Inhalt

OLG München, Beschluss v. 03.04.2025 – 7 W 66/25 e
Titel:

Teilnahme an der Hauptversammlung, Beschluß der Hauptversammlung, Niederschrift über die Hauptversammlung, Rechtsmißbrauch, Anlaß zur Klageerhebung, Sofortige Beschwerde, Kostenentscheidung, Abschlusserklärung, Anerkenntnisurteil, Anerkenntniserklärung, Beschlußfassung, Aufhebung des Beschlusses, Aufhebung von Beschlüssen, Nach Aufhebung, Fehlende Klageveranlassung, Stimmbindungsvertrag, Einstweilige Verfügung, Ablauf der Klagefrist, Satzungsänderung, Aktionäre

Schlagworte:
Beschlussanfechtung, Anerkenntnisurteil, Hauptversammlung, Aktiengesellschaft, Kostenentscheidung, Einstweilige Verfügung, Rechtsmissbrauch
Vorinstanz:
LG München I, Anerkenntnisurteil vom 30.12.2024 – 5 HK O 12374/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 6472

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die Kostenentscheidung im Anerkenntnisurteil des Landgerichts München I vom 30.12.2024, Az 5 HK O 12374/24, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1
Die Parteien streiten um die Kostentragungspflicht nach einem von der Beklagten in einem Beschlussanfechtungsverfahren erklärten Anerkenntnis.
I.
2
Die Beklagte ist eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 3.292.922,00 €, das in 3.292.922 auf den Namen lautende vinkulierte Stückaktien eingeteilt ist. Ihr Alleinvorstand ist … (vgl. den Handelsregisterauszug laut Anl. K 5). Der Aufsichtsrat besteht aus drei Mitgliedern. Sein Vorsitzender ist Herr … Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten und halten insgesamt rund 27,83% der Stimmrechte.
3
Die Satzung der Beklagten laut Anl. K 6 lautete jedenfalls bis zum 29.08.2024 auszugsweise wie folgt:
„§ 10
Ort, Einberufung und Teilnahme an der Hauptversammlung
(…)
2. Die Hauptversammlung wird durch den Vorstand oder in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen durch den Aufsichtsrat einberufen.
3. Die Hauptversammlung ist, soweit gesetzlich keine kürzere Frist zulässig ist, mindestens 30 Tage vor dem Tag der Versammlung einzuberufen. Diese Mindestfrist verlängert sich um die Tage der nach § 10 Abs. 5 [sic] der Satzung bestimmten Anmeldefrist.
4. Stammaktionäre sind zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts, Vorzugsaktionäre zur Teilnahme in der Hauptversammlung berechtigt, wenn sie sich vor der Hauptversammlung angemeldet haben. Die Anmeldung muss der Gesellschaft unter der in der Einberufung hierfür mitgeteilten Adresse mindestens sechs Tage vor der Hauptversammlung zugehen. Der Tag des Zugangs ist nicht mitzurechnen (…).
5. Die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung ist durch einen mindestens in Textform (§ 126b BGB) erstellten Nachweis des Anteilsbesitzes durch das depotführende Institut nachzuweisen. Der Nachweis muss in deutscher oder englischer Sprache verfasst sein und hat sich auf den Beginn des einundzwanzigsten Tages vor der Hauptverhandlung zu beziehen. Er muss der Gesellschaft unter der in der Einberufung hierfür mitgeteilten Adresse mindestens sechs Tage vor der Hauptversammlung zugehen. Der Tag des Zugangs ist nicht mitzurechnen. (…)“
4
Mit Schreiben ihres Vorstands vom 17.07.2024 laut Anl. K 1 lud die Beklagte unter Angabe der Tagesordnung ihre Aktionäre zu einer Hauptversammlung am 29.08.2024 um 14:00 Uhr in die Räume eines Notariats in Augsburg.
5
Die Kläger bevollmächtigten Rechtsanwalt … (im Folgenden als Stimmrechtsbevollmächtigter bezeichnet) zur Teilnahme an der Hauptversammlung der Beklagten am 29.08.2024 und zur Ausübung des jeweiligen Stimm- und Fragerechts in ihrem Namen (vgl. die Vollmachten laut Anl. K 4). Wenige Minuten vor Beginn der Hauptversammlung erklärte der Beklagtenvertreter dem Stimmrechtsbevollmächtigten, dass letzterer mit seiner Teilnahme an der Hauptversammlung widerstreitende Interessen vertrete, da er im Jahr 2023 Herrn … als damaligen Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Beklagten beraten habe und die damalige Vergütungsvereinbarung mit der Beklagten geschlossen worden sei. Der Vorstand der Beklagten und der Beklagtenvertreter teilten dem Stimmrechtsbevollmächtigten nach einer kurzen Diskussion mit, dass ihm die Teilnahme an der Hauptversammlung der Beklagten aufgrund dieser Interessenkollision verweigert werde. Er könne an der Hauptversammlung nur teilnehmen, wenn er vorab bekunden würde, dass er zu allen Tagesordnungspunkten im Sinne der Beschlussvorschläge der Verwaltung abstimmen werde. Nachdem der Stimmrechtsbevollmächtigte dieses Ansinnen zurückgewiesen hatte, wurde er des Saales verwiesen. Vor Verlassen des Saales gab der Stimmrechtsbevollmächtigte noch eine vom beurkundenden Notar aufgenommene Erklärung ab, wonach er gegen alle von der Hauptversammlung zu fassende Beschlüsse sowie gegen die Durchführung der Hauptversammlung Widerspruch erhebe.
6
Die Hauptversammlung der Beklagten fasste am 29.08.2024 entsprechend der Beschlussvorschläge der Verwaltung zu TOP 3 (“Beschlussfassung über die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2023“), TOP 4 (“Beschlussfassung über die Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2023“), TOP 5 (“Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats“), TOP 6 (“Satzungsänderung mit Kapitalmaßnahmen u.a.m.“), TOP 7a (“Ermächtigung des Vorstands zur Ausgabe von Options- und/oder Wandelschuldverschreibungen (Bedingtes Kapital 2024 I)“), TOP 7b (“Ermächtigung des Vorstands zur Gewährung von Aktienoptionen (Bedingtes Kapital 2024 W)“), TOP 8a (“Bestellung, Entsendung und Abberufung von Mitgliedern von Organen von verbundenen Unternehmen“), TOP 8b (“Vergütung von Mitgliedern von Organen von verbundenen Unternehmen“), TOP 8c (“Verantwortung für rechtliche Dokumente von verbundenen Unternehmen“) und TOP 8d (“Vergütung von Mitgliedern des Aufsichtsrats der Gesellschaft“) Beschlüsse.
7
Die Kläger zu 1) und 2) erwirkten vor dem Landgericht Augsburg eine am 03.09.2024 erlassene einstweilige Verfügung (Az. 1 HK O 3100/24) laut Anl. K 8, mit der der Beklagten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache der Vollzug des in der Hauptversammlung vom 29.08.2024 zu TOP 6 gefassten Beschlusses untersagt wurde.
8
Unter dem 13.09.2024 gab die Beklagte, hierbei vertreten durch ihren Vorstand, die Abschlusserklärung laut Anl. K 9/B 1 ab. Diese lautete wie folgt:
„Mit Bezug auf das (…) beantragte Verfahren Landgericht Augsburg Az. 1 HK O 3100/24 und dessen Einstweilige Verfügung vom 03.09.2024 gibt die (…) …AG (…) hiermit die folgende Abschlusserklärung ab.
Die … AG erklärt unwiderruflich gegenüber den Antragstellerinnen, dass sie:
- die am 03.09.2024 ergangene Einstweilige Verfügung des Landgerichts Augsburg Az. 1 HK O 3100/24 anerkennt und als endgültige und zwischen den Parteien verbindliche Regelung akzeptiert. Entsprechend wird die … AG den in der Hauptversammlung am 29.08.2024 unter dem Tagesordnungspunkt (TOP) 6 gefassten Beschluss zur Änderung, Ersetzung oder Neufassung ihrer Satzung, also insbesondere eine Anmeldung dieser Satzungsänderung zum Handelsregister der Gesellschaft und die Einreichung einer Satzung zum Handelsregister der Gesellschaft, welche in der Hauptversammlung am 29.08.2024 beschlossene Änderungen enthält, verbindlich nicht vollziehen. Eine Anmeldung zum Handelsregister in Bezug auf o.g. Satzungsänderung ist und wird nicht eingereicht.
- diese Einstweilige Verfügung nach Bestandskraft und Wirkung als einem entsprechenden Hauptsachetitel gleichwertig anerkennt und auf alle Möglichkeiten eines Vorgehens gegen diesen Titel und/oder den durch ihn gesicherten Anspruch verzichtet, wie sie auch im Falle eines rechtskräftigen Hauptsacheurteils ausgeschlossen wären. Somit ist kein Hauptsacheverfahren erforderlich.
- auf die Einlegung des Widerspruchs gemäß §§ 924, 936 ZPO verzichtet,
- auf ihre Rechte aus §§ 926, 927, 936 ZPO verzichtet, soweit auch ein Vorgehen gegen einen rechtskräftigen Hauptsachetitel ausgeschlossen wäre.
- alle hiesigen Verzichte als umfassend und einschränkungslos gelten. Sie sind frei von Vorbehalten oder Bedingungen erklärt.
- in der nächsten Hauptversammlung vorsorglich über die Aufhebung des Beschlusses unter TOP 6 vom 29.08.2024 beschließen lässt.“
9
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 27.09.2024 (Bl. 1/27 d.A.) erhoben die Kläger gegen die vorbezeichneten Beschlüsse Anfechtungshilfsweise Nichtigkeitsklage zum Landgericht München I mit dem Antrag, die Beschlüsse für nichtig zu erklären hilfsweise deren Nichtigkeit festzustellen.
10
Mit Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 30.10.2024 (Bl. 33/36 d.A.) erklärte die Beklagte unter Verwahrung gegen die Kostenlast ein Anerkenntnis in der Hauptsache.
11
Die Kläger trugen vor, dass die Beklagte allein durch die Beschlussfassung Anlass zur Klageerhebung gegeben habe.
12
Die Klägerin beantragte daher:
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
13
Die Beklagte verwahrte sich gegen die Kostenlast.
14
Sie erwiderte, dass sie schon vor der Zustellung der Klage begonnen habe, eine weitere Hauptversammlung vorzubereiten. Damit sollten die Aktionäre noch vor Ende 2024 die Möglichkeit erhalten, zum einen die Beschlüsse der Hauptversammlung vom 29.08.2024 ordnungsgemäß aufzuheben und zum anderen neue Beschlüsse zu diesen sowie anderen Angelegenheiten zu fassen. Der Versand der Einladung zur kommenden Hauptversammlung sei für die erste Hälfte November 2024 bestimmt. Darüber hinaus sei mit der umfassenden Abschlusserklärung dem Kern des Anliegens der Kläger jedenfalls in Bezug auf die Satzungsänderung bereits abgeholfen. Die Beklagte habe auch zu keiner Zeit das Verlangen der Kläger nach Aufhebung der Beschlüsse vom 29.08.2024 zurückgewiesen oder die verbindliche Nichtigerklärung der Beschlüsse verweigert. Die Beklagte wolle mit der gebotenen Beteiligung ihrer Aktionäre durch die nächste Hauptversammlung schnellstmöglich Rechtsfrieden schaffen. Schließlich habe die Beklagte auch weder eine Mahnung noch eine anderweitige Aufforderung der Kläger erhalten, der sie hätte entsprechen können.
15
Den Klägern gehe es in erster Linie oder gar alleine darum, ihre Aktien an Mitaktionäre oder Dritte zu verkaufen. Die nächste Hauptversammlung sei für die Kläger nur von nachrangigem Interesse gewesen. Ziel der Klage sei die Erhöhung des Drucks „in Richtung ihres Ausstiegs“ gewesen. Aus diesem Grund habe der Klägervertreter mit E-Mail vom 18.11.2024 mitgeteilt, dass „Eine Rücknahme der Klage nur Zug um Zug gegen den Erwerb der Aktien in Betracht“ komme.
16
Mit Anerkenntnisurteil vom 30.12.2024 (Bl. 69/85 d.A.), dem Beklagtenvertreter am 31.12.2024 zugestellt (vgl. das Empfangsbekenntnis zu Bl. 86 d.A.), erklärte das Landgericht München I, Az. 5 HK O 12374/24, die angefochtenen Beschlüsse entsprechend dem Anerkenntnis der Beklagten für nichtig und legte der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auf. Die Voraussetzungen des § 93 ZPO seien nicht erfüllt.
17
Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Landgericht u.a. aus, dass die Beklagte allein durch die Beschlussfassung Anlass zur Klageerhebung gegeben habe.
18
Die Abschlusserklärung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Landgericht Augsburg, die sich ohnehin nur auf den Beschluss zu TOP 6 beziehe, ändere daran nichts. Dies folge schon daraus, dass die Abschlusserklärung laut Anl. B 1 durch den Vorstand abgegeben worden sei, dies den Klägern jedoch keine hinreichende Sicherheit dafür biete, dass tatsächlich eine neue Hauptversammlung einberufen werde und in dieser der Beschluss der Hauptversammlung vom 24.09.2024 zu TOP 6 aufgehoben werde. Denn einen Beschlussvorschlag müsse nicht nur der Vorstand, sondern gemäß § 124 Abs. 3 S. 1 AktG auch der Aufsichtsrat der Beklagten unterbreiten, der durch die Abschlusserklärung des Vorstands nicht gebunden sei. Unabhängig davon sei auch keineswegs sicher, dass die Aktionäre dem Beschlussvorschlag des Vorstands (und möglicherweise auch des Aufsichtsrats) folgen. Soweit der Aufsichtsratsvorsitzende in einem Zusatz zur Niederschrift über die Hauptversammlung vermerkt habe, dass der zu TOP 6 gefasste Beschluss nicht vollzogen werde, so könne dies gegenüber den Klägern keine Wirksamkeit entfalten, da diese Erklärung den Klägern schon nicht zugegangen sei. Außerdem sei nach dem Vortrag der Beklagten nicht erkenntlich, ob dieser Erklärung des Aufsichtsratsvorsitzenden ein Beschluss des Aufsichtsrats zu Grunde liege. Ohne einen solchen Beschluss des Aufsichtsrats könne dessen Vorsitzender aber keine für den Aufsichtsrat bindenden Erklärungen abgeben.
19
§ 93 ZPO komme auch nicht deshalb zur Anwendung, weil die Kläger vorher die anderen Aktionäre hätten „abmahnen“ müssen. Dazu hätte nämlich absehbar sein müssen, dass innerhalb der am 30.09.2024 endenden Anfechtungsfrist eine Hauptversammlung hätte einberufen werden können. Dies sei aber schon deshalb nicht möglich, da die Einberufungsfrist des § 123 Abs. 1 S. 1 AktG nicht innerhalb der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG endete, zumal die Satzung der Beklagten die Teilnahme an der Hauptversammlung gemäß § 130 Abs. 2 S. 1 AktG von einer vorherigen Anmeldung abhängig mache.
20
Die Klageerhebung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, auch wenn die Kläger im Oktober und November 2024 Verhandlungen über ein Ausscheiden aus der Beklagten geführt hätten. Es sei auch nicht vorgetragen, dass die Kläger einen völlig unangemessenen Preis verlangt hätten.
21
Im Übrigen wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
22
Mit Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 13.01.2025 (Bl. 89/98 d.A.), eingegangen beim Landgericht München I am selben Tag, legte die Beklagte gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts München I vom 30.12.2024 sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung ihrer Beschwerde wiederholte und vertiefte die Beklagte ihren bereits erbrachten Vortrag.
23
Mit Beschluss vom 15.01.2025 (Bl. 1/3 d.A.) half das Landgericht München I der sofortigen Beschwerde der Beklagten nicht ab und ordnete die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht München an.
II.
24
Die sofortige Beschwerde der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
25
1. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung im Anerkenntnisurteil des Landgerichts München I vom 30.12.2024 ist gemäß § 99 Abs. 2 ZPO statthaft. Denn die Verurteilung erfolgte „aufgrund eines Anerkenntnisses“ der Beklagten.
26
Es kann insoweit dahinstehen, ob im Rahmen der Statthaftigkeit der Beschwerde nach § 99 Abs. 2 ZPO überhaupt zu prüfen ist, ob das Anerkenntnis grundsätzlich wirksam ist und nicht eine Anerkennung bezüglich eines Punktes vorliegt, der der Parteiherrschaft nicht unterlag (so bspw. Göertz in Anders/Gehle, ZPO, 83 Auflage, München 2025, Rdnr. 34 zu § 99 ZPO), oder ob es unerheblich ist, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Anerkenntnisurteils vorlagen, und allein ausschlaggebend ist, dass eine Anerkenntnisentscheidung erging (so bspw. Flockenhaus in Musielak/Voit, ZPO, 21. Auflage, München 2024, Rdnr. 7 zu § 99 ZPO und Jaspersen in BeckOK ZPO, 55. Edition, Stand 01.12.2024, Rdnr. 16 zu § 99 ZPO). Denn der Senat sieht ein Anerkenntnis durch die beklagten Organe der Aktiengesellschaft in einem Beschlussanfechtungsverfahren als zulässig an und folgt insoweit der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 20.12.2018 – 6 U 215/16 aus den dort aufgeführten Gründen (OLG Düsseldorf, aaO, Rdnrn 56 – 59, die Frage der Zulässigkeit eines Anerkenntnisses war mangels Erheblichkeit nicht Gegenstand des sich anschließenden Revisionsverfahrens vor dem BGH – II ZR 8/19). Das Landgericht durfte daher aufgrund der Anerkenntniserklärung im Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 30.10.2024 ein Anerkennntnisurteil nach § 307 ZPO erlassen.
27
2. Die sofortige Beschwerde ist auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
28
3. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.
29
Nach § 93 ZPO fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt. Veranlassung zur Erhebung einer Klage gibt man durch ein Verhalten, das vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt (vgl. BGH, Beschluss vom 08.03.2005 – VIII ZB 3/04, Rdnr. 5, Urteil vom 27.06.1979 – VIII ZR 233/78, Rdnr. 21).
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In jeder Hinsicht zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Beklagte demnach Veranlassung zur Klageerhebung gab und deshalb die Kostenregelung des § 93 ZPO nicht zur Anwendung kommt. Mit ihren dagegen vorgebrachten Einwendungen dringt die Beklagte nicht durch.
31
a. Grundsätzlich gibt eine Gesellschaft Anlass zur Erhebung einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage nämlich bereits allein durch die Beschlussfassung selbst (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 23.01.2002 – 20 U 54/01, Rdnr. 57 zu einer AG; vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 23.07.2001 – 20 W 4/01, Rdnr. 11 aE zu einer KG). Denn nach erfolgter Beschlussfassung dürfen die Aktionäre davon ausgehen, dass der Mehrheitswille eine endgültige Entscheidungsfindung darstellt, die unabhängig davon ist, ob die überstimmte Minderheit sie hinnimmt oder ob sie dagegen Klage erhebt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 23.07.2001 – 20 W 4/01, Rdnr. 11 aE zu einer KG).
32
b. Entgegen der Ansicht der Beklagten (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 19.12.2024, S. 3 und 4 unter Punkt 3, Bl. 58 f. d.A.) kann mit dem Argument, die Kläger hätten vor der Klageerhebung die Aktionäre der Beklagten „abmahnen“ und auffordern müssen, in einer erneuten Hauptversammlung, die streitgegenständlichen Beschlüsse aufzuheben, was im Hinblick auf die überschaubare Zahl der Aktionäre (ca. 60) und deren leichte Erreichbarkeit per E-Mail auch ohne weiteres möglich gewesen wäre, eine Klageveranlassung durch die Beklagte nicht verneint werden.
33
Denn zur Aufhebung der streitgegenständlichen Beschlüsse vom 29.08.2024 hätte es erneuter Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten bedurft, da weder der Vorstand noch der Aufsichtsrat zur Aufhebung von Beschlüssen der Hauptversammlung berechtigt sind. Die Einberufung einer erneuten Hauptversammlung wäre jedoch innerhalb der Klagefrist des § 246 Abs. 1 AktG schon deshalb nicht möglich gewesen, weil – wie das Landgericht völlig richtig bemerkt (LGU S. 14 letzter Absatz) – die Einberufungsfrist gemäß § 10 Abs. 3 S. 1 der Satzung der Beklagten entsprechend § 123 Abs. 1 AktG 30 Tage beträgt und sich diese dreißigtägige Frist gemäß § 10 Abs. 3 S. 2 der Satzung § 123 Abs. 2 S. 2 AktG folgend noch um die sechstägige Anmeldefrist des § 10 Abs. 4 S. 2 der Satzung verlängert (der Senat geht insoweit davon aus, dass in § 10 Abs. 3 S. 2 der Satzung ein Redaktionsfehler vorliegt und es richtig § 10 Abs. 4 der Satzung heißen muss, da die Anmeldefrist nicht in § 10 Abs. 5, sondern in § 10 Abs. 4 der Satzung geregelt ist). Selbst bei voller Ausschöpfung der Klagefrist des § 246 Abs. 1 AktG hätten daher diejenigen Aktionäre, die gegen die streitgegenständlichen Beschlüsse gestimmt hatten, vor Ablauf der einmonatigen Klagefrist in Ermangelung eines die Beschlüsse vom 29.08.2024 abändernden neuen Beschlusses der Hauptversammlung keine Gewissheit gehabt, dass die von ihnen bemängelten Beschlüsse aufgehoben würden.
34
Die von der Beklagten verlangte Abmahnung ihrer Aktionäre vor Klageerhebung wäre daher sinnlos gewesen. Sinnloses zu tun, kann jedoch von niemandem verlangt werden.
35
Dass eine von der Beklagten geforderte vorherige „Abmahnung“ der Aktionäre sinnlos ist, gilt im Übrigen nicht nur für die Beklagte, sondern aufgrund der Regelung in § 123 Abs. 1 AktG für alle Aktiengesellschaften.
36
Die von den Parteien in Bezug genommene Entscheidung des OLG Naumburg vom 22.10.1997 (7 W 34/97) führt zu keiner anderen Einschätzung, da dieser Entscheidung ein mit dem streitgegenständlichen nicht vergleichbaren Sachverhalt zu Grunde lag. Streitgegenständlich war dort nämlich nicht der Beschluss einer Aktiengesellschaft, sondern einer zweigliedrigen GmbH, deren Satzung offenbar zum einen keine lediglich einmonatige Klagefrist (Beschlussfassung im Beisein des Klägers am 25.03.1997, fristgerechte Klageerhebung am 22.05.1997) und zum anderen eine kürzere Einladungsfrist für die Gesellschafterversammlung vorsah. Anders als vorliegend war im Fall des OLG Naumburg damit eine erneute Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung vor Ablauf der Klagefrist zumindest nicht von vorneherein ausgeschlossen.
37
c. Ob die Beklagte schon vor Klageerhebung eine erneute Hauptversammlung vorbereitete und ob die Aktionäre, die in der Hauptversammlung vom 29.08.2024 für die angefochtenen Beschlüsse gestimmt hatten, bekundeten, dass sie in der anzuberaumenden erneuten Hauptversammlung für die Aufhebung der streitgegenständlichen Beschlüsse stimmen würden, spielt für die Frage der Klageveranlassung iSd. § 93 ZPO keine Rolle.
38
Denn zum einen ist der Vortrag der Beklagten hinsichtlich des für eine neue Hauptversammlung angekündigten Stimmverhaltens von Aktionären, die in der Hauptversammlung vom 29.08.2024 für die streitgegenständlichen Beschlüsse gestimmt hatten, schon unklar. Demnach sei „in Gesprächen mit dem Prozessbevollmächtigten der Kläger ab 09.10.2024 (…) erklärt und einvernehmlich befunden (worden), dass bereits Aktionäre, die am 29.08.2024 für die Satzungsänderung gestimmt (hätten), sämtlich für die Aufhebung zu stimmen zugesagt“ hätten, sodass mit den weiteren Stimmen der Kläger insgesamt eine Mehrheit von deutlich über 75% gesichert gewesen sei (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 19.12.2024, S. 7 unter Punkt 6.2, Bl. 62 d.A.). Daraus lässt sich schon nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, ob darin die Behauptung des Abschlusses von Stimmbindungsverträgen zwischen allen Aktionären, die für die Beschlüsse vom 29.08.2024 gestimmt hatten, einerseits mit den Klägern andererseits liegen solle. Selbst wenn aber angenommen werden sollte, die Aktionäre, die den Beschlüssen vom 29.08.2024 zugestimmt hatten, hätten sich gegenüber den Klägern verpflichtet, in der neuen Hauptversammlung für die Aufhebung der streitgegenständlichen Beschlüsse zu stimmen, hätten die Kläger dadurch zum anderen keine hinreichende Gewissheit hinsichtlich der Aufhebung der streitgegenständlichen Beschlüsse erhalten. Denn Stimmbindungsverträge zwischen Aktionären entfalten nur schuldrechtliche Wirkung zwischen den Parteien der (unterstellten) Stimmbindungsverträge, würden die daraus verpflichteten Aktionäre jedoch nicht daran hindern, in der neuen Hauptversammlung unter Verletzung ihrer (unterstellten) vertraglichen Verpflichtungen gegen die Aufhebung der streitgegenständlichen Beschlüsse zu stimmen. Vertragswidrig abgegebene Stimmen sind nämlich wirksam (allg. Meinung; vgl. Koch in ders., AktG, 19. Auflage, München 2025, Rdnr. 26 zu 3 136 AktG m.w.N aus der Rechtsprechung).
39
d. Die Klageveranlassung entfiel auch nicht durch die vom Vorstand der Beklagten am 13.09.2024 im Namen der Beklagten abgegebene Abschlusserklärung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Landgericht Augsburg laut Anl. B 1. aa. Ohnehin bezieht sich die Abschlusserklärung laut Anl. B 1 – wie das Landgericht zu Recht anmerkt (LGU S. 12 vorletzter Absatz) – nur auf einen der in der Hauptversammlung vom 29.08.2024 gefassten Beschlüsse (nämlich den Beschluss zu TOP 6 bezüglich der Änderung der Satzung der Beklagten), sodass die Abschlusserklärung für die weiteren dort gefassten und im vorliegenden Verfahren angefochtenen Beschlüsse nichts hergibt und insoweit auch nicht herangezogen werden kann, um eine fehlende Klageveranlassung zu bejahen.
40
bb. Aber auch bezüglich des Beschlusses der Hauptversammlung vom 29.08.2024 zu TOP 6 führt die Abschlusserklärung laut Anl. B 1 nicht zu einem Wegfall der Klageveranlassung. Das Instrument der Abschlusserklärung stammt aus dem Lauterkeitsrecht und bewirkt den Wegfall der Wiederholungsgefahr, wenn der Unterlassungsschuldner eine gegen ihn ergangene einstweilige Verfügung mittels Abschlusserklärung zu einem endgültigen Titel macht (vgl. Fritzsche in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Auflage, München 2022, Rdnr. 85 zu § 8 UWG). In einem aktienrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren wie dem Vorliegenden geht es jedoch gerade nicht – wie im Lauterkeitsrecht – um eine zu beseitigende Wiederholungsgefahr, die Tatbestandsvoraussetzung eines Unterlassungsanspruchs ist, sondern darum, unabhängig von jedweder Wiederholungsgefahr einen von der Hauptversammlung gefassten Beschluss samt eines etwaigen Rechtsscheins aus der Welt zu schaffen. Dazu trägt die Abschlusserklärung jedoch nichts bei, da der Beschluss auch nach der Abschlusserklärung unverändert im Raum steht.
41
Im Übrigen würde auch die in der Abschlusserklärung enthaltene Zusage des Vorstands der Beklagten, den Beschluss zu TOP 6 nicht zu vollziehen, nichts helfen. Denn dieser Beschluss kann, selbst wenn der Vorstand ihn entsprechend seiner Abschlusserklärung nicht zum Handelsregister einreicht, schon rechtliche Bedeutung erlangen, da er gegenüber Aktionären verbindlich ist, die nach Beschlussfassung aber vor Eintragung Aktien erwerben (vgl. Koch in ders., AktG, 19. Auflage, München 2025, Rdnr. 25 zu § 181 AktG).
42
d. Ob die Zurückweisung des Stimmrechtsbevollmächtigten durch den Versammlungsleiter aufgrund des von der Beklagten behaupteten „offensichtlichen Interessenkonflikts“ rechtmäßig war, um den Stimmrechtsbevollmächtigten „an möglicherweise sogar strafbaren, gegen Berufsrecht verstoßenden sowie zivilrechtswidrigen Handlungen zu hindern“ (vgl. Beschwerdeschriftsatz vom 13.01.2025, S. 3 erster Absatz, Bl. 91 d.A.), spielt – anders als die Beklagte meint – für die Frage der Klageveranlassung keine Rolle. Denn die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Stimmrechtsbevollmächtigten durch den Versammlungsleiter betrifft die Frage der Rechtmäßigkeit der mit der Klage angefochtenen Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten und damit die Begründetheit der Beschlussanfechtungsklage. Wenn die Beklagte aber von einer Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Stimmrechtsbevollmächtigten und damit einer Unbegründetheit der Klage ausgeht, hätte sie nicht anerkennen dürfen, sondern im Beschlussmängelverfahren eine sich aus der Unbegründetheit ergebende Klageabweisung herbeiführen müssen.
43
Die Unbegründetheit der Klage kann schon deshalb kein im Rahmen von § 93 ZPO relevantes Kriterium sein, weil auch das Anerkenntnisurteil zur Hauptsache nach § 307 ZPO ohne eine entsprechende Prüfung allein aufgrund des Anerkenntnisses ergeht. Anderenfalls wäre über die Vorschrift des § 93 ZPO im Rahmen der Kostenentscheidung zu prüfen, ob die Beschlussanfechtungsklage begründet war, was mit der Natur eines Anerkenntnisurteils unvereinbar ist. Eine Beklagte, die sich durch die (von ihr behauptete) Unbegründetheit der Klage nicht von einem Anerkenntnis abhalten lässt, handelt damit kostenrechtlich auf eigenes Risiko (vgl. Schulz in Münchener Kommentar zur ZPO, 7. Auflage, München 2025, Rdnr. 8 zu § 93 ZPO).
44
e. Dies gilt auch, soweit sich die Beklagte darauf beruft, die Klage sei rechtsmissbräuchlich, da es den Klägern nur um die Ablösung einer Bürgschaft des Herrn … zu Gunsten der Beklagten sowie darum gehe, ihre Aktien zu einem möglichst hohen Preis verkaufen zu können. Auch dies würde an der Veranlassung der Klage durch die Beklagte nichts ändern. Denn unabhängig davon, ob – wie das Landgericht annimmt (LGU S. 15) – das Verhalten der Kläger schon nicht auf einen Rechtsmissbrauch schließen lässt, würde auch eine etwaige Rechtsmissbräuchlichkeit der Klage die Anwendbarkeit des § 93 ZPO nicht ausschließen. Eine (unterstellte) Rechtsmissbräuchlichkeit der Klage würde nämlich wiederum nur zu deren Unbegründetheit führen (BGH, Urteil vom 15.06.1992 – II ZR 173/91, Rdnr. 6; vgl. auch Koch in ders., AktG, 19. Auflage, München 2025, Rdnr. 30 zu § 245 AktG), was aber – wie oben unter d dargelegt – kein Kriterium im Rahmen des § 93 ZPO ist.
45
Nach alledem gab die Beklagte den Klägern Anlass zur Klageerhebung und folgt die Kostenentscheidung aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Ausnahmeregelung des § 93 ZPO kommt daher nicht zur Anwendung. Auf die Frage der Sofortigkeit des Anerkenntnisses kommt es nicht mehr an.
III.
46
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs: 1 ZPO. Die Beklagte ist zur Gänze unterlegen.
IV.
47
Da für die sofortige Beschwerde eine streitwertunabhängige Festgebühr anfällt (KV 1810), war die Festsetzung eines Streitwerts nicht veranlasst. Ein Antrag auf Festsetzung des Werts für die Anwaltsgebühren wurde nicht gestellt.