Titel:
Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO in einem Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluss nach § 75 Satz 3 VwGO
Normenkette:
VwGO § 75 S. 3, § 161 Abs. 2 S. 1
Schlagwort:
Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO in einem Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluss nach § 75 Satz 3 VwGO
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 04.02.2025 – RO 9 K 24.2796
Fundstelle:
BeckRS 2025, 7372
Tenor
I. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
Gründe
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Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 18. Februar 2025 Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. Februar 2025 erhoben. Mit diesem Beschluss hat es das Verfahren des Klägers, dessen Gegenstand die Verpflichtung des Beklagten zu seiner Einbürgerung (gewesen) ist, bis 30. Mai 2025 ausgesetzt.
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Dem Kläger wurde am 14. März 2025 eine Einbürgerungsurkunde ausgehändigt. Nachdem die Beteiligten das Klageverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, stellte das Verwaltungsgericht dieses mit Beschluss vom 21. März 2025 ein; es entschied weiter, dass der Beklagte die Kosten des (Klage-)Verfahrens trägt.
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Mit Schriftsätzen vom 19. März 2025 und 24. März 2025 haben die Beteiligten auch das Beschwerdeverfahren für erledigt erklärt.
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1. Die Entscheidung ergeht durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 1 Nr. 3, 4 und 5, Abs. 3 VwGO in entsprechender Anwendung; vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 5.3.2019 – OVG 3 L 67.17 – juris Rn. 10; auch BayVGH, B.v. 13.4.2018 – 4 CE 18.88 – juris Rn. 1).
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2. Nachdem die Beteiligten das Beschwerdeverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist es entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 5.3.2019 – OVG 3 L 67.17 – juris Rn. 1; SächsOVG, B.v. 8.3.2013 – 1 E 93/12 – juris Rn. 2; auch BayVGH, B.v. 13.4.2018 – 4 CE 18.88 – juris Rn. 1; VGH BW, B.v. 8.3.2023 – 4 S 1022/22 – juris Rn. 2).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
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a) In der vorliegenden Fallgestaltung hat eine Kostenentscheidung zu ergehen.
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Die Notwendigkeit folgt allerdings nicht bereits daraus, dass zu bestimmen ist, welcher Beteiligte die Gerichtsgebühr zu tragen hat. Denn ein übereinstimmend für erledigt erklärtes Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluss nach § 75 Satz 3 VwGO ist gerichtsgebührenfrei. Insbesondere fällt keine Festgebühr nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) an (a.A. wohl – allerdings ohne Begründung – OVG Bremen, B.v. 2.8.2024 – 1 S 195/24 – juris Rn. 5). Im Fall übereinstimmender Erledigungserklärungen wird die Beschwerde weder verworfen noch zurückgewiesen (vgl. auch OVG Berlin-Bbg, B.v. 5.3.2019 – OVG 3 L 67.17 – juris Rn. 9, das darauf abstellt, dass die Beschwerde wohl erfolgreich gewesen wäre).
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In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird zur Begründung der Notwendigkeit einer Kostenentscheidung bei Beschwerden gegen die Aussetzung des Verfahrens nach § 75 Satz 3 VwGO – auch in Fällen, in denen das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei ist, – darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Beschwerdeverfahren um ein streitiges Zwischenverfahren handelt (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 5.3.2019 – OVG 3 L 67.17 – juris Rn. 2; SächsOVG, B.v. 8.3.2013 – 1 E 93/12 – juris Rn. 2; jeweils Konstellation der Einstellung des Beschwerdeverfahrens nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen; ferner VGH BW, B.v. 26.11.2010 – 4 S 2071/10 – juris Rn. 5; NdsOVG, B.v. 25.3.2014 – 7 OB 7/14 – juris Rn. 10; jeweils Konstellation einer erfolgreichen Beschwerde; auch BayVGH, B.v. 24.2.2025 – 5 C 25.41 – juris Rn. 6; HessVGH, B.v. 20.8.2024 – 3 B 1062/24 – juris Rn. 23; OVG RhPf, B.v. 18.2.2025 – 7 E 11394/24.OVG – juris Rn. 22; jeweils Konstellation einer erfolglosen Beschwerde). Mit der Aussetzung nach § 75 Satz 3 VwGO werde eine materielle Entscheidung über das Vorliegen eines zureichenden Grundes für die Verzögerung der Antragsbescheidung getroffen und somit im Fall der Rechtskraft für das gesamte weitere Verfahren bindend das Vorliegen eines solchen Grundes festgestellt (vgl. – auch zum Folgenden – OVG Berlin-Bbg, B.v. 5.3.2019 – OVG 3 L 67.17 – juris Rn. 2). Durch die Aufhebung des für den Beklagten möglicherweise materiell-rechtlich wie prozessual – etwa mit Blick auf § 161 Abs. 3 VwGO – günstigen Aussetzungsbeschlusses würde er folglich zum unterliegenden Teil i.S. des § 154 Abs. 1 VwGO. Dadurch unterscheide sich die vorliegende Konstellation von Beschwerdeverfahren sonstiger Art, die nichtstreitige Zwischenverfahren darstellten und bei denen sich die Beteiligten nicht als Gegner gegenüberstünden wie bei Beschlüssen über die Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO.
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Dass der Charakter des Verfahrens als streitiges Zwischenverfahren als solcher die Notwendigkeit einer Kostenentscheidung zu begründen vermag, erschließt sich nicht ohne Weiteres. Mit einer Kostenentscheidung soll geregelt werden, welcher Beteiligte die in einem Verfahren angefallenen Kosten zu tragen hat. Fallen keine Gerichtskosten an und sind nach den einschlägigen gesetzlichen Regelungen keine außergerichtlichen Kosten entstanden, die einem obsiegenden Beteiligten von einem unterliegenden Beteiligten zu erstatten sind, so bedarf es eigentlich keiner Regelung über Kosten. Dem braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn die Frage, ob das anwaltliche Tätigwerden in einem Beschwerdeverfahren über einen Aussetzungsbeschluss nach § 75 Satz 3 VwGO eine Angelegenheit ist, für die – wie der Bevollmächtigte des Klägers meint (vgl. den Schriftsatz vom 27. März 2025) – eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 des Vergütungsverzeichnisses anfällt (vgl. auch etwa § 18 Abs. 1 Nr. 3, § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG), ist jedenfalls bislang nicht einer Weise geklärt, die schon die Notwendigkeit einer Kostenentscheidung entfallen lässt.
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b) Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beklagten aufzuerlegen. Denn es spricht viel dafür, dass die Beschwerde des Klägers Erfolg gehabt hätte.
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In einem Verfahren über die Beschwerde gegen eine Aussetzung des Verfahrens nach § 75 Satz 3 VwGO prüft das Beschwerdegericht lediglich, ob die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aussetzung vorlagen und ob die Fristsetzung ermessensfehlerfrei erfolgt ist (vgl. HessVGH, B.v. 20.8.2024 – 3 B 1062/24 – BeckRS 2024, 29308 Rn. 5).
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Die Aussetzung des Verfahrens nach § 75 Satz 3 VwGO setzt voraus, dass ein zureichender Grund dafür vorliegt, dass über den Widerspruch noch nicht entschieden oder – was hier in Rede steht – der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist. Ein Grund kann nur dann zureichend i.S. des § 75 Satz 3 VwGO sein, wenn er mit der Rechtsordnung im Einklang und im Licht der Wertentscheidungen des Grundgesetzes, vor allem der Grundrechte, als zureichend angesehen werden kann (vgl. – auch zum Folgenden – BVerfG, B.v. 16.1.2017 – 1 BvR 2406/16 u.a. – NVwZ-RR 2017, 393 = juris Rn. 9 m.w.N.). Die Überlastung der Behörde durch eine „vorübergehende Antragsflut“, beispielsweise in Folge einer Gesetzesänderung, wird als zureichender Grund anerkannt, solange die Überlastung nicht von längerer Dauer ist und somit ein strukturelles Organisationsdefizit vorliegt.
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Das Verwaltungsgericht sieht den zureichenden Grund für die Aussetzung darin, dass „eine im Einbürgerungsverfahren zwingende Beteiligung externer Stellen bislang noch nicht stattgefunden hat“ (Beschluss unter 1.). Jedenfalls mit dieser Begründung hätte die Aussetzungsentscheidung des Verwaltungsgerichts wohl nicht aufrechterhalten bleiben können. Es spricht viel dafür, dass sich das Verwaltungsgericht nicht mit der Feststellung der bislang unterbliebenen zwingenden Beteiligung hätte begnügen dürfen, sondern dass es sich mit der Frage hätte befassen müssen, weshalb diese bislang nicht stattgefunden hat.
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Letztlich stellt das Verwaltungsgericht ohnehin seine Annahme, ein zureichender Grund liege vor, selbst in Frage, indem es – im Rahmen der Hinweise „zur Kostenentscheidung bei später zu erwartender übereinstimmender Erledigungserklärung“ – unter Berücksichtigung des Schriftsatzes des Beklagten vom 20. Dezember 2024 davon ausgeht, vorliegend seien besondere Gründe des Einzelfalls, einen über sechs Monate hinausgehenden Zeitraum als angemessen i.S. des § 75 VwGO zu betrachten, nicht ersichtlich (Beschluss unter 2.3). Insoweit dürfte sich die Fallgestaltung auch von derjenigen unterscheiden, der dem Beschluss des Senats vom 24. Februar 2025 (5 C 25.41, juris) zugrunde liegt (vgl. die in diesem enthaltenen Ausführungen zur Belastungs- und Personalsituation der zuständigen Verwaltungsstelle [a.a.O. juris Rn. 4], die bei der Annahme einer achtzehnmonatigen Entscheidungsfrist ab Antragstellung als angemessen berücksichtigt wurde [a.a.O. juris Rn. 5]).
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Ob das Verwaltungsgericht mit einer anderen Begründung das Verfahren rechtmäßig hätte aussetzen können, bedarf keiner Entscheidung.
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4. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht. Das Verfahren ist mangels eines gesetzlichen Gebührentatbestands gerichtsgebührenfrei (s. oben 3. a)).
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5. Der Beschluss ist unanfechtbar.