Titel:
Erfolgloser Eilantrag auf Anschluss von zwei Mehrfamilienhäusern an eine öffentliche Wasserversorgungseinrichtung
Normenketten:
VwGO § 56 Abs. 2, § 123 Abs. 1 S. 2, § 146 Abs. 4 S. 6, § 173 S. 1
ZPO § 173 Abs. 3, Abs. 4 S. 4
BRAO § 53 Abs. 1 Nr. 1, § 54 Abs. 2 S. 2
Leitsätze:
1. Wird eine Gerichtsentscheidung gem. § 56 Abs. 2 VwGO iVm § 173 Abs. 3 ZPO gegen ein elektronisches Empfangsbekenntnis (eEB) an das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) übermittelt, kommt es für den Zeitpunkt der Zustellung darauf an, wann der Rechtsanwalt das Dokument tatsächlich und empfangsbereit entgegengenommen hat. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO in einem auf den Erlass einer Regelungsanordnung gem. § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO gerichteten Verfahren kann mit der Behauptung von Verfahrensfehlern grundsätzlich nicht erfolgreich geführt werden. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine durch ein dinglich gesichertes Leitungsführungsrecht geschaffene dauerhafte Anschlussmöglichkeit über ein Privatgrundstück reicht aus, um ein nicht unmittelbar an eine leitungsführende öffentliche Verkehrsfläche angrenzendes Grundstück als erschlossen anzusehen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde, Eilverfahren, Zustellung, Zustellungszeitpunkt, Empfangsbekenntnis, in den Machtbereich gelangt, Abwesenheitsvertretung, Verfahrensfehler, fehlender Anordnungsgrund, Mietausfallschaden, finanzieller Nachteil, erschlossenes Grundstück, dingliche Sicherung, subjektiv öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung, Wasseranschluss
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 18.12.2024 – Au 7 E 24.3011
Weiterführende Hinweise:
Red. Anmerkungen zu Rn. 19: richtig "§ 173 Abs. 4 Satz 4 ZPO"
Fundstelle:
BeckRS 2025, 7367
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt den Anschluss zweier Mehrparteienhäuser an die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung der Antragsgegnerin. Für diese gilt die „Satzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung“ vom 26. Juni 2024 (Im Folgenden: WAS).
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Dem Antragsteller gehören die im Geltungsbereich eines Bebauungsplans gelegenen Grundstücke Fl. Nr. 187 und 194/9, auf denen die von ihm geführte Baufirma B. GmbH Co. KG zwei Mehrparteienhäuser mit Eigentumswohnungen errichtet hat. Östlich des Grundstücks Fl. Nr. 194/9 verläuft die Äußere B.Straße. Auf den südlich angrenzenden Grundstücken Fl. Nr. 187/3, 187/9 und 194/61 besteht eine auf einer notariellen Vereinbarung vom 17. Dezember 2024 beruhende und am 15. Januar 2025 im Grundbuch eingetragene Grunddienstbarkeit. Danach sind die Eigentümer der Grundstücke Fl. Nr. 187 und 194/9 berechtigt, die in den belasteten Grundstücken eingelegten Wasser- und Abwasserleitungen dort zu belassen, auf ihre Kosten dauernd zu betreiben, zu unterhalten, zu erneuern und zu diesen Zwecken die belasteten Grundstücke zu benutzen und zu betreten.
3
In einer auf einem Gemeinderatsbeschluss vom 15. Dezember 2020 beruhenden „Mitteilung zur Genehmigungsfreistellung“ vom 16. Dezember 2020 erklärte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller, er habe die Möglichkeit, mit der Bauausführung unmittelbar nach Erhalt der Mitteilung zu beginnen, „sofern die übrigen Voraussetzungen dieser Genehmigungsfreistellung vorliegen (siehe Art. 58 Abs. 2 Satz 1 … insbesondere Nr. 3 BayBO)“.
4
Auf dem Grundstück des Antragstellers Fl.Nr. 194/9 verläuft eine ältere öffentliche Wasserversorgungsleitung.
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Für die Errichtung der Gebäude auf den Grundstücken Fl.Nr. 187 und 194/9 genehmigte die Antragsgegnerin mit E-Mail vom 9. November 2023 die Herstellung eines Bauwasseranschlusses. Mit E-Mail vom selben Tag beantragte der Antragsteller, diesen Anschluss bereits als Hausanschlussleitung herstellen zu dürfen.
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Mit Schreiben vom 10. November 2023 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller darauf hin, dass der Anschluss der Gebäude an die Wasserversorgung nur entsprechend dem Bauantrag über die „Äußere B.Straße“ zulässig sei; ein Anschluss über einen Dritten werde nicht gestattet.
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Mit E-Mail vom 26. Dezember 2023 beantragte der Antragsteller die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Herstellung des Hausanschlusses über die auf seinem Grundstück vorhandene öffentliche Wasserleitung. Der Anschluss sei nur vorübergehend, bis die Versorgungsleitungen in der Äußeren B.Straße verlegt seien.
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Die Antragsgegnerin lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 31. Januar 2024 ab. Die Grundstücke des Antragstellers seien zwar dem Grunde nach erschlossen seien, da sie an den öffentlichen Straßengrund angrenzten, in dem eine Wasserversorgungsleitung verlegt sei. Die Gemeinde versage jedoch den Anschluss an diese Leitung gemäß § 4 Abs. 3 WAS, da die Leitung aufgrund der Sanierungsbedürftigkeit und Dimensionierung nicht dafür geeignet sei, weitere Anwesen zu versorgen. Bei der Planung des Baugebiets sei dies bereits berücksichtigt und die Erneuerung und Vergrößerung der Wasserversorgungsleitung beschlossen worden. Hierzu bestehe ein Erschließungsvertrag mit einem Erschließungsträger, so dass es der Gemeinde nicht möglich sei, die erforderlichen Arbeiten in eigener Verantwortung ausführen zu lassen. Die Versagung sei ermessensgerecht, da das öffentliche Interesse an der Versorgungssicherheit der bereits angeschlossenen Grundstücke das Interesse des Antragstellers, die Gebäude durch den Wasseranschluss bewohnbar zu machen, überwiege.
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Hiergegen erhob der Antragsteller eine Klage, über die noch nicht entschieden ist.
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Beim Landratsamt reichte der Antragsteller eine Tekturplanung vom 13. Juli 2024 ein, aus der sich der genaue Verlauf der zuletzt beantragten Hausanschlussleitung ergab.
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Am 4. Dezember 2024 beantragte der Antragsteller im Wege des Eilrechtschutzes, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm gemäß § 4 WAS entsprechend seinen Anträgen den Anschluss an die Wasserversorgung der Antragsgegnerin vorläufig kostenmäßig zu seinen Lasten bis zur endgültigen Herstellung der Äußeren B.Straße inklusive der hierzu notwendigen baulichen Maßnahmen zu gestatten, die Arbeiten insbesondere durch die B. GmbH Co. KG durchführen zu lassen und die dafür notwendige Zustimmung zur übergangsweisen Herstellung gemäß § 9 Abs. 2 WAS zu erteilen. Im Eilverfahren werde ein vorläufiger Anschluss gemäß der Tekturplanung vom 13. Juli 2024 begehrt. Technisch sei der Wasseranschluss an den Anschluss des Wohngebäudes in der B.Straße schon hergestellt. Auch eine entsprechende Grunddienstbarkeit sei bereits notariell beurkundet. Die Ablehnung des Wasseranschlusses wegen einer vertraglichen Bindung bei der Herstellung der Erschließung vermenge unzulässig die Rechtsbeziehungen. Die Wohngebäude auf den streitgegenständlichen Grundstücken seien bezugsfertig und könnten nur wegen des fehlenden Kanal- und Wasseranschlusses nicht bewohnt werden. Durch den Zeitablauf erhöhe sich der dem Antragsteller entstehende finanzielle Schaden. Teilweise seien die Wohnungen schon verkauft, durch die Verzögerung könnten Regressansprüche entstehen. Es bestehe ein Anordnungsgrund, da zwischen dem Antragsteller bzw. dessen Unternehmen und der Antragsgegnerin diverse vertragliche Beziehungen bestünden, zu denen Gerichtsverfahren vor den Zivilgerichten rechtshängig seien, so dass eine zeitlich absehbare Lösung nicht zu erwarten sei.
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Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag abzulehnen. Die Erschließung der beiden Mehrfamilienhäuser sei von Anfang an nur über die Äußere B.Straße vorgesehen gewesen und nur so zugelassen worden. Die betroffenen Grundstücke seien nicht erschlossen. Die dort befindliche Versorgungsleitung sei aufgrund ihres Alters und Zustandes nicht geeignet, weitere Abnehmer aufzunehmen; insoweit bestehe keine betriebsfertige Wasserversorgungsleitung. Vor dem Hintergrund der Versagungsbefugnis aus § 4 Abs. 3 WAS habe die Antragsgegnerin von Beginn an einen Anschluss über die „Äußeren B.Straße“ gefordert und bereits in der Stellungnahme zum Bauvorhaben auf die noch fehlende Erschließung hingewiesen. Zudem komme ihr nach § 9 Abs. 2 WAS das Recht zu, die Modalitäten des Anschlusses zu bestimmen.
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Mit Beschluss vom 18. Dezember 2024, der am 20. Dezember 2024 elektronisch versandt wurde, lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag ab. Der Antragsteller habe schon keinen Anordnungsgrund glaubhaft machen können. Die Gefahr rein finanzieller Schäden sei grundsätzlich nicht geeignet, wesentliche Nachteile und damit einen Anordnungsgrund zu begründen, da diese regelmäßig wiedergutgemacht werden könnten. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihm ein wesentlicher bzw. existenzieller wirtschaftlicher Nachteil im Fall einer nicht zeitnah angeordneten vorläufigen Zulassung des Anschlusses an die Wasserversorgungseinrichtung drohe. Auch einen Anordnungsanspruch habe er nicht glaubhaft gemacht. Er habe keinen Anspruch auf den (vorläufigen) Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung in der von ihm begehrten Leitungsführung über die Fl. Nr. 1194/61. Das Anschluss- und Benutzungsrecht erstrecke sich nach der Satzung nur auf durch eine Versorgungsleitung erschlossene Grundstücke (§ 4 Abs. 2 Satz 1 WAS); ein Anspruch auf Änderung bestehender oder Herstellung neuer Kanäle ergebe daraus nicht (§ 4 Abs. 2 Satz 2 WAS). Die Gemeinde bestimme, welche Grundstücke durch eine Versorgungsleitung erschlossen würden (§ 4 Abs. 2 Satz 3 WAS); sie bestimme auch über Zahl, Art, Nennweite und Führung der Grundstücksanschlüsse sowie darüber, wo und an welche Versorgungsleitung anzuschließen sei (§ 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 WAS). Es sei schon nicht glaubhaft gemacht, dass die Grundstücke Fl. Nr. 187 und 194/9 hinsichtlich der begehrten Leitungsführung bzw. dem begehrten Anschlusspunkt erschlossen seien. Die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung sei anzunehmen, wenn der in der öffentlichen Straße verlegte Versorgungsstrang bis zur Höhe der Grenze des Grundstücks an dieses heranreiche. Eine unmittelbare Erschließung liege hier bezogen auf die gewünschte Leitungsführung nicht vor, obwohl eine öffentliche Versorgungsleitung nicht nur an das Grundstück des Antragstellers heranreiche, sondern sogar in seinem Grundstück verlaufe. Er begehre ausdrücklich einen mittelbaren Anschluss unter Durchquerung des im Privateigentum befindlichen Grundstücks Fl.Nr. 194/61 an die Versorgungsleitung und keinen direkten Anschluss an die auf seinem Grundstück befindliche öffentliche Versorgungsleitung. Zwar könne ein Grundstück auch erschlossen sein, wenn die Möglichkeit bestehe, nach Durchquerung eines Zwischengrundstücks einen Anschluss herzustellen. Dieser müsse jedoch regelmäßig rechtlich und auf Dauer gesichert sei, bei einem Hinterliegergrundstück durch eine grundbuchrechtlich abgesicherte Dienstbarkeit. Dies sei bisher nicht der Fall, so dass kein Anspruch auf Anschluss gemäß § 4 Abs. 1 WAS in der vom Antragsteller begehrten Form bestehe. Er habe auch keinen Anspruch auf Zustimmung zur Herstellung eines vorläufigen Anschlusses gemäß § 8 WAS. Danach könne die Gemeinde durch Vereinbarung ein besonderes Benutzungsverhältnis begründen, wenn ein Grundstückseigentümer nicht zum Anschluss berechtigt oder verpflichtet sei. Die Erschließungspflicht der Antragsgegnerin habe sich nicht dahingehend verdichtet, dass sie verpflichtet wäre, durch eine Sondervereinbarung dem Anschluss des Grundstücks über Zwischengrundstücke ohne dingliche Sicherung zuzustimmen. Der Antragsteller habe keine Umstände glaubhaft gemacht, die für eine entsprechende Ermessensreduzierung sprächen. Grundsätzlich bestimme die Antragsgegnerin, wo und an welche Versorgungsleitung anzuschließen sei (§ 9 Abs. 2 Satz 2 WAS). Hier bestünden konkrete Ausbaupläne zur Herstellung der leitungsgebundenen Erschließungsanlagen, die auch die Wasserversorgung der streitgegenständlichen Grundstücke beträfen. Zu deren Umsetzung sei 2019 ein Erschließungsvertrag geschlossen worden. Die Antragsgegnerin habe nach vorläufiger Einschätzung ein berechtigtes Interesse daran, dass die Erschließung plangemäß und geordnet ausgeführt werde und sich ein als vorübergehend geplanter Anschluss nicht verstetige. Letztlich fehle es jedenfalls an einem hinreichend bestimmt formulierten Angebot des Antragstellers auf Abschluss einer Sondervereinbarung, das detaillierte Planungsunterlagen sowie Ausführungen zur zeitlichen Befristung des Anschlusses und (gegebenenfalls) zu einer Sicherheit für den plankonformen Anschluss nach Fertigstellung der plangemäßen Erschließung enthalte. Für den Antrag, die Arbeiten insbesondere durch die B. GmbH Co. KG Bauunternehmen durchführen zu lassen, bestehe keine Grundlage, da der Grundstücksanschluss von der Gemeinde hergestellt werde (§ 9 Abs. 1 Satz 1 WAS).
14
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller unter Wiederholung der erstinstanzlich gestellten Anträge mit der am 7. Januar 2025 eingelegten Beschwerde, die mit Schriftsatz vom 31. Januar 2025 begründet wurde.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen und macht unter anderem geltend, sie sei bereits unzulässig. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers habe während seiner mehrwöchigen Kanzleiabwesenheit entgegen § 53 Abs. 1 Nr. 1 BRAO keine zur Abgabe elektronischer Empfangsbekenntnisse bereite Vertretung gehabt und könne sich daher nicht darauf berufen, dass er von der am 20. Dezember 2024 zugestellten Entscheidung des Verwaltungsgerichts erst am 7. Januar 2025 habe Kenntnis nehmen können.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
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1. Die Beschwerde des Antragstellers ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist dem Antragsteller, wie sich aus dem von seinem Bevollmächtigten übermittelten Empfangsbekenntnis ergibt, erst am 7. Januar 2025 zugestellt worden. Dass das Schriftstück an dessen Kanzlei bereits am 20. Dezember 2024 übermittelt wurde, ändert hieran nichts.
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Eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis ist nur dann als bewirkt anzusehen, wenn der Rechtsanwalt das ihm zugestellte Schriftstück mit dem Willen entgegengenommen hat, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen (BGH, B.v. 19.4.2012 – IX ZB 303/11 – juris Rn. 6 m. w. N.). Auch wenn eine Gerichtsentscheidung gemäß § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 173 Abs. 3 ZPO gegen ein elektronisches Empfangsbekenntnis (eEB) an das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) übermittelt wird, kommt es daher für den Zeitpunkt der Zustellung nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt das zuzustellende Dokument in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, sondern nur darauf, wann der Rechtsanwalt das Dokument tatsächlich und empfangsbereit entgegengenommen hat (vgl. OVG SH, B.v. 23.1.2020 – 4 LA 211/18 – juris Rn. 4 m. w. N.). Für die Rücksendung des elektronischen Empfangsbekenntnisses per beA ist es erforderlich, dass der das elektronische Dokument empfangende Rechtsanwalt die Nachricht öffnet, mit einer entsprechenden Eingabe ein Empfangsbekenntnis erstellt, das Datum des Erhalts des Dokuments eingibt und das so generierte Empfangsbekenntnis versendet. Die Abgabe des elektronischen Empfangsbekenntnisses setzt also die Willensentscheidung des Empfängers voraus, das elektronische Dokument an dem einzutragenden Zustelldatum als zugestellt entgegenzunehmen; ohne diese aktive Mitwirkung wird ein elektronisches Empfangsbekenntnis nicht ausgelöst (BVerwG, B.v. 19.9. 2022 – 9 B 2.22 – juris Rn. 22 m. w. N.).
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Wie bei der „papiergebundenen“ Zustellung eines Schriftstücks gegen Empfangsbekenntnis nach früherem Recht existiert allerdings auch für elektronische Empfangsbekenntnisse keine prozessrechtliche Vorschrift, die einen Rechtsanwalt verpflichten würde, die Zustellung binnen einer bestimmten Frist nach dem tatsächlichen Zugang zu bestätigen. Der Gesetzgeber hat ungeachtet diesbezüglicher Vorschläge (vgl. Marsch/Laas in Ory/Weth, jurisPK-ERV, Bd. 3, 2. Aufl., § 56 VwGO Rn. 40) auch darauf verzichtet, bei Rechtsanwälten entsprechend der bei den sonstigen Empfängern elektronischer Dokumente geltenden Vorschrift des § 173 Abs. 4 Satz 4 VwGO eine Zugangsfiktion nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne zu normieren.
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Im Hinblick darauf, dass Rechtsanwälte gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 BRAO schon bei einer Verhinderung von mehr als einer Woche für eine Vertretung sorgen müssen, die gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 BRAO auch zur Abgabe elektronischer Empfangsbekenntnisse befugt sein muss und für eine zeitnahe Entgegennahme und Bestätigung von Zustellungen Sorge zu tragen hat (vgl. OLG München, B.v. 26.4.2024 – 23 U 8369/21 – juris Rn. 8 m.w.N.), sind zwar Fälle denkbar, in denen die Berufung auf eine erst nach längerer Abwesenheit mögliche Kenntnisnahme als treuwidrig erscheint, etwa weil damit der Beginn einer Rechtsmittelfrist ohne nachvollziehbaren Grund über einen längeren Zeitraum hinweg hinausgezögert wird (vgl. HessLSG, U.v. 19.10.2012 – L 6 AS 96/22 – juris Rn. 40). Dass ein solcher Ausnahmefall bei der vom Bevollmächtigten des Antragstellers bereits vorab angekündigten mehrwöchigen Abwesenheit vom Kanzleisitz vorliegen könnte, ist jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere spricht nichts dafür, dass die mit der späten Abgabe des Empfangsbekenntnisses verbundene Verzögerung im Interesse der Antragstellerseite gelegen haben könnte.
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2. Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag zu Recht abgelehnt. Die dagegen vorgebrachten Gründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
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a) Der Antragsteller trägt insoweit vor, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei in mehrfacher Hinsicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Die bezugsfertig fertiggestellten Gebäude könnten mangels einer nutzbaren Wasser- und Abwasserleitung nicht vermietet werden. Es bestehe aber dringender Wohnbedarf, dessen Behebung den Städten und Gemeinden aufgegeben sei. Die von den Miteigentümern der Nachbargrundstücke bestellte Grunddienstbarkeit sei mittlerweile im Grundbuch eingetragen. Der Antragsteller habe durch eine eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass ein jährlicher Mietausfallschaden in Höhe von 165.000 Euro für die Häuser A und B entstehe und dass ein möglicher Käufer diesen Mietausfall nicht hinnehmen werde. Hinsichtlich der Darlehensverträge und der Belastungen der dreizehn Miteigentümer befinde sich der Antragsteller, dem drei der Wohnungen gehörten, in Beweisnot. Auch ohne Gutachten eines Wirtschaftsprüfers sei aber glaubhaft, dass ein solcher Schaden jedes Unternehmen und auch den Antragsteller erdrücke. Der Antragsteller könne nicht auf eine spätere Liquidation seines Schadens nach endgültiger Herstellung der Äußeren B.Straße verwiesen werden. Bei der Ermessensentscheidung gemäß § 9 Abs. 2 WAS über den Anschlusspunkt sei zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin den Ausbau der Äußeren B.Straße blockiere, was das Verwaltungsgericht nicht beachtet habe. Seit 2019 bestehe ein Erschließungsvertrag, der den Anschluss der Grundstücke des Antragstellers sicherstellen solle. Dieser habe auch im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 8 WAS einen Anspruch auf Herstellung eines vorläufigen Anschlusses, da sich das Ermessen auf Null reduziert habe. Die Leitung sei im Grundbuch durch Eintragung gesichert und könne jederzeit nach Durchführung der Baumaßnahme in der Äußeren B.Straße wieder stillgelegt werden.
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b) Diese Ausführungen reichen nicht aus, um die angegriffene Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen.
24
aa) Ob die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, wie vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung angenommen, verfahrensfehlerhaft ergangen ist, kann im vorliegenden Zusammenhang offenbleiben. Eine Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO in einem auf den Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO gerichteten Verfahren kann mit der Behauptung von Verfahrensfehlern grundsätzlich nicht erfolgreich geführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 20.6.2023 – 6 CE 23.779 – juris Rn. 9; RhPf OVG, B.v. 23.4.2024 – 7 B 10262/24.OVG – juris Rn. 3 m.w.N.).
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bb) Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag zu Recht schon mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds abgelehnt; die dagegen erhobenen Einwände des Antragstellers greifen nicht durch.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands nur zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen (vergleichbaren) Gründen notwendig erscheint. Liegt der geltend gemachte Nachteil wie hier in dem mit einem Hauptsacheverfahren unvermeidbar verbundenen Zeitablauf, so kann sich daraus ein Anordnungsgrund nur ergeben, wenn die nachteiligen Folgen später nicht mehr rückgängig gemacht werden können (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 83). Die bloße Vermeidung eines finanziellen Schadens auf Seiten des Antragstellers reicht daher zur Begründung eines wesentlichen Nachteils im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO grundsätzlich nur aus, wenn der Schaden auch im Falle eines späteren Klageerfolgs nicht mehr vollständig ausgeglichen werden könnte (vgl. Kuhla in BeckOK VwGO, Stand 1.7.2024, § 123 Rn. 129 m.w.N.). Davon wäre insbesondere dann auszugehen, wenn ohne die beantragte Regelung die wirtschaftliche Existenz des Antragstellers gefährdet wäre.
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Für solch gravierende Auswirkungen bestehen im vorliegenden Fall auch in Anbetracht der Darlegungen in der Beschwerdebegründung keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die bloße Bezifferung eines für beide Wohnhäuser insgesamt zu erwartenden jährlichen Mietausfallschadens in sechsstelliger Höhe lässt noch keine konkreten Rückschlüsse darüber zu, wie stark sich dieser wirtschaftliche Verlust auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers, dem nur drei der sechzehn Wohnungen gehören, in näherer Zukunft auswirken könnte und inwieweit es sich um irreversible Schäden handeln würde. Auf etwaige Verluste des von ihm in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG geführten Bauunternehmens und auf einen Miet- bzw. Nutzungsausfall der einzelnen Wohnungserwerber kann sich der Antragsteller in diesem Zusammenhang nicht berufen, da es bei § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nur auf die ihm selbst drohenden wesentlichen Nachteile ankommt (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 3.4.2012 – OVG 11 S 5.11 – juris Rn. 18). Erst recht kann er daher aus dem öffentlichen Interesse an der Bereitstellung von Wohnraum und einer etwaigen diesbezüglichen Handlungsverpflichtung der Antragsgegnerin keinen Anordnungsgrund ableiten.
28
cc) Unabhängig davon ist nach derzeitigem Stand auch ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller kann, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat, nicht verlangen, dass ihm die Antragsgegnerin gemäß § 9 Abs. 2 WAS den Anschluss der auf den Grundstücken Fl. Nr. 187 und 194/9 errichteten Wohnhäuser an ihre Wasserversorgungseinrichtung in der von ihm beantragten Form bis zu einer endgültigen Herstellung der Wasserleitung in der Äußeren B.Straße gestattet.
29
Allerdings kann wegen der mittlerweile erfolgten Eintragung der Grunddienstbarkeit zur Absicherung eines Wasserleitungsrechts auf den südlich angrenzenden Grundstücken Fl. Nr. 194/61 und 187/3 nicht mehr wie noch zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung angenommen werden, dass die Grundstücke des Antragstellers nicht gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 WAS erschlossen seien. Eine durch ein dinglich gesichertes Leitungsführungsrecht geschaffene dauerhafte Anschlussmöglichkeit über ein Privatgrundstück reicht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs aus, um ein nicht unmittelbar an eine leitungsführende öffentliche Verkehrsfläche angrenzendes Grundstück als erschlossen anzusehen (vgl. BayVGH, U.v. 30.5.2001 – 23 B 01.470 – juris Rn. 27 m.w.N.). Das daraus resultierende Recht auf Anschluss an die gemeindliche Wasserversorgungseinrichtung besteht jedoch gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 WAS nur „nach Maßgabe dieser Satzung“. Die näheren Modalitäten der Herstellung des Grundstücksanschlusses richten sich daher insbesondere nach den Vorschriften des § 9 Abs. 2 WAS. Danach bestimmt die Gemeinde sowohl über die „Führung“ der Grundstücksanschlüsse (Satz 1), d. h. über ihren genauen Verlauf zwischen der Abzweigstelle der Versorgungsleitung bis zur Übergabestelle (§ 3 WAS), als auch darüber, wo und an welchen Versorgungsleitung anzuschließen ist (Satz 2); dabei werden begründete Wünsche des Grundstückseigentümers nach Möglichkeit berücksichtigt (Satz 3).
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Aufgrund dieser Satzungsbestimmungen, auf die sich die Antragsgegnerin sowohl im Ablehnungsbescheid vom 30. Januar 2024 als auch im vorliegenden Eilverfahren berufen hat, kann der Antragsteller nach derzeitigem Stand nicht verlangen, dass der gewünschten Leitungsführung über das Nachbargrundstück zugestimmt wird. Zwar folgt aus der Verpflichtung der Gemeinde, begründete Wünsche des Anschlussnehmers möglichst zu berücksichtigen, ein subjektiv-öffentliches Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die im Einzelfall begehrte Ausgestaltung des Grundstücksanschlusses; dabei muss die Gemeinde insbesondere dem Interesse des Grundstückseigentümers Rechnung tragen, dass die Kosten für die Herstellung der Anschlussleitung einen vertretbaren Umfang nicht überschreiten (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2003 – 4 CS 03.535 – juris Rn. 20 m.w.N.). Im vorliegenden Fall geht es aber dem Antragsteller nicht um eine Minderung oder Begrenzung der Anschlusskosten, sondern um die schnellstmögliche Nutzbarkeit der von ihm hergestellten Wohnungen. Dieses allgemeine wirtschaftliche Interesse hat unter den gegebenen Umständen kein so hohes Gewicht, dass zu seinen Gunsten von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen wäre.
31
Wie die Antragsgegnerin zu Recht ausgeführt hat, war dem Antragsteller schon vor Baubeginn bekannt, dass der für die beiden Wohnhäuser in der gemeindlichen Planung vorgesehene Anschluss an die neu herzustellenden Leitungen in der Äußeren B.Straße durch die beauftragte Baufirma erst noch geschaffen werden musste. Er ist daher bewusst das Risiko eingegangen, dass diese notwendige Erschließungsmaßnahme bei Fertigstellung seines Wohnbauvorhabens noch nicht abgeschlossen sein könnte. Da sich im vorliegenden Eilverfahren nicht klären lässt, wer für die beim Vollzug des Erschließungsvertrags eingetretene Verzögerung verantwortlich ist, kann der Antragsteller nicht verlangen, dass die Antragsgegnerin unter (zumindest zeitweiliger) Zurückstellung ihrer eigenen Planungsvorstellungen den von ihm gewünschten Anschluss akzeptiert, um dadurch den Eintritt eines (weiteren) verzögerungsbedingten Schadens zu verhindern. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass bislang in keiner Weise sichergestellt ist, dass der Antragsteller bzw. eine künftige Wohnungseigentümergemeinschaft nach einer Fertigstellung der neuen Wasserleitung in der Äußeren B.Straße den dinglich gesicherten Grundstücksanschluss über das Nachbargrundstück stilllegt und die Grundstücke Fl. Nr. 187 und 194/9 an die vom Einrichtungsträger vorgegebenen Anschlusspunkte anschließt. Die Befürchtung der Antragsgegnerin, dass sich die beantragte Leitungsführung ungewollt zu einem Dauerzustand entwickeln und dadurch Bezugsfallwirkung entfalten könnte, ist danach nicht von der Hand zu weisen.
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Aus den vorgenannten Gründen kommt hier auch kein gegen die Antragsgegnerin gerichteter Anspruch des Antragstellers auf Abschluss einer Sondervereinbarung gemäß § 8 WAS in Betracht, wobei offenbleiben kann, ob diese Vorschrift wegen des hier bestehenden grundsätzlichen Anschlussrechts nach § 4 WAS bereits tatbestandlich ausgeschlossen ist.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).