Inhalt

VGH München, Beschluss v. 03.04.2025 – 7 ZB 24.2067
Titel:

Qualifikationsprüfung für den Einstieg in der dritten Qualifikationsebene, Anforderungen an die Begründungspflicht der Zweitkorrektur bei abweichender Benotung, Bewertungsrügen

Normenkette:
VwGO § 124a Abs. 4 S. 4
Schlagworte:
Qualifikationsprüfung für den Einstieg in der dritten Qualifikationsebene, Anforderungen an die Begründungspflicht der Zweitkorrektur bei abweichender Benotung, Bewertungsrügen
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 06.06.2024 – AN 2 K 22.1888
Fundstelle:
BeckRS 2025, 7379

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger nahm an der Qualifikationsprüfung für den Einstieg in der dritten Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen fachlicher Schwerpunkt nichttechnischer Verwaltungsdienst an der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern im Termin 2021/1 teil.
2
Mit Prüfungszeugnis vom 4. Oktober 2021 gab ihm der Leiter des Prüfungsamts bekannt, er habe die Qualifikationsprüfung mit dem Gesamtprüfungsergebnis ausreichend (6,89 Punkte) bestanden. In Aufgabe 1 „Verwaltungshandeln“ erzielte er 8 Punkte (Erstkorrektur 9 Punkte, Zweitkorrektur 7 Punkte). Gegen das Prüfungsergebnis erhob der Kläger mit Schreiben vom 11. Januar 2022 Widerspruch, der sich gegen die Bewertung u.a. von Aufgabe 1 richtete. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2022 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die vom Kläger daraufhin erhobene Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 6. Juni 2024 ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die gerügten Korrekturen weder Begründungs- noch Bewertungsmängel aufwiesen. Während des Klageverfahrens legte die Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern eine Neubewertung von Aufgabe 1 durch die Zweitprüferin vor, die im Ergebnis jedoch bei ihrer Gesamtbewertung der Arbeit mit 7 Punkten blieb.
3
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Der Beklagte tritt dem entgegen.
4
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten und der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
5
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO sind nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
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1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
7
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
8
Durch das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren, das sich auf Einwände gegen die Bewertung von Aufgabe 1 beschränkt, wird die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Frage gestellt und es werden keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften.
9
Die Aufhebung eines Prüfungsbescheids und Verpflichtung der Prüfungsbehörde, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung der betreffenden Aufgabe fortzusetzen, setzt voraus, dass die Bewertung einer Aufgabe fehlerhaft ist und dieser Fehler Einfluss auf das Gesamtergebnis hat. Prüfungsbewertungen sind wegen des den Prüfern zustehenden Bewertungsspielraums gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (BVerwG, U.v. 24.4.1959 – VII C 104.58 – juris Rn. 18; BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 u.a. – juris Rn. 55). Der gerichtlichen Überprüfung unterliegt die Frage, ob die Prüfer anzuwendendes Recht verkannt haben, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind, allgemeingültige Bewertungsgrundsätze verletzt haben oder ob sie sich von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob die Prüfer ihre Bewertung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt haben, die einer sachlichen Überprüfung standhalten, ob sie bei ihrer Bewertung den Zweck, dem die Prüfung dient, verkannt haben und ob ferner die Bewertung in sich schlüssig und nachvollziehbar ist und den Anforderungen rationaler Abwägung nicht widerspricht. Prüfungsspezifische Wertungen bleiben dabei aber der Letztentscheidungskompetenz der Prüfer überlassen (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2009 – 7 ZB 08.996 – juris Rn. 21).
10
Hieran gemessen hat das Verwaltungsgerichts richtig entschieden.
11
a) Der Kläger wendet ein, die Zweitkorrektorin habe ihre Bewertung nicht ausreichend begründet. Sie weiche mit ihrer Bewertung von 7 Punkten deutlich von der Bewertung der Erstkorrektorin (9 Punkte) ab, deshalb hätte sie ihre Bewertung begründen müssen. Eine „solche“ Begründung der Zweitkorrektur fehle.
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aa) Diese Ausführungen genügen schon nicht den Anforderungen an die Darlegungspflicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Die Zulassungsbegründung erläutert nicht, aus welchen Gründen der Kläger die Feststellungen des Verwaltungsgerichts für ernstlich zweifelhaft hält, Begründungsdefizite seien nicht ersichtlich, sondern behauptet lediglich – wie bereits erstinstanzlich – eine fehlende Bewertungsbegründung. Der Kläger setzt sich an keiner Stelle in der vorliegend gebotenen Tiefe mit den ausführlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Begründung der Zweitkorrektorin auseinander. Substantiierte Gründe, die zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Feststellungen führen, legt er mit seinem Vorbringen nicht dar.
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b) Unabhängig davon wurde die Bewertung von Aufgabe 1 durch die Zweitkorrektorin ausreichend begründet. Die diesbezüglichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind nicht zu beanstanden.
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Das Verwaltungsgericht hat den an die Begründungspflicht anzulegenden Maßstab (vgl. hierzu BayVGH B.v. 21.7.2021 – 7 ZB 20.922 – juris Rn. 24 m.w.N.) zutreffend definiert und richtigerweise darauf hingewiesen, dass allein der Umstand, dass die Bewertung der Zweitkorrektorin vorliegend von der der Erstkorrektorin nach unten abweicht, keine gesteigerte Begründungspflicht auslöst. Weicht die Zweitkorrektur im Vergleich zur Erstkorrektur in wesentlichen Punkten ab, muss sie ihre Leistungsbewertung selbst nachvollziehbar begründen und kann sich nicht lediglich der Begründung der Erstkorrektur anschließen (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2023 – 7 ZB 23.153 – juris Rn. 20; Fischer in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 711). Nicht erforderlich ist – wie der Kläger wohl meint –, dass die Zweitkorrektur im Einzelnen ausführt, an welcher Stelle und aus welchen Gründen sie zu einer von der Erstkorrektur abweichenden Prüfungsbewertung kommt. Vorliegend hat die Zweitkorrektorin die Aufgabe 1 während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens neu bewertet; die diesbezügliche Begründung entspricht den vorgenannten Anforderungen.
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b) Soweit sich der Kläger gegen die Kritik der Prüferinnen wendet, der von ihm gefertigte Bescheid sei zu unbestimmt, weil Betreff und Tenor nicht genau genug beschrieben worden seien, verfehlt er ebenfalls die Anforderungen, die § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO an die Darlegung ernstlicher Richtigkeitszweifel stellt. Er nimmt auf die – zutreffenden – Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht einmal Bezug. Statt dem angegriffenen Urteil mithilfe fundierter juristischer Argumentation entgegenzutreten, wiederholt der Kläger lediglich sein erstinstanzliches Vorbringen. Zudem lässt er außer Acht, dass sich die Kritik der Prüferinnen („zu unbestimmt“) gerade nicht auf den gesamten Bescheid bezieht, sondern auf die Formulierung von Betreff und Tenor. Das hat die Erstkorrektorin in ihrer Stellungnahme, die dem Verwaltungsgericht mit Schriftsatz der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern vom 28. August 2023 vorgelegt wurde, explizit ausgeführt. Auch die Zweitkorrektorin bemängelt sowohl in ihrer Ausgangs- als auch in der Begründung ihrer Neubewertung ausdrücklich die fehlende Bestimmtheit der Tenorierung.
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c) Sein Einwand, nicht nachvollziehbar sei die Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Korrekturanmerkung „keine Rechtsnormen im Betreff“ stelle ein Schreibversehen der Erstkorrektorin dar, verhilft dem Kläger ebenfalls nicht zum Erfolg. Unabhängig davon, dass er auch in diesem Zusammenhang nicht im Ansatz dem Darlegungsgebot aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nachkommt, weil er es erneut unterlässt, sich mit der sorgfältigen Begründung des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen, ist vorliegend offensichtlich, dass sich die streitgegenständliche Korrekturanmerkung auf den Tenor des anzufertigenden Bescheids und nicht auf dessen Betreff bezieht. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sich die Korrekturanmerkung exakt am Korrekturrand auf Höhe der vom Kläger formulierten Tenorierung befindet, der Betreff hingegen auf der vorangegangenen Seite der klägerischen Bearbeitung steht. Zudem bemängelt die Erstkorrektorin im zweiten Satz ihrer schriftlichen Bewertung ausdrücklich die Verwendung von Rechtsnormen im Tenor.
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d) Der Kläger meint des Weiteren, es „liege auf S. 11 immer noch ein Bewertungsfehler vor. Denn dieser sei nicht geheilt worden.“ Zur Begründung dieses Einwands gibt der Kläger eine Textpassage aus dem angegriffenen Urteil (UA S. 24) wieder. Auch mit diesem Vorbringen, das jeglicher Argumentation entbehrt, legt er keine ernstlichen Zweifel i.S.v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dar.
18
2. Die Berufung ist nicht wegen eines Verfahrensmangels gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
19
Mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe es bezüglich der Neubewertung der klägerischen Prüfungsleistung durch die Zweitkorrektorin pflichtwidrig unterlassen, „selbst den Sachverhalt zu prüfen, anstatt die Ansicht der Prüferin im Rahmen der Ergänzung der Randbemerkungen einfach hinzunehmen“, rügt der Zulassungsantrag in der Sache einen Verstoß gegen die Amtsaufklärungspflicht des Verwaltungsgerichts (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insoweit kommt der Kläger den ihm nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO obliegenden Darlegungspflichten erneut nicht nach. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat. Das Unterlassen eines Beweisantrags ist nur dann unerheblich, wenn sich dem Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Ermittlung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 16.3.2011 – 6 B 47.10 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 25.10.2022 – 7 ZB 21.3047 – juris Rn. 18). Ferner muss ausgeführt werden, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können. Diese Anforderungen werden vorliegend nicht erfüllt. Der Kläger hat weder erstinstanzlich einen Beweisantrag gestellt, noch führt er substantiiert aus, inwiefern sich dem Verwaltungsgericht auf der Grundlage von dessen Rechtsauffassung, die Zweitkorrektorin habe zulässigerweise eine Neubewertung von Aufgabe 1 durchgeführt, die inhaltlich nicht zu beanstanden sei, eine weitere Aufklärung hätte aufdrängen müssen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 36.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (wie Vorinstanz).
21
Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).