Titel:
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Inlandsbezogene Ausweisung, Afghanischer Staatsangehöriger, Ablehnung eines Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, Abschiebungsandrohung, Aussetzung der Abschiebung, Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans, Verurteilung wegen Unerlaubten, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 81 Abs. 4 S. 1
AufenthG § 53
AufenthG § 54 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG § 59 Abs. 3 S. 1
AufenthG § 11
AufenthG § 25 Abs. 3 S. 3
Schlagworte:
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Inlandsbezogene Ausweisung, Afghanischer Staatsangehöriger, Ablehnung eines Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, Abschiebungsandrohung, Aussetzung der Abschiebung, Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans, Verurteilung wegen Unerlaubten, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten
Fundstelle:
BeckRS 2025, 754
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller, ein 31-jähriger afghanischer Staatsangehöriger, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Ausweisung mitsamt Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, Abschiebungsandrohung sowie Erlass und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots.
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Der Antragsteller reiste am … … … erstmals in das Bundesgebiet ein und stellte am … … … einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt). Mit Bescheid des Bundesamts vom 26. April 2022 wurde aufgrund eines Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 1. März 2022 (M 2 K 17.36590) festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegen. Am … … … wurde dem Antragsteller erstmals eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt.
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Soweit verwertbar trat der Antragsteller strafrechtlich wie folgt in Erscheinung:
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1. Strafbefehl des Amtsgerichts Ingolstadt vom 1. April 2019 (7 Cs 42 Js 607/19), rechtskräftig seit dem 14. Juni 2019, schuldig des vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, verurteilt zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Antragsteller 29,5 Gramm Marihuana und 8 Ecstasy-Tabletten aufbewahrt hatte, um durch deren späteren Verkauf Gewinn zu erzielen.
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2. Urteil des Amtsgerichts Ingolstadt vom 22. Februar 2023 (8 Ls 42 Js 850/22), rechtskräftig seit dem 2. März 2023, schuldig des unerlaubtes Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, verurteilt zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Antragsteller Marihuana zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs mit sich führte und aufbewahrte. Die Annahme eines minder schweren Falles lehnte das Gericht ab. Eine Suchtproblematik konnte im gerichtlichen Verfahren nicht festgestellt werden. Vom 30. August 2022 bis Februar 2024 befand sich der Antragsteller in dieser Sache in Untersuchungs- bzw. Strafhaft.
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Weitere Ermittlungsverfahren gegen den Antragssteller wurden nach § 153 Abs. 1 StPO, § 154 Abs. 1 StPO und § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
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Am … … … wurde dem damaligen Bevollmächtigten des Antragstellers eine bis zum … … … befristete Aufenthaltserlaubnis ausgehändigt mit dem Hinweis, dass wegen des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Ingolstadt wegen der Betäubungsmitteldelikte ein Ausweisungsinteresse bestehe und beabsichtigt werde, den Antragsteller aus dem Bundesgebiet auszuweisen. Am … … … beantragte der Antragsteller die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.
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Auf eine Anhörung vom … … … zu der beabsichtigten Ausweisung zeigte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 25. August 2023 dessen Vertretung an und nahm mit Schreiben vom 2. Oktober 2023 dahingehend Stellung, dass für den Antragsteller das besondere Bleibeinteresse aus § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK streite. Ihm drohe bei Rückkehr in sein Heimatland eine grausame und unmenschliche Behandlung, was bei dem Erlass des Ausweisungsbescheides dringend zu beachten sei.
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Nach Führungsberichten der Justizvollzugsanstalt ... vom 20. Dezember 2023 und 12. März 2024 wird der Antragsteller von den Bediensteten zunächst als natürlich, ungezwungen und ausgeglichen beschrieben. Er sei sachlich, zuverlässig und anspruchslos. Den Bediensteten würde er höflich, respektvoll und tadellos begegnen und sich verständig geben. Im Rahmen seiner Tätigkeit im anstaltsinternen Arbeitsbetrieb würde er qualitativ, quantitativ und fachlich sehr gute Arbeit leisten. Seine Gesamtführung sei beanstandungsfrei und hausordnungsgemäß. Auf seiner Station sei er zwar unauffällig, dennoch tendiere er eher zu Kontakten in einer gewissen Subkultur mit entsprechendem Einfluss nicht immer positiver Natur. Beim Zugangsgespräch sei der Antragsteller positiv auf THC getestet worden und habe angegeben, seit 2013 regelmäßig Marihuana zu konsumieren. Zur Suchtberatung habe er zuletzt im Februar 2024 einen Termin wahrgenommen. Der Antragsteller würde regelmäßig Besuche von Freunden und Bekannten erhalten. Seine angegebene Verlobte hätte ihn zuletzt im Juni 2023 besucht.
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In einem Sachverständigengutachten vom … … … kommt der Psychologe Dr. K. zu dem Ergebnis, dass die in den Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmittel zutage getretene Gefährlichkeit hinsichtlich strafbarer Handlungen mit einem vergleichbaren Schweregrad nach der Haftentlassung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht fortbestehe. Daraufhin wurde der Antragsteller nach Aktenlage im Februar 2024 kurz vor Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe aus der Haft entlassen. Am … … … erhielt der Antragsteller eine Fiktionsbescheinigung mit Gültigkeit bis zum … … …
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Auf Anfrage der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2023 teilte das Bundesamt am 10. Juli 2024 mit, dass kein Verfahren zur Rücknahme des Abschiebungsverbotes des Antragstellers eröffnet werde. Mit Schreiben vom 29. Juli 2024 nahm es dahingehend Stellung, dass es davon ausgehe, dass beim Antragsteller sowohl ein Ausschlussgrund nach § 25 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 AufenthG als auch Nr. 4 Alt. 1 AufenthG vorliege.
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Auf eine erneute Anhörung vom … … … übermittelte der Bevollmächtigte des Antragstellers einen Arbeitsvertrag mit der H. Group vom 1. Mai 2024.
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Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Oktober 2024 wurde der Antragsteller ausgewiesen (Nr. 1). Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 24. Februar 2023 wurde abgelehnt (Nr. 2). Der Antragsteller wurde aufgefordert, das Bundesgebiet und das Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der anderen Schengen-Staaten innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Bescheids freiwillig zu verlassen (Nr. 3). Andernfalls wurde ihm die Abschiebung in die Islamische Republik Afghanistan oder in einen anderen Staat, in den der Antragsteller einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 4). Die Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland und das Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder der anderen Schengen-Staaten wurde dem Antragsteller für sechs Jahre ab der Abschiebung oder Ausreise untersagt (Nr. 5). Die Abschiebung wurde ausgesetzt (Nr. 6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, obwohl Cannabis nach aktueller Rechtslage begrifflich nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz zuzuordnen sei, habe der Gesetzgeber mit der Ausgestaltung des Konsumcannabisgesetzes zu erkennen gegeben, dass der Handel mit Cannabis auch weiterhin unter Strafe stehe und als Verbrechen im Sinne des § 12 Abs. 1 StGB eingestuft werde. Die rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen des besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses des § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und der schweren Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 2 Nrn. 1, 1b sowie 10 AufenthG. Zudem sei die Bewährungsstrafe der vorherigen Verurteilung zum Tatzeitpunkt noch nicht erlassen gewesen. Auf ein Bleibeinteresse im Sinne des § 55 AufenthG könne der Antragsteller sich nicht berufen. Zwar sei dem Gutachten des Psychologen Dr. K. zu entnehmen, dass der Antragsteller geltend mache, mit einer türkischstämmigen Frau verlobt zu sein, welche die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Der Antragsteller selbst habe diese Verbindung jedoch zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens gegenüber der Ausländerbehörde geltend gemacht. Überdies sei die Ehe auch noch nicht geschlossen. Aus dem geltend gemachten zielstaatsbezogenen Ausreisehindernis ergebe sich kein Bleibeinteresse. Die Ausweisung sei sowohl aus general- als auch spezialpräventiven Gründen erforderlich. Im Interesse der konsequenten Bekämpfung der Drogenkriminalität sei eine konsequente Ausweisungspraxis dazu geeignet, unmittelbar auf das Verhalten anderer Ausländer einzuwirken. Der Antragsteller sei bei der H. Group bereits seit Januar 2016 mit Unterbrechungen beschäftigt. Das gute finanzielle Einkommen sowie das geregelte Leben in einem gefestigten Arbeitsverhältnis könne auch künftig nicht zweifelsfrei eine Straffreiheit begründen. Bei der nunmehr zugrunde liegenden Verurteilung seien an verschiedenen Orten insgesamt 1.003,06 Gramm Marihuana aufgefunden worden. Auch der in der Jackentasche aufgefundene Geldbetrag in Höhe von 19.000 Euro spreche dafür, dass der Antragsteller in der zum Tatzeitpunkt nahen Vergangenheit größere Mengen an Betäubungsmitteln unerlaubt gehandelt haben müsse. Angesichts seines bisherigen Auftretens im Bundesgebiet könne angenommen werden, dass eine verhaltenssteuernde Wirkung der Untersuchungshaft oder der Freiheitsstrafe nicht gegeben seien. Dieser Eindruck sei auch bei der letzten Vorsprache bei der Ausländerbehörde am 29. April 2024 entstanden. Es seien keine Tatsachen ersichtlich, welche den Antragsteller nach der Entlassung aus der Strafhaft nunmehr zu einem gesetzestreuen Verhalten und der Abkehr vom Rauschgifthandel motivieren könnten. Der im Gutachten attestierten positiven Prognose könne aus ausländerrechtlicher Sicht nicht gefolgt werden. Im Rahmen der Abwägungsentscheidung sei zu berücksichtigen, dass seine Anwesenheit im Bundesgebiet die meiste Zeit lediglich gestattet gewesen sei. Den Großteil seines Lebens habe der Antragsteller in Afghanistan verbracht. Die dortigen Lebensverhältnisse seien ihm bestens vertraut. Dass ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans festgestellt wurde, stehe einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet nicht entgegen. Dem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG stünden die Ausschlusstatbestände des § 25 Abs. 3 Satz 3 Nrn. 2 und 4 Alt. 1 AufenthG entgegen, da sowohl eine schwere Straftat als auch eine Gefahr für die Allgemeinheit vorlägen. Um die Ausreiseverpflichtung im Fall der nicht fristgerechten Ausreise zwangsweise durchsetzen zu können, sei dem Antragsteller die Abschiebung anzudrohen. Dem festgestellten Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans werde unter Nr. 6 des Bescheids mit der Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG Rechnung getragen.
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Dagegen hat der Antragsteller am 14. Oktober 2024 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht erheben und sinngemäß beantragen lassen, die Nrn. 1 bis 5 und 7 des Bescheids vom 11. Oktober 2024 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (M 27 K 24.6188). Zugleich wird beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Eine Begründung der Klage erfolgte nicht.
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Die Antragsgegnerin hat am 4. November 2024 die Behördenakten vorgelegt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten im Hauptsache- (M 27 K …*) und Eilverfahren (M 27 S …*) sowie auf die vorlegte Behördenakte Bezug genommen.
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1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat keinen Erfolg.
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1.1 Der Antrag ist zulässig. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist hinsichtlich der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Ablehnung des Antrags auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis, der in Nr. 4 enthaltenen Abschiebungsandrohung sowie der in Nr. 5 enthaltenen Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots statthaft.
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Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist hinsichtlich der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis statthaft, falls die Versagung der Aufenthaltserlaubnis zum Erlöschen der Fiktionswirkung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 81 Abs. 3 oder Abs. 4 AufenthG führt (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2019 – 10 CS 19.1212 – juris Rn. 8 m.w.N.). Der Antrag, der am … … … bei der zuständigen Ausländerbehörde gestellt worden ist, wurde rechtzeitig gestellt, bevor die Geltungsdauer des bisherigen Aufenthaltstitels am … … … ablief, und hat damit die Fortgeltungsfiktion gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgelöst. Diese Vergünstigung ist durch die ablehnende Entscheidung im Bescheid vom 11. Oktober 2024 entfallen. Die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG keine aufschiebende Wirkung.
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Hinsichtlich der Abschiebungsandrohung sowie der Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots hat die Klage gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 VwZVG und § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG ebenfalls keine aufschiebende Wirkung.
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1.2 Der Antrag hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
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Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist bei einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Suspensivinteresse vorzunehmen. Dabei nimmt das Gericht eine eigene, originäre Interessensabwägung vor, für die in erster Linie die Erfolgsaussichten in der Hauptsache maßgeblich sind. Im Falle einer voraussichtlich aussichtslosen Klage besteht dabei kein überwiegendes Interesse an einer Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Wird dagegen der Rechtsbehelf in der Hauptsache voraussichtlich erfolgreich sein, so wird regelmäßig nur die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Bei offenen Erfolgsaussichten ist eine Interessensabwägung vorzunehmen, etwa nach den durch § 80 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO getroffenen Grundsatzregeln, nach der Gewichtung und Beeinträchtigungsintensität der betroffenen Rechtsgüter sowie der Reversibilität im Falle von Fehlentscheidungen.
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Demnach ist die aufschiebende Wirkung nicht anzuordnen. Denn die Klage gegen die die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels, die Abschiebungsandrohung sowie den Erlass und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird sich voraussichtlich als unbegründet erweisen, da sich die der Abschiebungsandrohung zugrundeliegende Ausweisungsentscheidung (1.2.1), die Abschiebungsandrohung (1.2.2) und der Erlass und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (1.2.3) nicht als rechtswidrig und rechtsverletzend erweisen werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und der Antragsteller keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (1.2.4.) hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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1.2.1 Die Ausweisung des Antragstellers wird sich voraussichtlich nicht als rechtswidrig und rechtsverletzend erweisen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Kammer folgt diesbezüglich entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO den umfangreichen, nicht zu beanstandenden Rechtsausführungen und Begründungen im Bescheid und macht sich diese zu eigen. Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
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Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls – nach Abs. 2 insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder einem anderen aufnahmebereiten Staat, die Folgen seiner Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat – vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise (insbesondere nach den vertypten Ausweisungsinteressen gem. § 54 AufenthG) mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet (insbesondere nach den vertypten Bleibeinteressen gem. § 55 AufenthG) ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
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Der Antragsteller kann sich vorliegend nicht auf einen erhöhten Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3a AufenthG berufen, da der Antragsteller weder als Asylberechtigter anerkannt ist noch im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt. Die Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG ist von § 53 Abs. 3a AufenthG nicht erfasst.
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Daran gemessen geht vom Antragsteller zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt schon unter Berücksichtigung der Schwere der von ihm zuletzt begangenen Straftat (unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln) eine Wiederholungsgefahr aus. Zwar sind die positiven Führungsberichte des Antragstellers in die Gefahrenprognose einzustellen. Gleichwohl ist mit Blick darauf, dass der Antragsteller die Tat wohl ohne eigenen Suchtdruck und ohne finanzielle Not mit Gewinnerzielungsabsicht begangen und dadurch eine besonders hohe kriminelle Energie an den Tag gelegt hat, vom Vorliegen einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Darüber hinaus liegen auch generalpräventive Gründe für eine Ausweisung vor. Es liegt vorliegend im öffentlichen Interesse, die vom Antragsteller begangenen Betäubungsmitteldelikte mit dem Mittel der Ausweisung zu bekämpfen, um auf diese Weise andere Ausländer von der Nachahmung eines solchen Verhaltens abzuschrecken. An dem Vorliegen einer vom Antragsteller ausgehenden Gefahr ändert auch die hinsichtlich des Konsums von Cannabis geänderte Rechtslage nichts, da das vom Antragsteller begangene Handeltreiben mit Cannabis auch nach dem Konsumcannabisgesetz strafbewehrt ist.
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Auch die Interessensabwägung fällt zulasten des Antragstellers aus. Aufgrund der Verurteilung durch das Amtsgericht Ingolstadt vom 22. Februar 2023 besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Normierte Bleibeinteressen nach § 55 AufenthG sind nicht ersichtlich, insbesondere da ein Verlöbnis mit einer deutschen Staatsangehörigen im ausländerrechtlichen Verfahren nicht geltend gemacht wurde und ein solches Verlöbnis ohnehin kein vertyptes Bleibeinteresse begründen würde. Unabhängig vom tatsächlichen Bestand eines Verlöbnisses wäre dieses nicht vom Schutz der Ehe, sondern lediglich vom Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit erfasst. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass ein solches erst dann dem Schutz der Familiengemeinschaft unterfällt, wenn bereits ein Termin zur Eheschließung zeitnah bestimmt oder zumindest verbindlich bestimmbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.5.2021 – 10 CE 21.1228 – juris Rn. 20). Hierzu ist nichts vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Es liegt auch kein schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vor, da der Antragsteller seit dem 27. Februar 2023 nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, sondern lediglich einer Fiktionsbescheinigung ist und der Antrag auf Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis im streitgegenständlichen Bescheid abgelehnt worden ist (§ 55 Abs. 3 AufenthG). Es ist zwar zu berücksichtigen, dass sich der Antragsteller seit Januar 2013 rechtmäßiger Weise im Bundesgebiet aufhält und mit Unterbrechungen seit Januar 2016 erwerbstätig ist, diese wirtschaftliche Integration sowie die sonstigen sozialen Bindungen des Antragstellers im Bundesgebiet konnten ihn jedoch auch in der Vergangenheit nicht davon abhalten, Rechtsverstöße zu begehen.
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In die Abwägung sind nur solche zielstaatsbezogenen Umstände einzubeziehen, die nicht der Prüfung durch das Bundesamt in einem Asylverfahren vorbehalten sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.2.2022 – 1 C 6.21 – juris Rn. 34). Entgegen dem Vortrag des Bevollmächtigten des Antragstellers ist im Rahmen der Abwägungsentscheidung daher nicht zu berücksichtigen, ob dem Antragsteller bei Rückkehr in sein Heimatland eine grausame oder unmenschliche Behandlung droht. Die spezial- und generalpräventiven Zwecke der Ausweisung können ferner durch die Verschlechterung der aufenthaltsrechtlichen Situation und die damit einhergehende Verhinderung einer Aufenthaltsverfestigung auch bei einer sog. inlandsbezogenen Ausweisung erreicht werden, wenn eine Abschiebung aufgrund eines Abschiebungsverbots auf absehbare Zeit nicht möglich ist (vgl. BayVGH, B.v. 27.7.2021 – 10 C 21.1318 – juris Rn. 6, B.v. 5.10.2021 – 10 ZB 21.1725 – juris Rn. 15).
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Somit wird sich die Ausweisung im Fall des Antragstellers auch unter Berücksichtigung der besonderen Härte als verhältnismäßig und nicht grundrechtsverletzend erweisen.
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1.2.2 Die Abschiebungsandrohung nach § 59 Abs. 1, 2 AufenthG wird sich voraussichtlich als rechtmäßig und nicht rechtsverletzend erweisen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dem Erlass der Abschiebungsandrohung steht insbesondere nicht das mit Bescheid des Bundesamts vom 26. April 2022 festgestellte Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans entgegen.
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Der nationale Gesetzgeber hat durch die Änderung des § 59 AufenthG mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rückführung vom 21. Februar 2024 mit Wirkung zum 27. Februar 2024 von der Opt-Out-Möglichkeit gemäß Art. 2 Abs. 2 der RL 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie) Gebrauch gemacht. Der Antragsteller ist infolge einer strafrechtlichen Verurteilung im Sinne von § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausreisepflichtig, weshalb er nicht in den Anwendungsbereich der Regelungen der Rückführungsrichtlinie fällt und eine Abschiebungsandrohung auch im Hinblick auf die europarechtlichen Vorgaben ergehen durfte. Auch Belange nach § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich.
36
1.2.3 Der Erlass und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 3 und 5 AufenthG mit einer Dauer von sechs Jahren ab dem Tag der Abschiebung oder Ausreise werden sich ebenfalls voraussichtlich als rechtmäßig und nicht rechtsverletzend erweisen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insbesondere liegt dem Einreise- und Aufenthaltsverbot eine wirksame Rückkehrentscheidung in Form einer Abschiebungsandrohung zugrunde.
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Ermessensfehler im Rahmen der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, auf die die gerichtliche Überprüfung insoweit beschränkt ist (§ 114 Satz 1 VwGO), sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die behördliche Entscheidung hält sich in dem von bei Ausweisungen aufgrund von Strafverurteilungen gem. § 11 Abs. 5 AufenthG festgelegten Rahmen und berücksichtigt die persönlichen und wirtschaftlichen Bindungen des Antragstellers.
38
1.2.4 Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
39
Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis u.a. erteilt werden, wenn – wie im Fall des Antragstellers – ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt. Nach § 25 Abs. 3 Satz 3 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis aber unter anderem dann nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat (Nr. 2) oder eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt (Nr. 4).
40
Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 Satz 3 AufenthG sind erfüllt, da es sich bei der vom Antragsteller begangenen Straftat, die mit Urteil des Amtsgerichts Ingolstadt vom 22. Februar 2023 geahndet wurde, um eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne dieser Norm handelt. Es kann im Übrigen dahinstehen, ob der Antragsteller auch eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt.
41
Bei einer Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne von § 25 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 AufenthG muss es sich um ein Kapitalverbrechen oder eine sonstige Straftat handeln, die in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert ist und entsprechend strafrechtlich verfolgt ist (vgl. BVerwG, U.v. 25.03.2015 – 1 C 16.14 – juris Rn. 27; BayVGH, U.v. 20.3.2013 – 19 BV 11.288 – juris Rn. 54). Nach den Ausführungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz (AufenthGAVwV – Ziffer 25.3.8.2.1f.) liegt eine Straftat von erheblicher Bedeutung vor, wenn die Straftat mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität angehört, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Zur Bewertung der konkreten Tat können als Anhaltspunkte auf die Tatausführung, das verletzte Rechtsgut, die Schwere des eingetretenen Schadens sowie die von dem Straftatbestand vorgesehene Strafandrohung abgestellt werden. Eine Straftat von erheblicher Bedeutung liegt grundsätzlich bei schweren Verbrechen wie z.B. Mord, Totschlag, Raub, Kindesmissbrauch, Entführung, schwerer Körperverletzung, Brandstiftung und Drogenhandel vor (vgl. Kluth/Heusch in: BeckOK, Ausländerrecht 42. Ed. Stand: 1.7.2024, § 25 Rn. 53.5).
42
Hieran gemessen stellt das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, welches mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr geahndet wird und mithin nach § 12 Abs. 1 StGB ein Verbrechen darstellt und vorliegend zu einer Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten geführt hat, eine Straftat von erheblicher Bedeutung dar.
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Im Übrigen steht der Erteilung eines sonstigen Aufenthaltstitels ein Ausweisungsinteresse (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) sowie die ausweisungsbedingte Titelerteilungssperre entgegen (§ 11 Abs. 1 Satz 3 a.E. AufenthG).
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2. Damit ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO anzulehnen.
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3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.1.1, 1.5, 8.1 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.