Inhalt

Anwaltsgerichtshof München, Urteil v. 28.01.2025 – BayAGH III-4-8/23
Titel:

Keine Zulassung einer Berufsausübungsgesellschaft mit Beamtem auf Lebenszeit als Mitglied des Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans

Normenkette:
BRAO § 7 Nr. 10, § 59f Abs. 2 Nr. 1, § 59j Abs. 2
Leitsätze:
1. Ein Beamter auf Lebenszeit (hier: Tätigkeit als Hochschulprofessor) darf nicht Mitglied des Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans einer Berufsausübungsgesellschaft sein. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vorschrift des § 7 Nr. 10 BRAO ist verfassungskonform, auch soweit sie keine Ausnahme für Hochschulprofessoren vorsieht. Zwar mag die Unabhängigkeit eines Hochschulprofessors bei Ausübung des anwaltlichen Mandats durch seine universitären Verpflichtungen in vielen Fällen nicht berührt werden. Gleichwohl ist es vom Gestaltungsermessen des Gesetzgebers gedeckt, Hochschulprofessoren vom Ausschluss zur Anwaltschaft nicht auszunehmen, wenn sie als Beamte auf Lebenszeit ernannt sind. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufsausübungsgesellschaft, Zulassung, Beamter auf Lebenszeit als Repräsentant der Berufsausübungsgesellschaft, Hochschulprofessor als vertretungsberechtigtes Mitglied, Unabhängigkeit der Berufsausübungsgesellschaft, Berufsrecht der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften, Zulassung einer Berufsausübungsgesellschaft
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 09.05.2025 – AnwZ (Brfg) 10/25
Fundstellen:
NWB 2025, 895
BRAK-Mitt 2025, 142
BeckRS 2025, 6568
LSK 2025, 6568

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt. 

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt mit der Klage die Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft durch die Beklagte.
2
Die Klägerin ist als Berufsausübungsgesellschaft tätig. Sie ist unter ... als Partnerschaft mit beschränkter Berufshaftung im Partnerschaftsregister des Amtsgerichts Augsburg eingetragen.
3
Aufgrund des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 07.07.2021 (BGBl. I 2363) bedarf die Klägerin nunmehr der Zulassung durch die Beklagte. Am 29.09.2022 stellte sie dementsprechend einen Antrag auf Zulassung. Als Mitglieder des Geschäftsführungsorgans bzw. geschäftsführungsberechtigte Gesellschafter wurden folgende Personen benannt: Rechtsanwalt und Steuerberater; Rechtsanwalt und Steuerberater; Rechtsanwältin; Steuerberater;  Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Diese werden als vertretungsberechtigte Partner im Partnerschaftsregister geführt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Antrag vom 29.09.2022 verwiesen. In der Anlage H (Personal und Fragebogen) legte Herr offen, dass er weitere Tätigkeiten neben der Betätigung in der Berufsausübungsgesellschaft ausüben wolle und dass er als Beamter auf Lebenszeit ernannt sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Fragebogen vom 16.09.2022 verwiesen.
4
Mit Schriftsatz vom 21.10.2022 forderte die Beklagte Herrn auf, weitere Angaben zu seinen sonstigen Tätigkeiten zu machen. Mit Schriftsatz vom 28.10.2022 legte Herr offen, dass er außer für die Klägerin auch für die , die, die , die, die  und die tätig sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 28.10.2022 nebst Anlagen verwiesen. Mit Schreiben vom 11.11.2022 teilte die Beklagte Herrn mit, dass die Ausübung weiterer Tätigkeiten für die, die, die  und die der Zulassung der Klägerin nicht entgegenstehen würden. Hinsichtlich der Tätigkeit für die HTW (zutreffend HTWK) Leipzig seien jedoch weitere Unterlagen, insbesondere die Ernennungsurkunde und etwaige Dienstverträge erforderlich. Mit E-Mail vom 20.01.2023 legte Herr die Urkunde vom 06.11.2018 vor, durch die er als Professor (...) in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen wurde. Weiterhin legte er die Urkunde vom 29.09.2017 vor, durch die er als Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Prüfungswesen an die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig berufen wurde.
5
Mit Schreiben vom 06.02.2023 forderte die Beklagte die Steuerberaterkammer Sachsen auf, mitzuteilen, ob die Tätigkeit von Herrn als Professor auf ihre Vereinbarkeit mit der Tätigkeit als Steuerberater überprüft worden sei. Mit Schreiben vom 09.02.2023 wies die Steuerberaterkammer Sachsen darauf hin, dass die Tätigkeit als Hochschullehrer generell mit der Ausübung des Berufs des Steuerberaters vereinbar sei.
6
Mit Schreiben vom 23.03.2023 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass dem Antrag auf Zulassung der Klägerin nicht stattgegeben werden könne. Herr sei als Beamter auf Lebenszeit ernannt. Er erfülle damit den Versagungstatbestand gem. § 7 Nr. 10 BRAO. Da er zur Geschäftsführung und Vertretung der Klägerin berechtigt sein solle, könne der Klägerin gemäß §§ 59f Abs. 2 Nr. 1, 59j Abs. 2 BRAO die Zulassung nicht erteilt werden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 23.03.2023 verwiesen.
7
Nach Fristverlängerung trat die Klägerin mit Schriftsatz vom 03.07.2023 dieser Auffassung entgegen. Sie konzedierte zwar, dass der Wortlaut der §§ 59f Abs. 2 Nr. 1, 59j Abs. 2, 7 BRAO die Rechtsauffassung der Beklagten trage. Allerdings seien diese Vorschriften vor dem Hintergrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 14.01.2014 – 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12, BVerfGE 135, 90 ff verfassungskonform auszulegen. Durch die Ablehnung der Zulassung werde die Klägerin, aber auch Herr jeweils in ihrem Grundrecht aus Art. 12 GG verletzt.
8
Die Unabhängigkeit der Berufsträger sei durch die Einhaltung ihrer Berufspflichten bereits hinreichend sichergestellt. Es stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 GG von Herrn dar, wenn ihm als Steuerberater auferlegt werde, nicht nur im Einzelfall „fremde“ anwaltliche Berufspflichten zu beachten, sondern zusätzlich zumindest partiell Voraussetzungen für den Zugang zum Anwaltsberuf zu erfüllen.
9
Es stehe dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.04.2014 diametral entgegen, einer Berufsausübungsgesellschaft die Zulassung zu versagen, wenn eines ihrer vertretungsberechtigten Mitglieder den Ausschlusstatbestand gem. § 7 Nr. 10 BRAO erfülle.
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Ein weiterer Verstoß liege darin, dass auch einem fremden Berufsträger die generelle Einhaltung der negativen anwaltlichen Zulassungsvoraussetzung gem. § 7 Nr. 10 BRAO auferlegt werde. Dies sei im vorliegenden Fall auch deswegen nicht gerechtfertigt, weil Herr allein als Steuerberater zugelassen sei und ausschließlich steuerrechtliche Mandate betreue.
11
Die interprofessionelle Zusammenarbeit von Steuerberatern und Rechtsanwälten schaffe keine spezifischen Gefährdungen, die weitergehende Eingriffe in die Berufsfreiheit rechtfertigen könnten, als dies das Berufsrecht für den jeweiligen Berufsträger vorsehe.
12
Auch aus dem Transparenzerfordernis für Bürger, Bürgerinnen und Gerichte könnten keine weitergehenden Anforderungen abgeleitet werden. Bereits aus dem Gesellschaftsnamen gehe für jeden erkennbar hervor, dass für die Klägerin Rechtsanwälte und Steuerberater tätig seien.
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Schließlich verstoße die erstmalige Begründung einer Zulassungspflicht nur für Gesellschaften mit beschränkter Haftung der natürlichen Person gegen Art. 3 GG. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, für Berufsausübungsgesellschaften ohne Ausnahme eine Zulassungspflicht einzuführen, wenn die Haftung aller Mitglieder, die natürliche Personen seien, beschränkt sei, auch wenn diese als Rechtsanwälte oder Angehörige eines in § 59c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Berufs als Gesellschafter und als Mitglieder der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane angehören Es fehle an einer Übergangsregelung um den Besitzstand der Klägerin zu wahren.
14
Durch Bescheid vom 06.12.2023 wies die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Zulassung zurück. Gemäß §§ 59f Abs. 2 Nr. 1, 59j Abs. 2, 7 Nr. 10 BRAO könne der Klägerin die Zulassung nicht erteilt werden. Herr solle die Stellung als Partner bzw. Geschäftsführer der Klägerin innehaben. In seiner Person sei der Versagungstatbestand des § 7 Nr. 10 BRAO erfüllt, da er als Beamter auf Lebenszeit ernannt sei. Dementsprechend sei der Antrag auf Zulassung zurückzuweisen. In Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der §§ 59f Abs. 2 Nr. 1, 59j Abs. 2, 7 Nr. 10 BRAO sei eine verfassungskonforme Auslegung nicht möglich. Der Beklagten stehe keine Normverwerfungskompetenz zu.
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Der Bescheid wurde der Klägerin am 13.12.2023 zugestellt. Gegen den Bescheid richtet sich die Klage vom 22.12.2023, eingegangen beim BayAGH am 24.12.2023. Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie macht weiter verfassungsrechtliche Bedenken gegen die §§ 59f Abs. 2 Nr. 1, 59j Abs. 2, 7 Nr. 10 BRAO geltend. Jedenfalls seien die Vorschriften verfassungskonform auszulegen und der Klägerin die Zulassung zu erteilen.
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Die Beklagte verweist darauf, dass mit Inkrafttreten von § 59f Abs. 1 BRAO die Klägerin zulassungspflichtig geworden sei. Herr sei Mitglied der Klägerin, Geschäftsführungsorgan und zu deren Vertretung berechtigt. Er erfülle den Versagungstatbestand gemäß § 7 Nr. 10 BRAO. Der Antrag auf Zulassung sei deswegen zu Recht zurückgewiesen worden. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschriften sei eine verfassungskonforme Auslegung nicht möglich.
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Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft gem. §§ 59b ff BRAO zu erteilen.
18
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Dies begründet sie im Wesentlichen entsprechend dem Bescheid über die Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Klägerin.
19
Durch Bescheid der RAK Sachsen vom 27.08.2024 wurde die und Partner als Berufsausübungsgesellschaft zugelassen. ... ist Mitglied und Geschäftsführer dieser Berufsausübungsgesellschaft. Auf die Problematik, dass Herr als Professor verbeamtet ist, geht der Bescheid nicht ein.
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Die Beklagte verweist darauf, dass nicht feststellbar sei, ob gegenüber der RAK Sachsen offen gelegt wurde, dass Herr Prof. Gerstenberg als Professor verbeamtet ist.
21
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Zulassungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

22
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
23
1. Die Klage ist gemäß §§ 112 a Abs. 1, 112 b, 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, §§ 74, 81 Abs. 1, 82 Abs. 1, 113 Abs. 5 VwGO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
24
Es handelt sich um eine Verpflichtungsklage gemäß § 112 c Abs. 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO, mit der die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, hier des Bescheids der Rechtsanwaltskammer München vom 06.12.2023, und die Erteilung der Zulassung für die Klägerin begehrt wird.
25
Ein Vorverfahren gemäß § 68 VwGO ist gemäß § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, Art. 15 BayAGVwGO entbehrlich.
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2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Zurecht hat die Beklagte den Antrag auf Zulassung der Klägerin gemäß §§ 59f Abs. 2 Nr. 1 59j Abs. 2, 7 Nr. 10 BRAO zurückgewiesen. Die Klägerin ist als Berufsausübungsgesellschaft aus Rechtsanwälten und Steuerberatern sowie Wirtschaftsprüfern organisiert (§ 59b Abs. 1 BRAO). Die Haftung der für die Klägerin tätigen Personen ist beschränkt. Sie ist unter ... als Partnerschaft mit beschränkter Berufshaftung beim Amtsgericht Augsburg im Partnerschaftsregister eingetragen. Gemäß § 59f Abs. 1 BRAO bedarf sie der Zulassung.
27
Die Zulassung kann gemäß §§ 59f Abs. 2 Nr. 1, 59j Abs. 2 BRAO nur erteilt werden, wenn die Mitglieder der Geschäftsführung und Aufsichtsorgane die Voraussetzungen gem. § 59j BRAO erfüllen. Dies ist hinsichtlich des Steuerberaters nicht der Fall. ... ist als Gesellschafter und vertretungsberechtigtes Mitglied für die Klägerin tätig. In seiner Person liegt der Versagenstatbestand gem. § 7 Nr. 10 BRAO vor. Durch die Ernennungsurkunde des Freistaates Sachsen vom 06.11.2018 wurde Herr in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Gemäß § 7 Nr. 10 BRAO wäre ihm daher die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen. Die Vorschrift sieht weder eine Ausnahme für Berufsträger einer Berufsausübungsgesellschaft, die nicht Rechtsanwälte sind, noch für Hochschulprofessoren vor. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift scheidet eine den Wortlaut korrigierende verfassungskonforme Auslegung für diesen Personenkreis aus.
28
Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin gegen die Wirksamkeit dieser Vorschriften teilt der Senat nicht. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass Repräsentanten einer Gesellschaft, die anwaltliche Dienstleistungen erbringt, auch persönlich die Voraussetzungen im Sinn von § 7 BRAO erfüllen müssen (Henssler in: Prütting/Henssler, BRAO, 6. Aufl. 2024, § 59j Rn. 8; Kleine-Cosack, BRAO, 9. Aufl. 2022 § 59j Rn. 10; BeckOK-BRAO/Römermann 1.2.2024, § 59j Rn. 5); denn es wäre widersprüchlich, dass einem Berufsträger gem. § 7 BRAO die Zulassung versagt werden muss, wenn er diese für sich beantragt, nicht aber einer Gesellschaft für eine vergleichbare Tätigkeit, die er repräsentiert.
29
Auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.01.2014, 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12, NJW 2014, 613, lassen sich entgegen der Auffassung der Klägerin keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den hier inmitten stehenden Versagungstatbestand ableiten. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Frage zu beantworten, ob zum Schutz der Unabhängigkeit anwaltlicher Berufsträger in die Berufsfreiheit eingreifende Regelungen erforderlich und verhältnismäßig sind, die die Einflussmöglichkeiten anderer Berufsträger im Rahmen einer Berufsausübungsgesellschaft beschränken. Die angegriffenen Regelungen sahen vor, dass in Form einer Kapitalgesellschaft organisierte Berufsausübungsgesellschaften nur zugelassen werden konnten, wenn sichergestellt war, dass anwaltliche Berufsträger die Gesellschaft mehrheitlich vertreten, mehrheitlich stimmberechtigt sind und für die Gesellschaft tatsächlich tätig sind. Das Bundesverfassungsgericht hielt die diese Voraussetzungen normierenden §§ 59e Abs. 2 S. 1 und 59f Abs. 1 S. 1 bzw. 59f Abs. 2 S. 1 BRAO in der am 14.1.2014 geltenden Fassung für unwirksam. Bereits durch die berufsrechtlichen Regelungen werde die Unabhängigkeit der anwaltlichen Berufsträger hinreichend sichergestellt.
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Hiervon abweichend geht es vorliegend aber nicht um das Verhältnis und das Machtgefüge unterschiedlicher Berufsträger untereinander in der Berufsausübungsgesellschaft, sondern um die Frage, ob die Unabhängigkeit der Gesellschaft dadurch infrage gestellt wird, dass eines ihrer vertretungsberechtigten Mitglieder in einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit steht. Da die negativen Voraussetzungen gem. § 7 BRAO auch für die Repräsentanten einer Berufsausübungsgesellschaft gelten, geht es im Kern also darum, ob § 7 BRAO verfassungskonform ist.
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Hinsichtlich § 7 Nr. 10 BRAO wird diese Frage unterschiedlich beantwortet. Zum Teil wird vertreten, dass § 7 Nr. 10 BRAO verfassungskonform sei. Der Status als Beamter auf Lebenszeit sei mit der freien Advokatur nicht vereinbar (Henssler in: Prütting/Henssler, a.a.O. § 7 Rn. 191, 192; Weyland/Vossenbürger, BRAO, 11. Aufl. 2024 § 7 Rn. 152).
32
Nach anderer Auffassung sei die Regelung unverhältnismäßig, soweit Hochschullehrer betroffen seien. Diese könnten aufgrund der Freiheit von Forschung und Lehre ihrer Tätigkeit weisungsfrei nachgehen. Es sei daher nicht zu besorgen, dass sie durch die Ausübung ihrer Tätigkeit in Konflikt mit ihrer Stellung als unabhängiges und freies Mitglied der Advokatur geraten könnten. Hinsichtlich dieses Personenkreises sei der Ausschluss daher nicht gerechtfertigt (Kleine-Cosack, a.a.O, § 7 Rn. 138, 139, 141; Michalski/Römermann MDR 1996, 433).
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Schließlich wird vertreten, im Wege der verfassungskonforme Auslegung Hochschullehrer von dem Ausschlusstatbestand gem. § 7 Nr. 10 BRAO auszunehmen (Wolf in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, S. 273 f.).
34
Es mag zwar zutreffen, dass die Unabhängigkeit eines Hochschulprofessors bei Ausübung des anwaltlichen Mandats durch seine universitären Verpflichtungen in vielen Fällen nicht berührt wird. Gleichwohl ist es vom Gestaltungsermessen des Gesetzgebers gedeckt, Hochschulprofessoren vom Ausschluss zur Anwaltschaft nicht auszunehmen, wenn sie als Beamte auf Lebenszeit ernannt sind; denn die Tätigkeit für eine Berufsausübungsgesellchaft erfolgt nicht im Rahmen der universitären Tätigkeit des Hochschullehrers, die durch die Grundrechte der Freiheit von Forschung und Lehre gegen Weisungen von außen gesichert ist. Sogar für eine Juniorprofessor hat es das Bundesverfassungsgericht dementsprechend gebilligt, das diesem auch ohne konkreten Interessenkonflikt die Genehmigung zur Ausübung der Tätigkeit als Rechtsanwalt mit der Begründung versagt wurde, dass für das rechtsuchende Publikum der Eindruck entstehen könne, dem Betroffenen mangele es als Rechtsanwalt an der nötigen Unabhängigkeit (BVerfG NJW 2009, 3710). Das muss erst recht für einen auf Lebenszeit ernannten Hochschulprofessor gelten. Für diesen Personenkreis hat der Gesetzgeber eine andere Lösung gewählt, indem er diesen Personen ermöglicht hat, in Strafverfahren und Verwaltungsverfahren die Rechtsvertretung zu übernehmen, ohne dass es der Zulassung zur Anwaltschaft bedarf.
35
Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Es trifft zwar zu, dass das Zulassungserfordernis gem. § 59 Abs. 1 S. 2 BRAO für Berufsausübungsgesellschaften nicht gilt, wenn die Haftung der natürlichen Personen nicht beschränkt ist und Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane ausschließlich mit Rechtsanwälten und Berufsträgern der in § 59c Abs. 1 S.1 Nr. 1BRAO genannten Berufe besetzt sind. Letztere Voraussetzung würde die Klägerin erfüllen. Im Übrigen ist es von der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers gedeckt, davon auszugehen, dass die geschäftsführenden und vertretungsberechtigten Gesellschafter verstärkt darauf achten und eine entsprechende Organisation schaffen werden, die gewährleistet, dass die Tätigkeit der Gesellschaft den berufsrechtlichen Anforderungen entspricht, wenn sie unbeschränkt mit ihrem gesamten Vermögen für die Tätigkeit der Gesellschaft einstehen müssen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber für diesen Fall davon abgesehen hat, zusätzlich zur Zulassung der anwaltlich tätigen Mitglieder auch die Zulassung der Berufsausübungsgesellschaft und damit mittelbar auch hinsichtlich berufsfremder Personen die Einhaltung der Ausschlusstatbestände gem. § 7 BRAO zu normieren.
36
Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 07.07.2021 (BGBl. I 2363) keine weitergehenden Übergangsvorschriften zum Schutz bereits tätiger Rechtsanwaltsgesellschaften enthält. Angesichts der bisherigen Regelungen, die vorsahen, dass die Gesellschaftsanteile und Stimmrechte an einer Rechtsanwaltsgesellschaft mehrheitlich Rechtsanwälten vorbehalten bleiben müssen, die Geschäftsführung mehrheitlich durch Rechtsanwälte ausgeübt werden muss und die Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft aktiv für die Gesellschaft tätig sein müssen, durften die betroffenen Gesellschaften nicht darauf vertrauen, dass Lockerungen in diesem Bereich entsprechend der Rechtsprechung des BVerfG nicht dadurch kompensiert werden, dass die Tätigkeit einer Berufsausübungsgesellschaft formal unter den Vorbehalt der (gebundenen) Zulassung gestellt wird und materiell von der Einhaltung von Mindestanforderungen, die auch für die Zulassung eines Anwalts als natürlicher Person gelten, in Bezug auf die geschäftsführenden Gesellschafter abhängig gemacht wird.
37
Aus dem vorgelegten Bescheid der RAK Sachsen vom 05.09.2024 ergibt sich kein anderes Ergebnis. Der Bescheid lässt nicht erkennen, dass er unter Berücksichtigung des Beamtenstatus von ... erlassen wurde. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, könnte die Klägerin hieraus aber keinen Anspruch auf Erteilung der Zulassung ableiten; denn dass die Rechtsanwaltskammer Sachsen  Steuerberater Wirtschaftsprüfer Rechtsanwalt ggf. entgegen §§ 59f Abs. 2 Nr. 1, 59j Abs. 2 BRAO die Zulassung erteilt hat, vermag keinen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu begründen, ihr ebenfalls – rechtswidrig – die Zulassung zu erteilen.
38
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 BRAO, § 154 VwGO.
39
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 112c BRAO, § 167 VwGO, §§ 708, 711 ZPO.
40
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 194 Abs. 2 VwGO.
41
Die Berufung war nicht zuzulassen. Der BGH hat durch Beschluss vom 10.11.2011, NJW 2012, 615 geklärt, dass es weder gegen höherrangiges deutsches Recht noch gegen primäres oder sekundäres Recht der Europäischen Union verstoße, dass einem Rechtsanwalt die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen werden muss, wenn dieser als Hochschullehrer in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen wird.