Inhalt

VGH München, Beschluss v. 14.04.2025 – 24 CS 25.539
Titel:

Unzuverlässigkeitsprognose, Aufbewahrungsverstoß, (kurzzeitig) nicht auffindbare Kurzwaffe

Normenketten:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b
WaffG § 36 Abs. 1
WaffG § 45 Abs. 2
Schlagworte:
Unzuverlässigkeitsprognose, Aufbewahrungsverstoß, (kurzzeitig) nicht auffindbare Kurzwaffe
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 31.01.2025 – M 7 S 24.6883
Fundstelle:
BeckRS 2025, 7356

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.875,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Widerruf ihrer waffenrechtlichen Erlaubnis.
2
Die Antragstellerin ist seit 1977 Inhaberin einer Waffenbesitzkarte, auf die eine Langwaffe sowie eine Kurzwaffe (Revolver) eingetragen sind. Ausweislich eines Aktenvermerks vom 15. Juli 2024 habe im Rahmen einer unangekündigten Aufbewahrungskontrolle am selben Tag, die in Abwesenheit der Antragstellerin stattfand, nach Öffnung des Sicherheitsbehältnisses durch ihren Ehemann (gemeinschaftliche Aufbewahrung) der eingetragene Revolver nicht aufgefunden werden können; zu dessen Verbleib hätten weder der Ehemann noch der ebenfalls während der Kontrolle anwesende Sohn der Antragstellerin Angaben machen können. Nach kurzer Überlegung habe der Ehemann aus einer Art Bartresen neben dem Sicherheitsbehältnis eine – unbekannte – Pistole hervorgeholt; diese sei sichergestellt worden.
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Nach erfolgter Anhörung widerrief das Landratsamt München mit Bescheid vom 10. Oktober 2024 die der Antragstellerin ausgestellte Waffenbesitzkarte (Nr. 1), verpflichtete sie unter Zwangsgeldandrohung (Nr. 7) zu deren Rückgabe (Nr. 3) und gab ihr auf, ihre erlaubnispflichtigen Waffen einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen (Nr. 2), ansonsten wurde die Sicherstellung (Nr. 5) und ggf. die spätere Vernichtung (Nr. 6) angeordnet. Die sofortige Vollziehung der Nummern 2 und 3 wurde angeordnet (Nr. 4). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Antragstellerin habe eine erlaubnispflichtige Kurzwaffe zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht ordnungsgemäß im Sicherheitsbehältnis aufbewahrt, nach ihren Angaben habe der Revolver auf der Bank neben dem Tresor gelegen, was einen Verstoß gegen Aufbewahrungspflichten darstelle.
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Hiergegen ließ die Antragstellerin am 25. Oktober 2024 Klage erheben (Az. M 7 K 24.6433), über die nach Aktenlage noch nicht entschieden ist. Ihren am 18. November 2024 gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz lehnte das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 31. Januar 2025 ab. Die Antragstellerin sei aufgrund eines Verstoßes gegen Aufbewahrungsvorschriften voraussichtlich unzuverlässig i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG, da der Revolver zum Zeitpunkt der Kontrolle weder im Sicherheitsbehältnis noch an einer anderen Stelle im Kellerraum habe aufgefunden und der Verbleib zunächst nicht habe aufgeklärt werden können. Anhaltspunkte für eine situative Nachlässigkeit minderen Gewichts oder ein Augenblicksversagen bestünden nicht und seien durch die Antragstellerin nicht vorgetragen worden.
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Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter und beantragt,
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unter Aufhebung des Beschlusses die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Nummer 1 des Bescheids vom 10. Oktober 2024 anzuordnen und hinsichtlich der Nummern 2 und 3 wiederherzustellen.
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Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, der Sachverhalt rechtfertige es nicht, sie als unzuverlässige Waffenbesitzerin anzusehen. Die neben dem Tresor abgelegte Waffe sei zeitlich nach der Kontrolle am 15. Juli 2024 in das vorgesehene Behältnis ordnungsgemäß zurückgelegt worden. Die Antragstellerin sei während der Kontrolle nicht anwesend gewesen und habe keine Angaben machen können.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen,
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und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
12
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht von der Unzuverlässigkeit der Antragstellerin ausgeht (I.). Ferner überwiegt wegen des gesetzlich vorgesehenen Sofortvollzugs das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer in der Hauptsache erhobenen Klage (II.).
I.
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Die Antragsteller dringt mit ihrer Rüge, dass der Bescheid rechtswidrig sei, weil das Gericht zu Unrecht von ihrer Unzuverlässigkeit ausgehe, nicht durch.
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1. Nach § 45 Abs. 2 des Waffengesetzes i.d.F. d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (WaffG, BGBl I S. 3970), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328), ist eine Erlaubnis nach diesem Gesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich der Betroffene in diesem Zeitpunkt als unzuverlässig im Sinne von § 5 WaffG erweist. Die Zuverlässigkeitsprüfung ist grundsätzlich prospektiv ausgerichtet und verlangt die Vornahme einer Prognose (vgl. ausführlich BayVGH, B.v. 20.4.2023 – 24 CS 23.495 – Rn. 21 f.). Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG fehlt die Zuverlässigkeit stets, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Waffeninhaber Waffen oder Munition künftig nicht sorgfältig verwahren wird.
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2. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene und nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG erforderliche Prognose dürfte entgegen der Auffassung der Antragstellerin rechtlich nicht zu beanstanden sein.
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Die Antragstellerin hat zum Zeitpunkt der Aufbewahrungskontrolle am 15. Juli 2024 nicht die erforderlichen Vorkehrungen getroffen, um zu verhindern, dass ihre Kurzwaffe abhandenkommt oder unbefugte Dritte sie an sich nehmen. Damit hat sie gegen ihre Verpflichtung aus § 36 Abs. 1 WaffG verstoßen. Ausweislich des Aktenvermerks befand sich während der Kontrolle der Revolver nicht im Waffentresor. Dies wird von der Antragstellerin im Verfahren auch nicht bestritten, da sie zuletzt in ihrer Beschwerdebegründung ausführt, die Kurzwaffe sei „zeitlich nach der Kontrolle vom 15. Juli 2024“ in das Sicherheitsbehältnis zurückgelegt worden. Letztlich ist es unerheblich, wo genau die Kurzwaffe im Kellerraum gelegen hat, da sie sich damit jedenfalls außerhalb des Waffentresors befand und dies unzweifelhaft nicht den gesetzlichen Aufbewahrungsanforderungen entspricht. Es ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die persönliche Anwesenheit der Antragstellerin während der Kontrolle einen Unterschied gemacht hätte. Ebenso ist unerheblich, wie viel Zeit vergangen ist bis die Antragstellerin wieder rechtmäßige Zustände hergestellt hat, nachdem der Aufbewahrungsverstoß festgestellt wurde, oder wann sie dies der Behörde gemeldet hat. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, ist nichts ersichtlich und es wurde seitens der Antragstellerin auch nichts vorgetragen, was den festgestellten Aufbewahrungsverstoß als lediglich situative Nachlässigkeit minderen Gewichts erscheinen lassen könnte, sodass ausnahmsweise nicht auf das erneute Vorkommen von Aufbewahrungsverstößen geschlossen werden würde.
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3. Vor diesem Hintergrund bestehen gegen die waffenrechtlichen Nebenentscheidungen ebenfalls keine Bedenken.
II.
18
Die Beschwerde hat auch deshalb keinen Erfolg, weil bei der gebotenen Interessenabwägung die differenzierte gesetzgeberische Wertung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO – hier in Verbindung mit § 45 Abs. 5 WaffG – einerseits und § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO andererseits zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG, B.v. 17.1.2017 – 2 BvR 2013/16 – Rn. 17). Aus diesem Grund überwiegt vorliegend das Vollzugsinteresse der Behörde das Suspensivinteresse der Antragstellerin, insbesondere sind keine Gründe vorgetragen, die über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hinausreichen. Inmitten steht ausschließlich das Interesse am weiteren Waffenbesitz und der Möglichkeit der entsprechenden Weiternutzung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2023 – 24 CS 23.1196 – Rn. 17; BayVGH, B.v. 16.5.2022 – 24 CS 22.737 – juris Rn. 18).
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Dieses öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug besteht auch – wie regelmäßig – für die nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfassten mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Anordnungen, die Waffen unbrauchbar zu machen oder sie einem Dritten zu übergeben (§ 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG) und für die Anordnung der Rückgabe von Erlaubnisurkunden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG – vgl. BayVGH, B.v. 2.12.2020 – 24 CS 20.2211 – juris Rn. 29; B.v. 18.6.2020 – 24 CS 20.1010 – juris Rn. 25).
III.
20
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
IV.
21
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 20213 und folgt der nicht beanstandeten erstinstanzlichen Festsetzung.
22
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).