Titel:
Einstweilige Anordnung (Stattgabe), Hilfe für junge Volljährige, teilbetreutes Wohnen, Bedarfsermittlung, Sozialpädagogische Fachlichkeit, Hilfeplanverfahren
Normenketten:
VwGO § 123
SGB VIII § 34
SGB VIII § 36
SGB VIII § 41
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung (Stattgabe), Hilfe für junge Volljährige, teilbetreutes Wohnen, Bedarfsermittlung, Sozialpädagogische Fachlichkeit, Hilfeplanverfahren
Fundstelle:
BeckRS 2025, 749
Tenor
I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig die bis zum 31. Dezember 2024 gewährte Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII in Verbindung mit § 34 SGB VIII weiterzubewilligen.
II. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, für die Zeit ab dem 28. März 2025 den bestehenden Hilfebedarf der Antragstellerin im Rahmen eines ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Hilfeplanverfahrens zu ermitteln und Hilfemaßnahmen vor Ablauf dieses Datums festzulegen.
III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners, ihr weiterhin Hilfe für junge Volljährige in Form des teilbetreuten Wohnens zu gewähren.
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Die am ... März 2006 geborene Antragstellerin afghanischer Staatsangehörigkeit reiste am 13. September 2023 als unbegleitete minderjährige Ausländerin in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie war im Besitz eines griechischen Aufenthaltstitels und Flüchtlingspasses. Mit Bescheid vom 25. September 2023 der Landesstelle des Freistaates Bayern für die Verteilung von unbegleiteten ausländischen Kindern und Jugendlichen oder die Antragstellerin dem Antragsgegner gemäß § 42b Abs. 3 SGB VIII zugewiesen. Sie befindet sich weiterhin im Asylverfahren und hat zuletzt am 28. März 2024 eine Aufenthaltsgestattung bis zum 28. März 2025 erhalten.
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Der Antragsgegner leistete zunächst gegenüber dem, mit Beschluss vom 28 September 2023 des Amtsgerichts Landshut bestellten, Vormund Hilfe zur Erziehung gemäß § 27, 34 SGB VIII in Form des teilbetreuten Wohnens. Ab der Volljährigkeit der Antragstellerin leistete der Antragsgegner ihr gegenüber jeweils auf wenige Wochen bzw. Monate befristete Hilfe für junge Volljährige in Form des teilbetreuten Wohnens.
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Die die Antragstellerin betreuende Einrichtung führte im Hilfeprozessbericht vom 1. August 2024 zusammenfassend aus, dass aus Sicht der pädagogischen Fachkräfte auch in Zukunft die Begleitung der Antragstellerin für deren weitere Entwicklung dringend notwendig sei, auch um das bisher Erreichte weiterhin zu stabilisieren und nicht zu gefährden. Am 6. August 2024 fand wohl ein Hilfeplangespräch statt. In einer internen Stellungnahme des Jugendamts des Antragsgegners an das Büro des Landrats des Antragsgegners vom 7. August 2024 wird zusammenfassend ausgeführt, dass die aktuelle Hilfemaßnahme aus fachlich-pädagogischen Gründen weiterhin als dringend notwendig erachtet und eine Verlängerung der Hilfemaßnahme bis zum 28. März 2025 dringend befürwortet werde. Am 23. August 2024 wurde dieser Vermerk durch das Büro des Landrats mit der Anmerkung „Begrenzung auf 31. Dezember 2024“ gegengezeichnet. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 5. September 2024 wurde daraufhin gegenüber der Antragstellerin die Hilfe für junge Volljährige ab 2. September 2024 weiterhin in Form der Unterbringung in einer teilbetreuten Wohngruppe bis auf weiteres, längstens bis 31. Dezember 2024, gewährt.
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Gemäß einem Aktenvermerk vom 3. Dezember 2024 teilte die zuständige Fachkraft des Antragsgegners der die Antragstellerin betreuenden Einrichtung mit, dass aufgrund einer Entscheidung des Landrats „für alle über 18-jährigen UMA“ die stationäre Unterbringung beendet werde und im Januar ein Umzug in eine Gemeinschaftsunterkunft erfolgen müsse.
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Die Antragstellerin beantragte gegenüber dem Antragsgegner mit Schreiben vom 30. Dezember 2024 die Weitergewährung der bisher bewilligten Hilfe.
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Mit Schreiben vom 8. Januar 2025 des Antragsgegners an die, die Antragstellerin betreuenden Einrichtung wurde mitgeteilt, dass eine Verlängerung der stationären Unterbringung der Antragstellerin nicht erfolgen werde. Aufgrund der Feiertage sei der tatsächliche Umzug der Antragstellerin für die 2. bzw. 3. Kalenderwoche geplant. Der Einrichtung werde daher ab 1. Januar 2025 die Übernahme der Kosten der weiteren Unterbringung bis zum Umzugstermin, allerdings längstens bis zum 31. Januar 2025 zugesichert. Mit E-Mail vom 9. Januar 2025 des Antragsgegners an die Einrichtung wurde mitgeteilt, dass der Umzug der Antragstellerin am 14., spätestens zum 15. Januar 2025 stattfinden müsse. Zudem wurde in einer internen Stellungnahme des Jugendamtes des Antragsgegners an das Büro des Landrats vom 9. Januar 2025 die Bewilligung einer ambulanten Hilfe für junge Volljährige für die Antragstellerin nach §§ 41, 30 SGB VIII vom 1. Januar bis 28. März 2025 mitgeteilt.
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Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2025, eingegangen am 10. Januar 2025, beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht München sinngemäß,
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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, die bisher gewährte Hilfe weiter zu gewähren.
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Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass die Antragstellerin einen Antrag auf Weitergewährung der stationären Jugendhilfe sowie einen Widerspruch gegen die Beendigung der bisherigen Hilfemaßnahme gestellt habe. Die Beendigung der stationären Jugendhilfe sei auch aus Sicht der Bezugspädagoginnen pädagogisch unzumutbar, da sich dies in besonderem Maße negativ auf ihre psychosoziale Entwicklung sowie persönliche Integration auswirken werde. Der Hilfebedarf der Antragstellerin werde bewusst und ohne Überprüfung missachtet.
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Mit Schreiben vom 10. Januar 2025 legte die die Antragstellerin betreuende Einrichtung „Widerspruch gegen die Einstellung der befristeten Bewilligung der stationären Jugendhilfe“ ein.
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Mit Beschluss vom 14. Januar 2025 wurde der Rechtsstreit gemäß § 6 VwGO zu Entscheidung auf die Einzelrichterin übertragen. Zudem wurde mit Beschluss vom 14. Januar 2025 der Antragsgegner vorläufig bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag nach § 123 VwGO verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig die bisher gewährte Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII in Verbindung mit § 34 SGB VIII weiter zu bewilligen (sog. Schiebebeschluss).
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Der Antragsgegner legte die Behördenakten elektronisch vor und führte mit Schriftsatz vom 15. Januar 2025 aus, dass der Antrag auf einstweilige Anordnung unzulässig sei, da die Antragstellerin auch Widerspruch eingelegt habe. Zudem obliege die Entscheidung über die geeignete Maßnahme dem Jugendamt. Die Auswahl der Hilfe richte sich nach der individuellen Situation des jungen Menschen. Die Antragstellerin werde nicht in die Obdachlosigkeit entlassen. Für sie werde ein Platz in einer dezentralen Unterkunft organisiert, dort erhalte sie weiterhin Unterstützung durch geeignete ambulante Helfer. Eine Antragstellung unterblieb.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der entsprechend § 88 VwGO ausgelegte Antrag hat Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete streitige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO.
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Für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds ist grundsätzlich Voraussetzung, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, eine Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2011 – 12 CE 11.2215 – juris Rn. 6).
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Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Mit der von der Antragstellerin begehrten Entscheidung wird die Hauptsache aber – zumindest teilweise – vorweggenommen. In einem solchen Fall sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifiziert hohe Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache – jedenfalls dem Grunde nach – spricht und der Antragsteller ohne die einstweilige Anordnung unzumutbaren Nachteilen ausgesetzt wäre (BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66 – juris Rn. 4).
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Nach diesen Maßgaben hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
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Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII i.V.m. 34 SGB VIII, dem vorliegend allein durch die teilbetreute Unterbringung in der, die Antragstellerin auch bisher betreuenden Einrichtung Rechnung getragen werden kann, ausreichend glaubhaft gemacht. Zudem hat die Antragstellerin einen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner auf Grundlage eines ordnungsgemäßen Hilfeplanverfahrens den Hilfebedarf der Antragstellerin ab dem 28. März 2025 rechtzeitig ermittelt und darauf beruhend eine im Rahmen der sozialpädagogischen Fachlichkeit getroffene Hilfemaßnahme vor Ablauf dieses Datums festlegt.
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Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig.
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Insbesondere ist der Antrag nicht – wie offenbar der Antragsgegner meint – aufgrund des „Widerspruchs“ der die Antragstellerin betreuenden Einrichtung vom 10. Januar 2025 unzulässig. Zum einen ist dieser Widerspruch bereits nicht von der Antragstellerin eingelegt, sondern ausschließlich von der Einrichtung, sodass er auch nicht der Antragstellerin zuzurechnen ist. Zudem könnte selbst ein von der Antragstellerin eingelegter entsprechender „Widerspruch“ den vorliegenden Antrag nicht unzulässig werden lassen. Vielmehr wäre ein solcher „Widerspruch“ der Antragstellerin „gegen die Einstellung der befristeten Bewilligung der stationären Jugendhilfe“ bereits mangels insoweit vorliegenden Verwaltungsaktes unzulässig. Senn der Bescheid des Antragsgegners vom 5. September 2024, mit dem eine Befristung der Hilfegewährung längstens bis zum 31. Dezember 2024 ausgesprochen wurde, ist mangels Anfechtung bestandskräftig. Damit ist auch die dort geregelte Befristung bestandskräftig und kann nicht mehr isoliert angefochten werden (vgl. hierzu ausführlich: VG München, B.v. 22.4.2022 – M 18 E 22.1862 – juris). Eine weitere Bewilligung der begehrten Jugendhilfeleistung über den 31. Dezember 2024 kann daher ausschließlich über eine neue Antragstellung und Verbescheidung erreicht werden. Nach den vorgelegten Behördenakten ist davon auszugehen, dass dem Antragsgegner rechtzeitig vor Ablauf der Befristung bekannt war, dass die Antragstellerin weiterhin die Bewilligung begehrt, sodass von einer ausreichenden Antragstellung auszugehen ist; ein Formerfordernis besteht für die Antragstellung nicht (vgl. BVerwG, B.v. 17.2.2011 – 5 B 43/10 – juris Rn. 6). Der Antragsgegner hat über diesen Antrag bisher nicht förmlich entschieden. Um eine zeitnahe Hilfe zu erreichen, bedarf die Antragstellerin daher des gerichtlichen Rechtsschutzes durch einen Antrag nach § 123 VwGO auf einstweilige Anordnung.
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Zudem ist der vorliegende Antrag auch begründet. Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht.
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Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erhalten junge Volljährige geeignete und notwendige Hilfe, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden, § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Abs. 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 SGB VIII entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten, des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt, § 41 Abs. 2 SGB VIII.
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Grundsätzlich unterliegt die Entscheidung über die Erforderlichkeit und Geeignetheit einer bestimmten Hilfemaßnahme nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung einem kooperativen, sozialpädagogischen Entscheidungsprozess unter Mitwirkung des betroffenen Hilfeempfängers und der Fachkräfte des Jugendamtes, welche nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, sondern nur eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten muss, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss (sog. sozialpädagogische Fachlichkeit). Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich in diesem Fall darauf zu beschränken, ob allgemeingültige fachliche Maßstäbe beachtet wurden, keine sachfremden Erwägungen eingeflossen und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind. Die Entscheidung über die Geeignetheit und Notwendigkeit einer bestimmten Hilfemaßnahme ist damit gerichtlich nur auf ihre Vertretbarkeit hin überprüfbar (BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 12 C 16.2159 – juris Rn. 11 m.w.N.).
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Will ein Betroffener – wie hier die Antragstellerin – die Verpflichtung des Jugendhilfeträgers zur Durchführung einer bestimmten Hilfemaßnahme im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erwirken, muss er im Hinblick auf den im Rahmen der sozialpädagogischen Fachlichkeit bestehenden Beurteilungsspielraum des Jugendamts darlegen und glaubhaft machen, dass allein die beanspruchte Hilfemaßnahme zur Deckung des Hilfebedarfs erforderlich und geeignet ist (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2017 – 12 C 16.1693 – juris Rn. 8; B.v. 17.8.2015 – 12 AE 15.1691 – juris Rn. 31; B.v. 21.2.2013 – 12 CE 12.2136 – juris Rn. 30).
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Ein grundsätzlicher Bedarf der Antragstellerin auf Hilfe zur Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenständigen Lebensführung im Sinne des § 41 Abs. 1 SGB VIII ist vorliegend – auch nach der Stellungnahme des Antragsgegners vom 15. Januar 2025 – unstreitig. Allerdings erachtet der Antragsgegner nicht die Weitergewährung der teilbetreuten Unterbringung nach § 34 SGB VIII als erforderlich, sondern eine Hilfe in Form der Erziehungsbeistandschaft gemäß § 41 i.V.m. § 30 SGB VIII als ausreichend.
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Diese Entscheidung steht im direkten Widerspruch zu der aufgrund sozialpädagogische Fachlichkeit getroffenen Beurteilung des Jugendamtes des Antragsgegners (vgl. hierzu: VG München, B.v. 30.8.2024 – M 18 E 24.4980 – juris m.w.N.; VGH BW, B.v. 23.5.2023 – 12 S 457/23 – juris Rn. 20 ff.) und ist damit nicht vertretbar.
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In dem von mehreren Fachkräften des Jugendamtes getragenem internen Vermerk vom 7. August 2024 erfolgt die Feststellung, dass für die Antragstellerin die Bewilligung der Hilfe für junge Volljährige in Form des teilbetreuten Wohnens weiterhin dringend bis 28. März 2025 erforderlich scheint. Dem Gericht liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Beurteilung nicht auf Grundlage sozialpädagogische Fachlichkeit getroffen wurde. Vielmehr ist aus den Behördenakten eindeutig erkennbar, dass die Verweigerung der Weiterbewilligung der Hilfe über den 31. Dezember 2024 unabhängig von jeder sozialpädagogischen Beurteilung ausschließlich aus politischen Gründen getroffen wurde. Der Antragsgegner hat damit die Grundzüge des Jugendhilferechts verkannt und sich über Grundsätze des Hilfeverfahrens hinweggesetzt (vgl. hierzu: VG München, U.v. 7.7.2021 – M 18 K 18.2218 – juris Rn. 97 ff.). Die Entscheidung des Antragsgegners kann daher unter keinerlei Gesichtspunkten als rechtmäßig erachtet werden.
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Nachdem vorliegend nach der sozialpädagogischen Beurteilung des Antragsgegners die Weiterbewilligung der Hilfe in Form des teilbetreuten Wohnens bis zum 28. März 2025 bereits hinreichend nachvollziehbar als erforderlich angesehen wurde, hat sich der Beurteilungsspielraum des Antragsgegners vorliegend mindestens bis zu diesem Datum auf diese Maßnahme beengt und die Antragstellerin daher einen Anspruch hierauf.
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Zudem sieht es das Gericht aufgrund der Erkenntnisse aus den vorgelegten Behördenakten als erforderlich an, den Antragsgegner auch für die Zeit nach dem 28. März 2025 zu einem rechtmäßigen Verfahren durch eine entsprechende Verpflichtung (Ziffer 2 des Tenors) anzuhalten, um die Rechte der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren ausreichend zu schützen.
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Der Antragsgegner wird daher verpflichtet, rechtzeitig – d. h. vor Ablauf eines befristeten Bewilligungsbescheides – ein ordnungsgemäßes Hilfeplanverfahren durchzuführen und entsprechend einer Entscheidung aufgrund sozialpädagogische Fachlichkeit über weitere Maßnahmen durch Bescheid zu entscheiden.
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Die Antragstellerin hat zudem einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
34
Zwar hat der Antragsgegner für die Antragstellerin einen Wohnplatz in einer dezentralen Unterkunft organisiert, so dass die Antragstellerin damit nicht in die Obdachlosigkeit entlassen würde. Mit dieser Unterbringungsform verkennt der Antragsgegner jedoch die Bedürfnisse der Antragstellerin. Der den Grundsätzen des Jugendhilferechts widersprechende vorgesehene abrupte Abbruch der bisher durch das Jugendamt des Antragsgegners fachgerecht und erkennbar erfolgreich geleisteten Jugendhilfe könnte dazu führen, bereits Erreichtes wesentlich zu gefährden. Dies ergibt sich sowohl aus dem Telefonvermerk des Antragsgegners vom 4. Dezember 2024, wonach die Einrichtung ausgeführt habe, dass die Entscheidung des Antragsgegners ein pädagogisches Desaster sei und der Antragstellerin emotional sehr zusetzen würde. Die Beendigung der Hilfe würde den gesamten Fortschritt gefährden. Die Einrichtung überlege daher, die Antragstellerin unter Verzicht auf die Wohnkosten weiter bei sich wohnen zu lassen und zu betreuen. Zudem führt die zuständige sozialpädagogische Fachkraft in einer internen Stellungnahme vom 11. Dezember 2024 aus, dass ein abrupter Umzug inklusive reduzierter Unterstützung äußerst kontraproduktiv wäre und sich negativ auf das Wohlbefinden sowie die Integration der Antragstellerin auswirken würde. Vor diesem Hintergrund hat die Antragstellerin auch die entsprechende Eilbedürftigkeit ausreichend glaubhaft gemacht.
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Dem Antrag war daher vollumfänglich stattzugeben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.