Inhalt

VGH München, Beschluss v. 27.01.2025 – 12 ZB 22.2221
Titel:

Erledigung der Verpflichtung zur Teilnahme an Krankenhausentgelt-Kalkulation durch Zeitablauf

Normenketten:
KHG § 17b Abs. 2, Abs. 3 S. 5, § 17d Abs. 1 S. 7
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
Leitsatz:
Die vom Träger einer Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie angefochtene Verpflichtung, an der Kalkulation der Krankenhausentgelte für die Jahre 2020, 2021 und 2022 (Datenjahre 2019 bis 2021) teilzunehmen, hat sich spätestens mit Ablauf des Jahres 2022 erledigt. Damit fehlt es einer Anfechtungsklage am Rechtsschutzbedürfnis. (Rn. 15 und 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kalkulation von Krankenhausentgelten, Erhöhung der Repräsentativität der Kalkulationsstichprobe, Erledigung des Verpflichtungsbescheids durch Zeitablauf, Rechtsschutzbedürfnis, Krankenhausentgelt, Kalkulation, Bewertungsrelation, Repräsentativität, Erledigung, Zeitablauf, Anfechtungsklage
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 26.09.2022 – Au 9 K 21.2365
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 28.02.2025 – 12 ZB 25.312
Fundstelle:
BeckRS 2025, 792

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahren einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 50.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

1
Die Klägerin wendet sich mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung weiterhin gegen ihre Verpflichtung zur Teilnahme an der Krankenhausentgelt-Kalkulation für die Jahre 2020, 2021 und 2022 (Datenjahre 2019 bis 2021).
I.
2
Die Klägerin ist Trägerin einer Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie in S..
3
Den Beklagten – Selbstverwaltungsparteien auf Bundesebene – wurde gem. § 17b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG) u.a. die Aufgabe übertragen, Grundstrukturen des Vergütungssystems und des Verfahrens zur Ermittlung der Bewertungsrelation auf Bundesebene (Bewertungsverfahren) zu vereinbaren. Sie sind Gesellschafter der Beigeladenen, welche insbesondere Aufgaben im Zusammenhang mit der gesetzlich vorgeschriebenen Einführung und Weiterentwicklung des sogenannten DRG-Systems (eines pauschalisierenden Abrechnungssystems anhand von Fallpauschalen) und der Entwicklung eines pauschalisierenden Entgeltsystems für Psychiatrie und Psychosomatik wahrnimmt.
4
Die Beklagten vereinbarten am 2. September 2016 gemäß § 17b Abs. 3 Satz 4 KHG in der Fassung vom 11. Dezember 2018, die bis zum 31. Dezember 2019 gültig war (im Folgenden: KHG a.F.), ein Konzept für eine repräsentative Kalkulation der Bewertungsrelationen (Vereinbarung zur Erhöhung der Repräsentativität der Kalkulation vom 2.9.2016, geändert mit Vereinbarung vom 17.7.2019, im Folgenden: ReprKalkV). Zweck der Vereinbarung war es, die bisher auf einer freiwilligen Teilnahme aufbauende Kalkulationsstichprobe durch eine Auswahl einzelner, bislang unterrepräsentierter Krankenhäuser zu ergänzen. Aufgrund der Ergänzungsvereinbarung vom 1. September 2017 wurde das in der ReprKalkV für den DRG-Bereich entwickelte Konzept weiterentwickelt und der Entgeltbereich der psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen nach § 17d KHG (sogenannter Entgeltbereich „PSY“) einbezogen. Auf Grundlage des § 17d Abs. 1 Satz 7 KHG i.V.m. § 17b Abs. 3 Satz 5 KHG a.F. konnten die Beklagten somit auch bestimmte psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser zur Teilnahme an der Kalkulation verpflichten und Maßnahmen ergreifen, um die Lieferung uneingeschränkt verwertbarer Daten zu gewährleisten.
5
Die Modalitäten zur „Sicherstellung der Kalkulationsteilnahme“ waren in den §§ 2 und 3 ReprKalkV geregelt. Insbesondere waren dort Fristen für die Lieferung der Daten vorgesehen. Bei Nichteinhaltung dieser Fristen hatte das jeweilige Krankenhaus Abschlagszahlungen zu leisten. Die seitens der Krankenhäuser gelieferten Daten wurden gem. § 17d Abs. 1 S. 6 und 7 KHG a.F. zur Festlegung der Bewertungsrelationen verwendet.
6
Nach § 17d Abs. 3 Satz 1 KHG a.F. vereinbarten die Beklagten das Entgeltsystem und seine grundsätzlich jährliche Weiterentwicklung und Anpassung. Für die psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäuser findet sich in § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Bundespflegesatzverordnung – BPflV) die formalgesetzliche Grundlage der Vereinbarung eines Entgeltkatalogs.
7
Auf dieser Grundlage schlossen die Beklagten für die streitgegenständlichen Jahre am 22. September 2020, 22. September 2021 und 29. September 2022 jeweils eine „Vereinbarung über die pauschalierenden Entgelte für die Psychiatrie und Psychosomatik – PEPPV“. Diese jährlichen Vereinbarungen hatten jeweils eine Laufzeit von einem Kalenderjahr und enthielten als Anlagen die jährlichen Entgeltkataloge.
8
Am 22. September 2017 wurde die Klägerin im Rahmen eines Losverfahrens zur verpflichtenden Teilnahme an der Kalkulation für den Bereich „PSY“ gezogen.
9
Mit Bescheid vom 24. Juli 2019 wurde die Klägerin durch die Beigeladene „namens und im Auftrag“ der Beklagten verpflichtet, für die Jahre 2020, 2021 und 2022 an der Kalkulation für den Entgeltbereich „PSY“ teilzunehmen (Datenjahre 2019 bis 2021, Abgabe der Daten jeweils im darauffolgenden Jahr 2020 bis 2022). Die Klägerin wurde auf die Regelungen der Kalkulationsvereinbarung für die Teilnahme an der Kalkulation hingewiesen und dass eine unvollständige oder ausbleibende Kalkulationsteilnahme sanktionsbehaftet sei (Ziff. 2). Die Klägerin wurde zudem verpflichtet, bis zum 9. August 2019 einen Ansprechpartner für die Teilnahme an der Kalkulation zu benennen (Ziff. 3).
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Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12. November 2019 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 26. September 2022 abgewiesen. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wurde mit Beschluss vom 17. Dezember 2020 abgelehnt.
11
Laut Veröffentlichung der Beigeladenen gem. § 4 Abs. 2 ReprKalkV hat die Klägerin in keinem der streitgegenständlichen Datenjahre die geforderten Daten geliefert (https://www.g-‍drg.de/kalkulation/erhoehung-‍der-‍repraesentativitaet-‍der-‍kalkulation/ teilnehmer-und-erfolg-der-zur-kalkulation-verpflichteten-krankenhaeuser; abgerufen am 27. Januar 2025).
12
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil macht die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und das Vorliegen von Verfahrensfehlern im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend. Demgegenüber verteidigen die Beklagten und die Beigeladene das angefochtene Urteil.
13
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
14
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist bereits unzulässig und deshalb zu verwerfen.
15
Der Klägerin fehlt für ihre Anfechtungsklage das Rechtsschutzbedürfnis, weil sich der angefochtene Bescheid inzwischen erledigt hat (dazu 1.). Auch hat sie die Erledigung des Verpflichtungsbescheids während des Zulassungsverfahrens nicht zum Anlass genommen, ihre Anfechtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umzustellen und das Bestehen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Zulassungsverfahren darzulegen (dazu 2.). Im Hinblick auf die Erledigung des streitgegenständlichen Bescheids sowie die daraus folgenden prozessualen Konsequenzen bedurfte es keines richterlichen Hinweises (dazu 3.).
16
1. Erledigung eines Verwaltungsakts im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bedeutet Wegfall der mit der Anfechtungsklage bekämpften beschwerenden Regelung, wobei sich der Eintritt des Wegfalls objektiv nach dem Regelungsgehalt des Verwaltungsakts und nicht etwa vom Klägerinteresse her beurteilt (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 100 unter Verweis auf BVerwGE 73, 312 [314]). Der Verwaltungsakt verliert mithin seine Wirksamkeit, wenn die in ihm getroffene rechtsverbindliche Regelung nachträglich entfallen ist (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 113 Rn. 102).
17
Der Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2019 hatte als Regelungsgegenstand die Verpflichtung der Klägerin, für die Jahre 2020 bis 2022 an der Kalkulation der Bewertungsrelationen teilzunehmen. Die Klägerin sollte die relevanten Daten aus den Jahren 2019 bis 2021 im jeweils darauffolgenden Jahr innerhalb bestimmter Fristen liefern, damit diese Eingang in die Kalkulation finden können. Die Klägerin ist also nicht isoliert zur Datenlieferung als solcher verpflichtet worden, sondern zur Teilnahme an einer zeitlich definierten und begrenzten Kalkulation. Die Regelungen zur Kalkulation der Bewertungsrelationen enthalten bestimmte Fristen, die nicht beliebig verlängert werden können. Verspätete Datenlieferungen werden von der Beigeladenen nicht mehr angenommen, sondern zurückgewiesen. Auch die gesetzliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Verpflichtungsbescheide soll gewährleisten, „dass sich Krankenhäuser, die zu einer Kalkulationsteilnahme verpflichtet wurden, nicht durch Widerspruch oder Klage einer Kalkulationsteilnahme entziehen können. Die Regelung beugt damit der Gefahr vor, dass durch Widerspruch oder Klage eine repräsentative Datengrundlage nicht erreicht wird“ (BT-Drs. 19/5593, S. 110). Daraus folgt zugleich, dass verspätete, nachträgliche Datenlieferungen nicht mehr für die jeweilige Kalkulation verwendet werden können.
18
Dementsprechend heißt es im Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. September 2022 (Az. VG 33 K 5/21), welches mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) und 3) sowie der Beigeladenen vorgelegt und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2022 übergeben worden ist und das dieselbe Konstellation betrifft, auch ausdrücklich, dass die (dortige) Klägerin keine Daten für die streitbefangenen Datenjahre geliefert habe und solche nach dem Vortrag der Beklagten auch keinen Eingang mehr in die Krankenhausentgelt-Kalkulation finden könnten (VG Berlin, U.v. 8.9.2022 – VG 33 K 5/21 – S. 8, n.v.).
19
Die Teilnahme der Klägerin an der Kalkulation war nach dem eindeutigen Wortlaut des streitgegenständlichen Bescheids auf die drei genannten Jahre bezogen. Die Kalkulationen einschließlich der Festlegung von Entgeltkatalogen haben stattgefunden, auch wenn sie wegen der nicht gelieferten Daten der Klägerin möglicherweise weniger repräsentativ waren als nach der ReprKalkV beabsichtigt. Sie sind inzwischen abgeschlossen und zeitlich überholt. Gleichwohl trägt die Klägerin diesbezüglich nichts vor. Vielmehr wies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung im erstinstanzlichen Verfahren darauf hin, dass es im Kern nicht um die Vorlage der Daten gehe, sondern im Wesentlichen um die Befugnis für die Kliniken, einen Ausgangs- und Widerspruchsbescheid zu erlassen.
20
Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Daten der Klägerin aus den Jahren 2019 bis 2021 nicht mehr nachträglich in die abgeschlossene Kalkulation einbezogen werden können. Die angefochtene Verpflichtung, an der Kalkulation der Bewertungsrelationen teilzunehmen, greift mithin spätestens mit Ablauf des Jahres 2022 ins Leere. Der Bescheid hat sich somit auch im prozessrechtlichen Sinne erledigt und für seine nachträgliche Aufhebung besteht keine Handhabe mehr.
21
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 3 ReprKalkV zur „Sicherstellung der Kalkulationsteilnahme“. Danach hatten die ausgewählten Krankenhäuser innerhalb bestimmter Fristen die Kalkulationsdaten an die Beigeladene zu liefern. Bei Nichteinhaltung hatte das jeweilige Krankenhaus Abschlagszahlungen zu leisten. Auch wenn die Nichtlieferung der Daten Anknüpfungspunkt für eine Abschlagszahlung sein konnte, vermag dies die Bejahung des Rechtsschutzbedürfnisses für eine nachträgliche Aufhebung des angegriffenen Verpflichtungsbescheids nicht zu rechtfertigen. Ungeachtet der Frage, ob aktuell eine solche Abschlagszahlung überhaupt noch eingefordert werden könnte und würde, handelte es sich hierbei jedenfalls um einen neuen Streitgegenstand, der nicht identisch ist mit dem des vorliegenden Verfahrens und der in einem eigenständigen Verfahren zu überprüfen wäre. Die im Verpflichtungsbescheid getroffene Regelungswirkung hat sich jedenfalls erschöpft.
22
2. Die Klägerin hat aus der Erledigung nicht die erforderlichen prozessualen Konsequenzen gezogen. Sie hat ihre Anfechtungsklage nicht in eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO umgestellt und kein besonderes Feststellungsinteresse dargelegt.
23
Tritt im Verfahren auf Zulassung der Berufung nach Stellung des Zulassungsantrags hinsichtlich des Gegenstands der streitbefangenen Entscheidung Erledigung ein, so kommt der Klägerin grundsätzlich die Möglichkeit zu, ihren Anfechtungsantrag in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO umzustellen (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 17.8.2006 – 2 LA 1192/04 – juris Rn. 6; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 341a). Sie muss in diesem Fall jedoch bei noch laufender Begründungsfrist nach § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO im Rahmen der Zulassungsbegründung ihr besonderes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts (Fortsetzungsfeststellungsinteresse) darlegen. Tritt die Erledigung nach Ablauf der Zulassungsbegründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO ein, so trifft die Klägerin ebenfalls die Verpflichtung, noch im Rahmen des laufenden Zulassungsverfahrens ihren Klageantrag umzustellen und das besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse darzutun (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2017 – 12 ZB 13.2094 – juris Rn. 28). Denn nach dem die gesetzliche Regelung des Berufungszulassungsverfahrens beherrschenden Grundgedanken soll ein Berufungsverfahren nur eröffnet werden, wenn die angeführten Zulassungsgründe für die Entscheidung in der Hauptsache erheblich sind. Sofern dazu Veranlassung besteht, muss deshalb die Entscheidungserheblichkeit mit der Zulassungsbegründung dargelegt werden (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 8.7.2004 – 2 LA 53/03 – juris Rn. 5 m.w.N.).
24
Mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung vorgebrachte Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 VwGO sind nach der Erledigung des angefochtenen Verwaltungsakts jedoch nur dann für eine im Berufungsverfahren zu treffende Entscheidung erheblich, wenn in diesem Verfahren eine Entscheidung nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ergehen kann, was einerseits die Antragsumstellung durch die Klägerin, andererseits die Geltendmachung eines besonderen Feststellungsinteresses erfordert (vgl. hierzu m.w.N. BayVGH, B.v. 24.4.2017 – 12 ZB 13.2094 – juris Rn. 28; für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision BVerwG, B.v. 21.8.1995 – 8 B 43.95 – juris Rn. 1).
25
Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht, da es an jeglicher Auseinandersetzung mit der Thematik der Erledigung fehlt. Folglich unterbleibt auch die Darlegung des einen Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erst rechtfertigenden besonderen Feststellungsinteresses.
26
Erfolgt nach Eintritt der Erledigung die Umstellung der Anfechtungsin eine Fortsetzungsfeststellungsklage und die Darlegung des hierfür erforderlichen besonderen Feststellungsinteresses im laufenden Berufungszulassungsverfahren nicht, so muss die Berufungszulassung bereits allein deshalb abgelehnt werden (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2017 – 12 ZB 13.2094 – juris Rn. 28; siehe auch Roth in BeckOK VwGO, Stand 1.10.2024, § 124a Rn. 57.1 a.E.).
27
3. Der Senat war nicht gehalten, die anwaltlich vertretene Klägerin auf die Erledigung des streitgegenständlichen Bescheids sowie die daraus folgenden prozessualen Konsequenzen eigens hinzuweisen. Eine die Garantie rechtlichen Gehörs der Klägerin aus Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verletzende Überraschungsentscheidung (vgl. hierzu und zum Folgenden ausführlich Kraft in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 108 Rn. 109 ff.) liegt nicht inmitten. Eine solche läge allenfalls dann vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung machte, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (BVerfG, B.v. 29.5.1991 – 1 BvR 1383/90 – BVerfGE 84, 188 LS; B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133, LS 1). Das Gericht ist im Allgemeinen nicht verpflichtet, seine Rechtsauffassung den Verfahrensbeteiligten zu offenbaren (BVerfG, B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – juris Rn. 36). Ein entsprechender Hinweis ist nur dann geboten, wenn auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielfalt der vertretbaren Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf mit der rechtlichen Einschätzung des Sachverhalts durch das Gericht nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG, B.v. 14.10.2010 – 2 BvR 409/09 – juris Rn. 20). Vielmehr muss ein Verfahrensbeteiligter von sich aus alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (BVerfG, B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – juris Rn. 36; BayVGH, B. v. 24.4.2017 – 12 ZB 13.2094 – juris Rn. 30).
28
Die Frage des Zeitablaufs und des Rechtsschutzbedürfnisses war indes bereits Gegenstand der Erörterung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. Protokoll vom 26. September 2022, S. 3) und auch in der angefochtenen Entscheidung selbst (vgl. Urteilsgründe, S. 13). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin musste sich daher auch ohne vorherigen Hinweis rechtzeitig darauf einstellen und damit rechnen, dass es im Berufungszulassungsverfahren auf diesen Umstand entscheidend ankommen würde.
29
Dass er es dennoch – gleichsam sehenden Auges – unterlassen hat, sich zumindest hilfsweise auf diese prozessuale Situation einzustellen, wurzelt nicht im Verantwortungsbereich des Senats. Die Sorgfaltspflichtverletzung ihres Bevollmächtigten muss sich die Klägerin zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO analog).
30
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist daher zu verwerfen. Auf die übrigen seitens der Klägerin geltendgemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel, der grundsätzlichen Bedeutung und der Verfahrensfehler kommt es daher entscheidungserheblich nicht mehr an.
31
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Vorliegend entspricht es billigem Ermessen, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, weil sich die Beigeladene mit eigener Antragstellung und eigenem Vorbringen am Zulassungsverfahren beteiligt hat. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG.
32
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).