Titel:
Verwaltungsgerichte, Entziehung des Jagdscheins, Beweisverwertungsverbot, Vorläufiger Rechtsschutz, Streitwertfestsetzung, Entziehung wegen Unzuverlässigkeit, Gesetzlicher Sofortvollzug, Antragstellers, Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Interessenabwägung, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Abweichungsentscheidung, Prüfung der Erfolgsaussicht, Kostenentscheidung, Zwangsgeldandrohung, Durchsuchung der Kanzleiräume, Sofortige Vollziehbarkeit, Waffenrechtliche Erlaubnis, Widerrufsentscheidung, Widerrufsverfahren
Schlagworte:
Waffenrechtlicher Widerruf, Jagdschein Ungültigerklärung, Sofortige Vollziehung, Vorläufiger Rechtsschutz, Beweisverwertungsverbot, Zuverlässigkeitsprüfung, Hausdurchsuchung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 29.11.2024 – M 7 S 24.5943
Fundstelle:
BeckRS 2025, 7351
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 17.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners, mit dem u.a. seine waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse widerrufen wurden.
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Am 22. Juli 2024 übersandte das Bayerische Landeskriminalamt dem Landratsamt ... (nachfolgend: Landratsamt) zwei Ordnungswidrigkeitenanzeigen. Demnach seien bei einer vom Landeskriminalamt im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft M. am 11. Juli 2024 wegen des Verdachts der Beihilfe zum Betrug durchgeführten Durchsuchung der Kanzleiräume, des Kraftfahrzeugs und des Wohnanwesens des Antragstellers mehrere Verstöße gegen Lager- und Aufbewahrungsvorschriften nach dem Waffengesetz festgestellt worden. Weiter habe der Antragsteller den Verbleib zweier Schusswaffen nicht mitteilen können oder wollen.
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Nach erfolgter Anhörung widerrief das Landratsamt mit Bescheid vom 24. September 2024 die dem Antragsteller erteilten Waffenbesitzkarten, den Kleinen Waffenschein sowie den Europäischen Feuerwaffenpass (Nr. 1), erklärte den bis zum 31. März 2025 gültigen Jagdschein für ungültig (Nr. 4) und gab ihm unter Zwangsgeldandrohung (Nr. 7 bzw. 8) auf, die jeweiligen Erlaubnisurkunden zurückzugeben (Nr. 3 bzw. Nr. 5). Weiter verpflichtete es den Antragsteller, die – im Einzelnen bezeichneten – Waffen einschließlich Munition einem Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen (Nr. 2), ansonsten wurde deren Sicherstellung angedroht (Nr. 6). Die Nummern 3 bis 5 des Bescheids wurden für sofort vollziehbar erklärt (Nr. 9). Anlässlich der polizeilichen Feststellungen vom 11. Juli 2024 und dem Verhalten des Antragstellers sei von dessen fehlender Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und Buchst. c WaffG sowie § 17 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 BJagdG auszugehen. Die vorgefundene Situation (Schreckschusspistole mit Patrone im Patronenlager zusammen mit einem passenden Magazin in einem Waffenkoffer; halbautomatische Büchse mit passender Patrone im Waffentresor; Aufbewahrung verschiedener Munition an verschiedenen Orten jeweils in unversperrten Behältnissen) entsprächen nicht den gesetzlichen Vorgaben. Da zudem nicht habe geklärt werden können, wie eine Tasche, die einem haushaltsfremden Dritten gehöre, in einen der Waffenschränke gekommen sei, sei davon auszugehen, dass unberechtigte Personen Zugriff auf den Waffenschrank hätten. Der Antragsteller habe zudem über den Verbleib von zwei Kurzwaffen bewusst falsche Angaben gegenüber dem Landeskriminalamt getätigt.
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Hiergegen ließ der Antragsteller am 1. Oktober 2024 Klage erheben, über die nach Aktenlage noch nicht entschieden ist (Az.: M 7 K 24.5941). Seinen zugleich gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz lehnte das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 29. November 2024 ab. Die zum Zeitpunkt der Durchsuchung am 11. Juli 2024 dokumentierten Feststellungen der Polizeibeamten seien Tatsachen, die die Behörde habe heranziehen dürfen. Die vorgefundene Aufbewahrungssituation habe nicht den Anforderungen an eine sorgfältige Verwahrung entsprochen, sodass sich der Antragsteller als unzuverlässig gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG erweisen dürfte. Folglich sei auch die Ungültigerklärung des Jagdscheins voraussichtlich rechtmäßig, gegen die weiteren Folgeanordnungen bestünden keine Bedenken.
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Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Zur Begründung verweist er im Wesentlichen darauf, dass die für den Bescheid herangezogene Waffenkontrolle planmäßig und in unzulässiger Weise im Rahmen einer strafprozessualen Durchsuchung stattgefunden habe und deshalb rechtswidrig gewesen sei. Folglich dürften die zugrundeliegenden Tatsachen nicht verwertet werden (Beweisverwertungsverbot). Soweit Waffen angeblich im geladenen Zustand aufgefunden worden seien, sei ernsthaft anzuzweifeln, dass dem Antragsteller als langjährigen und versierten Waffenbesitzer ein solcher Fehler unterlaufen sei; vielmehr müsse es sich hierbei um Unregelmäßigkeiten beim Ablauf der Waffeninspektion bzw. deren Dokumentation durch die Beamten des Landeskriminalamts handeln.
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Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen bzw. wiederherzustellen wäre. Das Verwaltungsgericht ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht davon ausgegangen, dass vorliegend das Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheides das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt. Es wurde vom Antragsteller schon nicht dargelegt, dass Anhaltspunkte bestehen, die ein Abweichen vom gesetzlichen Sofortvollzug rechtfertigen könnten. Das Beschwerdevorbringen ist darüber hinaus nicht geeignet, durchgreifende Bedenken gegen die Rechtsmäßigkeit des angegriffenen Bescheids aufzuzeigen.
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1. In Fällen einer gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung – wie hier in § 45 Abs. 5 WaffG – ist bei der im Eilverfahren gebotenen Interessenabwägung die differenzierte gesetzgeberische Wertung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO einerseits und § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO andererseits zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 17.1.2017 – 2 BvR 2013/16 – juris Rn. 17). Folglich haben die Gerichte im Rahmen der Interessenabwägung neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache nur eine Einzelfallbetrachtung im Hinblick auf solche Umstände durchzuführen, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 45 WaffG Rn. 35). Der Gesetzgeber hat mit § 45 Abs. 5 WaffG einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet und hielt den Sofortvollzug ausweislich der Gesetzesmaterialien für dringend angezeigt (vgl. BT-Drs. 16/7717, S. 33). Dieses öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug besteht auch – wie regelmäßig – für die nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfassten mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Anordnungen, namentlich die Waffen unbrauchbar zu machen oder sie einem Dritten zu übergeben (§ 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG) und für die Anordnung der Rückgabe von Erlaubnisurkunden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG – vgl. BayVGH, B.v. 2.12.2020 – 24 CS 20.2211 – juris Rn. 29; B.v. 18.6.2020 – 24 CS 20.1010 – juris Rn. 25).
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Entsprechendes gilt auch für die jagdrechtlichen Anordnungen. Insoweit ist die sofortige Vollziehung – anders als im Waffenrecht – zwar nicht schon gesetzlich angeordnet, weil das Bundesjagdgesetz eine Vorschrift wie § 45 Abs. 5 WaffG nicht enthält. Allerdings ist das öffentliche Vollzugsinteresse bei einer Entziehung des Jagdscheins wegen Unzuverlässigkeit inhaltlich deckungsgleich mit demjenigen des waffenrechtlichen Widerrufs. Denn der Jagdschein berechtigt unter den in § 13 Abs. 3 bis Abs. 6 WaffG erfassten Umständen ebenfalls zum Umgang mit Waffen. Mithin besteht auch hier ein öffentliches Interesse, nach einer Entziehung wegen Unzuverlässigkeit den weiteren Umgang mit Waffen nicht bis zu einem bestands- bzw. rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hinzunehmen, sondern diesen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung, die in § 45 Abs. 5 WaffG die Grundlage des gesetzlichen Sofortvollzugs bilden, sofort zu unterbinden (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2022 – 24 CS 22.1575 – juris Rn. 25).
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Folglich bedarf es besonderer Umstände, um eine vom gesetzgeberischen Konzept abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Der Antragsteller hat jedoch keine Gründe vorgetragen, die über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hinausreichen, insbesondere ist weder ersichtlich noch seitens des Antragstellers dargelegt, dass von einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids auszugehen wäre. Darüber hinaus liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass der Antragsteller in besonderer Weise auf seine waffen- oder jagdrechtlichen Erlaubnisse angewiesen ist. Soweit er vorträgt, die Aufrechterhaltung und Bewirtschaftung seines Anwesens setze zwingend einen sachkundigen Jagdschutz voraus, ist weder ersichtlich noch substantiiert dargelegt, weshalb er für diese Zwecke andere Jäger beauftragen könnte, die der Antragsteller instruieren und unterweisen kann. Ebenso wenig ist ersichtlich, weshalb die vorhandene, auf dem Antragsteller persönlich ausgestellte Jagderlaubnis nicht auf die von ihm beauftragten Personen erstreckt werden könnte.
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2. Obgleich die Erfolgsaussichten der nur summarisch zu prüfenden Hauptsache derzeit nicht abschließend bewertet werden können, stellt sich der angegriffene Bescheid jedenfalls nicht als offenkundig rechtswidrig dar, insbesondere ist nicht erkennbar, dass die im Rahmen der Hausdurchsuchung vorgefundenen Umstände im Rahmen des waffenrechtlichen Widerrufsverfahrens nicht verwertet werden könnten.
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Zum einen ist bereits nicht von der Rechtswidrigkeit der – untrennbar mit der Öffnung und Durchsuchung der Sicherheitsbehältnisse für Waffen und Munition verbundenen – Hausdurchsuchung auszugehen. Da nach der Anlage zum im hiesigen Verfahren vorgelegten Schriftsatz vom 14. März 2025 der Antragsteller eine Gegenvorstellung beim Landgericht sowie eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig gemacht hat, dürften seine strafprozessualen Rechtsbehelfe erfolglos geblieben sein und die Strafgerichte die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung bestätigt haben. Das Verwaltungsgericht hat hierzu festgestellt, dass ein Durchsuchungsbeschluss für das Wohnanwesen des Antragstellers vorlag, in dessen Rahmen auch die Waffenaufbewahrungsbehältnisse des Antragstellers kontrolliert worden seien, hingegen jedoch keine geplante waffenrechtliche Aufbewahrungskontrolle als eigenständige Maßnahme stattgefunden habe. Dem ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten, sondern wiederholt im Wesentlichen nur sein erstinstanzliches Vorbringen. Für die vom Antragsteller sinngemäß vorgebrachte Annahme, es hätte sich in Wahrheit um eine (geplante) Aufbewahrungskontrolle gehandelt, für die die Waffenbehörde sich gewissermaßen des Landeskriminalamts in unzulässiger Weise bedient hätte, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Es ist lebensnah und entspricht der allgemeinen behördlichen Praxis, dass im Rahmen einer strafprozessualen Durchsuchung, so wie es der Vermerk vom 11. Juli 2024 festhält, Zufallsfunde auftreten, die sodann an die jeweils zuständige Behörde, vorliegend das Landratsamt als Waffenbehörde, weitergeleitet werden. Zudem ist kein Grund ersichtlich, weshalb das Landratsamt anstatt seine Befugnis nach § 36 Abs. 3 WaffG gegenüber dem Antragsteller zu nutzen, das Landeskriminalamt einschalten sollte und hierbei etwaig bestehende Grenzen der behördlichen Kooperation überschritten worden sein sollen. Vor dem Hintergrund, dass gemäß den waffenrechtlichen Vorgaben Waffen und Munition stets getrennt aufzubewahren sind, ist es schließlich auch unplausibel, dass Beamte des Landeskriminalamts bei der Herausnahme der Waffen aus dem Waffenschrank in irgendeiner Form die Auffindesituation manipuliert hätten, in dem sie die Waffen zuerst mit Patronen bestückt und sodann eine Ladung festgestellt hätten.
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Zum anderen würde selbst die Feststellung der (Teil-)Rechtwidrigkeit der Hausdurchsuchung nicht automatisch ein Beweisverwertungsverbot begründen. Trotz der Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz ist anerkannt, dass nicht aus jedem rechtswidrigen Handeln einer Behörde die Unverwertbarkeit der hierdurch gewonnenen Erkenntnisse folgt (vgl. BayVGH, B.v. 16.5.2022 – 24 CS 22.737 – juris Rn. 15; zu Beweisverwertungsverboten im Fahrerlaubnisrecht BayVGH, B.v. 23.3.2021 – 11 CS 20.2643 – juris Rn. 29; B.v. 4.12.2018 – 11 CS 18.2254 – juris Rn. 13 ff.; OVG NW, B.v. 26.9.2016 – 16 B 685/16 – juris Rn. 15). Es ist vorliegend weder ersichtlich noch dargelegt, dass das – vom Antragsteller unterstellte rechtswidrige – Handeln der Behörde in einer Art rechtswidrig wäre, die zwingend ein Beweisverwertungsverbot zur Folge hätte.
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Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass beim Antragsteller mehrere eigenständige und auch verschiedenartige Verstöße gegen waffenrechtliche Aufbewahrungsvorschriften festgestellt wurden, die der Antragsteller weder erschüttern noch plausibel und nachvollziehbar erklären konnte, ist gegen die Bewertung der vorgefundenen Umstände und die daraus gebildete Prognose durch das Verwaltungsgericht nichts zu erinnern. Denn die dokumentierten Tatsachen dürften im Rahmen der Prognose die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller Waffen und Munition nicht sorgfältig gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG verwahren wird, was sich auch auf seine jagdrechtliche Zuverlässigkeit auswirkt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 20.3, 50.1 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013 und folgt in der Höhe der nicht beanstandeten Festsetzung des Verwaltungsgerichts.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).