entscheidungserheblich nicht an (vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 12 ZB 13.2095 – juris Rn. 9).
26
Das Versäumnis, in der ersten Instanz nicht zumindest hilfsweise eine Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben zu haben, kann im Berufungszulassungsverfahren nicht mehr beseitigt werden. Zwar besteht grundsätzlich auch im Berufungszulassungsverfahren bei Eintritt eines erledigenden Ereignisses nach Ergehen des erstinstanzlichen Urteils die Möglichkeit, die bisherige Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umzustellen. Diese Möglichkeit scheidet jedoch aus, wenn das erledigende Ereignis – wie hier – bereits zuvor im ersten Rechtszug eingetreten ist, die Klageumstellung aber unterlassen wurde (BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 12 ZB 13.2095 – juris Rn. 16). Denn Gegenstand des Berufungszulassungsverfahrens nach § 124a VwGO als eines Zwischenverfahrens kann allein der Streitgegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung sein; nur hierzu können Zulassungsgründe dargelegt und geprüft werden (BayVGH, B.v. 16.12.2005 – 7 ZB 05.2645 – juris Rn. 5). Für eine Klageänderung ist im Berufungszulassungsverfahren kein Raum (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2024, § 124 Rn. 26k m.w.N.).
27
1.3 Der Senat durfte die Erwägungen, welche das angegriffene Urteil im Ergebnis tragen, auch ohne vorherigen ausdrücklichen Hinweis für die Ablehnung des Zulassungsantrags heranziehen, weil diese in Anbetracht der Gesamtumstände ohne weiteres auf der Hand liegen und damit offensichtlich sind (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 2.3.2006 – 2 BvR 767/02 – juris Rn. 17; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – juris Rn. 10). Die Klägerin hat die Frage der Erledigung des Verpflichtungsbescheids selbst aufgeworfen und führt in ihrem Schriftsatz vom 6. Juli 2023 im erstinstanzlichen Verfahren im Zusammenhang mit dem Feststellungsinteresse wörtlich aus, dass „die Pflicht zur Kalkulationsteilnahme im Hinblick auf die Datenjahre 2019 bis 2021 abgelaufen ist“. Zudem war die Frage Gegenstand einer Entscheidung des VG Berlin, die im erstinstanzlichen Verfahren eingeführt worden ist (VG Berlin, U.v. 8.9.2022 – VG 33 K 5/21, n.v.; vorgelegt mit Schriftsatz der Beklagten vom 9. Mai 2023). Auch wurde sie in parallel geführten Verfahren erörtert, an denen der Prozessbevollmächtigte der Klägerin jeweils als Klägerbevollmächtigter beteiligt gewesen ist (vgl. etwa VG Augsburg, U.v. 26.9.2022 – Au 9 K 21.2365 – juris –).
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Einer vorherigen Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 2.3.2006 – 2 BvR 767/02 – juris Rn. 15; BVerfG, B.v. 15.2.2011 – 1 BvR 980/10 – juris Rn. 13) bedurfte es insoweit nicht. Eine die Garantie rechtlichen Gehörs der Klägerin aus Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verletzende Überraschungsentscheidung liegt nicht inmitten. Grundsätzlich gilt zwar, dass im Falle der Ablehnung eines Zulassungsantrags aus Gründen der anderweitigen Ergebnisrichtigkeit dem Rechtsmittelführer zuvor rechtliches Gehör gewährt werden muss, damit dieser zu den für ihn neuen Gründen Stellung nehmen kann (Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 103). Ausnahmsweise ist ein solcher Hinweis jedoch entbehrlich, wenn die Bedeutung der Frage für den zu entscheidenden Rechtsstreit ohne weiteres ersichtlich war (vgl. BVerfG, B.v. 2.3.2006 – 2 BvR 767/02 – juris Rn. 16).
29
Wie dargelegt, war die Frage der Erledigung des Verpflichtungsbescheids bereits Gegenstand der Erörterung in mehreren verwaltungsgerichtlichen Verfahren und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat sie sogar selbst aufgeworfen. Er musste sich daher auch ohne vorherigen Hinweis rechtzeitig darauf einstellen und damit rechnen, dass der an die Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht gebundene Senat die Erledigungsfrage anders als das Verwaltungsgericht beurteilen könnte. Sind der Klägerin die eine anderweitige Ergebnisrichtigkeit begründenden Tatsachen bereits bekannt, so bedarf es keiner erneuten Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn das Berufungsgericht den Antrag aus eben diesem Grunde ablehnen will (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2015 – 12 ZB 15.1191 – juris Rn. 58; BayVGH, B.v. 17.12.2018 – 12 ZB 18.2462 – juris Rn. 23).
30
Hinzu kommt, dass bei der vorliegenden Fallkonstellation ein richterlicher Hinweis ohnehin ins Leere gegangen wäre. Denn es besteht für die Klägerin keine Möglichkeit mehr, im Berufungszulassungsverfahren prozessual auf die bereits vor Ergehen des erstinstanzlichen Urteils eingetretene Erledigung durch Umstellung des Klageantrags zu reagieren. Auch dieser Gesichtspunkt macht einen richterlichen Hinweis entbehrlich (vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 12 ZB 13.2095 – juris Rn. 18).
31
1.4 Soweit das Verwaltungsgericht die Feststellungsklage aufgrund der Subsidiarität gegenüber einer Anfechtungsklage als unzulässig abgewiesen hat, hat dies die Klägerin mit ihrem Zulassungsantrag nicht substantiiert angegriffen. Sie führt zwar unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Klagebegründung im erstinstanzlichen Verfahren aus, dass der Verpflichtungsbescheid vom 24. Juli 2019 kein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG sei. Die Ausführungen der Klägerin erschöpfen sich jedoch im Wesentlichen in einer Darstellung der verschiedenen Rechtsansichten, des bisherigen Prozessverlaufs in diesem und in parallel geführten Verfahren und der eigenen Rechtsansicht. All dies lässt jedoch keine konkrete Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung erkennen. Der Vortrag genügt damit nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Denn er setzt sich weder substanziell mit der angegriffenen Entscheidung auseinander noch benennt er die tatsächlichen oder rechtlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, gegen die sich die Klägerin wenden möchte. Nicht ausreichend ist die pauschale Behauptung, die angegriffene Entscheidung sei unrichtig, oder die bloße Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens (vgl. Kuhlmann in Wysk, VwGO, 4. Aufl. 2025, § 124a Rn. 46).
32
2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Klägerin hat schon keine konkreten, entscheidungserheblichen Rechts- oder Tatsachenfragen formuliert, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag (vgl. hierzu Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 40) noch klärungsfähig wären. Die Klage ist bereits unzulässig.
33
Ungeachtet dessen kommt hinzu, dass die aufgeworfenen Fragen nicht mehr klärungsbedürftig sind, weil sie allesamt im Zusammenhang mit ausgelaufenem Recht stehen. Die Verpflichtung zur Kalkulationsteilnahme beruhte auf § 17b Abs. 3 Satz 5 KHG in der Fassung vom 11. Dezember 2018, die bis zum 31. Dezember 2019 gültig war. Diesbezüglich hat der Gesetzgeber inzwischen mehrere Gesetzesänderungen vorgenommen und ein neues System eingeführt, nach dem die Krankenhäuser zur Teilnahme an der Entgeltkalkulation heranzuziehen sind. Vor dem Hintergrund einer erheblichen Änderung der maßgeblichen Rechtslage genügt die Klägerin dem Darlegungsgebot nicht, wenn sie innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hierzu lediglich vorträgt, dass sich sämtliche Fragen „in Bezug auf das Hauptsacheverfahren sowohl im vorliegenden Rechtsschutzverfahren wie in sämtlichen anderen Parallelverfahren, die bei den Verwaltungsgerichten der BRD noch anhängig sind“, stellen würden (vgl. VGH Mannheim, B.v. 24.6.2024 – 13 S 365/22 – juris Rn. 90).
34
3. Die Berufung ist auch nicht wegen der von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehler zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
35
3.1 Soweit die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe durch eine unzulässige Ablehnung ihrer Beweisanträge gegen seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen und damit die Klägerin zugleich in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, rechtfertigt dies – ungeachtet der Frage, ob der behauptete Verfahrensfehler überhaupt den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt worden ist (vgl. hierzu VGH Mannheim, B.v. 24.6.2024 – 13 S 365/22 – juris Rn. 98) – nicht die Zulassung der Berufung, weil es im angestrebten Berufungsverfahren nicht darauf ankäme (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 224; Kuhlmann in Wysk, VwGO, 4. Aufl. 2025, § 124 Rn. 52; OVG Münster, B.v. 31.3.2004 – 3 A 4016/02 – juris Rn. 3).
36
Die Beweisanträge der Klägerin bzw. ihre 26 Fragen aus dem Schriftsatz vom 10. Dezember 2021 bezogen sich allesamt auf materiell-rechtliche Fragen aus den Themenkomplexen Behördenstruktur, Verwaltungshelfer, Vereinbarung zur Erhöhung der Repräsentativität, streitgegenständlicher Bescheid, Widerspruchsverfahren, Widerspruchsbescheid und Vorlage der Verwaltungsakten. Diese Fragen wären aber für ein Berufungsverfahren ohne Bedeutung, weil die Anfechtungsklage aufgrund der Erledigung des streitgegenständlichen Bescheids bereits unzulässig ist. Folglich kann es schon deshalb entscheidungserheblich nicht auf Fragen ankommen, die allein die Begründetheit der Klage betreffen.
37
3.2 Soweit die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe gegen § 67 Abs. 3 Satz 1 VwGO verstoßen, weil es unterlassen habe, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) und 3) und der Beigeladenen, der entgegen einem gesetzlich begründeten Vertretungsverbot aufgetreten sei, zurückzuweisen, führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. Die Klägerin legt nicht dar, inwiefern das angegriffene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen könnte. Dies ist nach Auffassung des Senats auch ausgeschlossen, weil die Klage bereits unzulässig ist und mögliche Vertretungsverbote auf Seiten der Beklagten und Beigeladenen für diese Beurteilung keine Rolle spielen können.
38
Hinzu kommt, dass § 67 Abs. 3 Satz 2 VwGO bestimmt, dass Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten bis zu seiner Zurückweisung wirksam sind. Daher könnte die Berufung nicht auf die in erster Instanz nicht erkannte fehlende Vertretungsbefugnis gestützt werden (vgl. Czybulka/Siegel in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 67 Rn. 38 unter Verweis auf BT-Drs. 16/3655, S. 89).
39
Zudem ist der Vortrag eines Beklagten- bzw. Beigeladenenbevollmächtigten ohnehin nicht maßgeblich für das Zulassungsverfahren. Selbst wenn Beklagte und Beigeladene nicht entsprechend § 67 Abs. 4 VwGO vertreten wären, bliebe dies ohne Bedeutung für das Zulassungsverfahren (vgl. Buchheister in Wysk, VwGO, 4. Aufl. 2025, § 67 Rn. 14; Meissner/Schenk in Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2024, § 67 Rn. 74).
40
3.3 Der Senat konnte auch diesbezüglich ohne vorherigen ausdrücklichen Hinweis entscheiden. Auf die Ausführungen unter 1.3 wird verwiesen.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Vorliegend entspricht es billigem Ermessen, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, weil sich die Beigeladene mit eigener Antragstellung und eigenem Vorbringen am Zulassungsverfahren beteiligt hat. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG.
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5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).