Inhalt

OLG München, Hinweisbeschluss v. 30.01.2025 – 16 UF 577/24 e
Titel:

Zugewinnausgleich, Auskunftserteilung, Antragsgegner, Gesellschaftsanteil, Eigentumswohnung, Ehevertrag, Betriebsvermögen, Auskunftsanspruch, Ausgleichsanspruch, Vermögensverzeichnis, Auskunftsverpflichtung, Kapitalrücklage, Sonderbetriebsvermögen, Anfangs- und Endvermögen, Vermögensgegenstände, Veräußerung, Hinweisbeschluss, Zugewinngemeinschaft, Ehegatten, Vermögenswert

Schlagworte:
Zugewinnausgleich, Ehevertrag, Auskunftsverpflichtung, Surrogate, Vermögensverzeichnis, Vermögensabgrenzung, Güterrecht
Vorinstanz:
AG München vom -- – 566 F 7857/21
Fundstelle:
BeckRS 2025, 740

Tenor

Der Senat weist zum derzeitigen Sach- und Streitstand auf Folgendes hin.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz über die Verpflichtung des Antragstellers zur Erteilung von Auskunft über den Bestand und Wert seines Endvermögens sowie seines Vermögens zum Zeitpunkt der Trennung, nachdem das Amtsgericht mit Teilbeschluss vom 19.3.2024 die im Verbundverfahren in der Folgesache Güterrecht gestellten Auskunftsanträge jeweils mit der Begründung, der Auskunftsanspruch sei bereits erfüllt worden, zurückgewiesen hat.
2
Die Beteiligten schlossen am ...2003 die Ehe, leben seit 1.8.2020 getrennt, der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 28.8.2021 zugestellt.
3
Mit notariellem Ehevertrag des Notars … vom 27.4.2017 modifizierten die Eheleute den gesetzlichen Güterstand dahingehend, dass ein Zugewinnausgleich nicht stattfindet hinsichtlich der „jetzigen und künftigen“ Gesellschaftsanteile des Ehemannes an der … GmbH mit dem Sitz in M. sowie an der … UG mit dem Sitz in M. Die Herausnahme aus dem Zugewinnausgleich erstreckt sich dabei auch auf Surrogate für die vorgenannten Vermögensgegenstände. Weiter wurde geregelt, dass auf Verlangen eines Ehegatten ein Verzeichnis der vom Zugewinnausgleich ausgenommenen Vermögensgegenstände einschließlich aller darauf bezogenen Veränderungen aufzustellen und dieses fortlaufend fortzuführen ist.
4
Der Antragsteller hat Auskunft erteilt mit Schriftsätzen seines Verfahrensbevollmächtigten vom 28.2.2023 und 10.8.2023, wobei darauf hingewiesen wurde, dass sich die Auskunft ausschließlich auf auskunftspflichtiges Vermögen beschränkt. Der Antragsteller hat seine Gesellschaftsanteile im Jahr 2019 veräußert und davon Darlehensverbindlichkeiten zurückgeführt sowie Surrogate angeschafft, nach seiner Mitteilung zwei Eigentumswohnungen sowie Geldanlagen – wobei diese Mitteilung nicht Gegenstand der Auskunft zum Endvermögen bzw. Vermögen zum Trennungszeitpunkt ist.
5
Die Antragsgegnerin meint, die Auskunft des Antragstellers sei nicht vollständig, da diese keine Auskunft über die Surrogate aus dem Verkauf der Anteile an der … GmbH enthält. Die Behauptung des Antragstellers, alles sei Surrogat könne aufgrund der Kapitalbewegungen nicht stimmen. Die Auskünfte zu … e.K. und … GmbH fehle vollständig, ebenso zur Lebensversicherung bei der Heidelberger mit der …. Es sei auch nicht erkennbar, aus welchem Vermögen er am 10.7.2014, 26.5.2015, GmbH 12.10.2015 und am 4.8.2016 Kapitalrücklagen für die … GmbH geleistet hat, aus welchem Vermögen die beiden Immobilien in Prien und München bezahlt wurden.
6
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, der Antragsteller sei weiter zur Auskunftserteilung verpflichtet. Die Antragsgegnerin müsse in die Lage versetzt werden, zu erkennen, ob Vermögen dem Zugewinn unterliegt oder nicht. Die Pflicht zur Auskunft entfalle nur, wenn sich diese unter keinen Umständen auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs auswirken kann. Für Vermögensgegenstände, die ehevertraglich vom Zugewinnausgleich ausgenommen sind, gelte dies daher ausschließlich, wenn sie sich eindeutig vom nicht ausgeschlossenen Vermögen abgrenzen lassen. Die Pflicht zu Erteilung der Auskunft beziehe sich insbesondere auch auf Surrogate der vom Zugewinn ausgenommenen Vermögenspositionen, denn die Behauptung, es handle sich um ein solches Surrogat, müsse überprüfbar sein.
7
Die Antragsgegnerin beantragt daher (zusammenfassend dargestellt), Ziffer 1 des Teilbeschlusses des Amtsgerichts München vom 7.5.2024 aufzuheben und den Antragsgegner zur Auskunftserteilung zu verpflichten über Bestand und Wert seines Endvermögens sowie seines Vermögens zum Zeitpunkt der Trennung durch Vorlage eines vollständigen, systematisch nach Aktiva und Passiva gegliederten Bestandsverzeichnisses sowie über sämtliche Surrogate aus dem Verkauf der … GmbH, die Beteiligungsquote an dieser Gesellschaft sowie die Herkunft der für die Gesellschaftsbeteiligung geleisteten Kapitalrücklagen (nach Datum konkretisiert) sowie über die Herkunft der Mittel, mit welchen die Eigentumswohnungen in München und Prien am Chiemsee erworben wurden. Weiter beantragt die Antragsgegnerin den Antragsteller zu verpflichten, die Auskunft durch Vorlage geeigneter Nachweise zu belegen.
8
Der Antragsteller beantragt (zusammenfassend dargestellt) die Beschwerde zurückzuweisen.
9
Der Antragsteller bringt vor, er habe, wie das Erstgericht zutreffend festgestellt habe, eine vollständige Auskunft erteilt.
10
Er ist der Auffassung, er sei zu einer Auskunft hinsichtlich der Surrogate nicht verpflichtet, da diese, von der Antragsgegnerin gewünschte umfassende Aufkunftsverpflichtung, den Regelungen im Ehevertrag widerspräche. Dass die Antragsgegnerin nicht beurteilen könne, was Surrogat sei, sei ihr selbst zuzuschreiben, da sie es versäumt habe, den im Ehevertrag enthaltenen Anspruch, vom Antragsteller eine Aufstellung und Fortführung eines Verzeichnisses zu verlangen, während intakter Ehe geltend zu machen. Das Versäumnis der Antragsgegnerin könne nicht zu Lasten des Antragstellers gehen.
II.
11
Der Anspruch der Antragsgegnerin auf Auskunft ergibt sich dem Grundsatz nach aus § 1379 Abs.1 BGB. Da ein Antrag auf Scheidung der Ehe vorliegt, können die Ehegatten vom jeweils anderen zum einen Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung verlangen, zum anderen Auskunft über das Vermögen, soweit es für die Berechnung des Anfangs- und Endvermögens maßgeblich ist. Es ist damit nicht nur der vorhandene Vermögensbestand mitzuteilen, sondern die Auskunftspflicht erstreckt sich auf alle Umstände, die für die Berechnung der Vermögensmassen relevant sind.
12
Die Pflicht zur Auskunft entfällt nur, wenn sich diese unter keinen denkbaren Umständen auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs auswirken kann (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2013 – XII ZB 534/12, FamRZ 2014, 368 Rn. 29 mwN). Dies gilt etwa bei Vermögenspositionen, die vom Zugewinnausgleich – etwa aufgrund einer wirksamen ehevertraglichen Regelung – ausgeklammert wurden (vgl. BeckOK-BGB/Scheller/ Sprink, § 1379 Rn. 7), jedenfalls, wenn sie sich eindeutig vom nicht ausgeschlossenen Vermögen abgrenzen lassen (OLG Celle Beschl. v. 27.2.2024 – 10 UF 40/23, BeckRS 2024, 21621 Rn. 9, beck-online). Es fehlt in diesen Fällen an der Berechnungsrelevanz (vgl. BeckOK BGB/Scheller/Sprink, 72. Ed. 1.11.2024, BGB § 1379 Rn. 7, beck-online).
13
Vorliegend haben die Ehegatten mit notariellem Ehevertrag des Notars … vom 27.4.2017 die Zugewinngemeinschaft dahingehend modifiziert, dass ein Zugewinnausgleich nicht stattfindet für die jetzigen und künftigen Gesellschaftsanteile des Ehemannes an der … GmbH mit dem Sitz in München […] und an der … UG. Die Herausnahme erstreckt sich nicht nur auf jegliches Betriebsvermögen, das zu den vorgenannten Gesellschaften gehört, alle Aktiva und Passiva der vorgenannten Unternehmen, die in der Handels- und Steuerbilanz erfasst sind und etwaige Sonderbetriebsvermögen. Die Herausnahme erstreckt sich darüber hinaus auch auf Surrogate für die vorgenannten Vermögensgegenstände, insbesondere auch im Fall der Veräußerung der Gesellschaftsanteile auf den Erlös und die Erträge hieraus. Überdies haben die Beteiligten im Ehevertrag vereinbart: „Erfolgen Verwendungen oder Investitionen auf zugewinnausgleichsfreies Vermögen des Ehemannes unter Verwendung von Mitteln aus zugewinnausgleichspflichtigem Vermögen des Ehemannes, werden diese Verwendungen oder Investitionen dem Endvermögen des Ehemannes mit dem Wert zum Zeitpunkt der Vornahme der Verwendung oder Investition und unter Ausgleich des Kaufkrat- schwundes hinzugerechnet und unterliegen deshalb dem Zugewinnausgleich.“
14
Die Beteiligung des Antragstellers an der … GmbH, die dem Grunde nach unzweifelhaft von der Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht umfasst wäre, besteht unstreitig nicht mehr.
15
Nach gegenwärtiger Auffassung des Senats hat der Antragsteller jedoch durch die bisher erteilte Auskunft seine Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht erfüllt. Der Hinweis, die Auskunft enthalte ausschließlich auskunftspflichtiges Vermögen, Surrogate seien nicht auskunftspflichtig, genügt für eine vollständige Auskunftserteilung nicht. Auskunft hinsichtlich der Surrogate, der Finanzierung der beiden Eigentumswohnungen und der Kapitalrücklagen auf die … GmbH ist vielmehr zu erteilen.
16
Wie bereits ausgeführt, besteht eine Auskunftsverpflichtung nur dann nicht, wenn die einzelne Position unzweifelhaft keinen Einfluss auf die Berechnung des Zugewinns haben kann. Um beurteilen zu können, ob Surrogate tatsächlich vom Zugewinn ausgenommen sind, muss der Auskunftsberechtigte in die Lage versetzt werden, zu beurteilen, ob es sich ganz oder ggf. nur teilweise um ein Surrogat handelt, ob also zur Anschaffung des Surrogats ausschließlich Mittel aus zugewinnausgleichsfreiem Vermögen verwendet wurden oder ggf. eine Vermengung von zugewinnausgleichsfreiem und zugewinnausgleichspflichtigem Vermögen erfolgt ist. Selbst wenn es keine Vermengung, sondern eine klare Trennung der aus Gesellschaftsbeteiligungen stammenden und anderweitigen Vermögenswerte gegeben hat, muss der Gegenseite zumindest eine Überprüfung möglich sein, ob die Angaben des zur Auskunft Verpflichteten zutreffend sind. Zudem müssen die aufgelisteten ersatzweise angeschafften Vermögenswerte so konkret benannt worden sein, dass sie gegebenenfalls auch Gegenstand einer eidesstattlichen Versicherung im Sinne von § 260 Abs. 2 BGB sein oder für einen Beleganspruch hinreichend bestimmt benannt werden können. Nur mit solchen weiteren Angaben wird die Auskunftsberechtigte in die Lage versetzt, die Vollständigkeit des Vermögensverzeichnisses abschätzen zu können (vgl. hierzu auch OLG Celle Beschl. v. 27.2.2024 – 10 UF 40/23, BeckRS 2024, 21621 Rn. 14, beck-online).
17
Diese Rechtsauffassung, die der des OLG Celle, BeckRS 2024, 21621 entspricht, steht auch nicht im Widerspruch zu der des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im Hinweisbeschluss vom 13.1.2020, NJW 2020, 1527. Das OLG Frankfurt hat dabei darauf hingewiesen, dass es nicht zu beanstanden ist, wenn sich ein Ehegatte eine Regelung zur Herausnahme von Betriebsvermögen aus dem Zugewinnausgleich zulässigerweise zunutze macht und er durch Schaffung von gewillkürtem Betriebsvermögen vormaliges Privatvermögen dem Zugewinnausgleich entzieht. Hinsichtlich derartiger „Vermögensverschiebungen“ besteht in diesem Fall kein Auskunftsanspruch des anderen Ehegatten.
18
Dieser Fall ist jedoch mit dem hier vorliegenden nicht vergleichbar. Der Antragsteller hat sein Betriebsvermögen veräußert und mit dem Erlös Surrogate erworben. Unklar ist für die Antragsgegnerin, welche Gegenstände bzw. Vermögenswerte ein Surrogat darstellen, also ausschließlich mit ausgleichsfreiem Vermögen erworben wurden. Die von der Antragsgegnerin aufgeführten, dieser bekannten Zahlen lassen in der Tat nicht erkennen, ob es sich beispielsweise bei den beiden Eigentumswohnungen in Prien und München (vollständig) um Surrogate handelt. Bei Veränderungen in der Vermögensstruktur, wie sie beim Antragsteller vorliegen, ist die Gegenseite darauf angewiesen, aufgrund einer Auskunft über die Surrogate, aber auch über die Mittelherkunft einzelner Gegenstände (Eigentumswohnungen) in den Stand versetzt zu werden, die Maßgeblichkeit der einzelnen Positionen für den Zugewinnausgleich zu beurteilen.
19
Der Rechtsauffassung des Erstgerichts, wonach sich eine Fehlbeurteilung und Ungenauigkeiten bei der Eingruppierung von Vermögensgegenständen erst im Rahmen der Versicherung an Eides statt „rächen“ würde, wird insoweit nicht gefolgt. Der Auskunftsverpflichtete hat über alle Umstände, die für die Berechnung des Zugewinnausgleichs relevant sein können, Auskunft zu erteilen.
20
Der Senat vermag gegenwärtig auch der antragstellerseits vertretenen Rechtsauffassung nicht zu folgen, die Antragsgegnerin habe es selbst verschuldet, keine Kenntnis über das ausgleichsfreie und das ausgleichspflichtige Vermögen zu haben, weil sie von dem ehevertraglich vorgesehenen Anspruch, während intakter Ehe Aufstellung und Fortführung eines entsprechenden Verzeichnisses zu verlangen, keinen Gebrauch gemacht habe. Weder aus dem Wortlaut, noch aus Sinn und Zweck der im Ehevertrag getroffenen Regelung lässt sich erkennen, dass mit dieser Vereinbarung ein partieller Verzicht auf den Auskunftsanspruch nach § 1379 BGB verbunden gewesen sein sollte. Dies ergibt sich auch aus der Zusammenschau mit der Regelung unter Ziff. 1.1 1 des Ehevertrages, nach der die Ehegatten gerade beabsichtigten, Verwendungen auf zugewinnausgleichsfreies Vermögen unter Verwendung von zugewinnausgleichspflichtigem Vermögen des Ehemannes dem Endervermögen des Ehemannes hinzuzurechnen. Damit haben sie eine Situation der Vermengung von Vermögenspositionen klar geregelt und bestimmt, dass ein Ausgleich erfolgen soll, soweit zugewinnausgleichspflichtiges Vermögen vermengt wurde. Hätte dies nur gelten sollen, wenn während intakter Ehe eine entsprechende Auskunft verlangt wurde, so wäre eine diesbezüglich klarstellende Regelung zu erwarten.
21
Damit ergibt sich nach gegenwärtiger Auffassung des Senats, dass der Antragsteller seine Auskunftsverpflichtung durch die bereits erteilte Auskunft nicht erfüllt hat. Es sind vielmehr gem. den vorstehenden Ausführungen Angaben erforderlich, welche Surrogate der Veräußerung der Gesellschaftsanteile an der … GmbH gefolgt sind und aus welchen Mitteln die beiden Eigentumswohnungen in München und Prien am Chiemsee erworben wurden. Die Antragsgegnerin hat einen Anspruch darauf, in die Lage versetzt zu werden, zu prüfen, ob es sich um ein aus ausgenommenen Vermögenspositionen finanziertes Surrogat handelt und ob das Vermögensverzeichnis vollständig abgegeben wurde.
22
Der Antragsteller hat auch Angaben zu den von der Antragsgegnerin vorgebrachten Kapitalrücklagen in den Jahren 2014 bis 2016 an der … GmbH zu tätigen, damit für die Antragsgegnerin wiederum nachvollziehbar ist, ob es sich um Mittel handelte, die aus zugewinnausgleichspflichtigem Vermögen des Ehemanns stammten.
III.
23
Der Senat regt daher an, dass der Antragsteller zur Beschleunigung des Fortgangs des Verfahrens den Antrag der Antragsgegnerin aus dem Schriftsatz vom 27. Juni 2024 mit den Maßgaben aus dem Schriftsatz vom 12. Juli 2024 (“zwei“ anstatt „drei“ Stichtage in Ziffer I.2; „1.8.2020“ anstatt „21.8.2020“ in Ziffer I.3) anerkennt.
24
Der Senat würde sodann einen entsprechenden Teil-Anerkenntnisbeschluss erlassen und das Verfahren an das Amtsgericht München zurückverweisen, sodass das Verfahren dort nach entsprechender Auskunftserteilung fortgeführt werden kann.
IV.
25
Die Beteiligten erhalten Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen zu diesem Hinweisbeschluss Stellung zu nehmen.