Titel:
Testamentsvollstreckervergütung, Testamentsvollstreckeramt, Testamentsvollstreckerzeugnis, Entlassung des Testamentsvollstreckers, Testamentsvollstreckerernennung, Vergütungsanspruch, Testamentsvollstreckung, Sachverständigengutachten, Prozeßführungsbefugnis, Kostenvorschuss, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Erblasserwillens, Auslagenvorschuß, Nachlaßgericht, Auslegung des Erbvertrags, Rückzahlungsanspruch, Nachlaßansprüchen, Nachlaßwert, Kosten des Berufungsverfahrens, Sachverständigenvergütung
Normenketten:
BGB § 2221, § 2213, § 2212, § 242
ZPO § 51
BeurkG § 7, § 9, § 27
StGB § 266
Leitsätze:
1. Zur Verwirkung des Anspruchs auf Testamentsvollstreckervergütung bei unrechtmäßiger Mittelentnahme aus dem Nachlass durch den Testamentsvollstrecker
2. Zur Prozessführungsbefugnis der Erben im Rückforderungsprozess gegen den Testamentsvollstrecker
Schlagworte:
Verwirkung, Prozessführungsbefugnis, Erbengemeinschaft, Pflichtverletzung, Rückforderungsanspruch, Nachlassverwaltung
Vorinstanz:
LG München II, Endurteil vom 14.12.2021 – 12 O 2826/21 Erb
Fundstelle:
BeckRS 2025, 6685
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 14.12.2021, Az. 12 O 2826/21 Erb, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München II ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von Testamentsvollstreckervergütung in Anspruch, die der Beklagte als Testamentsvollstrecker für den Nachlass der ... (nachfolgend: Erblasserin) vereinnahmt hat.
2
Die Erblasserin verstarb am ... 2018. Ihr Ehemann ist am ... 2019 nachverstorben. Aus der Ehe gingen der Kläger sowie seine Geschwister […] hervor. Die Ehegatten schlossen eine Reihe von Erbverträgen und errichteten gemeinschaftliche Testamente. Am 12.12.2002 errichteten die Eheleute den als Anlage vorgelegten (handschriftlichen) „Testament-/Erbvertragsnachtrag“. Darin bestimmten sie u. a.:
„Wir … haben einen gegenseitigen Erbvertrag geschlossen und ergänzen dessen Inhalt wie folgt: Zu unserem Mit-Testamentsvollstrecker ernennen wir Herrn K. [= Beklagter], Notar …“
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Im Erbvertrag vom 12.10.2004 findet sich die Anordnung, dass alle zuvor errichteten privatschriftlichen Testamente vollständig widerrufen werden und der Erbvertrag vom 12.12.2002 durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung ungültig sei. Unter Ziffer II. 10.) ordneten die Ehegatten an:
„An die Stelle des überlebenden Ehegatten tritt ein von uns bereits gesondert ernannter weiterer Testamentsvollstrecker, wobei wir dieses Testament entgegen den Regelungen im Rahmen des Abschnitts I. dieser Urkunde nicht widerrufen wollen.“
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Am 24.11.2014 schlossen die Eheleute den als Anlage vorgelegten notariellen Erbvertrag, den der Beklagte beurkundet hat. Die Eheleute widerriefen dort unter anderem die früher errichteten Verfügungen von Todes wegen, jedoch „mit Ausnahme des privatschriftlichen Testaments vom 12.12.2002“ und hoben die gemeinsam geschlossenen Erbverträge „mit Ausnahme des Erbvertrags vom 12.10.2004“ auf. In Ziffer II 11) trafen sie u. a. folgende Regelungen:
„Jeder Ehegatte ordnet für seinen Nachlass Testamentsvollstreckung an. Zu Testamentsvollstreckern (TV), die ihr Amt gemeinschaftlich führen, berufen wir (a) die bereits in der Urkunde vom 12.12.2002 erwähnte Person, (…)
Die Ernennung des von uns am 12.12.2002 bereits gesondert ernannten weiteren Testamentsvollstreckers wollen wir entgegen den Regelungen im Rahmen des Abschnitts I dieser Urkunde nicht widerrufen. … Wir stellen fest, dass die TV’s nicht nur zur Auseinandersetzung des Nachlasses sondern auch zur dauernden Verwaltung der beiden Vermächtnisse bis zum 31.12. des 5. (fünften) Folgejahres auf den Tod des überlebenden Ehegatten berechtigt und verpflichtet sind. Die TV's erhalten für ihre Tätigkeit entsprechend den Empfehlungen des Deutschen Notarvereins eine berufsübliche Vergütung und Ersatz ihrer Auslagen. Die TV's haben stets einvernehmlich und gemeinsam zu handeln, …“
5
Im Verfahren 1 VI 965/18 Amtsgericht – Nachlassgericht – Miesbach wurde dem Beklagten (neben dem weiteren Testamentsvollstrecker R.) ein Zeugnis als Testamentsvollstrecker über den Nachlass von Erblasserin erteilt. Mit Beschluss vom 27.01.2025 wies das Nachlassgericht einen Antrag des Klägers auf Entlassung des Testamentsvollstreckers zurück.
6
Die beiden Testamentsvollstrecker erstellten unter dem 23.09.2019 ein Nachlassverzeichnis im Erbfall der Erblasserin (Anlage K 4) und ermittelten einen Nachlasswert in Höhe von 8.813.984,62 Euro. Mit der Bewertung der Nachlassimmobilien hatten die Testamentsvollstrecker die Fa. S. GmbH beauftragt. Der Beklagte stellte mit Abrechnung vom 18.12.2020 für seine Tätigkeit im Erbfall der Erblasserin unter Anwendung der sog. Neuen Rheinischen Tabelle ein Honorar in Höhe von 117.191,70 € in Rechnung. In diesem Betrag ist die Umsatzsteuer in Höhe von 1.870,00 € enthalten. Der Beklagte entnahm diesen Betrag in der Folge einem Nachlasskonto.
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Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Erbengemeinschaft nach dem Ehemann der Erblasserin habe einen Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung. Der Beklagte sei schon nicht wirksam zum Testamentsvollstrecker nach der Erblasserin bestimmt worden, da ein Verstoß gegen §§ 7, 27 BeurkG, § 125 Satz 1 BGB vorliege. Das Honorar sei nicht angemessen, insbesondere die Rheinische Tabelle nicht anwendbar. Die Testamentsvollstrecker seien gehalten gewesen, den Wertansatz des Finanzamts zu übernehmen; in diesem Fall wäre auch die Sachverständigenvergütung der Fa. S. GmbH von 47.000,00 € nicht angefallen. Zudem sei die Testamentsvollstreckervergütung nicht fällig.
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Der Beklagte hat einen Verstoß gegen § 7 BeurkG verneint, da er in der von ihm als Notar beurkundeten Urkunde nicht namentlich als Testamentsvollstrecker genannt sei. Die Vergütung sei angesichts des Umfangs des Nachlasses und dem damit einhergehenden Aufwands angemessen. Der Vergütungsanspruch sei mit Abschluss der Konstituierung des Nachlasses hälftig fällig geworden, im Übrigen mit der – ebenfalls inzwischen durchgeführten – Erbschaftssteuerveranlagung. Die Einholung von Sachverständigengutachten sei schon deshalb erforderlich gewesen, weil die Ermittlung des Werts des Nachlasses zu den Aufgaben eines Testamentsvollstreckers gehöre.
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Auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils und die dort gestellten Anträge wird ergänzend Bezug genommen.
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Das Landgericht hat der auf Rückzahlung der vereinnahmten Testamentsvollstreckervergütung nebst Zinsen gerichteten Klage mit Endurteil vom 14.12.2021 vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagte die Testamentsvollstreckervergütung ohne rechtlichen Grund erlangt habe, denn er sei wegen des hier vorliegenden Verstoßes gegen § 7 Nr. 1, § 27 BeurkG schon nicht wirksam zum Testamentsvollstrecker bestellt worden. Dass der Name des Beklagten in der fraglichen Urkunde nicht genannt werde, mache lediglich semantisch, nicht aber inhaltlich oder von der Wirkung her einen Unterschied. Jedenfalls liege eine offensichtliche Umgehung von § 7 Nr. 1 BeurkG vor.
11
Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er hält seine Ernennung für wirksam, auch sei die aus dem Nachlass entnommene Vergütung angemessen und entspreche den Anordnungen der Erblasser. Wegen des ihm erteilten Testamentsvollstreckerzeugnisses sei er in gutem Glauben gewesen, weshalb seine als Testamentsvollstrecker erbrachten Leistungen auch abrechenbar seien. Im Übrigen fehle dem Kläger die Prozessführungsbefugnis.
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Der Beklagte beantragt im Berufungsverfahren:
1. Das Urteil des Landgerichts München II, AZ: 12 O 2826/21 Erb vom 14.12.2021, zugestellt am 15.12.2021 wird aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags und beantragt im Berufungsverfahren,
die Berufung zurückzuweisen.
14
Der Senat hat mit Beweisbeschluss vom 08.08.2022 mit Ergänzung vom 06.04.2023 die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet zu der Behauptung des Beklagten, die von der Fa. S. GmbH ermittelten Verkehrswerte seien auch für den Todeszeitpunkt der Erblasserin zutreffend und vom Beklagten die Einzahlung eines Auslagenvorschusses von 10.000,00 € gefordert, den dieser im August 2022 einbezahlt hat. Am 20.07.2023 hat der Senat dem Beklagten aufgegeben, einen weiteren Kostenvorschuss von 17.000,00 € einzuzahlen, was am 17.08.2023 erfolgt ist.
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Mit Schriftsatz vom 28.12.2023 hat der Kläger mitgeteilt, dass der Beklagte den Auslagenvorschuss von 10.000,00 € am 22.11.2022 dem Nachlass entnommen habe und dass er bereits unter dem 06.12.2022 wegen dieser Entnahme beim Nachlassgericht die Entlassung des Testamentsvollstreckers beantragt habe. Der Beklagte hat mitgeteilt, dass er im August 2023 den Nachlass auch mit dem zweiten Kostenvorschuss belastet hat.
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Der Kläger ist der Ansicht, dass der Beklagte seinen Vergütungsanspruch jedenfalls dadurch verwirkt habe, dass er die Kostenvorschüsse für die vom Senat erholten Sachverständigengutachten zum Wert der im Nachlass befindlichen Grundstücke in Höhe von insgesamt 27.000,00 € in zwei Teilbeträgen in Höhe von 10.000,00 € bzw. 17.000,00 € aus dem Nachlass entnommen hat. Der Beklagte meint, zur Entnahme berechtigt gewesen zu sein, weil es im vorliegenden Verfahren darum ginge, „die Konstituierung des Nachlasses zu überprüfen“. Zudem drohe der Erbengemeinschaft kein Nachteil, da hinreichend Finanzvermögen vorhanden sei. In einer Email des Beklagten an den weiteren Testamentsvollstrecker vom 07.08.2023 führte der Beklagte aus, der Beklagtenvertreter „tendiert (in jur. formulierter Weise) dazu, dass sowohl der erste, wie auch der jetzige zweite Vorschuss aus Nachlassmitteln zu bestreiten ist“. Mittlerweile hat der Beklagte insgesamt 27.000,00 € an den Nachlass zurücküberwiesen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2025. Zudem wird Bezug genommen auf die vom Senat erholten Sachverständigengutachten.
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Die Berufung ist zulässig, bleibt aber ohne Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht der Klage stattgegeben, weil der Beklagte seinen Vergütungsanspruch jedenfalls verwirkt hat und deshalb gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Rückzahlung an den Nachlass verpflichtet ist.
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1. Der Kläger ist prozessführungsbefugt und kann den Beklagten auf Rückzahlung der Testamentsvollstreckervergütung an den Nachlass in Anspruch nehmen.
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a) § 2212 BGB steht der Prozessführung des Klägers nicht entgegen.
21
aa) Zwar obliegt bei angeordneter Testamentsvollstreckung die Geltendmachung von Ansprüchen des Nachlasses dem oder den ernannten Testamentsvollstreckern. Das gilt jedoch dann nicht, wenn Schadensersatzansprüche gegen den amtierenden Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden sollen (BeckOK BGB/Lange, 72. Ed. 01.11.2024, BGB, § 2219 Rn. 2), denn insoweit ist der Testamentsvollstrecker an der Ausübung des Amtes verhindert, § 2224 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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bb) Damit ist jedenfalls der Beklagte vorliegend an der Prozessführung gehindert, denn auch bei auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützten, gegen den Testamentsvollstrecker geltend gemachten Ansprüchen ist der Testamentsvollstrecker an der Vertretung des Nachlasses gehindert (vgl. MüKoBGB/Zimmermann, 9. Aufl. 2022, BGB, § 2212 Rn. 17).
23
b) Auch der weitere Testamentsvollstrecker ist an der Prozessführung gehindert. Die Erblasser haben angeordnet, dass die (beiden) Testamentsvollstrecker nur einvernehmlich und gemeinsam handeln/agieren dürfen, was im Ergebnis dazu führt, dass auch der weitere Testamentsvollstrecker rechtlich verhindert ist, die dem Nachlass zustehenden Rechte geltend zu machen.
24
aa) Das folgt jedenfalls auch aus einer ergänzenden Auslegung des notariellen Erbvertrages vom 24.11.2014. Die Erblasser haben den Fall, dass der Nachlass Ansprüche gegen den Testamentsvollstrecker geltend machen muss, nicht geregelt, so dass insoweit eine Lücke vorliegt, die nach Überzeugung des Senats auch planwidrig ist.
25
bb) Der Auslegung des Erbvertrages steht nicht entgegen, dass die auszulegenden Erklärungen notariell beurkundet wurden. Auch notarielle Urkunden sind zur Ermittlung des wahren Erblasserwillens der Auslegung zugänglich (BGH, Urteil vom 06.12.1989, IVa ZR 59/88, NJW-RR 1990, 391; Senat, 33 U 6666/21, ZEV 2022, 659), auch wenn wegen der Beratungs- und Belehrungspflicht des Notars aus § 17 BeurkG bei der Verwendung juristischer Begriffe in notariellen Testamenten eine gewisse Vermutung dafür spricht, dass objektiver Erklärungsinhalt und Erblasserwille übereinstimmen. Erst recht kann im Wege ergänzender Vertragsauslegung eine Lücke geschlossen werden, deren Auftreten nie gänzlich verhindert werden kann.
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cc) Entwickelt man die übereinstimmende Willensrichtung der Ehegatten, die durch die Regelung, wonach die Testamentsvollstrecker „stets einvernehmlich und gemeinsam zu handeln [haben]“, hinreichend angedeutet ist, weiter, lässt sich der hypothetische Wille der Erblasser feststellen, dass die Erblasser in der vorliegenden Konstellation beide Testamentsvollstrecker an der Prozessführung gehindert gesehen und die Erben als zur Geltendmachung der Ansprüche angesehen hätten.
27
c) Aus der vom Beklagten zitierten Entscheidung des OLG Oldenburg (3 U 68/22, ErbR 2023, 794) kann er für seine Berufung nichts herleiten. Zwar ist ein neuer Testamentsvollstrecker berechtigt, Ansprüche gegen den früheren Testamentsvollstrecker geltend zu machen (BGH, Urteil vom 18.09.2002, IV ZR 287/01, ZEV 2002, 499). Das gilt aber nur, wenn ein neuer Testamentsvollstrecker berufen worden ist, anderenfalls sind – wie hier – die Erben zur Prozessführung berechtigt.
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d) Vor diesem Hintergrund vermag dahinzustehen, ob die Testamentsvollstreckung mit Ablauf des 31.12.2024 nicht ohnehin beendet ist und der Kläger deswegen zum Schluss der mündlichen Verhandlung jedenfalls prozessführungsbefugt ist.
29
aa) Das Amt des Testamentsvollstreckers endet im Falle der Abwicklungsvollstreckung von selbst (ohne Niederlegung oder Anzeige), wenn der Testamentsvollstrecker seine Aufgaben vollständig erledigt hat. Wenn das Testamentsvollstreckeramt durch Aufgabenerledigung beendet ist, wird nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 2368 Abs. 3 Halbsatz 2 BGB das erteilte Zeugnis von selbst kraftlos, für eine förmliche Einziehung (mit der Wirkung nach § 2361 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist kein Raum mehr (BayObLG, Beschluss vom 27.11.1953, BReg. 2 Z 224/53, BayObLGZ 1953, 357). Im Falle der Dauervollstreckung endet die Testamentsvollstreckung mit Zeitablauf (BeckOGK/Suttmann, 01.02.2025, BGB, § 2209 Rn. 40; NK-BGB/Kroiß, 6. Aufl. 2022, BGB, § 2209 Rn. 11; Lange ErbR/Lange, 3. Aufl. 2022, Kap. 15 Rn. 70).
30
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt es allerdings nahe, dass die Testamentsvollstreckung hier mit Ablauf des 31.12.2024 beendet ist, weil die Erblasser die Testamentsvollstreckung durch die Dauer der Dauertestamentsvollstreckung auf insgesamt 5 Jahre nach dem Tod des Letztversterbenden befristet haben und sich aus dem systematischen Aufbau der Regelung ergibt – Benennung der Abwicklungsvollstreckung vor der Dauertestamentsvollstreckung – dass die Ehegatten damit zum Ausdruck gebracht haben, dass es sich bei der benannten Dauer um eine Höchstdauer handelt. Dass die Erblasser eine Testamentsvollstreckung anordnen wollten, die einerseits als Dauervollstreckung auf 5 Jahre befristet ist, sich aber als Abwicklungsvollstreckung unter Umständen ad infinitum erstreckt, erscheint fernliegend, kann aber aufgrund der vorstehenden Ausführungen dahinstehen.
31
e) Soweit das Amtsgericht Miesbach – Nachlassgericht – einen gegen den Beklagten gerichteten Antrag auf Entlassung als Testamentsvollstrecker zurückgewiesen hat, bindet diese Entscheidung den Senat nicht. Sie ist im Übrigen auch deswegen vorliegend ohne Bedeutung, weil das Nachlassgericht sich zur Frage der Prozessführungsbefugnis nicht verhält.
32
2. In der Sache bleibt die zulässige Berufung ohne Erfolg.
33
a) Allerdings verstößt die Ernennung des Beklagten zum Testamentsvollstrecker entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht gegen §§ 7, 27 BeurkG.
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aa) Der Beklagte hat nicht, wie von §§ 7, 27 BeurkG untersagt, seine eigene Ernennung beurkundet. In der von ihm beurkundeten Urkunde wurde vielmehr lediglich Bezug genommen auf eine handschriftliche Verfügung der Ehegatten, in der diese den Beklagten bezeichnet hatten. Dies verstößt nicht gegen das Beurkundungsgesetz und stellt auch keine Umgehung der maßgeblichen Vorschriften dar.
35
Insoweit teilt der Senat die Ansicht des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 23.02.2022, IV ZB 24/21, ZEV 2022, 402), wonach das Gesetz weder die Ernennung des Urkundsnotars zum Testamentsvollstrecker noch dessen Tätigwerden in diesem Amt, also das mit der letztwilligen Verfügung angestrebte Ziel verbietet, § 27, § 7 Nr. 1 BeurkG schließen lediglich einen bestimmten Weg zur Erreichung dieses Zieles aus, nämlich eine Beurkundung der Ernennungserklärung durch den betreffenden Notar.
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bb) Auch über § 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG, wonach Erklärungen in einem Schriftstück, auf das in der Niederschrift verwiesen (hier also das frühere eigenhändige Testament) und das dieser beigefügt wird, als in der Niederschrift selbst enthalten gelten, lässt sich ein Verstoß nicht herleiten. Denn da das eigenhändige Testament dem notariellen Erbvertrag nicht beigefügt ist, gilt es nicht als in der Niederschrift enthalten, so dass der Beklagte im Ergebnis seine Ernennung nicht protokolliert hat.
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b) Der Beklagte hat jedoch die ihm zustehende Vergütung in voller Höhe verwirkt.
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aa) Eine Verwirkung des Anspruches des Testamentsvollstreckers auf Vergütung (§ 242 BGB) ist (nur) anzunehmen, wenn dieser in besonders schwerwiegender Weise vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen seine Amtspflichten verstoßen hat (BGH, Urteil vom 05.05.1976, IV ZR 53/75, BeckRS 1976, 31116740; BGH, Urteil vom 13.06.1979, IV ZR 102/77, BeckRS 1979, 31116601). Eine Verwirkung kann auch dann eintreten, wenn der Testamentsvollstrecker sich bewusst über die Interessen, für die er als Testamentsvollstrecker eingesetzt ist, hinwegsetzt und mit seiner Tätigkeit eigene Interessen oder die anderer Personen verfolgt, oder wenn ihm die Interessen der von ihm betreuten Personen ganz gleichgültig sind und er sein Amt so nachlässig versieht, dass von einer ordnungsgemäßen (pflichtgemäßen) Amtsführung nicht die Rede sein kann (BGH, Urteil vom 13.06.1979, IV ZR 102/77 Rn. 11).
39
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Vergütungsanspruch hier jedenfalls dadurch verwirkt, dass der Testamentsvollstrecker – wie er selbst einräumt – die vom Senat von ihm als beweisbelasteter Partei angeforderten Kostenvorschüsse für die im vorliegenden Verfahren angefallenen Auslagen des Sachverständigen aus dem Nachlass entnommen hat, obwohl es sich im vorliegenden Rechtsstreit um eine Klage gegen den Testamentsvollstrecker persönlich handelt, für deren Kosten er persönlich aufzukommen hat. Insoweit hat der Testamentsvollstrecker zumindest grob fahrlässig mehrmals eine erhebliche Pflichtverletzung begangen.
40
(1) Gemäß § 2213 BGB darf der Testamentsvollstrecker nur bei Prozessen, die sein Amt betreffen, die Kosten aus dem Nachlass entnehmen, nicht aber bei Prozessen, die ihn persönlich betreffen. Um persönliche Klagen oder Verfahren handelt es sich bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach § 2219 BGB wegen einer Verletzung einer Amtspflicht und bei Klagen, die Vergütungsansprüche des Testamentsvollstreckers betreffen (§ 2221 BGB) (BGH, Urteil vom 04.02.1987, IVa ZR 229/85, BeckRS 1987, 738; Mayer/Bonefeld/Tanck, Testamentsvollstreckung-HdB/Mayer/Bonefeld, 5. Aufl. 2022, § 11 Rn. 25).
41
Nachdem vorliegend die Vergütungsansprüche des Beklagten streitgegenständlich sind, kam eine Entnahme aus dem Nachlass nicht in Betracht.
42
(2) Die (wiederholte) Entnahme von insgesamt 27.000,00 € für die Kosten seiner eigenen Prozessführung stellt eine erhebliche und fortgesetzte Verletzung der dem Testamentsvollstrecker obliegenden Pflichten dar. Dabei kann dahinstehen, ob es sich insoweit um eine Untreue im Sinne des § 266 StGB handelt. Allerdings ist der Testamentsvollstrecker grundsätzlich tauglicher Täter einer Untreue, wenn er die ihm im Außenverhältnis eingeräumte Verfügungsmacht im Innenverhältnis missbraucht (BeckOK StGB/Wittig, 63. Ed. 01.11.2024, § 266 Rn. 11.1; Kroiß/Horn/Solomon, NachfolgeR/Holling, 3. Aufl. 2023, StGB, § 266 Rn. 3). Insoweit liegt eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch den Beklagten zumindest nicht fern. Selbst wenn keine Untreue vorliegen sollte, handelt es sich bei der Entnahme von insgesamt 27.000,00 € aus dem Nachlass für eigene Zwecke des Testamentsvollstreckers um eine erhebliche Verletzung seiner Pflichten, durch die die Interessen des Nachlasses schwer beeinträchtigt wurden. Dass der Beklagte zwar irrig, allerdings in dem Bestreben, sein Amt zum Wohle der Erben auszuüben, gehandelt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 13.06.1979, IV ZR 102/77, BeckRS 1979, 31116601; BGH, Beschluss vom 27.11.2004, IV ZR 243/03, BeckRS 30346902), ist nicht ersichtlich.
43
(i) Schon die erstmalige Entnahme von 10.000,00 € stellt eine erhebliche Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers dar. Dabei vermag dahinzustehen, ob das tatsächliche Vorbringen des Beklagten in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 06.03.2025 zu berücksichtigen ist, wonach der Beklagte kein Volljurist ist. Gerade wenn man zugunsten des Beklagten berücksichtigen würde, dass er zwar Notar, gleichwohl kein Volljurist war, entlastet ihn die damit inzident behauptete mangelnde Rechtskenntnis nicht. Dass ein Testamentsvollstrecker kein Geld aus dem Nachlass zur Verfolgung eigener Interessen entnehmen darf, liegt auf der Hand und bedarf keiner juristischen Expertise. Wäre sich der Beklagte insoweit unsicher gewesen, hätte er sich qualifizierten Rechtsrat einholen müssen, wobei bereits ein Blick in einen Standardkommentar genügt hätte, um zum vorgenannten Ergebnis zu kommen. Das hat der Beklagte jedoch nicht einmal nach seinem eigenen Vortrag getan. Damit hat er sich in besonderer Art und Weise sorglos verhalten und seine eigenen Interessen über die des Nachlasses gesetzt.
44
(ii) Hinzu kommt, dass schon der zunächst entnommene Betrag in Höhe von 10.000,00 € dem Nachlass einen erheblichen Schaden zufügt. Das gilt sowohl in Relation zu den vom Beklagten geltend gemachten Vergütungsansprüchen als auch zum Wert des Gesamtnachlasses; ein umfangreicher und werthaltiger Nachlass ist insoweit nicht weniger schutzwürdig als ein überschaubarer Nachlass.
45
(iii) Die Entnahme weiterer 17.000,00 € aus dem Nachlass stellt ebenfalls eine schwere Pflichtverletzung dar. Insbesondere aus der vorgelegten Email vom 07.08.2023 ergibt sich, dass der Beklagte erneut tätig geworden ist, ohne sich zuvor sachkundig beraten lassen zu haben. Darauf deutet schon der Wortlaut der Email („tendiert …dazu“) selbst hin, der geradezu auf das Gegenteil einer fundierten rechtlichen Prüfung verweist. Im Übrigen gilt das oben Gesagte: Entweder, dem Beklagten drängt sich selbst auf, dass er zur Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen dem Nachlass kein Geld entnehmen darf oder aber er lässt sich umfassend und qualifiziert juristisch beraten. Dass er trotz des vom Kläger beim Nachlassgericht wegen der ersten Entnahme gestellten Entlassungsantrags und wiederum ohne fundierte Beratung erneut einen ganz erheblichen Geldbetrag aus dem Nachlass entnommen hat, zeigt, dass er zur Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen bewusst die Augen vor den Konsequenzen seines Handelns verschlossen und die Interessen der Erben völlig außer Acht gelassen hat. Dies stellt eine grobe Pflichtverletzung seitens des Beklagten dar.
46
(iv) Soweit sich der Beklagte im Verfahren vor dem Senat damit verteidigt, die eingeholten Gutachten kämen dem Nachlass zugute, trifft dies ersichtlich nicht zu und entlastet ihn deswegen nicht.
47
Der vorliegende Rechtsstreit hat ausschließlich die vom Beklagten behauptete, aus dem Nachlass entnommenen Vergütung zum Gegenstand, denn der Kläger verlangt Rückzahlung eben dieser entnommenen Vergütung an den Nachlass. Die Einholung der Sachverständigengutachten durch den Senat diente mithin allein der Überprüfung der vom Beklagten seiner Abrechnung zugrunde gelegten – und vom Kläger bestrittenen – Nachlasswerte, denn selbstverständlich kann nur der zutreffend ermittelte Nachlasswert Gegenstand einer tabellenmäßigen Vergütung sein. Für den Nachlass hat die Ermittlung der Grundstückswerte mithin keinen Vorteil, zumal die Immobilien für steuerliche Zwecke bereits bewertet sind.
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(v) Schließlich entlastet den Beklagten die „vorläufige“ Rückzahlung der Beträge an den Nachlass nicht. Mit der Entnahme des Geldes trug der Nachlass das Insolvenzrisiko des Beklagten, weswegen die Pflichtwidrigkeit nicht entfällt, auch wenn sich das Risiko tatsächlich nicht verwirklicht hat. Im Übrigen lässt der Umstand, dass der Beklagte die Beträge lediglich „vorläufig“ zurückgezahlt hat, den Schluss zu, dass er sich immer noch zur Entnahme berechtigt hält. Sein Beharren auf dem Umstand, die Entnahme sei „nicht zu Privatzwecken“ erfolgt, ist vor diesem Hintergrund widerlegt.
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(3) Angesichts des Vorstehenden kann dahinstehen, ob bereits die Entnahme der Honorare der von den Testamentsvollstreckern mit der Grundstücksbewertung beauftragten Fa. S. GmbH eine Pflichtverletzung darstellt, die für sich genommen oder im Zusammenwirken mit den anderen Gründen ebenfalls zu einer Verwirkung der Vergütungsansprüche führen würde. Denn auch für die Einholung dieser Gutachten vermag der Senat keinen Grund zu erkennen.
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Dem Testamentsvollstrecker obliegt gemäß § 2215 BGB im Rahmen der Konstituierung des Nachlasses zwar die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses im Sinne einer geordneten, vollständigen und übersichtlichen Zusammenstellung der Aktiva und Passiva (Zimmermann, ZEV 2019, 197), eine Wertermittlung von Grundstücken, oder sonstigen Wertgegenständen oder auch nur eine Beschreibung der Nachlassgegenstände ist jedoch nicht erforderlich (OLG München, 31 Wx 99/08, ZEV 2009, 293; Bengel/Reimann/Holtz/Röhl TV-HdB/Klinger, 8. Aufl. 2023, § 3 Rn. 17; Bonefeld in: Praxiskommentar Erbrecht, § 2215 BGB Rn. 5). Auch gegenüber dem Finanzamt besteht entgegen den Behauptungen des Beklagten keine Pflicht zur Vorlage von Gutachten (BeckOK ErbStG/Baldauf, 26. Ed. 01.01.2025, § 31 Rn. 42; Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk/Jülicher, 69. EL September 2024, ErbStG, § 31 Rn. 13), zumal es sich bei dem beauftragten Gutachter nicht um einen Sachverständigen im Sinne des § 198 BewG gehandelt hat, mit dessen Hilfe ein niedrigerer Verkehrswert für die steuerliche Bewertung hätte nachgewiesen werden können. Warum für eine – hier wegen der beabsichtigten Einbringung in eine Gesellschaft schon nicht anstehende – Verteilung von Vermögenswerten nicht auf die vom Finanzamt ermittelten Werte zurückgegriffen hätte werden können, bleibt ebenfalls im Dunkeln.
51
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
52
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
53
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.