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VG München, Urteil v. 20.01.2025 – M 5 K 22.5966
Titel:

Beamter auf Probe, Fachliche Eignung, Gesamtschau, Fehlende Probezeitbeurteilung

Normenkette:
BeamtStG § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
Schlagworte:
Beamter auf Probe, Fachliche Eignung, Gesamtschau, Fehlende Probezeitbeurteilung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 759

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die im Jahr 1994 geborene Klägerin wendet sich gegen ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe.
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Die Klägerin wurde zum 1. März 2017 als Beamtin auf Widerruf bei der Bayerischen Polizei eingestellt. Nach abgeschlossener Ausbildung wurde sie mit Wirkung vom 1. März 2020 zur Polizeimeisterin (Besoldungsgruppe A 7) ernannt und es begann die laufbahnrechtliche Probezeit.
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Eine Einschätzung während der Probezeit zum 8. Februar 2021 erfolgte mit der Einschätzung, dass die Beamtin für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit voraussichtlich noch nicht geeignet ist.
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Mit bestandskräftigem Bescheid vom 22. Februar 2022 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass auf Grund fachlicher Mängel die Probezeit nicht erfolgreich beendet worden und eine Ernennung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit noch nicht möglich sei sowie, dass die Probezeit um sechs Monate bis um 31. August 2022 verlängert werde.
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Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 17. November 2022, zugestellt an die Klägerin am selben Tag, wurde die Klägerin mit Ablauf des 31. Dezember 2022 wegen Nichtbewährung in der Probezeit aus dem Beamtenverhältnis auf Probe nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz/BeamtStG) entlassen. Es lägen erhebliche Zweifel an der fachlichen Eignung der Klägerin vor. Sowohl in der zweijährigen Probezeit, als auch im Zeitraum der Verlängerung der Probezeit seien von verschiedenen Vorgesetzten erhebliche Leistungsdefizite festgestellt worden. Im Dezember 2020 sowie im Januar 2021 sei die Klägerin in Leistungsgesprächen über ihre Defizite informiert worden. Am 3. Mai 2022, 23. Juni 2022, 29. Juli 2022 und am 11. August 2022 seien der Klägerin ihre Leistungsmängel, die Ursachen und Möglichkeiten der Abhilfe in Leistungsgesprächen dargestellt worden. Aus einer Gesamtschau der chronologisch nachvollziehbaren, in wesentlichen Punkten inhaltlich übereinstimmenden und auch auf Grund der Häufigkeit der Beobachtungen plausiblen Stellungnahmen der Vorgesetzten seien die Defizite als grundlegend und wiederkehrend einzuschätzen.
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Der Personalrat hat der beabsichtigten Entlassung mit Schreiben vom 16. November 2022 zugestimmt.
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Die Klagepartei hat mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2022 Klage erhoben. Die Leistungseinschätzung nach Ablauf der Hälfte der Probezeit entspreche nicht den an diese zu stellenden Anforderungen, da diese Ausführungen inhaltlicher Art, aus denen sich entnehmen ließe, woraus die fehlende Eignung geschlossen werde, nicht enthalte. Damit verfehle die Leistungseinschätzung den vom Gesetzgeber vorgesehen Sinn, eine Hilfestellung für den Beamten zu geben und die Ursachen und Möglichkeiten der Abhilfe herauszustellen (Art. 55 Satz 2 Leistungslaufbahngesetz/LlbG). Auch die endgültige Beurteilung der Eignung eines Probezeitbeamten ergebe sich aus der Probezeitbeurteilung. Eine solche existiere im Fall der Klägerin nicht. Damit sei die Einschätzung der fachlichen Leistungen durch einen unzuständigen Beamten vorgenommen worden, da die Einschätzung nicht durch den in Art. 3 LlbG i.V.m. den Verwaltungsvorschriften zuständigen Beamten erfolgt sei, sodass die Entlassung dadurch rechtwidrig sei. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin an sehr vielen verschiedenen Dienststellen habe Dienst leisten müssen, sodass es der Klägerin kaum möglich gewesen sei, sich in Ruhe einzuarbeiten und auf dieser Grundlage zu zeigen, dass die zu ordnungsgemäßer und selbständiger Arbeit in der Lage sei. Im Rahmen der Anhörung habe die Klägerin zu den verschiedenen Stellungnahmen ihrer Vorgesetzten ihre Sicht dargestellt sowie angemerkt, dass die Stellungnahme des PD G. positiv gewesen sei. Dieser Darstellung sei der Dienstherr nicht weiter nachgegangen, sodass das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt sei, da die Stellungnahme der Klägerin nicht ernsthaft in Erwägung gezogen worden sei und eine Sachverhaltsaufklärung nicht stattgefunden habe.
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Die Klagepartei hat beantragt,
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Der Bescheid des Beklagten vom 17. November 2022 wird aufgehoben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Eine formal ordnungsgemäß erstellte Einschätzung während der Probezeit oder die Probezeitbeurteilung sei keine tatbestandsmäßige Voraussetzung der Entlassung gemäß § 23 Abs. 3 S.1 Nr. 2 BeamtStG. Voraussetzung für eine Entlassung auf dieser Basis sei vielmehr ausschließlich, dass der Probezeitbeamte sich hinsichtlich Eignung, Leistung und Befähigung nicht bewährt habe. Die Klägerin sei mit Schreiben vom 17. August 2022 ordnungsgemäß angehört worden. Die von der Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 29. September 2022 vorgetragenen Aspekte seien im Rahmen der Entscheidung über die Entlassung eingehend geprüft und bewertet worden. Dass es an der erforderlichen Einarbeitung gefehlt habe, wurde durch die vorliegenden Vermerke und Stellungnahmen der jeweiligen Vorgesetzten der Klägerin eindrücklich widerlegt. Dass die unterschiedlichsten Führungspersönlichkeiten der verschiedenen Verwendungsdienststellen im Wesentlichen übereinstimmende Beobachtungen und Bewertungen hinsichtlich der fachlichen Leistung und des Verhaltens der Klägerin schildern, lege die Validität und Verlässlichkeit dieser Aussagen sehr nahe. Die Einschätzung von PD G., damals Sachgebietsleiter Einsatzzentrale, dass die Klägerin im Bereich der Notrufaufnahme zwischenzeitlich eigenständig und relativ sicher Dienst leiste, sei nicht geeignet, das wertende Urteil des Beklagten hinsichtlich der Bewährung der Klägerin in Frage zu stellen. Bei der Notrufaufnahme handle es sich um eine Nischen- bzw. Sonderfunktion, bei der wesentliche Anforderungen an Vollzugsbeamte der 2. Qualifikationsebene – wie fachlich korrekte Sachverhaltsaufnahme und (Erst-) Sachbearbeitung sowie das Anordnen und Durchsetzen von polizeilichen Maßnahmen gegenüber Bürgerinnen und Bürgern – nicht enthalten sei. Schon im komplexeren Bereich der Einsatzdisposition seien durch PD G. ähnliche Schwächen und Defizite wie bei den anderen Verwendungen der Klägerin, beispielsweise Überforderung, Unsicherheit und demzufolge Vermeidungsverhalten festgestellt worden.
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EPHK L., ein ehemaliger Vorgesetzter der Klägerin, ist in der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2025 informatorisch angehört worden.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2025 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
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Der Entlassungsbescheid des Beklagten vom 17. November 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO). Der Beklagte ist ohne Rechtsfehler zu der Bewertung gekommen, dass sich die Klägerin innerhalb der verlängerten Probezeit nicht bewährt hat und hat diese folgerichtig entlassen.
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1. Rechtlicher Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung ist im vorliegenden Fall die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz/BeamtStG) i.V.m. Art. 12 Abs. 5 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz/LlbG). Danach können Beamtinnen und Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben. Allerdings besteht für den Dienstherrn im Rahmen der „Kann-Regelung“ des § 23 Abs. 3 BeamtStG kein Handlungsermessen mehr, wenn die mangelnde Bewährung eines Beamten auf Probe feststeht, vgl. Art. 12 Abs. 5 LlbG.
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Die beamtenrechtliche Probezeit soll dem Beamten die Möglichkeit geben, während des gesamten Laufs der Probezeit seine Eignung und Befähigung zu beweisen. Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob sich der Beamte bewährt hat, ist ein Akt wertender Erkenntnis seines für die Beurteilung zuständigen Organs. Dabei genügen bereits begründete ernstliche Zweifel des Dienstherrn, ob der Beamte die Eignung und Befähigung besitzt und die fachlichen Leistungen erbringt, die für die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit notwendig sind, um eine Bewährung zu verneinen. Diese Entscheidung ist gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Begriff der mangelnden Bewährung und die gesetzlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt und ob allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 18.7.2001 – 2 A 5/00 – ZBR 2002, 184, juris; BayVGH, B.v. 11.6.2017 – 3 CS 17.512 – juris Rn. 2; VG München, U.v. 24.9.2019 – M 5 K 18.3333 – juris Rn. 16)
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Eine Entlassung wegen mangelnder Bewährung ist sachlich bereits dann gerechtfertigt, wenn sich während der Probezeit Zweifel an der persönlichen oder fachlichen Eignung des Beamten ergeben (BVerwG, U.v. 29.9.1960 – II C 79.59 – BVerwGE 11, 139/140). Der Feststellung der Bewährung während der Probezeit kommt als Voraussetzung für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit der Charakter einer Prognose im Hinblick darauf zu, dass der Beamte aufgrund der während der Probezeit erbrachten Leistungen, seines während der Probezeit gezeigten Verhaltens oder sonstiger während der Probezeit bekannt gewordener Umstände voraussichtlich auf Dauer den an einen Beamten seiner Laufbahn zu stellenden persönlichen und fachlichen Anforderungen gewachsen sein wird. Eine mangelnde Bewährung liegt also nicht erst dann vor, wenn endgültig die fehlende Eignung, Befähigung oder fachliche Leistung erwiesen ist, sondern schon dann, wenn begründete Zweifel bestehen, ob der Beamte den an ihn zu stellenden Anforderungen persönlich oder fachlich gewachsen sein wird (Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Juni 2024, § 23 BeamtStG Rn. 136 m.w.N.). Bei der Feststellung der Bewährung oder mangelnden Bewährung, die von den zahlreichen Anforderungen des konkreten Aufgabengebiets sowie von der Beurteilung der Persönlichkeit des Beamten abhängt, handelt es sich um einen Akt wertender Erkenntnis, um ein an den Anforderungen der konkreten Laufbahn auszurichtendes, persönlichkeitsbedingtes Werturteil.
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2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist gegen die streitgegenständliche Entlassungsverfügung rechtlich nichts zu erinnern. Insoweit wird auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Entlassungsbescheids vom 17. November 2022 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
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a) Es bestehen keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheids. Der Beamtin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Vorwürfen des Dienstherrn gegeben (Art. 28 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes/BayVwVfG). Der Dienstherr hat die von der Klägerin im Rahmen des Anhörungsverfahrens abgebene Stellungnahme zu den einzelnen Vorwürfen in seinem Bescheid auch gewürdigt. Eine weitere Ermittlung des Sachverhaltes und ein Eingehen auf alle von der Klägerin aus ihrer Sicht abweichenden Punkte und Sachverhalte war auf Grund der Vielzahl und der Ausführlichkeit der dienstlichen Stellungnahmen der unterschiedlichsten Vorgesetzten der Klägerin nicht erforderlich, insbesondere da der Dienstherr eine Gesamtschau vorgenommen hat und die Entlassung nicht auf einen einzelnen Vorfall gestützt hat. Die Mitwirkung des Personalrats (Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 3, Art. 72 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes/BayPVG) ist erfolgt. Der Personalrat hat mit Schreiben vom 16. November 2022 der Entlassung zugestimmt.
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Auch die Entlassungsfrist von sechs Wochen zu einem Kalendervierteljahr wurde beachtet (Art. 56 Abs. 5 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes/BayBG). Denn der Entlassungsbescheid ist ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 17. November 2022 zugestellt worden.
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b) Der Entlassungsbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Insbesondere ist der Beklagte ohne Rechtsfehler zu der Bewertung gekommen, dass sich die Klägerin innerhalb der verlängerten Probezeit mit Blick auf die fachliche Eignung nicht bewährt hat.
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aa) Eine Entlassung wegen mangelnder Bewährung ist sachlich bereits dann gerechtfertigt, wenn sich während der Probezeit Zweifel an der persönlichen oder fachlichen Eignung des Beamten ergeben (BVerwG, U.v. 29.9.1960 – II C 79.59 – BVerwGE 11, 139/140).
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Ausgangspunkt für die prognostische Entscheidung ist das Verhalten des Beamten in der Probezeit. Der Dienstherr hat im Rahmen seines Ermessens zu bestimmen, auf welche Weise und mit welchen Mitteln er sich die tatsächlichen Grundlagen für Werturteile über einen Probebeamten beschaffen will (Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Juni 2024, § 23 BeamtStG Rn. 149 m.w.N.). Formale Grundlage für die Feststellung der fachlichen Bewährung ist in erster Linie die Probezeitbeurteilung (BayVGH, B.v. 25.2.2014 – 3 ZB 11.2146 – juris Rn. 19). Eine ordnungsgemäße abschließende dienstliche Beurteilung eines Beamten auf Probe durch die zuständige Dienststelle unmittelbar vor Ende der Probezeit ist jedoch nicht zwingende Voraussetzung für eine Entlassung. Weder § 23 BeamtStG oder Art. 12 Abs. 5 LlbG noch den entsprechenden Verwaltungsvorschriften ist zu entnehmen, dass eine Entlassungsverfügung nur auf der Grundlage einer umfassenden förmlichen Probezeitbeurteilung ergehen darf. Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit der auf die mangelnde Bewährung gestützten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe ist, ob die zur Stützung des negativen Urteils über die Bewährung herangezogenen Tatsachen zutreffen und ob sie im Rahmen der dem Dienstherrn eingeräumten Beurteilungsermächtigung die Entlassung wegen mangelnder Bewährung rechtfertigen können, nicht hingegen, ob eine über die Probezeit abgegebene dienstliche Beurteilung als solche formell Bestand hat oder existiert (zum Ganzen: BVerwG, B.v. 2.4.1986 – 2 B 84/85 – juris Rn. 7; B.v. 19.5.2022 – 2 B 41/21 – juris Rn. 13; BGH, U.v. 22.09.1998 – RiZ (R) 2/97 – juris Rn. 28). Dementsprechend ist rechtlich auch nichts dagegen zu erinnern, dass die Prognose der fachlichen Nichteignung im Rahmen der Entlassung nicht von der für die Erstellung der Probezeitbeurteilung zuständigen Person vorgenommen worden ist.
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bb) Nach dem oben dargestellten Prüfungsmaßstab hält es sich im Rahmen des gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums des Dienstherrn (§ 114 Satz 1 VwGO), dass der Beklagte die fachliche Nichteignung der Klägerin angenommen hat.
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Aus den im Bescheid vom 17. November 2022 (Seite 3 bis 7) aufgeführten Leistungseinschätzungen der Vorgesetzten der Klägerin ergibt sich in einer Gesamtschau, dass die Klägerin weit hinter dem Leistungsstand ihrer Kollegen zurückgeblieben ist, sie erheblich mehr Zeit für die ihr übertragenen Aufgaben benötigte und ihrer Arbeit oftmals unbrauchbar ist bzw. häufiger Korrekturen durch die Vorgesetzten bedurfte.
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Dies bestätigend führte der in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehörte ehemalige Vorgesetzte der Klägerin EPHK L. aus, dass man der Klägerin Dinge mehrfach erklären musste, sie es aber auch dann nicht richtig verstanden habe und sie den Gruppenführer praktisch vollständig beschäftigt habe. Bei den schriftlichen Ausarbeitungen wie auch im allgemeinpolizeilichen Dienst habe es große Mängel gegeben. Sie habe Straftatbestände in einem bestimmten festgestellten Sachverhalt nicht erkennen können. Dies habe sich auch nicht gebessert. Einen Fall, dass jemand fachlich solche Defizite aufgewiesen habe wie die Klägerin, habe er in zehn Dienstjahren nicht erlebt.
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Daran kann auch die teilweise positive Stellungnahme des PD G. (Blatt 14 der Behördenakte) nichts ändern, da dies lediglich die Tätigkeit der Klägerin in der Notrufannahme betrifft. Der Dienstherr hat diese Stellungnahme in seine Entscheidung mit einbezogen (Nr. 3.4 des Entlassungsbescheids). Weiter hat der Beklagte dies in rechtlich nicht zu beanstandender Weise so gewertet, dass er auf Grund einer Gesamtschau der chronologisch nachvollziehbaren und in wesentlichen Punkten inhaltlich übereinstimmenden plausiblen Stellungnahmen der Vorgesetzten bei der Klägerin eine ungünstige Prognose betreffend die fachliche Eignung festgestellt hat.
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cc) Eine förmliche Abmahnung der Klägerin musste vor ihrer Entlassung nicht erfolgen. Eine Abmahnung wird dann für erforderlich erachtet (vgl. BVerfG, B.v. 15.12.1976 – 2 BvR 841/73 – juris), wenn die Mängel grundsätzlich behebbar erscheinen, z. B. bei Leistungsmängeln oder bei nicht „selbsterklärenden Pflichten“ (vgl. BayVGH, B.v. 27.8.2014 – 3 ZB 13.2214 – juris Rn. 31) und wenn andernfalls die Entlassung für den Beamten überraschend käme (BayVGH, U.v. 30.8.2019 – 3 ZB 18.508 – juris Rn. 17).
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Vorliegend liegt schon keine „Abmahnungsbedürftigkeit“ vor, da es an einem „Überraschungsmoment“ fehlt. Der Klägerin sind in einer Vielzahl von Gesprächen sowie in der Einschätzung während der Probezeit ihre Mängel und auch Wege aufgezeigt worden, wie sie diese abstellen kann. Im Dezember 2020 sowie Januar 2021 sind mit der Klägerin Leistungsgespräche durchgeführt worden und es ist darauf hingewiesen worden, dass auf Grund der großen Defizite das Bestehen der Probezeit vermutlich scheitern werde (Stellungnahme des Dienstvorgesetzten vom 2.3.2021; Blatt 7 der Behördenakte). Weiter ergibt sich aus Blatt 4 der Behördenakte, dass ein Gespräch am 14. Januar 2021 betreffend die Einschätzung während der Probezeit geführt worden ist. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2021 ist die Klägerin zur beabsichtigten Verlängerung der Probezeit angehört worden (Blatt 18 der Behördenakte). Auch im Bescheid, mit welchem die Probezeit verlängert worden ist (Blatt 33 der Behördenakte), wurden der Klägerin ihre Mängel aufgezeigt. Am 3. Mai 2022 hat erneut ein Gespräch stattgefunden, in welchem der Klägerin Ziele und Erwartungen aufgezeigt worden sind (Blatt 42 der Behördenakte). Diese wurden schriftlich festgehalten und der Klägerin übermittelt. Ein erneutes Gespräch zur Leistungseinschätzung der Klägerin hat am 11. August 2022 stattgefunden (Blatt 63 der Behördenakte). Neben den in der Behördenakte sowie im Bescheid dokumentieren Gesprächen hat EPHK L. ausgeführt, dass die Zwischenvorgesetzten ihm auch mitgeteilt haben, dass sie nahezu täglich mit der Klägerin Leistungsmängel besprochen hätten. Der Klägerin war auf Grund der Vielzahl von Gesprächen – schon von Beginn ihrer laufbahnrechtlichen Probezeit an – bewusst, dass sie fachliche Mängel aufweist und dass die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit gefährdet ist und ihr die Entlassung drohen könnte, sofern sie ihre fachlichen Mängel nicht abstellen würde.
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Darüber hinaus erscheinen die Mängel bei der Klägerin nicht behebbar. Aus der Behördenakte sowie den Ausführungen von EPHK L. ergibt sich, dass von Beginn der laufbahnrechtlichen Probezeit an gravierende fachliche Mängel vorlagen und die Klägerin diese während der gesamten verlängerten Probezeit nicht abstellen konnte.
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dd) Wenn – wie hier – feststeht, dass sich ein Beamter nicht bewährt hat, so ist dieser zwingend zu entlassen (§ 10 BeamtStG, Art. 12 Abs. 5 LlbG). Ein Ermessensspielraum ist dem Dienstherrn dann nicht mehr eröffnet (Baßlsperger in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Juni 2024, § 23 BeamtStG Rn. 160 m.w.N.). Insbesondere kommt in einem solchen Fall auch keine weitere Verlängerung der Probezeit in Betracht.
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3. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).