Titel:
Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung
Normenkette:
StPO § 81b Abs. 1 Alt. 2
Schlagwort:
Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung
Vorinstanz:
VG Würzburg vom 17.06.2024 – W 9 S 24.1084
Fundstelle:
BeckRS 2025, 761
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Kriminalpolizeiinspektion Würzburg vom 15. Mai 2024 weiter, mit dem diese gemäß § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO unter Anordnung der sofortigen Vollziehung seine erkennungsdienstliche Behandlung angeordnet hatte.
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Anlasstat war ein Vorfall vom 12. Mai 2023. Nach Darstellung der Polizei habe der Antragsteller gemeinsam mit weiteren Personen einen Rechtsanwalt zur Nachtzeit an seiner Kanzlei aufgesucht und Einlass begehrt. Als dieser ihm verwehrt worden sei, habe er versucht, unter Anwendung von Gewalt in die Kanzleiräume einzudringen. Er habe gegen die Türe getreten und geschlagen, Sturm geklingelt und auf Handy und Festnetz angerufen. Der Antragsteller habe gemeinschaftlich etwa 30 Minuten lang randaliert, um damit unlauter auf Entscheidungen des Geschädigten als Landesschiedsgerichtspräsident der AfD einzuwirken. Die Türe habe nach Einschätzung des Geschädigten lediglich standgehalten, weil sie über zwei Schlösser verfügt habe. An der Kanzleitüre sei durch mindestens 30 Schuhabriebspuren Sachschaden entstanden. Ein Ermittlungsverfahren wegen Nötigung, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung sei eingeleitet worden.
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Mit dem angefochtenen Beschluss vom 17. Juni 2024 hat das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage (W 9 K 24.1083) abgelehnt.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Abänderung der angegriffenen Entscheidung.
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a) Der Antragsteller ist zunächst der Ansicht, die Anlasstat sei keine geeignete Grundlage für die streitgegenständliche Anordnung, weil kein dringender Tatverdacht bestehe. Der Straftatbestand der Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 StGB setze einen tatsächlichen entgegenstehenden Willen des Genötigten voraus, der zu einem Verhalten gegen seinen Willen veranlasst werden solle. Es liege eine schriftliche Erklärung des vermeintlich geschädigten Rechtsanwalts vor, wonach er sich nicht genötigt gefühlt und der Antragsteller nicht randaliert, sondern sich lediglich unhöflich verhalten habe.
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Das Verwaltungsgericht (BA S. 29) hat dargelegt, dass für die präventiven Zwecken dienende Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung keine vollumfängliche und zu absoluter Sicherheit führende Sachverhaltsaufklärung erforderlich sei. Vielmehr genüge der sich aus dem Ermittlungsverfahren ergebende dringende Tatverdacht. Der Verdacht, dass der Antragsteller sich bei dem Vorfall am 12. Mai 2023 strafbar gemacht habe, sei nicht nur eine reine Vermutung oder Spekulation, sondern aufgrund der Gesamtumstände durchaus naheliegend. Gemäß der ständigen Rechtsprechung sowohl des Senats wie auch des Bundesverwaltungsgerichts besteht ein Tatverdacht im Sinn von § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO auch nach einer Verfahrensbeendigung durch Einstellung oder einen Freispruch fort und kann damit als Anlass zur Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen wegen eines weiter bestehenden Tatverdachts dienen, es sei denn, sämtliche Verdachtsmomente wären restlos ausgeräumt (siehe zuletzt BayVGH, B.v. 8.1.2025 – 10 ZB 23.815 – juris Rn. 7 mit weiteren Nachweisen). Nach diesem Maßstab hat das Verwaltungsgericht (BA S. 29 f.) zu Recht einen sich aus dem Vorfall vom 12. Mai 2023 ergebenden Tatverdacht bejaht; es ist dabei durchaus auch auf die Stellungnahme des mutmaßlich geschädigten Rechtsanwalts zur Rechtsfrage einer tatbestandlichen Nötigung eingegangen, hat aber darauf hingewiesen, dass diese lediglich eine persönliche Sichtweise enthalte, an deren rechtliche Einschätzung weder die Ermittlungsbehörden noch die Gerichte gebunden seien. Unabhängig davon wäre die Strafbarkeit einer etwaigen Nötigung nicht bereits dadurch ausgeräumt, dass sich das Opfer dem Zwang des Täters nicht beugen würde; auch der Versuch einer Nötigung ist strafbar (§ 240 Abs. 3 StGB). Im Übrigen stand nach dem Vorfall auch der Verdacht einer Sachbeschädigung sowie eines Hausfriedensbruchs im Raum.
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b) Weiter bringt der Antragsteller vor, die erkennungsdienstliche Maßnahme sei nicht notwendig im Sinne des § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO. Bei der Wahrscheinlichkeitsprognose hinsichtlich gleich gelagerter Straftaten im rein privaten Raum außerhalb der Öffentlichkeit sei die Geeignetheit erkennungsdienstlicher Unterlagen zur Förderung zukünftiger Ermittlungen regelmäßig nicht feststellbar. Erkennungsdienstliche Maßnahmen seien in Bezug auf diesen Deliktsbereich nicht notwendig, wenn die Tatbegehung nicht in Frage stehe, mithin der Täter von vorherein bekannt sei und es insoweit keiner weiteren Ermittlungen bedürfe. Sofern sich die vorgeworfenen Taten auf den familiären Kreis beschränkten, würden die Ermittlungsbehörden für eventuelle zukünftige Ermittlungen normalerweise keine erkennungsdienstlichen Unterlagen benötigen. Die Eignung entsprechender Delikte scheide daher in der Regel aus, wenn davon auszugehen sei, dass der Betroffene zwar erneut strafrechtlich in Erscheinung treten werde, er aber auch ohne die gewonnenen Erkenntnisse ohne Weiteres als potentieller Täter in Betracht gezogen werde, wenn es also um die Frage, wer überhaupt der Täter gewesen sein könnte, nicht mehr gehe. Demzufolge habe in dem anlassgebenden Verfahren von vornherein festgestanden, dass der Antragsteller als Tatverdächtiger in Betracht komme, da er dem geschädigten Rechtsanwalt persönlich bekannt gewesen sei und zu ihm in einem Näheverhältnis gestanden habe; die Tat habe sich also im persönlichen Lebensumfeld ereignet.
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Damit kann der Antragsteller jedoch den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend entgegentreten. Dieses hat zutreffend dargelegt, dass der anlassgebende Vorfall sich nicht im „unmittelbaren Lebensumfeld“ ereignet habe (BA S. 31 f.). Der Vorfall vom 12. Mai 2023 habe im Treppenhaus der Kanzlei des mutmaßlich geschädigten Rechtsanwalts und somit in der Öffentlichkeit stattgefunden; eine Parallele zu Fällen im direkten familiären Umfeld, bei denen die Geeignetheit der erkennungsdienstlichen Behandlung regelmäßig verneint werden könne, könne hier nicht gezogen werden. Es weist weiter zu Recht darauf hin, dass auch bei Taten im „Freundes- und Bekanntenkreis“ nicht stets damit zu rechnen sei, dass der Täter ohne weitere Ermittlungen identifiziert werden könne. Diesen Erwägungen setzt der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung nichts Substanzielles entgegen. Hinzuzufügen ist noch, dass schon nicht dargelegt ist, warum der betroffene Rechtsanwalt, mag er dem Antragsteller auch persönlich bekannt sein, zu seinem „unmittelbaren Lebensumfeld“ bzw. „persönlichen Lebensumfeld“ gehören sollte.
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c) Schließlich beanstandet die Beschwerdebegründung, die Ermessensausübung in dem streitgegenständlichen Bescheid sei fehlerhaft, was das Verwaltungsgericht verkannt habe. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass die Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen gegen den Willen des Betroffenen und die weitere Aufbewahrung der dabei gewonnenen Unterlagen in nicht unerheblicher Weise in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreife. Dieser Einwand wird jedoch nicht näher ausgeführt.
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Der Beschluss des Senats vom 5. Februar 2020 (10 ZB 19.2459 – juris), auf den sich die Beschwerdebegründung beruft und dem offensichtlich der vorstehende Rechtssatz entnommen worden ist, weist darauf hin, dass der Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung mit dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgungsvorsorge im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit abzuwägen ist (a.a.O., Rn. 8). Diesen Anforderungen ist das Verwaltungsgericht (BA S. 33) nachgekommen, wenn es unter Bezugnahme auf die Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid gemäß § 117 Abs. 5 VwGO analog festgestellt hat, dass gegen die Ermessensausübung durch den Antragsgegner sowie bezüglich der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes keine Bedenken bestünden. In dem streitgegenständlichen Bescheid wird unter anderem eine Abwägung mit den Grundrechten des Antragstellers vorgenommen (unter Verwendung des Begriffs der „Persönlichkeitsrechte“).
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d) Soweit abschließend noch behauptet wird, die in dem Bescheid enthaltenen Zwangsmittelandrohungen seien entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ebenfalls rechtswidrig, fehlt es an jeglicher Substantiierung.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).