Inhalt

LG Augsburg, Endurteil v. 11.03.2025 – 092 O 3920/23
Titel:

Kein Schadensersatzanspruch wegen Impfschaden bei positivem Nutzen-Risiko-Verhältnis

Normenketten:
AMG § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
VO (EG) 726/2004 Art. 14a Abs. 3
VO (EG) 726/2004 Art. 20a
Leitsätze:
1. Ein Anspruch nach § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG besteht nur dann, wenn das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Die medizinische Vertretbarkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn der therapeutische Wert die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels überwiegt. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Prüfung der Unvertretbarkeit der schädlichen Wirkungen werden nicht nur die im konkreten Fall eingetretenen Schäden berücksichtigt, sondern es wird eine abstrakte Risiko-Nutzen-Abwägung vorgenommen, bei der sämtliche schädlichen Wirkungen erfasst werden. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
3. Mit der Feststellung der rechtswirksamen Zulassung wird inzident das Vorliegen eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses festgestellt. (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Arzneimittel, Erkrankung, Nutzen-Risiko-Verhältnis, therapeutischer Wert, schädliche Wirkungen, Impfung, Impfschaden, Patent
Fundstelle:
BeckRS 2025, 6433

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 155.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld, auf Feststellung der Ersatzpflicht für materielle und immaterielle Schäden im Zusammenhang mit ihrer Covid-19-Schutzimpfung, auf Erteilung von Auskunft und auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend.
2
Die Beklagte ist ein deutsches Biotechnologieunternehmen. Sie entwickelte zur Bekämpfung der im Jahr 2020 ausgebrochenen Covid-19-Pandemie den Impfstoff Comirnaty.
3
Nach Prüfung durch die Europäische Arzneimittelagentur (nachfolgend: EMA) ließ die Europäische Kommission den Impfstoff am 21.12.2020 bedingt zu (Anlage K 64). Durch Beschluss der Europäischen Kommission vom 10.10.2022 wurde die Standardzulassung erteilt (Anlage B 12, B 13). Am 28.10.2022 teilte der Ausschuss für Humanarzneimittel bei der EMA (Committee for Medicinal Products for Human Use; nachfolgend CHMP) mit, dass sich während des Zeitraums, auf den sich diese jährliche Verlängerung bezogen hatte, neue Daten ergeben hätten, die jedoch keinen Einfluss auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Comirnaty in der zugelassenen Indikation gehabt hätten, und dass das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis in der zugelassenen Indikation bestätigt worden sei (Anlage B 14). Die EMA als zentrale Behörde in der EU bestätigte am 30.08.2023 die Sicherheit von Comirnaty, als sie der Europäischen Kommission empfahl, den auf die Covid-19-Subvariante Omikron XBB.1.5 angepassten Comirnaty Impfstoff zuzulassen (Anlage B 9).
4
Der CHMP erklärte ausdrücklich, alle verfügbaren Daten zu Comirnaty, einschließlich Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit, geprüft zu haben. Der Impfstoff Comirnaty wurde seit seiner Zulassung in Deutschland und weltweit zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie eingesetzt.
5
Die Klägerin erhielt am ... 09.2021 eine erste Schutzimpfung und am ... 10.2021 eine zweite Schutzimpfung mit dem Impfstoff Comirnaty der Beklagten.
6
Die Impfung ließ die Klägerin vornehmen, um an sämtlichen Therapien einer ärztliche verschriebenen Rehamaßnahme im November 2021 teilnehmen zu können.
7
In der Folgezeit erkrankte die Klägerin an Covid-19. Dies war ausweislich ihrer Patientenakte im Januar 2022, ausweislich ihrer persönlichen Anhörung im März 2022.
8
In der Leistungsübersicht der Krankenkasse (Anlage K 23), auf die ergänzend Bezug genommen wird, waren u.a. folgende Eintragungen vorhanden:
- „Am ... 10.2019 erfolgte eine ambulante ärztliche Behandlung aufgrund der Diagnose: Bösartige Neubildung der Haut, nicht näher bezeichnet, Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, nicht näher bezeichnet: Nicht näherbezeichnete Lokalisation, Zervikalneuralgie, Gastroösophageale Refluxkrankheit mit Ösophagitis, Akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet.
- Vom ... 10.2019 – ... 10.2019 bestand eine ärztlich verordnete Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Diagnose: Zervikalneuralgie, Akute Infektion der oberen Atemwege.
- Am ... 01.2020 erfolgte eine ambulante ärztliche Behandlung aufgrund der Diagnose: Bösartige Neubildung der Haut, nicht näher bezeichnet, Radikulopathie: Nicht näher bezeichnete Lokalisation, Gastroösophageale Refluxkrankheit mit Ösophagitis, Fremdkörpergranulom im Weichteilgewebe, anderenorts, nicht klassifiziert: Hand [Finger, Handwurzel, Mittelhand, Gelenke zwischen diesen Knochen], Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, nicht näher bezeichnet: Nicht näherbezeichnete Lokalisation.
- Vom ... 07.2020 – ... 08.2020 erfolgte eine ambulante ärztliche Behandlung aufgrund der Diagnose: Sonstige biomechanische Funktionsstörungen: Sakralbereich [sakrokokzygeal, sakroiliakal], Radikulopathie: Mehrere Lokalisationen der Wirbelsäule, Bösartige Neubildung der Haut, Gastroösophageale Refluxkrankheit mit Ösophagitis, Krankheit der Gallenblase, Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, nicht näher bezeichnet: Nicht näherbezeichnete Lokalisation, Radikulopathie: Lumbosakralbereich.
- Vom ... 08.2020 – ... 08.2020 bestand eine ärztlich verordnete Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Diagnose: Sonstige biomechanische Funktionsstörungen: Sakralbereich.
- Vom ... 10.2020 – ... 12.2020 erfolgte eine ambulante ärztliche Behandlung aufgrund der Diagnose: Bösartige Neubildung der Haut, nicht näher bezeichnet, Chronische Sinusitis, nicht näher bezeichnet, Neurasthenie, Gastroösophageale Refluxkrankheit mit Ösophagitis, Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, nicht näher bezeichnet: Nicht näherbezeichnete Lokalisation.
- Vom ... 11.2020 – ... 11.2020 bestand eine ärztlich verordnete Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Diagnose: Chronische Sinusitis, Neurasthenie.
- Am ... 11.2020 erfolgte eine ärztliche Behandlung aufgrund der Diagnose: Laktoseintoleranz, nicht näher bezeichnet, Sonstige und nicht näher bezeichnete Bauchschmerzen, Störungen des Fruktosestoffwechsels.
- Am ... 04.2021 erfolgte ein ärztliche Behandlung aufgrund der Diagnose: Gastroösophageale Refluxkrankheit mit Ösophagitis, Arthrose, nicht näher bezeichnet: Schulterregion [Klavikula, Skapula,Akromioklavikular-, Schulter-, Sternoklavikulargelenk], COVID-19, Virus nachgewiesen Verdacht, Divertikulitis des Darmes, Teil nicht näher bezeichnet, ohne Perforation,Abszess oder Angabe einer Blutung, Radikulopathie: Lumbosakralbereich, Bösartige Neubildung der Haut, nicht näher bezeichnet, Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, nicht näher bezeichnet: Nicht näherbezeichnete Lokalisation, Koxarthrose, nicht näher bezeichnet, Spondylolisthesis.
- Am ... 01.2021 erfolgte eine ärztliche Behandlung aufgrund der Diagnose: Krankheit der Gallenblase, nicht näher bezeichnet.
- Vom ... 09.2021 – ... 09.2021 erfolgte eine ärztliche Behandlung aufgrund der Diagnose: Radikulopathie: Zervikalbereich L, Koxarthrose, nicht näher bezeichnet R, Radikulopathie: Zervikothorakalbereich, Arthrose, nicht näher bezeichnet: Schulterregion [Klavikula, Skapula,Akromioklavikular-, Schulter-, Sternoklavikulargelenk], Gastroösophageale Refluxkrankheit mit Ösophagitis, Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, nicht näher bezeichnet: Nicht näherbezeichnete Lokalisation, Divertikulitis des Darmes, Teil nicht näher bezeichnet, ohne Perforation,Abszess oder Angabe einer Blutung, Akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet, Bösartige Neubildung der Haut, nicht näher bezeichnet.
- Vom ... 09.2021 – 09.2021 bestand eine ärztlich verordnete Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Diagnose: Akute Infektion der oberen Atemwege.
- Vom ... 10.2021 – ... 10.2021 bestand eine ärztlich verordnete Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Diagnose: Sonstige Komplikationen nach Impfung.
- Vom ... 11.2021 – ... 12.2021 bestand eine ärztlich verordnete Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Diagnose: Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, Arthrose, nicht näher bezeichnet: Schulterregion [Klavikula, Skapula,Akromioklavikular-, Schulter-, Sternoklavikulargelenk]
- Vom ... 01.2022 – ... 01.2022 bestand eine ärztlich verordnete Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Diagnose: COVID-19, Virus nachgewiesen, Akute Infektion der oberen Atemwege, Nichtinfektiöse Gastroenteritis und Kolitis.
- Vom ... 01.2022 – ... 02.2022 erfolgte eine ärztliche Behandlung aufgrund der Diagnose: COVID-19, Virus nachgewiesen, Läsionen der Rotatorenmanschette, Gastroösophageale Refluxkrankheit mit Ösophagitis, Nichtinfektiöse Gastroenteritis und Kolitis, nicht näher Bezeichnet, Koxarthrose, nicht näher bezeichnet, Akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet, Bösartige Neubildung der Haut, nicht näher bezeichnet, Divertikulitis des Darmes, Teil nicht näher bezeichnet, ohne Perforation, Abszess oder Angabe einer Blutung, Arthrose, nicht näher bezeichnet: Schulterregion [Klavikula, Skapula,Akromioklavikular-, Schulter-, Sternoklavikulargelenk], Spezielle Verfahren zur Untersuchung auf SARS-CoV-2, Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, nicht näher bezeichnet: Nicht näherbezeichnete Lokalisation.
- Am ... 02.2022 erfolgte eine ärztliche Behandlung aufgrund der Diagnose: Arthrose, nicht näher bezeichnet: Schulterregion [Klavikula, Skapula,Akromioklavikular-, Schulter-, Sternoklavikulargelenk].
- Vom ... 04.2022 – 09.2023 bestand eine ärztlich verordnete Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Diagnose: Neurasthenie, Arthrose, nicht näher bezeichnet: Schulterregion [Klavikula, Skapula, Akromioklavikular-, Schulter-, Sternoklavikulargelenk], Krankheiten des Kreislaufsystems in der Eigenanamnese, Reine Hypercholesterinämie, Arthrose, nicht näher bezeichnet: Schulterregion [Klavikula, Skapula,Akromioklavikular-, Schulter-, Sternoklavikulargelenk], Neurasthenie, Dauertherapie (gegenwärtig) mit Antikoagulanzien in der Eigenanamnese, Post-COVID-19-Zustand, nicht näher bezeichnet, Neurasthenie, Post-COVID-19-Zustand, nicht näher bezeichnet, Husten, Vorhofflimmern, paroxysmal, Arthrose, nicht näher bezeichnet: Schulterregion [ Klavikula, Skapula,Akromioklavikular-, Schulter-, Sternoklavikulargelenk], Vorhofflimmern, paroxysmal, Spezielle Verfahren zur Untersuchung auf infektiöse und parasitäre Krankheiten, Krankheiten des Kreislaufsystems in der Eigenanamnese, Sonstige Brustschmerzen, Lungenembolie ohne Angabe eines akuten Cor pulmonale, Reine Hypercholesterinämie, Sonstige näher bezeichnete Krankheiten des Weichteilgewebes: Mehrere Lokalisationen, Vorhofflimmern und Vorhofflattern, nicht näher bezeichnet, Post-COVID-19-Zustand, nicht näher bezeichnet, Benigne essentielle Hypertonie: Ohne Angabe einer hypertensiven Krise, Dauertherapie (gegenwärtig) mit Antikoagulanzien in der Eigenanamnese, Allergie gegenüber sonstigen Arzneimitteln, Drogen oder biologisch aktiven Substanzen in der Eigenanamnese, Linksherzinsuffizienz: Nicht näher bezeichnet, Vorhofflimmern und Vorhofflattern, nicht näher bezeichnet, Tachykardie, nicht näher bezeichnet, Allergie gegenüber Penicillin in der Eigenanamnese, Dyspnoe, Unwohlsein und Ermüdung, Spezielle Verfahren zur Untersuchung auf SARS-CoV-2, Vorhofflimmern und Vorhofflattern, nicht näher bezeichnet, Vorhofflimmern, persistierend.
- Vom ... 10.2022 – ... 12.2022 erfolgte eine ärztliche Behandlung aufgrund der Diagnose: Gastroösophageale Refluxkrankheit mit Ösophagitis, Depressive Episode, nicht näher bezeichnet, Post-COVID-19-Zustand, nicht näher bezeichnet, Lungenembolie ohne Angabe eines akuten Corpulmonale, Reaktion auf schwere Belastung, nicht näher bezeichnet, Neurasthenie, Krankheit der Schilddrüse nicht näher bezeichnet Verdacht, Divertikulitis des Darmes, Teil nicht näher bezeichnet, ohne Perforation,Abszess oder Angabe einer Blutung, Koxarthrose, nicht näher bezeichnet, Arthrose, nicht näher bezeichnet: Schulterregion [Klavikula, Skapula,Akromioklavikular-, Schulter-, Sternoklavikulargelenk].“
9
Das Lungenzentrum ... stellte am ... ... 11.2022 zudem die Diagnose:
„Bronchiale Hyperreagibilität, G. und Lungenembolie, li., G (s. Anlage K 3).“
10
Die Kreiskliniken ... stellten am ... 11.2022 die Diagnose (s. Anlage K 3):
„Lungenarterienembolie in den Segmentarterien des linken Lungenunterlappens Klinisch intermittierende Schwellung und Schmerzen des linken Oberarms im Weichteilbereich 08/22, aktuell nicht mehr vorhanden Laborchemisch leicht erhöhter CRP-Wert Echokardiographisch keine Rechtsherzbelastung, gute Pumpfunktion Duplexsonographie der Beinvenen: kein Hinweis/Nachweis auf TVT Ober- und Unterschenkel bds.
V. a. paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie, DD subjektives Herzrasen (08/2022)
Im Langzeit-EKG keine relevanten Herzrhythmusstörungen Echokardiographisch strukturell gesundes Herz Laborchemisch und elektrokardiographisch Ausschluss eines akuten Koronarsyndroms
Z. n. CoronaInfektion 03/22
Long Covid Syndrom Bronchiale Hyperreagibilität Gering ausgeprägtes zentrilobuläres Lungenemphysem mit zylindrischer Bronchiektasie und Peribronchitis Depressive Episode“
11
... stellte am ... 11.2022 die Diagnose (s. K 3):
„mäßiggradig aktivierte Omarthrose li Schulter, mäßiggradige Omarthrose mit Impingement im Bereich der rechten Schulter, Coxarthrose III° rechts > links, Protrusion L1 / 2 und 1-2/3 mit beginnender Pseudospondylolisthesis, Fortgeschrittene Osteochondrose 1-4/5, Protrusion L5/S1“
12
Das Stiftungskrankenhaus ... stellte am 03.2023 die Diagnose (s. Anlage K 3):
„ Rezidiv einer Tachyarrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern EHRA Ilb
Zustand nach Lungenarterienembolie 05/2022
Echokardiographisch unter Vorhofflimmern geringgradig eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion (Echo vom 27.12.20222)
Hypercholesterinämie
Zustand nach Coronainfektion“
13
Die Hausärztin schreibt in ihrem ärztlichen Attest vom ... 11.2022 (s. Anlage K 3):
„Zunehmender Erschöpfungszustand, Verschlechterung der psychischen Belastbarkeit, Long-Covid-Syndrom bei Zn. Covid-Infektion 32022 mit anhaltender körperlicher Schwäche, Infektneigung, anh. pulmonalen Beschwerden, Belastungsdyspnoe, Konzentrations- und Gedächtnisproblemen, depressiver Verstimmung, neurolgosch-psychiatrischerselts wurde eine depressive Störung vermutet, bezüglich der anhaltenden pulmonalen Beschwerden wurde eine fachärztliche Abklärung veranlasst Hier wurde eine anhaltende bronchiale Hyperreagibilität diagnostiziert sowie der V.a. Lungenembolie geäußert. ImAnschluss erfolgte eine stationäre Abklärung, die de Verdacht bestätigte. Im Anschluss Therapie mit NOAK.
Langjähriges chron. WS-Syndrom, Beschwerden im Bereich der HWS, BWS und LWS, Cervicobrachialgie bds, Cervicccephalgie, rez. Lumboischialgien, Behandlung mit NSAR bei Bedarf, sowie fortlaufender Physiotherapie, Verstärkung der orthopädischen Beschwerden nach der Covid-Infektion.
Omarthrose li., anhaltende Beschwerden, Schmerzen sowie Bewegungseinschränkungen im Bereich der linken Schulter, deshalb 1221 stat Reha, hier jedoch nur wenig Besserung der Beschwerden. Zwischenzeitlich auch Beschwerden im Bereich der rechten Schulter. Ebenfalls ausgeprägte aktivierte Omarthrose mit Knopelschaden, Osteophytenbildung, chronische Tendinitis der Supraspinatussehne, insgesamt eingeschränkte Bewegung, sowie Kraftminderung im Bereich der rechten Schulter und des rechten Armes.
Chronische Coxalgie bei Coxarthrose, rez. Insertionstendopathien im Bereich der Trochanter rechts mehr als links, im Bereich der rechten Hüfte besteht die Indikation zur Hüft-TEP.
Rez. Sigmadivertikulitis, bei Sigmadivertikulose, ca. 1-2xjährlichAbdominalbeschwerden, sowie Entzündungszeichen.“
14
... stellte am ... 12.2022 folgende Diagnose (s. Anlage K 3):
„subakute Thyreoidius de Quervain“.
15
Ergänzend wird hinsichtlich des Inhalts der Befunde auf die Anlagen K 3 und K 23 verwiesen.
16
Die Klägerin behauptet, sie habe außer an Problemen mit dem Rücken (Bandscheibenvorfall, ISG-Blockade) und Arthrose Beschwerden in Schultern und Knie an keinen nennenswerten Vorerkrankungen gelitten.
17
Unmittelbar nach der 2. Schutzimpfung mit dem Impfstoff der Beklagten sei ihr linker Oberarm heiß und hart geworden. Diesen könne sie bis heute nicht hochheben.
18
Während der Rehamaßnahme im November 2021 sei sie kraftlos und erschöpft gewesen und habe unter Gedächtnisproblemen gelitten.
19
Diese Erschöpfung und die Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme hätten nach Beendigung der Rehamaßnahme angedauert, sodass sie im Dezember 2021 aufgrund der Erschöpfung nicht mehr länger als bis mittags habe arbeiten können. Zunehmend habe sie an Kopf- und Gliederschmerzen gelitten. Im Januar 2022 habe sie 3 Wochen Magen-Darm gehabt und 6 kg abgenommen.
20
Im Februar 2022 habe sie dann in diesem Zusammenhang erstmals ihre Hausärztin aufgesucht und ihre Arbeit aus gesundheitlichen Gründen gekündigt.
21
Im März 2022 sei sie an Corona erkrankt, habe in der ersten Woche die Symptome einer schlimmen Erkältung gehabt und sei eine weitere Woche symptomfrei positiv gewesen.
22
Nach dieser Corona-Erkrankung seien zu den bestehenden Beschwerden die orthopädischen Probleme schlimmer geworden. Sie habe verstärkt an Muskel- und Gliederschmerzen gelitten. Den geimpften Arm habe sie nicht mehr hochheben und uneingeschränkt bewegen können.
23
Es habe sich ein ständiges Krankheitsgefühl breit gemacht und sie habe depressive Phasen gehabt.
24
Sie habe eine Bronchiale Hyperreabgibilität, ein Lungenemphysem und eine Lungenembolie erlitten. Letzteres sei im Juli 2022 der Fall gewesen.
25
Dann habe sie eine Schilddrüsenentzündung, die man im Dezember 2022 feststellte, und Vorhofflimmern erlitten. Neben den zahlreichen Krankenhausaufenthalten habe sie auch aufgrund völliger Erschöpfung tagelang das Haus nicht verlassen können.
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Sämtliche Beeinträchtigungen seien auf die Impfung mit dem Impfstoff der Beklagten zurückzuführen. Ihre Hausärztin habe schon im Februar 2022 den Verdacht eines Zusammenhangs mit der Impfung hergestellt.
27
Bis heute leide die Klägerin aufgrund der Impfung insb. an Vorhofflimmern, ständig wandernden Muskel- und Gliederschmerzen, Schulter-Armsyndrom links (Impfarm), Fatigue Syndrom und orthopädischen Problematiken.
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Zudem sei es zu keiner den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation und Gebrauchsinformation gekommen. Die Schäden der Klägerin seien auch wegen dieser fehlerhaften Instruktionen eingetreten. Denn wäre die Klägerin über die vorstehend dargelegten Mängel der Herstellung und Entwicklung informiert gewesen und hätte den potenziellen Schadensumfang und die Wahrscheinlichkeit seines Eintritts gekannt, hätte sie sich nicht impfen lassen.
29
Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe einen Anspruch auf Schadensersatz.
30
Ein Anspruch bestehe aus § 84 Abs. 1 AMG. Der Impfstoff der Beklagten sei generell schadensgeeignet. Für die Kausalität im Einzelfall greife die Vermutung nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG. Der Impfstoff Comirnaty weise auch kein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis auf.
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Zudem seien die Schäden auch wegen der fehlerhaften Produktinformation eingetreten.
32
Ein Anspruch bestehe auch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 95 AMG, § 826 BGB, § 823 Abs. 1 BGB und §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 223, 224 StGB oder § 230 StGB.
33
Zudem bestehe ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagte.
34
Die Klägerin beantragte zuletzt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.11.2022 zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei sämtliche sonstigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die künftig noch aus der Impfung mit dem Impfstoff der Beklagten resultieren werden und derzeit noch nicht bezifferbar sind, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 4.633,86 nebst Zinsen in Höhe fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.11.2022 zu zahlen.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klagepartei die nachfolgend beantragten Auskünfte im Wege der Erfüllung des Auskunftsanspruchs nach § 84 a AMG schriftlich zu Händen ihrer hiesigen Prozessbevollmächtigten zu erteilen und die Vollständigkeit und Richtigkeit dieser Auskunftserteilung an Eides statt zu versichern. Die entsprechende Auskunft ist von dem vertretungsberechtigten Organ der Beklagten zu erteilen.
a. Auskunft über Art und Schwere der Toxizität der verwendeten LipidnanopartikelALC-0159 und ALC-0315 für den Menschen sowie über deren immunologische Auswirkungen auf den menschlichen Organismus.
b. Auskunft über den pharmazeutischen Reinheitsgrad von ALC-0159 und ALC-0315 und darüber, wie diese bestimmt werden.
c. Auskunft darüber, welcher Lieferant für die Lieferung der hier streitgegenständlichen Impf-Charge zuständig war und welche Technologie dieser für die Herstellung nutzte.
d. Erläuterung, weshalb im Spike-Protein „Wuhan 1“ der Verbau einer Furin-Schnittstelle zur Trennung des S1-Proteins vom S2-Protein erforderlich war.
e. Erläuterung, weshalb ein P2-Lock verwendet wurde, damit das Spike-Protein S2 nicht auf geht indes aber das S1 ungesichert blieb.
f. Erläuterung, ob es Biarcore-Messungen (Oberflächenplasmonenresonanzspektroskopie) gibt die belegen, dass das Spike-Protein wirklich nicht bindet.
g. Erläuterung, warum ein ganzes Cluster von HIV-Sequenzen und GP-120 im Spike-Protein verbaut sind und welche Auswirkungen dies auf das Immunsystem der Klagepartei hat. Die Klagepartei nimmt Bezug auf folgenden Aufsatz (peer-reviewed): „COVID-19, SARS AND BATS CORONAVIRUSES GENOMES PECULIAR HOMOLOGOUS RNA SEQUENCES“, https://www.granthaalayahpublication.org/journals/index.php/granthaalayah/article/view/IJRG20_B07_3568
h. Erläuterung, weshalb eine Neuropilin-Schnittstelle im Spike-Protein verbaut wurde.
i. Erläuterung, welche konkreten gesundheitlichen Schäden am Menschen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung vor dem 30.04.2021 durch die Beklagte oder in deren Auftrag festgestellt wurden.
j. Erläuterung wie sichergestellt wurde, dass auf der menschlichen Zelle exponierende Spike-Proteine von der Zellwand gehalten (Membrananker) und nicht etwa frei im Körper verfügbar wurden.
k. Erläuterung, ob und gegebenenfalls seit wann der Beklagten bekannt ist, dass das Spike-Protein (“Wuhan 1“) an den ACE-Rezeptor menschlicher Zellen andocken und es dadurch Schäden in der Form der Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-System am menschlichen Organismus verursachen kann.
l. Erläuterung, welche Untersuchungen zur Genotoxizität beim Menschen durch BNT162b2 von Seiten der Beklagten unternommen worden sind.
m. Erläuterung, welche Unterschiede zwischen der Faltung des Proteins zwischen BNT162b2.8 und BNT162b2.9 bestehen und welche der Varianten die Klagepartei verimpft bekommen hat.
n. Erläuterung, welche Bewandtnis die Feststellung von Prof. M. von der T.University of S. zur Verwendung von Plasmid-DNA in dem Impfstoff BNT162b2 hat (SV40-Sequenz). Ergänzend: Seit wann wird die Sequenz von der Beklagten genutzt? Welche Funktion übt die Plasmid-DNA nach der Vorstellung der Beklagten in dem Vakzin aus?
o. Erläuterung, welche Maßnahmen gegen negative Auswirkungen des Vakzins auf die Fruchtbarkeit von geimpften Personen im Hinblick auf die Feststellungen im Abschlussgutachten zur Prä-Klinik vom 21.01.2021 (Anlage K b.b.) ergriffen wurden.
p. Erläuterung über den Inhalt des Zwischenberichts C4591022 zu Fehl- und Totgeburten (Pflichtbestandteil des EPAR-Riskmanagement der EMA).
q. Erläuterung, welche Maßnahmen die Beklagte unternahm, nachdem sie gemäß folgender Gutachten (peer-reviewed) feststellte, dass ihr Vakzin BNT162b2 die Blockade/Zerstörung des P53-Protein an menschlichen Körperzellen die Krebszellenerkennung verhindert:
- Zeitliche metabolische Reaktion auf mRNA-Impfungen bei Onkologiepatienten, Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34463888/
- Koordinierung und Optimierung von FDG-PET/CT und Impfung; Erfahrungen aus der Anfangsphase der Massenimpfung, Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34029956/
- Lymphadenopathie nach Impfung: Bericht über zytologische Befunde aus einer Feinnadelaspirationsbiopsie, Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34432391/
- Axilläre Lymphadenopathie nach Impfung bei einer Frau mit Brustkrebs, Quelle:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34940788/
- Feinnadelaspiration bei einer impfassoziierten Lymphadenopathie, Quelle:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34286849/
- Hypermetabolische Lymphadenopathie nach Pfizer-Impfung, Inzidenz bewertet durch FDG PET-CT und Bedeutung für die Interpretation der Studie, eine Überprüfung von 728 geimpften Patienten, Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33774684/ Ergänzung: In welchem Zusammenhang steht diesbezüglich die Zulassung im Jahr 2022 von 23 neuen Krebsmedikamenten des Pfizer-Konzerns?
r. Erläuterung, ob Oncomire – d.h. mit Krebs assoziierte miRNA – in dem streitgegenständlichen Impfstoff Comirnaty enthalten sein können.
s. Erläuterung, warum die Beklagte der Bevölkerung nicht mitteilte, dass Frauen ein dreifach höheres Risiko besitzen, gesundheitliche Schäden infolge der Impfung mit BNT162b2 zu erleiden (PSUR #1).
t. Trifft es zu, dass Herr U. S. als ehemaliger Geschäftsführer und sämtliche Mitarbeiter der Beklagten sich nicht haben impfen lassen?
u. Trifft es zu, dass U. S. bereits in seinem Patent US 2015/0086612 A1 auf Seite feststellt: „Bei der Immuntherapie auf RNA-Basis kann die Teerbildung in Lunge oder Leber nachteilig sein, da das Risiko einer Immunreaktion bei diesen Organen besteht.“ (engl.: For RNA based immunotherapy, lung or liver tar geting can be detrimental, because of the risk of an immune response against these organs.).
Ergänzend: Welche Änderungen nach Einreichung des Patents liegend der Beklagten vor, die diese Einschätzung im streitgegenständlichen Vakzin widerlegen?
v. Trifft es zu, dass U. S. in seinem Patent US 10,485,884 B2 beschrieb, dass die Kombination von Salzen mit Nanolipiden keine gute Idee sei, weil diese dann ausflocken? Welcher Schaden entsteht bei Verdünnung mit ionischem Kochsalz in Verbindung mit der Tatsache, dass in einen Ca2+-haltigen Muskel injiziert wird?
w. Erläuterung, ob die Beklagte über das Spike-Protein „Wuhan 1“ die proteinbiochemischen Grundlagen erhoben hatte, wie:
- Thermostabilität
- PH-Sensitivität Verhält sich bspw. ein im Fuß der Klagepartei auf 7 Grad heruntergekühltes Spike-Protein anders als bei 36,6 Grad (Kältedenaturierung)?
x. Erläuterung, was mit fehlgefalteten Proteinen geschieht. Wurde auf Einschlusskörperchen in den Zellen getestet?
y. In welchem Umfang und mit welchen Auswirkungen wird das N1-Methylpseudouridin in der rRNA der Ribosomen der Mitochondrien und denen der Zelle, zellulärer mRNA und tRNA eingebaut? Welche Anstrengungen wurden unternommen, eine damit einhergehende, potenzielle Auswirkung auf den Energiehaushalt und die Proteinproduktion der Zellen zu verhindern?
z. Hat die Beklagte die Menge der zu produzierenden Spike-Proteine in den jeweiligen Organen und Körperbestandteilen quantifiziert, weil das N1-Methylpseudouridin zu einer erhöhten Produktion von Spike-Proteinen im gesamten Körper führt?
aa. Für den Fall der Bejahung der vorausgegangenen Frage mag die Beklagte dazu äußern, wie sie sicherstellte, dass die Spike-Proteine bei zu hoher Konzentration nicht thermodynamisch instabil werden (life on the edge of solubility).
bb. Erläuterung, welche konkrete biologische/chemische/und oder physikalische Eigenschaft ihres Produktes zu einem Nutzen führen soll.
cc. Erläuterung, was mit dem N1-Methylpseudouridin als Nukleotid geschieht, nachdem die modRNA in die menschliche Zelle transfiziert wurde, insbesondere, ob das N1-Methylpseudouridin in der ribosomalen RNA der Mitochondrien verbaut.
dd. Erläuterung des Herstellungsprozesses „Process 2“ und wie die Beklagte sicherstellte, dass keine DNA-Verunreinigung in den streitgegenständlichen Impfstoff gelangt.
ee. Erläuterung, wieviel Nanogramm an DNA (alle DNA Schnipsel) sich in den streitgegenständlichen Chargen der Klagepartei befanden.
ff. Erläuterung, wer die Nutzung für die Produktion mit Plasmiden mit SV40 freigegeben hat und wie konkret die Konformitätsbescheinigung der Beklagten für „Process 2“ aussieht.
gg. Warum wurde das Produkt Comirnaty nicht im Arzneimittelbuch aufgenommen und mit den üblichen Beschreibungen „Integrität, Reinheit und produzierter Wirkstoffmenge“ beschrieben?
hh. Warum werden die Lipide ALC-0315 und ALC-0159 mit der Gefahrenklasse 3 -„gefährlich“ angegeben, das Gesamtprodukt Comirnaty durch die Beklagte aber mit OEB 5 – „sehr hohes toxisches Potential ab 1 Mikrogramm“?
35
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
36
Die Beklagte bestreitet den vorgetragenen Gesundheitszustand vor der Impfung und die vorgetragenen Beeinträchtigungen seit der Impfung mit dem Impfstoff der Beklagten. Der Vortrag der Klägerin zu ihrem gesundheitlichen Zustand vor und nach der Impfung sei zudem schon nicht hinreichend substantiiert und genüge nicht der erweiterten Darlegungslast in Arzneimittelhaftungsverfahren. Es fehle an Vortrag zu Grund- und Parallelerkrankungen, Risikofaktoren sowie zur Einnahme anderer Arzneimittel. Es seien nicht sämtliche Krankenunterlagen vorgelegt.
37
Darüber hinaus sei weder nachgewiesen, noch naheliegend, dass der Impfstoff Comirnaty generell schadensgeeignet sei.
38
Für die vorgetragenen Symptome könnten die Vorerkrankungen und die Corona-Erkrankung der Klägerin ebenso verantwortlich sein. Auch die behandelnden Ärzte seien ausweislich der einzelnen, vorgelegten Unterlagen der Ansicht, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen eher und vor allem auf eine Long-COVID-Erkrankung zurückzuführen sind. Insoweit wird im Hinblick auf die von der Beklagten ausgeführten Alternativursachen insb. auf die Schriftsätze der Beklagten vom 19.02.2024 (Bl. 45 ff d.A.) und 06.01.2025 (Bl. 258 ff d.A.) verwiesen.
39
Der Impfstoff Comirnaty weise zudem ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis auf. Es habe eine sorgfältige Prüfung aller verfügbaren Studiendaten und aller sonstigen relevanten Informationen durch die EMA und die Europäische Kommission stattgefunden. Der Nutzen des Impfstoffs überwiege die möglichen Risiken deutlich. Seit Inverkehrbringen werde der Impfstoff ständig auf Sicherheit und Nebenwirkungen überwacht. Während der vorläufigen Zulassung seien keine Daten zu Tage getreten, die Einfluss auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis haben könnten. Die Zulassung stelle einen Verwaltungsakt dar, welcher im Zivilprozess Tatbestandswirkung entfalte und somit einer Überprüfung durch die Zivilgerichte entzogen sei.
40
Auch hätten die Fach- und Gebrauchsinformationen jederzeit dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprochen. Die Texte seien mit der jeweiligen Zulassungsbehörde abgestimmt gewesen.
41
Daher bestünde kein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz und die begehrte Feststellung.
42
Ein Auskunftsanspruch bestehe ebenfalls nicht. Dieser Anspruch diene der Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs nach § 84 Abs. 1 AMG. Vorliegend sei die Auskunft jedoch überflüssig, da ein Anspruch nach § 84 Abs. 1 AMG unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegeben sei.
43
In der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2025 hat das Gericht die Klägerin informatorisch angehört. Hinsichtlich des Inhalts der informatorischen Anhörung wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 14.01.2025 Bezug genommen.
44
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 14.01.2025 umfassend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

45
Die zulässige Klage ist unbegründet.
A. Zulässigkeit
46
Die Klage ist zulässig.
47
I. Das Landgericht Augsburg ist gemäß § 94a Abs. 1 AMG sowie § 32 ZPO örtlich und gemäß §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig.
48
II. Ferner besteht ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der begehrten Feststellung (Klageantrag Ziff. 2), § 256 Abs. 1 ZPO.
49
Ein Interesse an der Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schadensfolgen aus einer bereits eingetretenen Verletzung eines absoluten Rechts oder eines vergleichbaren Rechtsguts ist zu bejahen, wenn die Möglichkeit besteht, dass solche Schäden eintreten. Dabei ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Das berechtigte Interesse ist nur dann zu verneinen, wenn aus Sicht der Klagepartei bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH, Beschluss vom 09.01.2007 – VI ZR 133/06).
50
Nach diesen Maßstäben ist vorliegend das Feststellungsinteresse zu bejahen, da der Eintritt weiterer Schäden aus Sicht der Klägerin im Bereich des Möglichen liegt.
B. Begründetheit
51
Die Klage ist jedoch insgesamt unbegründet.
52
Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Schmerzensgeld sowie weitergehende Feststellung und Auskunft gegen die Beklagte. In der Folge besteht auch kein Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.
I. Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld
53
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG.
54
Nach § 84 Abs. 1 S. 1 AMG ist ein pharmazeutischer Unternehmer, der ein Arzneimittel in den Verkehr gebracht hat, dem Betroffenen zum Schadensersatz verpflichtet, wenn dieser infolge der Anwendung des Arzneimittels nicht nur unerheblich in seiner Gesundheit verletzt wird und nach S. 2 Nr. 1 das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen, oder nach Nr. 2 der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist.
55
a. Der Anspruch der Klägerin nach § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG scheitert vorliegend schon daran, dass der Impfstoff Comirnaty der Beklagten kein unvertretbares Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist.
56
Die Haftung besteht nur dann, wenn das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Die medizinische Vertretbarkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn der therapeutische Wert die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels überwiegt. Bei der Prüfung der Unvertretbarkeit der schädlichen Wirkungen werden nicht nur die im konkreten Fall eingetretenen Schäden berücksichtigt, sondern es wird eine abstrakte Risiko-Nutzen-Abwägung vorgenommen, bei der sämtliche schädlichen Wirkungen erfasst werden (BeckOGK/Franzki, 01.11.2024, AMG § 84 Rn. 83).
57
Damit trägt die Vorschrift dem Umstand Rechnung, dass es sich bei Arzneimitteln um Produkte handelt, die unvermeidbar neben ihren therapeutischen Wirkungen auch Risiken mit sich bringen (Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 68).
58
Die vorgenannten Maßstäbe zugrunde gelegt, ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis für den Impfstoff der Beklagten im maßgeblichen Zeitpunkt als positiv zu bewerten (so auch OLG Koblenz, Urteil vom 10.07.2024 – 5 U 1375/23; OLG München, Verfügung vom 12.12.2024, 14 U 3100/24e; OLG München, Hinweisbeschluss vom 05.11.2024 – 14 U 2313/24e).
59
Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, wobei für den Zeitpunkt der Rückprojektion der Zeitpunkt der Anwendung des Arzneimittels heranzuziehen ist.
60
(1.) Zu dieser Bewertung gelangt man bereits aufgrund der Tatbestandswirkung des Beschlusses vom 21.12.2020 über die bedingte (außerordentliche) Zulassung des Impfstoffs und des, diesen bestätigenden Durchführungsbeschlusses der Europäischen Kommission vom 10.10.2022 zur unbedingten Zulassung des Impfstoffs (Anlage B 12) (so u.a. auch OLG München, Verfügung vom 12.12.2024, 14 U 3100/24e; OLG München, Hinweisbeschluss vom 05.11.2024 – 14 U 2313/24e).
61
(a.) Im Unionsrecht gilt der Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftsakten. Dieser Grundsatz besagt, dass die Rechtsakte einer europäischen Behörde – hier der Europäischen Kommission – Rechtswirkungen entfalten, solange sie nicht zurückgenommen, im Rahmen einer Nichtigkeitsklage für nichtig erklärt oder infolge eines Vorabentscheidungsersuchens oder einer Rechtswidrigkeitseinrede für ungültig erklärt worden sind (EuGH, Urteil vom 12.02.2008 – C-199/06, juris, Rn. 60). Dieser Grundsatz betrifft die Rechtsbeständigkeit von Gemeinschaftsakten und enthält – ähnlich wie die §§ 43 Abs. 1, 44 Abs. 1 VwVfG im nationalen Recht – das Prinzip der Rechtswirksamkeit auch fehlerhafter Gemeinschaftsakte. Er gestattet es insbesondere anderen europäischen und nationalen Behörden sowie Gerichten in nachfolgenden Verfahren von der Tatbestandswirkung dieses europäischen Rechtsakts auszugehen, das heißt in nachfolgenden Verfahren bei der Rechtsprüfung das tatbestandliche Vorliegen einer rechtswirksamen Zulassung festzustellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.07.2022 – 1 WB 2/22, BVerwGE 176, 138-211, Rn. 205 – 206).
62
Mit der Feststellung der rechtswirksamen Zulassung wird inzident das Vorliegen eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses festgestellt, da ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis Tatbestandsvoraussetzung der Zulassung eines Arzneimittels ist, gleichgültig, ob auf nationaler oder europäischer Ebene.
63
Bereits eine bedingte (außerordentliche) Zulassung, die für den streitgegenständlichen Impfstoff am 21.12.2020 erteilt worden war, darf nach Art. 14-a Abs. 3 Verordnung (EG) 726/2004 und nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 lit. a) Verordnung (EG) 507/2006 nur erfolgen, „wenn das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Arzneimittels positiv ist“.
64
Mit der bedingten Zulassung werden dem Arzneimittelhersteller gemäß Art. 14-a Abs. 4 Verordnung (EG) 726/2004 „besondere Verpflichtungen“ auferlegt, die nach Abs. 5 darin bestehen, „laufende Studien abzuschließen oder neue Studien einzuleiten, um das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis zu bestätigen.“
65
Das Vorliegen eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses ist nach § 14-a Abs. 8 Verordnung (EG) 726/2004 erneut nachzuweisen, um eine ordentliche, fünf Jahre gültige Zulassung zu erhalten.
66
In der Folgezeit wurde der Impfstoff von den europäischen Behörden dann fortlaufend geprüft. Der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA (CHMP) empfahl am 16.09.2022 auf Grundlage der fortlaufenden Prüfungen, die bedingte Zulassung in eine Standardzulassung umzuwandeln. Diese Empfehlung wurde sodann mit Durchführungsbeschluss der Europäischen Kommission vom 10.10.2022 umgesetzt.
67
In Erwägungsgrund Nr. 2 des Durchführungsbeschlusses für die unbedingte Zulassung des streitgegenständlichen Impfstoffs vom 10.10.2022 wurde von der EU-Kommission festgestellt, dass die Beklagte die ihr im Rahmen der bedingten Zulassung gemäß Art. 14-a Abs. 4 Verordnung (EG) 726/2004 auferlegten besonderen Verpflichtungen erfüllt hat.
68
Auch diese Einschätzung aus dem Jahr 2022 wurde durch die EMA fortlaufend neu geprüft, was im Herbst 2023 sodann dazu führte, dass auch ein auf eine neue Subvariante des Coronavirus angepasster Impfstoff der Beklagten die Zulassung erhielt. Auch hierbei war die Feststellung eines positiven Nutzen-Risiko-Profils Zulassungsvoraussetzung und wurde im Vorfeld der Entscheidung der Europäischen Kommission in einer Stellungnahme der EMA (CHMP) erneut unter Verweis auf die vielfältigen verfügbaren Daten bejaht. Auch die Ständige Impfkommission in Deutschland empfahl den streitgegenständlichen Impfstoff ab 2021 und erneuerte ihre Empfehlung regelmäßig.
69
Die Prüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses war mithin wesentliche Voraussetzung sowohl für die bedingte Zulassung des Impfstoffs als auch für die Erteilung der unbedingten Zulassung, so dass mit der Zulassungsentscheidung zugleich das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis mit Bindungswirkung auch für die Zivilgerichte festgestellt wurde (zum Umfang der Tatbestandswirkung vgl. auch BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245-280, Rn. 12)
70
Die am 10.10.2022 erteilte unbedingte Zulassung ist bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder geändert noch ausgesetzt oder widerrufen worden (Art. 20a Verordnung (EG) 726/2004) und auch die Verwendung des Impfstoffs ist nicht durch die Kommission ausgesetzt worden (Art. 20 Abs. 4 Verordnung (EG) 726/2004). Die EMA bestätigte vielmehr am 30.08.2023 die Sicherheit von Comirnaty, als sie der Europäischen Kommission empfahl, den auf die Covid-19-Subvariante Omikron XBB.1.5 angepassten Comirnaty Impfstoff zuzulassen (Anlage B 9), so dass die Bindungswirkung unverändert fortbesteht.
71
(b.) Diese Bindungswirkung von Zulassungsentscheidungen ist im Zivilprozess auch nur in Frage zu stellen, wenn substantiiert dargelegt wird, welche der Beklagten damals bereits bekannten Umstände bei der Zulassungsentscheidung nicht berücksichtigt worden sein sollen, bei deren Berücksichtigung eine andere Zulassungsentscheidung gerechtfertigt gewesen wäre, oder aber, wenn dargelegt wird, dass nach der Zulassung Nebenwirkungen des Impfstoffs bekannt geworden sind, deren Kenntnis im Zeitpunkt der Zulassung einer Zulassung entgegen gestanden hätten (so auch OLG Bamberg, Beschluss vom 14.08.2023 – 4 U 15/23 e, juris, Rn. 15; vgl. auch BGH, Urteil vom 12.05.2015 – VI ZR 328/11, BGHZ 205, 270-287, Rn. 28), oder aber, wenn im Einzelnen begründet wird, dass ein Ermessensfehler bei der Nutzen-Risiko-Abwägung vorliegt, d.h. das Ermessen nicht ausgeübt oder überschritten wurde oder das Ermessen wider die gesetzlichen Bestimmungen ausgeübt wurde oder ein Verstoß gegen Denkgesetze und anerkannte Erfahrungssätze vorliegt.
72
Dies ist vorliegend nicht der Fall.
73
Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der EMA nicht alle erforderlichen Daten und Informationen erteilt wurden, um das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Comirnaty zutreffend zu bewerten. Diesbezüglich führte die EMA zuletzt am 30.08.2023 aus, dass bei der Entscheidung, der Europäischen Kommission, die Zulassung zu empfehlen, das CHMP alle verfügbaren Daten zu Comirnaty und seinen anderen adaptierten Impfstoffen, einschließlich Daten zur Sicherheit, Wirksamkeit und Immunogenität (also die Fähigkeit, Immunreaktionen auszulösen) berücksichtigt habe.
74
Die Klägerin hat auch nicht substantiiert dargelegt, dass neue Erkenntnisse aufgetreten sind, bei deren Berücksichtigung eine andere Zulassungsentscheidung veranlasst gewesen wäre. Durch die am 31.08.2023 erfolgte Zulassung des auf die COVID-19-Subvariante Omikron XBB.1.5 angepassten Impfstoffs der Beklagten durch die Europäische Kommission wurde das Nutzen-Risiko-Verhältnis erneut bestätigt. Über die Empfehlung des CHMP zur Zulassung berichtet die EMA in ihrer Meldung vom 30.08.2023 (Anlage B 9). Ausgehend von diesen Feststellungen der europäischen Behörden wäre nur dann eine neue Begutachtung der, der Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses zugrundeliegenden Sachfragen geboten, wenn die Klägerin dargelegt hätte, dass nach der Zulassungsentscheidung vom 31.08.2023 neue Erkenntnisse aufgetreten sind, bei deren Berücksichtigung eine andere Zulassungsentscheidung veranlasst gewesen wäre (vgl. OLG Bamberg v. 14.08.2023 – 4 U 15/23; LG Saarbrücken, Urteil vom 01.12.2023, Az. 16 O 33/23). Insbesondere hat die Klägerin keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die europäischen Behörden bei ihren fortlaufenden Prüfungen Tatsachen unbeachtet gelassen hätten, die bei ihrer Beachtung zu einem abweichenden Ergebnis geführt hätten. Vor dem Hintergrund der laufenden Überwachung, der Erteilung der Standardzulassung sowie der Zulassung für den adaptierten Impfstoff kommt es auch auf das Vorbringen der Klägerin dazu, dass vor der Erteilung der bedingten Zulassung nicht die erforderlichen Studien durchgeführt worden seien, nicht an (LG Frankfurt a. M., Urteil vom 14.02.2024 – 2-12 O 264/22).
75
Es wurde auch kein Ermessensfehler dargelegt.
76
Die Klägerin hat nicht ausreichend dargelegt, aus welchen Gründen die von der Europäischen Arzneimittelagentur bzw. der Europäischen Kommission auf der Grundlage der verfügbaren medizinischen Forschungslage und Studienergebnisse getroffene Bewertung nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechen soll. Maßgeblich sind insofern die allgemein anerkannten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft und nicht etwaige hiervon abweichende Einzelstimmen, auf die sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren stützt. Die Ausführungen der EMA bzw. des CHMP erschöpfen sich nicht in bloßen Feststellungen ohne Tatsachenanknüpfungen, sondern gehen offenkundig in die Tiefe und setzen sich mit den Studienverläufen und den daraus gewonnenen Daten ausführlich auseinander.
Im Einzelnen:
77
Ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis ist nicht, wie die Klägerin meint, deshalb anzunehmen, weil keine verlässlichen Daten vorlägen, da eine Vielzahl an Aspekten nicht geprüft worden seien und es an Langzeitstudien fehle, welche etwa die langfristige Wirksamkeit des Impfstoffs untersuchten.
78
Dies war bekannt und ist in die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses durch die Ausschüsse eingeflossen. Das ergibt sich aus dem Bewertungsbericht des CHMP vom 15.09.2022 (Anlage B 14) indirekt daraus, dass die Beurteilung für die unbedingte Zulassung nur rund 21 Monate nach der Erteilung der außerordentlichen (bedingten) Zulassung erfolgte. Das Fehlen von Langzeitstudien ist der bedingten Zulassung eines Arzneimittels nach Art. 14-a Abs. 1 Verordnung 726/2004 zudem immanent, regelt die Norm doch, dass „in hinreichend begründeten Fällen (…) zur Schließung medizinischer Versorgungslücken für Arzneimittel, die zur Behandlung, Vorbeugung oder ärztlichen Diagnose von zu schwerer Invalidität führenden oder lebensbedrohenden Krankheiten bestimmt sind, eine Zulassung erteilt werden [kann], ehe umfassende klinische Daten vorliegen, sofern der Nutzen der sofortigen Verfügbarkeit des betreffenden Arzneimittels auf dem Markt das Risiko überwiegt, das sich daraus ergibt, dass nach wie vor zusätzliche Daten erforderlich sind.“ In Satz 2 heißt es weiter: „In Krisensituationen kann eine Zulassung solcher Arzneimittel erteilt werden, selbst wenn noch keine vollständigen vorklinischen oder pharmazeutischen Daten vorgelegt wurden.“ Ergänzt wird diese Regelung durch Absatz 3, wonach Zulassungen nach Art. 14-a nur erteilt werden dürfen, wenn „das Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv ist und der Antragsteller aller Wahrscheinlichkeit nach in der Lage ist, umfassende Daten bereitzustellen.“ Die von der Beklagten vorgelegten Daten aus klinischen und nicht-klinischen Studien waren für den CHMP und die EMA offensichtlich bereits zur Erfüllung der dargelegten Zulassungsvoraussetzungen für die bedingte Zulassung ausreichend, ebenso wie die Studiendaten zu den Speziellen Verpflichtungen nach der bedingten Zulassung des Impfstoffs für den CHMP hinreichend aussagekräftig waren, um den Nutzen des Impfstoffs im Verhältnis zu den bis dahin erkennbaren Nebenwirkungen einzuschätzen.
79
Zudem hat die Beklagte auch nach Erteilung der unbedingten Zulassung nach Art. 14 Verordnung 726/2004 zahlreiche Verpflichtungen betreffend die Pharmakovigilanz zu erfüllen. Die nach Art. 14-a Abs. 8, Art. 14 Abs. 2 und 3 Verordnung 726/2004 auf fünf Jahre erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen kann etwa nur „auf der Grundlage einer von der Agentur vorgenommenen Neubeurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses verlängert werden“, Art. 14 Abs. 2 Satz 1 Verordnung 726/2004. Weiter wird der Beklagten durch Art. 14 Abs. 2 Satz 2 Verordnung 726/2004 aufgegeben: „Zu diesem Zweck legt der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen der Agentur spätestens neun Monate vor Ablauf der nach Absatz 1 vorgesehenen Gültigkeitsdauer der Genehmigung eine konsolidierte Fassung der Unterlagen in Bezug auf die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit vor; darin sind Bewertungen von Daten aus den gemäß Kapitel 3 vorgelegten Berichten über vermutete Nebenwirkungen und den regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten sowie Informationen über alle seit der Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen vorgenommenen Änderungen enthalten.“ Damit geht der Vorwurf der Klagepartei, der Impfstoff unterliege einer zu kurzen Nachbeobachtungszeit, an der gesetzlichen Wirklichkeit vorbei.
80
Der Einwand, die zugrunde gelegten, klinischen Studien seien nicht aussagekräftig verfängt ebenfalls nicht. Da die Studien in dem Bewertungsbericht nicht in allen Einzelheiten wiedergegeben sind, sondern in dem Bewertungsbericht für die Verlängerung der Marktzulassung zwangsläufig nur eine Zusammenfassung der zahlreichen einzelnen Studien enthalten sein kann, vermögen die einzelnen Zitate in dem Bericht keine Auskunft über die Aussagekraft der Studien insgesamt zu geben. Wegen der zusammenfassenden Wiedergabe der Studien greift der von der Klagepartei in zahlreichen Facetten erhobene Einwand der intransparenten Datenerhebung und -wiedergabe ebenso wenig durch wie die – ersichtlich – ins Blaue hinein erfolgten Behauptungen, für die klinischen Studien sei keine für die Bevölkerung repräsentative Teilnehmerauswahl erfolgt, die Studien seien nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, es sei „entgegen den Prinzipien evidenzbasierter Medizin ein klinisch nur wenig relevanter primärer Endpunkt gewählt“ worden und es fehlten Daten zu „den Impfeffekten in einzelnen Alters- und Risikogruppen“. Das Gleiche gilt für die von der Klagepartei gezogene Schlussfolgerung aus den berichteten Medikationsfehlern. Dass zudem die Studien nicht beendet wurden und der Beobachtungszeitraum nach Ansicht der Klagepartei zu kurz gewesen ist, spielt ebenfalls keine Rolle, wenn – wie offensichtlich hier – die bis zum Berichtszeitpunkt des Bewertungsberichts des CHMP vom 15.09.2022 (Anlage B 14) gewonnenen Erkenntnisse für die Bewertung durch den Ausschuss ausreichend sind und die Voraussetzungen des Art. 14-a Verordnung 726/2004 erfüllt werden.
81
Schließlich spricht der Umstand, dass der aus 27 Mitgliedern – einem aus jedem Mitgliedsstaat der EU – bestehende Ausschuss für Humanarzneimittel (§ 61 Abs. 1 Verordnung (EG) 726/2004) zu einem offensichtlich einstimmigen Ergebnis hinsichtlich der Nutzen-Risiko-Abwägung gekommen ist, dafür, dass kein einziges Ausschussmitglied so erhebliche Bedenken gegen den Umfang der Daten, die Aussagekraft der Studien oder die Bewertbarkeit bzw. Verwertbarkeit der Ergebnisse hatte, dass in dem Gutachten ein begründetes Sondervotum aufgenommen werden musste (§ 61 Abs. 7 Satz 2 Verordnung (EG) 726/2004).
82
Demnach besteht kein Anlass, an den immer wieder bestätigten Feststellungen der zuständigen europäischen Behörden zu zweifeln, die von einem fortwährenden positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffs ausgingen und nach wie vor ausgehen.
83
Soweit die Klägerin die Unabhängigkeit der beteiligten Stellen anzweifelt, handelt es sich um durch keinerlei Tatsachenvortrag belegte Spekulation. Es erschließt sich nicht, welchem politischen Druck die EMA in Bezug auf ihre Empfehlungen an die Europäische Kommission unterliegen soll, wenn sie im Hinblick auf die beantragte Zulassung eines Arzneimittels eine Empfehlung ausspricht; diese kann für oder gegen die europaweite Zulassung des Arzneimittels ausfallen. Zudem vernachlässigt die Argumentation den Umstand, dass die EMA mit ihren Gremien pluralistisch besetzt ist und durch ganz unterschiedliche Herkünfte der Sachverständigen geprägt wird. Eine stringente „Führung“ der EMA durch die EU-Kommission ist deshalb ebenso wenig ersichtlich wie eine Bindung der EMA an deren politische Vorgaben.
84
Eine Einflussnahme der Europäischen Kommission auf entsprechende „positive“ Stellungnahmen erscheint vor dem Hintergrund der Übernahme der vollen Haftung für den Impfstoff gegenüber dem Hersteller unplausibel.
85
(2.) Darüber hinaus ist auch auf Grundlage der Bewertung der Expertengremien von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis des streitgegenständlichen Impfstoffs nach den von den Parteien vorgetragenen Tatsachen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung projiziert auf den Zeitpunkt der Impfung auszugehen (s. auch OLG München, Verfügung vom 12.12.2024 – 14 U 3100/24e).
86
Dass die Impfung – jedenfalls bezogen auf die Allgemeinheit – vor einem besonders schweren Verlauf der Krankheit schützt, entspricht allgemeiner Auffassung. Der Nutzen wurde und wird nicht (ausschließlich) in der Verhinderung einer Reaktion auf das Virus gesehen, sondern in der nachhaltigen Abmilderung dieser Reaktion. Bei geringer Infektionsintensität vermeidet der Impfstoff so äußerlich die Infektion und bei einer schweren Infektion verhindert und mildert er schwere Verläufe bis hin zum Tod.
87
(a.) Aus der dem Durchführungsbeschluss der EU-Kommission vom 10.10.2022 zugrundeliegenden Empfehlung des Ausschusses für Humanarzneimittel, CHMP, vom 15.09.2022 (Anlage B 14) geht hervor, dass der Beklagten seit der bedingten Marktzulassung des streitgegenständlichen Impfstoffs am 21.12.2020 verschiedene „Spezifische Verpflichtungen“ (kurz: „SV“) auferlegt worden waren (vgl. Art. 14-a Abs. 4 Verordnung (EG) 726/2004). Diese werden in dem Bericht des CHMP ausführlich dargestellt. Der Ausschuss hält dazu fest, dass zu sämtlichen Spezifischen Verpflichtungen neue Daten fristgerecht und als annehmbar zur Erfüllung der Verpflichtungen vorgelegt worden seien. Die allgemeine Schlussfolgerung zu den Spezifischen Verpflichtungen (Ziffer 2.3 des Berichts) lautet:
„(…) Das klinische Unbedenklichkeitsprofil sowie die Wirksamkeit dieses Produkts werden als umfassend charakterisiert und unterstützen ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis. (…)“
88
Unter Ziffer 6.2 führt der CHMP zum Nutzen-Risiko-Verhältnis aus, dass die neuen Daten keinen Einfluss auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffs in der zugelassenen Indikation hätten, sondern vielmehr das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis in der zugelassenen Indikation bestätigten.
89
Weiter steht in dem Bericht: „Unsicherheiten und Einschränkungen in Bezug auf ungünstige Auswirkungen: Die Unsicherheiten und Einschränkungen ungünstiger Auswirkungen wurden bereits in weiteren Verfahren erörtert. Die Hauptunsicherheiten betreffen die langfristigen Auswirkungen und die Auswirkungen bei bestimmten Risikogruppen.
Nutzen-Risiko-Bewertung und Erörterung:
90
Die Vorteile von Comirnaty in Bezug auf den Schutz vor COVID-19 überwiegen eindeutig die ermittelten Risiken, und während dieses Verlängerungszeitraums wurden keine neuen Informationen bekannt, die das Verhältnis verändert hätten. Sämtliche qualitätsbezogenen SV gelten als erfüllt. (…) Bedeutung von günstigen und ungünstigen Auswirkungen: Nicht zutreffend.
Nutzen-Risiko-Verhältnis:
91
Auf der Grundlage des kumulativen Nachweises für günstige und ungünstige Auswirkungen bleibt das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Comirnaty positiv.“
92
Unter Ziffer 7 empfiehlt der CHMP sodann Folgendes:
„7. Empfehlung
Auf der Grundlage der Überprüfung der verfügbaren Informationen über den Stand der Erfüllung der spezifischen Verpflichtungen ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis für Comirnaty in der zugelassenen Indikation (siehe Zusammenfassung der Produktmerkmale) weiterhin günstig. Da sämtliche spezifischen Verpflichtungen entweder erfüllt oder in Studien der Kategorie 3 des RMP umgestuft wurden, liegen keine Gründe mehr vor, die Marktzulassung an Bedingungen zu knüpfen, und der CHMP empfiehlt daher die Erteilung einer Standardgenehmigung für die Marktzulassung von Comirnaty, die keinen spezifischen Verpflichtungen unterliegt.“
93
Das PEI hat in einer Stellungnahme vom 10.10.2022 (Anlage B12) mitgeteilt, dass der Ausschuss für Humanarzneimittel bei der EMA für den Impfstoff der Beklagten und einen weiteren mRNA-Impfstoff eines anderen Herstellers die Umwandlung der bedingten Zulassung in eine unbedingte Zulassung empfohlen habe. Aus den für beide Impfstoffe bestehenden Verpflichtungen, Ergebnisse aus den laufenden klinischen Prüfungen vorzulegen und zusätzliche Daten über die pharmazeutische Qualität des jeweiligen Impfstoffprodukts im Hinblick auf den geplanten enormen Produktionsanstieg zu liefern, seien umfangreiche Daten gewonnen worden. Zusätzliche Studien, einschließlich unabhängiger, von den EU-Behörden koordinierter Studien, hätten weitere Daten zu wichtigen Aspekten geliefert, z.B. dazu, wie gut die Impfstoffe schwere COVID-19-Erkrankungen verhinderten. Darüber hinaus hätten die Unternehmen alle angeforderten zusätzlichen Daten zur pharmazeutischen Qualität des jeweiligen Impfstoffprodukts vorgelegt. Insgesamt seien seit der Einführung dieser Impfstoffe mit Hunderten von Millionen verabreichten Dosen umfangreiche Daten gewonnen worden. In Anbetracht der Gesamtheit der verfügbaren Daten würden die spezifischen Verpflichtungen nicht mehr als ausschlaggebend für das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfstoffprodukte angesehen werden. Damit sei der Weg frei für den Übergang von einer bedingten Zulassung zu einer Standardzulassung.
94
Somit gelangen sowohl der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA, CHMP, als auch das PEI auf der Basis aller bis dahin bekannten und gemeldeten Nebenwirkungen und Impfkomplikationen auf sachverständiger Ebene zu dem Ergebnis, dass im Zeitpunkt der Erteilung der Standardzulassung für den streitgegenständlichen Impfstoff am 10.10.2022 das Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv war.
95
Durch die am 31.08.2023 erfolgte Zulassung des auf die COVID-19-Subvariante Omikron XBB.1.5 angepassten Impfstoffs der Beklagten durch die Europäische Kommission wurde das Nutzen-Risiko-Verhältnis erneut bestätigt. Über die Empfehlung des CHMP zur Zulassung berichtet die EMA in ihrer Meldung vom 30.08.2023 (Anlage B 9).
96
Die am 21.12.2020 erteilte bedingte Zulassung ist damit weder geändert noch ausgesetzt oder widerrufen worden (Art. 20a Verordnung (EG) 726/2004), sondern in eine unbedingte Zulassung umgewandelt worden. Auch danach ist die Verwendung des Impfstoffs nicht durch die Kommission ausgesetzt worden (Art. 20 Abs. 4 Verordnung (EG) 726/2004). Die unbedingte Zulassung vom 10.10.2022 ist bis zum heutigen Zeitpunkt ebenfalls weder geändert noch ausgesetzt oder widerrufen worden. Vielmehr hat die Europäische Kommission am 31.08.2023 auch den auf die COVID 19-Subvariante Omikron XBB.1.5. angepassten Corminaty-Impfstoff zugelassen.
97
Die oben genannten Entscheidungen der Europäischen Kommission zur bedingten Zulassung des Impfstoffs am 21.12.2020 und zur unbedingten Zulassung am 10.10.2022 basieren auf Empfehlungen der EMA, die wiederum ein Gutachten zum Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffs eingeholt hat (Art. 14-a Abs. 3, 4 und 8 Verordnung (EG) 726/2004). Die Europäische Arzneimittelagentur hat nach Art. 56 Verordnung (EG) 726/2004 verschiedene Organe. Zu diesen Organen gehören nach Art. 56 Abs. 1 lit. a) der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP), der die Gutachten der Agentur zu Fragen der Beurteilung von Humanarzneimitteln ausarbeitet, sowie nach Art. 56 Abs. 1 lit. a) aa) der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC), der für Empfehlungen an den CHMP und die Koordinierungsgruppe in allen Fragen, die Pharmakovigilanz-Tätigkeiten in Bezug auf Humanarzneimittel sowie Risikomanagement-Systeme betreffen, und für die Überwachung der Effektivität dieser Risikomanagement-Systeme zuständig ist.
98
Der PRAC, also der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz, setzt sich gemäß Art. 61a der Verordnung (EG) 726/2004 aus Vertretern aus allen Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), wissenschaftlichen Experten, Vertretern der Heilberufe und Vertretern der Patientenorganisationen zusammen. Die Ernennung der Mitglieder und der stellvertretenden Mitglieder des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz erfolgt gemäß Art. 61a Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) 726/2004 „auf der Grundlage ihres einschlägigen Fachwissens in Pharmakovigilanz-Angelegenheiten und in der Risikobeurteilung von Humanarzneimitteln, um höchste fachliche Qualifikationen und ein breites Spektrum an einschlägigem Fachwissen zu gewährleisten.“
99
Im CHMP, dem Ausschuss für Humanarzneimittel, ist gemäß Art. 61 der Verordnung – wie auch im PRAC – jeder Mitgliedsstaat mit einem mit besonderem Fachwissen ausgestatteten Mitglied vertreten. Ferner können sich die Mitglieder des Ausschusses für Humanarzneimittel gemäß Art. 61 Abs. 3 der Verordnung 726/2004 von Sachverständigen aus speziellen Bereichen von Wissenschaft oder Technik begleiten lassen.
100
Das Pendant der EMA auf Bundesebene ist das P.-E.-Institut (kurz: PEI; § 77 Abs. 2 AMG). Das PEI ist die in Deutschland federführend zuständige Behörde im Zusammenhang mit der Entwicklung, Zulassung, Bewertung und Überwachung der Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit von Impfstoffen. Ihm obliegt insbesondere die Erfassung und Auswertung von impfinduzierten Risiken und die Koordination gegebenenfalls zu ergreifender Maßnahmen. Daneben ist das PEI eine Forschungseinrichtung, um die Expertise zur Impfstoffbeurteilung einschließlich der Beurteilung von individuell auftretenden unerwünschten Impfreaktionen zu bündeln. Geforscht wird unter anderem auf den Gebieten der Immunologie, der Virologie und der Bakteriologie. Aufgrund dieser herausgehobenen Stellung ist das PEI weltweit vernetzt und berät nationale, europäische und internationale Gremien im Zusammenhang mit Impfstoffen (BVerwG, Beschluss vom 07.07.2022 – 1 WB 2/22, BVerwGE 176, 138-211, Rn. 92; vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21, juris, Rn. 138).
101
Bei den genannten Institutionen und deren Arbeitsebenen handelt es sich mithin nicht um politische Gremien. Ihre Empfehlungen und Entscheidungen orientieren sich nicht an politischen Interessen, auch wenn Grundlage der Einrichtung der Europäischen Arzneimittelagentur und ihrer Organe selbstverständlich eine politische Entscheidung war – auf anderem Wege ließe sich jedoch eine in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union anerkannte und handlungsfähige Institution wie die EMA nicht einrichten. Dennoch handelt es sich bei den Organen der EMA und dem PEI um medizinisch-pharmazeutische und damit wissenschaftliche Fachgremien, nicht um im eigentlichen Sinne des Wortes politische Gremien.
102
Die Einschätzungen zur Arzneimittelsicherheit des CHMP, des PRAC und des PEI stehen also einer sachverständigen Begutachtung gleich, da bereits die gesetzlichen Vorgaben für deren Besetzung sie als sachverständige Stellen qualifizieren. Die Institutionen vereinen die widerstreitenden wissenschaftlichen Erfahrungen, Erkenntnisse, Sichtweisen und Hypothesen in sich und lassen diese in eine umfassende Nutzen-Risiko-Bewertung einfließen.
103
Die Bewertung der Experten von CHMP und PRAC und PEI, die selbst nicht in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stehen, bildet das größtmögliche Fachwissen für die hier zu entscheidende Frage des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des streitgegenständlichen Impfstoffs ab. Sie vermögen daher u.a. dem Senat des OLG Koblenz und des OLG München und auch dem hiesigen Gericht die notwendige Fachkenntnis zu vermitteln, um die Frage des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des Impfstoffs der Beklagten zu beurteilen (so im Ergebnis auch BVerwG, Beschluss vom 07.07.2022 – 1 WB 2/22, BVerwGE 176, 138-211). Das hiesige Gericht macht sich die zitierten Erkenntnisse der oben aufgeführten Expertengremien daher als Grundlage seiner Entscheidung zu eigen.
104
Vor dem erläuterten Hintergrund des maximalen Fachwissens in den Expertengremien ist auch nicht zu erwarten, dass die Begutachtung durch einen einzelnen Virologen oder Pharmakologen als Sachverständigen im hiesigen Einzelfall zu anderen Erkenntnissen führen würde. Es wäre lebensfremd anzunehmen, ein einzelner Sachverständiger könnte über weitere Quellen, eine größere Datengrundlage und umfangreicheres Wissen verfügen als die aus jeweils mindestens 27 Personen bestehenden genannten Expertengremien, so dass die von der Klägerin angebotene Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht entscheidungserheblich war. Dass die genannten Expertengremien über die größtmögliche Datengrundlage verfügen, zeigte sich auch in dem vom OLG Koblenz in einem Parallelverfahren (5 U 1139/23) beigezogenen Verfahren vor dem Landgericht Köln (3 O 143/22). Wie sich aus den beigezogenen Unterlagen ergibt, konnte sich der dort beauftragte Sachverständige gleichermaßen nur auf die vorgenannten Quellen (Erkenntnisse von CHMP, PRAC, PEI) beziehen, die auch dem OLG Koblenz zur Verfügung stehen; ihm standen keine weitergehenden Daten oder Informationen zur Verfügung. Die Klägerin trägt auch nicht vor, über welches überlegene Wissen ein einzelner Sachverständiger verfügen könnte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich dessen Bewertung eines positiven oder negativen Nutzen-Risiko-Verhältnisses nicht auf die Klägerin beziehen dürfte, sondern auf die Gesamtheit der potentiellen Patientengruppe innerhalb der Europäischen Union.
105
Die vorzunehmende Abwägung nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG ist zwar nicht mit der Abwägung zur Zulassungsentscheidung der EU-Kommission identisch. Die durchgängig gleichlautenden Entscheidungen der oben genannten Expertengremien in Bezug auf das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis stellen aber ein gewichtiges Indiz im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung (§ 25 Abs. 10 AMG) dar, ob eine ermessensfehlerhafte Bewertung auf Europäischer Ebene bei der Zulassungsentscheidung vorlag, wenn man nicht schon von einer Tatbestandswirkung ausgehen will.
106
(b.) Die dargestellte Historie des Impfstoffs von seiner erstmaligen bedingten Zulassung bis zur Erteilung der Standardzulassung in der EU sowie der Zulassung des Impfstoffs für eine Virusvariante, die – auf ständig ergänzter Datengrundlage – jeweils nicht geändert, aufgehoben oder widerrufen wurde, lässt auch den Schluss zu, dass die nach der bedingten Zulassung bekannt gewordenen Fälle von Nebenwirkungen, wie z.B. Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündung, Gesichtslähmung, allergische Sofortreaktionen (Anaphylaxie) oder möglicherweise zum Tod führende Lungenentzündungen an der positiven Nutzen-Risiko-Abwägung der Expertengruppen nichts geändert haben.
107
(c.) Relevante medizinische Anhaltspunkte, die von den genannten Expertengruppen vor der Empfehlung für die Zulassung nicht berücksichtigt worden sein sollen und die gegen ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis sprechen könnten, oder solche, die nach der Zulassung bekannt geworden sind und eine andere Zulassungsentscheidung begründet hätten, wären sie schon zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen, werden von der Klägerin nicht substantiiert vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
108
Ergänzend zu den obigen Ausführungen vermag die Klägerin den überwiegenden Nutzen auch nicht durch die folgenden Einwände in Zweifel zu ziehen:
109
Der Einwand des angeblich „nicht vollständigen“ Schutzes (sprich: nicht zu 100%) geimpfter Personen vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 oder vor einem schweren Verlauf der Erkrankung COVID-19, vermag den überwiegenden Nutzen nicht in Zweifel zu ziehen. Unabhängig davon, dass die eigenen Ausführungen der Klägerin insoweit widersprüchlich sind, bleibt die Behauptung erfolglos, weil die nicht absolute Wirksamkeit des Impfstoffs vor einer Ansteckung – und dementsprechend auch nicht vor einem schweren Verlauf – bereits vor der bedingten Zulassung durch die EU-Kommission bekannt war und von dieser hingenommen wurde. So wird in dem Bewertungsbericht des CHMP „EMA707383/2020“ in der Korrekturfassung vom 19.02.2021 (Anlage B 32), der sich für die bedingte Zulassung des Impfstoffs unter spezifischen Auflagen aussprach, als „Schlussfolgerung zur klinischen Wirksamkeit“ zunächst ausgeführt, dass eine ausgezeichnete Wirksamkeit des Impfstoffs (Verhinderung von symptomatischem COVID-19) von 95% bei Probanden ohne Hinweise auf eine frühere SARS-CoV2-Infektion nachgewiesen worden sei, was für alle relevanten Untergruppen gleich gewesen sei. Danach wird (unter der Überschrift „Unsicherheiten und Einschränkungen in Bezug auf positive Auswirkungen“) ausführlich erörtert, dass keine verlässliche Aussage über die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen schwere Verläufe der Erkrankung an COVID-19 getroffen werden könne, was ebenso gilt für die Frage der Wirksamkeit des Schutzes vor einer asymptomatischen Infektion oder für die Frage der Wirksamkeit gegen die Übertragung von SARS-CoV-2 bei Personen, die nach der Impfung infiziert sind, und auch für den Schutz für immungeschwächte und schwangere Personen sowie die Dauer des Schutzes durch die Impfung. All diese Unwägbarkeiten waren mithin bereits vor Erteilung der bedingten Zulassung des Impfstoffs bekannt, führten dennoch nicht zu der Annahme eines negativen Nutzen-Risiko-Verhältnisses, vielmehr gab der CHMP übereinstimmend die Empfehlung für die bedingte Zulassung des Impfstoffs. Diese Gesichtspunkte können daher nicht im Nachhinein zu einer anderen Entscheidung in Bezug auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis führen.
110
In dem späteren Bewertungsbericht des CHMP vom 15.09.2022 (Anlage B14) über die Verlängerung der Marktzulassung ist ausgeführt, dass die „verbleibenden Unsicherheiten“ sich hauptsächlich auf die Anwendung bei immungeschwächten Personen, die langfristige Wirksamkeit und Unbedenklichkeit und z.B. die Wirksamkeit gegen die Übertragung bezögen. Dementsprechend hat der CHMP in dem Bewertungsbericht festgehalten: „Die Vorteile von Comirnaty in Bezug auf den Schutz vor COVID-19 überwiegen eindeutig die ermittelten Risiken, und während dieses Verlängerungszeitraums wurden keine neuen Informationen bekannt, die das Verhältnis verändert hätten. Sämtliche qualitätsbezogenen SV gelten als erfüllt.“.
111
Danach ist der nicht absolute Schutz und die nicht in jedem Aspekt bekannte Wirksamkeit des Impfstoffs in die Abwägung des Nutzens zu den Risiken des Impfstoffs eingeflossen und ist hingenommen worden. Dieser Aspekt kann daher im Nachhinein eine andere Entscheidung nicht rechtfertigen.
112
Unergiebig ist des Weiteren der Versuch der Klägerin, die positive Nutzen-Risiko-Bilanz des Impfstoffs mit der Zahl der gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen zu begründen, unabhängig davon, welche Quelle die Klägerin für die gemeldeten Verdachtsfälle heranzieht. Allen Quellen ist gemein, dass sie lediglich von Verdachtsfällen berichten und gesicherte Aussagen über die Kausalität der Impfung für die genannten Nebenwirkungen nicht getroffen werden. Bloße Verdachtsfälle sind nicht mit tatsächlichen Nebenwirkungen gleichzusetzen.
113
Zudem wurde der Impfstoff Comirnaty seit seiner Zulassung in Deutschland und weltweit zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie eingesetzt. Bis Juni 2022 wurden weltweit mehr als 2,6 Milliarden Dosen des Impfstoffs verabreicht. Bei einer derart hohen Anzahl an Impfungen binnen eines vergleichsweise kurzen Zeitraums ist denklogisch mit einer höheren Anzahl von Verdachtsfällen in kurzer Zeit zu rechnen als bei einer vergleichbaren Anzahl an Impfungen über einen längeren Zeitraum, wobei zu berücksichtigen ist, dass die 980.105 von der EMA (im Bewertungsbericht über die Verlängerung der Marktzulassung) veröffentlichen Fälle zu Nebenwirkungen im Vergleich zur Gesamtzahl der verabreichten Impfungen von 2,6 Milliarden bereits als sehr gering anzusehen ist (ca. 0,0377%).
114
Abgesehen davon, dass die Behauptung der Klägerin, es würden vor allem die größeren gesundheitlichen Beeinträchtigungen gemeldet, nicht hingegen einfache Beeinträchtigungen wie Kopfschmerzen, nicht zutreffend ist, wie sich aus der dem OLG Koblenz vorgelegten Anlage K48 (vgl. S. 8 ff. der Anlage „Kumulative Analyse der Berichte über unerwünschte Ereignisse nach zu der Zulassung von PF-07302048 (BNT162B2), die bis 28.02.2021 eingegangen sind) und der dem OLG Koblenz vorgelegten Anlage C4 (vgl. S. 5 des Sicherheitsupdates der EMA vom 11.08.2021) ergibt, kommt es hierauf nicht an. Die Behauptung könnte ebenso als wahr unterstellt werden wie die klägerische Behauptung, dass mit der genannten Zahl von 980.105 nicht sämtliche weltweiten Verdachtsfälle aufgeführt sind, weil nur wenige Gesundheitsbeeinträchtigungen bei der EMA gemeldet werden und daher eine große Dunkelziffer besteht. Dies spielt keine Rolle, weil in die Bewertung der Risiken eines Impfstoffs im Verhältnis zu seinem Nutzen allein die den Zulassungsbehörden über eine Meldung bekannt gewordenen Nebenwirkungen einbezogen werden können. Bei der behördlichen Entscheidung über die Zulassung eines Impfstoffs verbietet sich jede Spekulation über lediglich potentielle Nebenwirkungen, deren Schwere und deren Anzahl. Daher kann die von der Klägerin behauptete „Dunkelziffer“ bei unerwünschten Nebenwirkungen bei der Entscheidung über die Zulassung keine Berücksichtigung finden, da anderenfalls einer manipulativen Bewertung Tür und Tor geöffnet wäre. Andererseits sind aber bei der Entscheidung über die Verlängerung der bedingten Zulassung ebenso wie bei der Entscheidung über die unbedingte Zulassung die bis zu dem jeweiligen Zeitpunkt tatsächlich bekannt gewordenen unerwünschten Nebenwirkungen eingeflossen (vgl. etwa S. 16 f. der dem OLG Koblenz vorgelegten Anlage K43).
115
Den überwiegenden Nutzen des streitgegenständlichen Impfstoffs vermag die Klägerin auch nicht damit in Zweifel zu ziehen, dass sie vorträgt, die Beklagte stelle den Impfstoff in zwei unterschiedlichen Verfahren her („process 1“ für die klinische Prüfung ./. „process 2“ für den Markt), die sich darin unterschieden, woher die verwendete DNA stamme, die als Vorlage für die enzymatische In-vitro-Herstellung der mRNA diene. Die Klägerin rügt insofern, die Bevölkerung werde „praktisch ausschließlich“ mit Impfstoff des „process 2“ geimpft, obwohl lediglich der Impfstoff des „process 1“ durch die Europäische Arzneimittelagentur geprüft werde.
116
Der von der Klagepartei im Verfahren des OLG München vorgelegte „Assessment Report“ der EMA vom 19.02.2020 (Anlage im Verfahren des OLG München 14 U 2313/24 e, dort K 42 ganz am Ende) spricht die unterschiedlichen Verfahren offen an und befindet nach einer eingehenderen Analyse insb. der „Quellen“ (Anlage K 41 im o.g. Verfahren des OLG München): Die „Vergleichbarkeit dieser Verfahren“ beruhe „auf dem Nachweis vergleichbarer biologischer, chemischer und physikalischer Eigenschaften des Wirkstoffs und des Endprodukts“. Daraus geht in keiner Weise hervor, dass die beiden unterschiedlichen Herstellungsprozesse Bedenken begegneten.
117
Der Assessment-Report, deutsch „Bewertungsbericht“ besagt: „Es wurde eine Sicherheitsrisikobewertung für potenzielle prozessbedingte Verunreinigungen im Wirkstoffprozess im Hinblick auf die Patientensicherheit durchgeführt. Die Quellen der Verunreinigungen werden ausreichend berücksichtigt. Die Strategie zur Bewertung des Sicherheitsrisikos umfasst den Vergleich der theoretisch ungünstigsten Konzentration von Verunreinigungen – unter der Annahme, dass diese nicht entfernt werden – mit den berechneten Schwellenwerten für Sicherheitsbedenken. Die Worst-Case-Werte der Restrohstoffe und Reagenzien aus dem Herstellungsprozess des BNT162b2-Wirkstoffs wurden so berechnet, dass sie deutlich unter den vorgegebenen Sicherheitsgrenzen liegen. Dies wird als akzeptabel angesehen.“ (s. OLG München, Hinweisbeschluss vom 05.11.2024 – 14 U 2313/24 e).
118
Die Klägerin vermag auch mit der behaupteten Verunreinigung des Impfstoffs mit Fremd-DNA das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis nicht in Zweifel zu ziehen. Die Klägerin legt nicht dar, welche Auswirkungen die angebliche Verunreinigung des Impfstoffs mit Fremd-DNA auf die Gesundheit der Impflinge gehabt haben soll. Ob der in Zusammenhang mit der Verunreinigung des Impfstoffs gehaltene Vortrag, die in den Impfstoffen enthaltenen Spikeproteine könnten Gefäßschäden verursachen, eine weitere Verunreinigung darlegen soll, bleibt unklar. Für die Annahme, dass „die im vorliegenden Fall verwendete Charge des Impfstoffs“ mit Fremd-DNA verunreinigt gewesen ist, fehlt jeder Anhaltspunkt. Des Weiteren gibt es keine Grundlage für die Ansicht, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffs chargenabhängig unterschiedlich zu bewerten ist.
119
Trotz der bekannten unterschiedlichen Herstellungsprozesse und der Verunreinigungen kam der CHMP zu dem Ergebnis, die bedingte Zulassung des streitgegenständlichen Impfstoffs wegen seines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses zu empfehlen.
120
Auch der Vortrag zu der toxischen Wirkung des Spike-Proteins, der auf Meinungen in mehreren Aufsätzen gestützt wird, bietet keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, die europäischen Behörden hätten bei ihren fortlaufenden Prüfungen Tatsachen unbeachtet gelassen, bei deren Beachtung sie zu einer negativen Nutzen-Risiko-Relation hätten kommen müssen.
121
Soweit die Klägerin darüber hinaus noch weitere Argumente gegen das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis des streitgegenständlichen Impfstoffs vorgebracht hat, handelt es sich um Einzelstimmen zu Einzelaspekten der Gesamtabwägung, die vor dem Hintergrund der auf zahlreichen und umfangreichen Studien basierenden gegenteiligen Einschätzung der Europäischen Arzneimittelagentur bzw. der Europäischen Kommission bei weitem nicht ausreichen, um die von der Klägerin behauptete Gefährlichkeit des Impfstoffs zu begründen. Denn einzelne Wissenschaftler vermögen die Gesamtbreite der „Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft“ nicht infrage zu stellen und bei der Betrachtung lediglich von einzelnen Aspekten bleibt die für das Nutzen-Risiko-Verhältnis gebotene Gesamtschau der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko (vgl. § 4 Abs. 28 iVm Abs. 27 AMG) außen vor. Die von der Klägerin gewünschte Betrachtung entspricht damit nicht den gesetzlichen Vorgaben.
122
Dass noch nicht sämtliche Nebenwirkungen erforscht seien, ermöglicht nicht die von der Klägerin angestrebte Folgerung, dass die Risiken – bei gebotener Gesamtbetrachtung aller seltenen oder häufigen Nebenwirkungen – unvertretbar wären.
123
Die ermittelten Risiken und der nachgewiesene Nutzen müssen gegeneinander abgewogen werden. Nach § 4 Abs. 28 AMG umfasst das Nutzen-Risiko-Verhältnis „eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko nach Absatz 27 Buchstabe a“, welches sich definiert als „jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten oder die öffentliche Gesundheit“. Dabei gilt: Je besser der therapeutische Nutzen und je schwerwiegender die Erkrankung ohne Impfung, desto eher können auch gravierende schädliche Wirkungen akzeptiert werden.
124
Das heißt: Risiken für den Einzelnen lassen sich nicht gänzlich ausschließen und werden hingenommen, wenn der Nutzen bezogen auf die Gesamtheit der potentiellen Anwender in der Verhältnismäßigkeitsabwägung höher ausfällt.
125
b. Darüber hinaus kommt der Klägerin die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 S. 1 AMG mangels hinreichenden Vortrags, jedenfalls aber wegen § 84 Abs. 2 S. 3 AMG nicht zugute.
126
(1.) Hinsichtlich etwaig erlittener Gesundheitsschäden i.S.v. § 84 Abs. 1 S.1 AMG ist der Geschädigte darlegungs- und beweisbelastet, da es sich hierbei um einen anspruchsbegründenden Umstand i.S.v. § 84 Abs. 1 S.1 AMG handelt (Brock, in: Kügel/Müller/Hofmann, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 127).
127
Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG wird, wenn das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen, vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist. Erforderlich ist dabei nicht lediglich eine abstrakt-generelle, sondern eine konkrete Verletzungseignung des Arzneimittels. Eine Verletzungseignung kann angenommen werden, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass das Arzneimittel die Rechtsgutverletzung verursacht hat. Es genügt allerdings nicht, wenn nur eine ungesicherte Hypothese für den ursächlichen Zusammenhang spricht (BeckOGK/Franzki, AMG § 84 Rn. 110).
128
Die Klägerin als Geschädigten trifft insoweit eine erweiterte Darlegungslast für die konkrete Schadenseignung des Arzneimittels nach § 84 Abs. 2 S. 1 AMG (Brock, in: Kügel/Müller/Hofmann, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 127). An diese dürfen, um ein weitgehendes Leerlaufen der Vorschriften über die Haftung für Arzneimittelschäden zu vermeiden, zwar keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (BGH, Beschluss vom 1. Juli 2008 – VI ZR 287/07, NJW 2008, 2994). Der Geschädigte kann sich aber nicht darauf beschränken, nur die für ihn günstigen Tatsachen vorzutragen. Der Geschädigte hat demnach alle für die Einzelfallbeurteilung relevanten Tatsachen vorzutragen; es soll sichergestellt werden, dass das Gericht sich ein umfassendes Bild über die Schadenseignung auf der Grundlage aller zur Beurteilung des Einzelfalls relevanten Informationen machen kann (Brock, a. a. O.). Dies schließt gerade auch solche Informationen ein, über die nur der Geschädigte verfügt, wie z. B. Grund- und Parallelerkrankungen, Risikofaktoren sowie die Einnahme anderer Arzneimittel (Brock, a. a. O.). Seiner Darlegungslast kommt der Geschädigte in erster Linie durch die Vorlage seiner Krankenunterlagen nach; legt der Geschädigte keine oder unvollständige Krankenunterlagen vor, ist sein Vortrag unsubstantiiert (Brock, a. a. O.).
129
Diesen Anforderungen wird der klägerische Vortrag vorliegend nicht gerecht.
130
Die Klägerin hat trotz des Bestreitens der Beklagten, dass ihr gesundheitliche Zustand erstmals nach der Impfung aufgetreten und nicht lediglich die Verschlechterung eines bereits vorbestehenden Gesundheitszustands gewesen ist, keinen schlüssigen und ausreichenden Vortrag zu ihrem gesundheitlichen Zustand vor der Impfung im Hinblick auf alle von ihr geltend gemachten Beeinträchtigungen gehalten.
131
Die Klägerin behauptet zwar, vor der Impfung außer an Problemen mit dem Rücken (Bandscheibenvorfall, ISG-Blockade) und Arthrose Beschwerden in Schultern und Knie an keinen nennenswerten Vorerkrankungen gelitten zu haben und fit und belastbar gewesen zu sein. Eine darüber hinaus gehende Darlegung des klägerischen Gesundheitszustands vor der streitgegenständlichen Impfung einschließlich Grund- oder Parallelerkrankungen, Risiken und der Einnahme anderer Arzneimittel ist dem schriftsätzlichen Vortrag allerdings nicht zu entnehmen.
132
Eine Substantiierung der pauschalen Behauptungen der Klägerin erfolgt auch nicht durch die eingereichten Unterlagen. Schon wegen deren Unvollständigkeit fehlt es an einem substanziierten Vortrag zu der Vermutungswirkung. So legt die Klägerin zu dem Zustand vor der Impfung lediglich die Leistungsauskunft der Krankenkasse (K 23) vor. Behandlungsunterlagen für den Zeitraum vor der Impfung wurden dagegen nicht vorgelegt.
133
Die eingereichten Unterlagen widersprechen auch den unsubstantiierten Behauptungen, da sich hieraus insb. auch folgende Vorerkrankungen der Klägerin ergeben: Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, Zervikalneuralgie, Arthrose, nicht näher bezeichnet: Schulterregion, Radikulopathie: Nicht näher bezeichnete Lokalisation, Neurasthenie. Zudem ergeben sich daraus, dass bereits im Januar 2022 eine Corona-Erkrankung diagnostiziert wurde, während die Klägerin diese im März 2022 verortet.
134
Bei Zervikalneuralgie handelt es sich um ausstrahlende Schmerzen, bei Radikulopathie um eine Reizung oder Schädigung der Nervenwurzeln, und bei Neurasthenie um eine Nervenschwäche, die u.a. folgende Symptome aufweist: Müdigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen.
135
Zudem fehlen noch weitere Voraussetzungen für die Annahme der Kausalitätsvermutung.
136
Denn die meisten der von der Klägerin behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind nicht in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung eingetreten. Die Verschlimmerung der orthopädischen Probleme, die verstärkten Muskel- und Gliederschmerzen, die depressiven Phasen, die Lungenkrankheiten, die Schilddrüsenentzündung und die Herzrhythmusstörungen sind nach ihrer eigenen Aussage erst nach ihrer Corona-Erkrankung eingetreten.
137
Die behaupteten, in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung eingetretenen Beschwerden mit dem linken Oberarm, die Erschöpfung und die Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme wurden von keinem Arzt zeitnah festgestellt. Die Klägerin ging aufgrund der Beschwerden nach ihrer eigenen Aussage erst im Februar 2022 zu ihrer Hausärztin.
138
Ferner gibt es für einzelne, behauptete Beeinträchtigungen wie einen Schaden an den Nerven keine Feststellung und es gibt auch für keine der behaupteten Beeinträchtigungen eine Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs mit der Impfung. Ganz im Gegenteil führen die behandelnden Ärzte die Beeinträchtigungen ausweislich der Befunde der Ärzte (s. Anlage K 3) auf die Coronaerkrankung zurück.
139
Die Behauptung der Klägerin, dass die Hausärztin schon vor der Corona-Erkrankung den Verdacht eines Zusammenhangs die Beeinträchtigungen mit der Impfung hergestellt habe, findet sich in den Unterlagen nicht. Die Hausärztin trifft im November 2022 vielmehr folgende Feststellungen (s. Anlage K 3):
„Zunehmender Erschöpfungszustand, Verschlechterung der psychischen Belastbarkeit, Long-Covid-Syndrom bei Zn. Covid-Infektion 3/2022 mit anhaltender körperlicher Schwäche, Infektneigung, anh. pulmonalen Beschwerden, Belastungsdyspnoe, Konzentrations- und Gedächtnisproblemen, depressiver Verstimmung, neurolgosch-psychiatrischerselts wurde eine depressive Störung vermutet, bezüglich der anhaltenden pulmonalen Beschwerden wurde eine fachärztliche Abklärung veranlasst Hier wurde eine anhaltende bronchiale Hyperreagibilität diagnostiziert sowie der V.a. Lungenembolie geäußert. ImAnschluss erfolgte eine stationäre Abklärung, die de Verdacht bestätigte. Im Anschluss Therapie mit NOAK.
Langjähriges chron. WS-Syndrom, Beschwerden im Bereich der HWS, BWS und LWS, Cervicobrachialgie bds, Cervicccephalgie, rez. Lumboischialgien, Behandlung mit NSAR bei Bedarf, sowie fortlaufender Physiotherapie, Verstärkung der orthopädischen Beschwerden nach der Covid-Infektion.
Omarthrose li., anhaltende Beschwerden, Schmerzen sowie Bewegungseinschränkungen im Bereich der linken Schulter, deshalb 12/21 stat Reha, hier jedoch nur wenig Besserung der Beschwerden. Zwischenzeitlich auch Beschwerden im Bereich der rechten Schulter. Ebenfalls ausgeprägte aktivierte Omarthrose mit Knopelschaden, Osteophytenbildung, chronische Tendinitis der Supraspinatussehne, insgesamt eingeschränkte Bewegung, sowie Kraftminderung im Bereich der rechten Schulter und des rechten Armes.
Chronische Coxalgie bei Coxarthrose, rez. Insertionstendopathien im Bereich der Trochanter rechts mehr als links, im Bereich der rechten Hüfte besteht die Indikation zur Hüft-TEP.
Rez. Sigmadivertikulitis, bei Sigmadivertikulose, ca. 1-2xjährlichAbdominalbeschwerden, sowie Entzündungszeichen.“
140
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Anlage K 26, die der Klägerin ausweislich ihrer informatorischen Anhörung unbekannt ist. Die Anlage weist zwar einen Verdacht auf die Impfkomplikationen „Impfschadens/Impfkomplikation, Fatigue Syndrom und Tachyarrhythmie“ aus, allerdings enthält das Schreiben auf den beiden Seiten unterschiedliche Handschriften und das Zustandekommen ist unklar. Zudem wird der „Impfschaden/Impfkomplikation“ nicht konkretisiert. Die Diagnose des Fatigue Syndroms wird nicht erläutert und die Diagnose Tachyarrhythmie wird ausdrücklich erst ab „08.22“ gestellt. Auch stammt die Anlage vom November 2023, während die Hausärztin im November 2022 noch keinen Verdacht auf Impfkomplikationen äußerte (s. Anlage K 3), sodass insofern widersprüchliche Angaben vorliegen.
141
Mangels schlüssigen und hinreichend substantiierten Vortags war das Gericht auch nicht gehalten, ein Gutachten einzuholen oder angebotene Zeugen zum Beweis etwaiger Impfschäden zu vernehmen, weil es sich mangels schlüssigem und hinreichenden Tatsachenvortrags insoweit um eine unzulässige Ausforschung handeln würde. Denn Zeugen ersetzen keinen schlüssigen und substantiierten Vortrag bzw. keine medizinische Dokumentation.
142
Auf Grundlage des klägerischen Vortrags konnte bereits keine Plausibilitätskontrolle erfolgen. Jedenfalls wurde nicht plausibel dargelegt, dass die Schutzimpfung nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet war, die behaupteten Impfschäden hervorzurufen bzw. dass die Impfschäden infolge der Impfung aufgetreten sind.
143
(2.) Darüber hinaus wäre die Vermutung auch nach § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG ausgeschlossen, weil ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalles geeignet ist, die eingetretene Rechtsgutverletzung zu verursachen.
144
Insoweit ist die Beklagte als pharmazeutische Unternehmerin darlegungs- und beweisbelastet. Es obliegt ihr ausreichend konkret darzulegen und ggf. zu beweisen, dass eine konkrete Alternativursache, die ihr als pharmazeutische Unternehmerin nicht zuzurechnen ist, geeignet war, den vorgebrachten Schaden herbeizuführen. Der pharmazeutische Unternehmer kann dabei an den Tatsachenvortrag des Geschädigten – einschließlich der vorzulegenden Krankenunterlagen – anknüpfen, sofern sich darin andere Umstände finden lassen, die geeignet waren, den Schaden zu verursachen (vgl. Brock, in: Kügel/Müller/Hofmann, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 127)
145
Die Beklagte führt als naheliegende Alternativursachen die Vorerkrankungen in Form der langjährigen, gravierenden orthopädischen Beeinträchtigungen und der Neurasthenie sowie die Coronaerkrankung der Klägerin (spätestens) im März 2022 an.
146
Aus Sicht des Gerichts sind diese Ursachen sowie die Radikulopathie unter Berücksichtigung des Sachstandes jedenfalls genauso geeignet, die klägerseits vorgebrachten Gesundheitsbeschwerden zu verursachen.
147
(a.) Ausweislich der Leistungsübersicht der Krankenkasse (Anlage 23) erfolgte bereits vom ... 10.2020 bis ... 12.2020 eine ambulante ärztliche Behandlung u.a. aufgrund der Diagnose Neurasthenie, die mit einer Arbeitsunfähigkeit vom ... 11.2020 bis ... 11.2020 einherging, auch wenn die Klägerin diese auch auf Nachfrage verschwieg.
148
Hierbei handelt es sich um eine Nervenschwäche, die Symptome wie u.a. Müdigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen aufweist.
149
Es ist daher zumindest genauso plausibel, dass die im November 2021 aufgetretene Erschöpfung und die Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme aus einer erneut aufgetretenen Neurasthenie herrühren und nicht durch die Impfung hervorgerufen wurden. Auch die Klägerin stellte nach ihrer eigenen Aussage in der informatorischen Anhörung bis Februar keinen Zusammenhang zu der Impfung her.
150
Dasselbe gilt für die später aufgetretenen Muskelschmerzen, auch diese könnten aus einer erneut aufgetretenen Neurasthenie herrühren.
151
(b.) Ausweislich der Leistungsübersicht der Krankenkasse (Anlage K 23) erfolgten jedenfalls ab 2019 immer wieder ambulante ärztliche Behandlungen u.a. aufgrund der Diagnosen „Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens“, „Zervikalneuralgie“, „Arthrose, nicht näher bezeichnet: Schulterregion [Klavikula, Skapula,Akromioklavikular-, Schulter, Sternoklavikulargelenk]“, „Radikulopathie“.
152
Bei Zervikalneuralgie handelt es sich um ausstrahlende Schmerzen, bei Radikulopathie um eine Reizung oder Schädigung der Nervenwurzeln.
153
Die Hausärztin schreibt in ihrem Attest im November 2022 (s. Anlage K 3): „Langjähriges chron. WS-Syndrom, Beschwerden im Bereich der HWS, BWS und LWS, Cervicobrachialgie bds, Cervicccephalgie, rez. Lumboischialgien, Behandlung mit NSAR bei Bedarf, sowie fortlaufender Physiotherapie, Verstärkung der orthopädischen Beschwerden nach der Covid-Infektion. Omarthrose li., anhaltende Beschwerden, Schmerzen sowie Bewegungseinschränkungen im Bereich der linken Schulter, deshalb 12/21 stat Reha, hier jedoch nur wenig Besserung der Beschwerden. Zwischenzeitlich auch Beschwerden im Bereich der rechten Schulter. Ebenfalls ausgeprägte aktivierte Omarthrose mit Knopelschaden, Osteophytenbildung, chronische Tendinitis der Supraspinatussehne, insgesamt eingeschränkte Bewegung, sowie Kraftminderung im Bereich der rechten Schulter und des rechten Armes.“
154
Diese Rehamaßnahme Ende 2021 wurde auch von der Klägerin im Rahmen der informatorischen Anhörung bestätigt.
155
Es ist daher zumindest genauso plausibel, dass die Schmerzen und Bewegungseinschränkung des linken Arms und die Verschlechterung der orthopädischen Probleme und die Muskel- und Gelenkschmerzen auf die Vorerkrankungen insb. die Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, die Arthrose und Bewegungseinschränkung der linken Schulter, die Zervikalneuralgie, die Radikulopathie, die weiter vorangeschritten sind, und die Neurasthenie, die zu Muskelschmerzen führen kann, zurückzuführen sind und nicht durch die Impfung hervorgerufen wurden.
156
Das pauschale Berufen auf einen Zusammenhang mit der Impfung genügt demnach nicht, um dem substanziierten Vortrag der Beklagten in Bezug auf die konkrete Alternativursache entgegenzutreten.
157
(c.) Ausweislich der Leistungsübersicht der Krankenkasse (Anlage K 23) erkrankte die Klägerin im Januar 2022 auch nachweislich an Corona. Nach ihrer eigenen Angabe war dies jedenfalls im März 2022 der Fall.
158
Eine solche Corona-Erkrankung kann gerichtsbekannt zu Erschöpfung und eingeschränkter Belastbarkeit (sog. Fatigue), zu kognitiven Problemen z.B. Konzentrations- und Gedächtnisproblemen, zu Beschwerden wie Kurzatmigkeit, zu Verschlechterungen oder Einschränkungen der Lungen- und Nierenfunktion, der Schilddrüse sowie zu Herz-Kreislauferkrankungen und zu neurologischen Manifestationen zu führen.
159
Es ist daher zumindest genauso plausibel, dass die ab der Corona-Erkrankung vorliegende Erschöpfung, die Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme, die Kopf- und Gliederschmerzen, die Schilddrüsenentzündung, die Bronchiale Hyperreabgibilität, die Lungenembolie, das Lungenemphysem, die Kurzatmigkeit und Kaltschweißigkeit und die Herzrythmusstörungen – unabhängig bestehender Risikofaktoren bei der Klägerin (s. Bl. 65 ff, 72 ff d.A.) – auf die Corona-Erkrankung zurückzuführen ist, sich diese Beschwerden auch untereinander bedingten und nicht durch die Impfung hervorgerufen wurden.
160
Plausibel wäre auch ein Zusammenhang der Schilddrüsenentzündung mit der Medikamenteneinnahme, bedingt durch die weiteren, aufgetretenen Erkrankungen, da das Problem nach eigener Aussage der Klägerin darin liege, dass die Einnahme dazu führe, dass sie immer wieder von einer Überin eine Unterfunktion und von einer Unterin eine Überfunktion rutsche.
161
Bzgl. der depressiven Phasen ist ein Zusammenhang mit der Imfpung ebenfalls nicht herzustellen, da diese ausweislich der eigenen Aussage der Klägerin aufkamen, als man von Arzt zu Arzt ging und man sich nicht ernst genommen fühlte.
162
Das pauschale Berufen auf einen Zusammenhang mit der Impfung genügt nicht, um dem substanziierten Vortrag der Beklagten in Bezug auf die konkrete Alternativursache entgegenzutreten.
163
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch nach § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG.
164
Ein Anspruch der Klägerin nach § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG scheitert neben den obigen Ausführungen auch daran, dass die Gesundheitsschädigungen zumindest nicht kausal auf die behauptete, nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechende Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation zurückzuführen sind.
165
Die Haftung nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG besteht nur, wenn der Schaden infolge einer fehlerhaften Instruktion eingetreten ist. Es genügt also nicht, dass der Schaden durch das Arzneimittel verursacht wurde und die Arzneimittelinformation fehlerhaft war. Vielmehr muss der Schaden gerade auf die fehlerhafte Arzneimittelinformation zurückgehen (doppelte Kausalität). Damit stellt sich die Frage, ob der Schaden bei ordnungsgemäßer Arzneimittelinformation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre (Kügel/Müller/Hofmann, AMG § 84 Rn. 110, beck-online). Ein Kausalzusammenhang ist daher abzulehnen, wenn der Anwender oder der anwendende Arzt die Arzneimittelinformation gar nicht zur Kenntnis genommen hat (BeckOGK/Franzki, 1.2.2024, AMG § 84 Rn. 58).
166
Die Klägerin hat lediglich im Rahmen eines allgemein gehaltenen Textbausteins vorgetragen, dass die Schäden der Klagepartei auch wegen dieser fehlerhaften Instruktionen eingetreten seien. Denn wäre die Klagepartei über die vorstehend dargelegten Mängel der Herstellung und Entwicklung informiert gewesen und hätte den potenziellen Schadensumfang und die Wahrscheinlichkeit seines Eintritts gekannt, hätte sie sich nicht impfen lassen (s. Bl. 152 d.A.)
167
Dagegen wurde nicht substantiiert vorgetragen, dass die Klägerin die Fach- und Gebrauchsinformationen vor ihren Impfungen überhaupt gelesen oder der Impfarzt die Fach- und/oder Gebrauchsinformation gelesen und in Kenntnis der dort aufgelisteten Risiken und in Abwägung mit den bei ihm bestehenden gesundheitlichen Gegebenheiten mit ihr das Für und Wider der Impfung erörtert hätte. Zumindest dies wäre aber im Falle einer Impfung, bei der der Patient das Arzneimittel in aller Regel nicht selbst anwendet, sondern von einem Arzt verabreicht bekommt, notwendig gewesen (OLG Koblenz ebd). Die Gebrauchsinformation ist nicht der Aufklärungszettel, den der Impfling bekommt, sondern ein Text, der sich an den Fachmann (hier: den Impfarzt) wendet (s. auch OLG München, Hinweisbeschluss vom 05.11.2024 – 14 U 2313/24 e).
168
Demnach kann die Fach- und Gebrauchsinformation schon aus diesem Grund keinen Einfluss auf die Entscheidung der Klägerin gehabt haben.
169
Die Klägerin gab zudem als Impfmotivation im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung an, sie habe sich impfen lassen, um an der Rehamaßnahme ohne ständige Kontrollpflicht und ohne Einschränkung der Therapiemöglichkeiten teilnehmen zu können. Demnach geht das Gericht aufgrund der Notwendigkeit der Impfung für die Durchführung der medizinisch angeordneten Reha und deren Erfolg auch von keinem Entscheidungskonflikt der Klägerin aus.
170
3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB.
171
Einer Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB scheitert aufgrund der obigen Ausführungen, auf die Bezug genommen wird, schon daran, dass das Vorliegen einer rechtswidrigen, kausalen Verletzungshandlung der Beklagten weder substantiiert vorgetragen wurde, noch ersichtlich ist. Zudem wurde ein Verschulden der Beklagten weder substantiiert vorgetragen, noch ist es ersichtlich.
172
Der Impfstoff der Beklagten wurde auf Grundlage einer zunächst bedingten, dann einer regulären Zulassung durch die zuständigen Behörden in Umlauf gebracht. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffes wird von den zuständigen Aufsichtsbehörden nach wie vor uneingeschränkt positiv bewertet. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass zum Zeitpunkt der Abgabe des streitgegenständlichen Impfstoffs an die Klägerin ein ernst zu nehmender Verdacht der Beklagten für ein erhöhtes Risiko bezüglich der aufgeführten Gesundheitsfolgen bestand.
173
Bei Instruktionsfehlern wie auch bei der Verletzung von Produktbeobachtungs- und daran geknüpften Warnpflichten hängt die Haftung davon ab, ob der Schaden bei pflichtgemäßem Handeln „mit Sicherheit“ vermieden worden wäre; die bloße Wahrscheinlichkeit, dass der Geschädigte die Warnung befolgt hätte, genügt nicht. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, da die Klägerin nicht substantiiert dargelegt hat, dass ihr Impfarzt die Fachinformationen zur Kenntnis genommen oder sie selbst die Packungsbeilage vor der Impfung gelesen hätte.
174
4. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB.
175
a. Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm § 5 AMG erfordert das Vorliegen eines bedenklichen Arzneimittels. Bedenklich sind nach der Legaldefinition des § 5 Abs. 2 AMG diejenigen Arzneimittel, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.
176
Entsprechend der obigen Ausführungen ist für die Annahme einer Bedenklichkeit im Sinne von § 5 AMG (ähnlich wie bei § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG) die wissenschaftliche Unvertretbarkeit der schädlichen Wirkungen des Arzneimittels maßgeblich. Die (Un-)Vertretbarkeit der schädlichen Wirkungen eines Arzneimittels ist durch eine auf die jeweilige Indikation des Medikaments bezogene Nutzen-Risiko-Abwägung zu ermitteln. Diese Abwägung fällt im vorliegenden Fall zugunsten der Nutzen des Impfstoffs aus (s.o.).
177
Der Impfstoff der Beklagten ist demnach als unbedenklich einzustufen.
178
Zudem wurde ein Verschulden der Beklagten weder substantiiert vorgetragen, noch ist es ersichtlich.
179
b. Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2. BGB iVm § 95 AMG oder §§ 223, 224 StGB oder § 230 StGB scheitert ebenfalls daran, dass weder die Verletzung eines der Schutzgesetze, noch das Verschulden substantiiert dargelegt wurde und auch nicht ersichtlich ist.
180
5. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch nach § 826 BGB.
181
Auch insoweit hat die Klägerin einen kausalen Schaden nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Zudem ist eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte nicht ersichtlich.
182
Im Hinblick auf das dargelegte positive Nutzen-Risiko-Verhältnis ist die Annahme eines sittenwidrigen Handelns fernliegend.
183
Zudem fehlt es am Schädigungsvorsatz. Selbst wenn die Beklagte auch in Gewinnerzielungsabsicht gehandelt hätte, ist nicht ausreichend substantiiert dargelegt, dass sie den Impfstoff in den Verkehr gebracht hat, um vorsätzlich Menschen an der Gesundheit zu schädigen (LG Berlin II Urt. v. 22.11.2024 – 17 O 162/23, BeckRS 2024, 35619 Rn. 44).
184
6. Weitere Anspruchsgrundlagen, aus denen sich ein Anspruch ergibt, sind nicht ersichtlich.
185
7. Mangels Anspruchs in der Hauptsache hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf die beantragten Zinsen.
II. Feststellung
186
Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf die mit dem Klageantrag Ziff. 2 begehrte Feststellung. Es ergibt sich aus dem klägerischen Vortrag kein Anhaltspunkt dafür, dass aus der Impfung ein kausaler Schaden entstanden ist oder entstehen könnte.
III. Auskunft
187
Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf die mit Klageantrag Ziff. 3 begehrte Auskunft gemäß § 84a AMG.
188
Der Anspruch auf Auskunft besteht nach § 84a Abs. 1 S. 1 AMG dann, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel einen Schaden verursacht hat, es sei denn, dies ist zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84 AMG besteht, nicht erforderlich.
189
Erforderlich ist die Auskunft im Sinne des § 84a Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AMG bereits dann, wenn die Möglichkeit besteht, dass die begehrten Auskünfte der Feststellung eines Schadensersatzanspruchs dienen können; vermag hingegen die begehrte Auskunft die beweisrechtliche Situation des die Auskunft Begehrenden in Bezug auf einen solchen Schadensersatzanspruch offensichtlich nicht zu stärken, fehlt die Erforderlichkeit (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2015 – VI ZR 328/11, BGHZ 205, 270-287, juris, Rn. 21 mwN).
190
Der Auskunftsanspruch ist unter anderem dann nicht erforderlich, wenn offensichtlich ist, dass der Geschädigte keinen Anspruch aus § 84 Abs. 1 AMG hat, etwa die erlittene Rechtsgutverletzung unerheblich ist, der Geschädigte lediglich einen Vermögensschaden erlitten hat oder der Anspruch aus § 84 Abs. 1 AMG bereits verjährt (BGH, Urteil vom 26.03.2013 – VI ZR 109/12, juris, Rn. 42) oder erfüllt ist (OLG Bamberg, Teilurteil vom 08.04.2024 – 4 U 15/23 e, juris, Rn. 77 ff.). Gleiches gilt, wenn der pharmazeutische Unternehmer bereits im Rahmen der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs andere schadensgeeignete Umstände iSd § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG darlegen und beweisen kann (BeckOGK/Franzki, 01.06.2024, AMG § 84a Rn. 16; BGH, Urteil vom 26.03.2013 – VI ZR 109/12, juris Rn. 43), weil dann ein Anspruch aus § 84 AMG eindeutig ausscheidet (zuletzt: OLG München, Hinweisbeschluss vom 05.11.2024 – 14 U 2313/24 e, BeckRS 2024, 31623 Rn. 227; LG Kleve Urt. v. 27.11.2024 – 2 O 133/23, BeckRS 2024, 33759 Rn. 46; OLG Koblenz Urteil vom 10.07.2024 – 5 U 1375/23, BeckRS 2024, 16169, Rn. 160; LG Bielefeld, Urteil vom 12.07.2024 – 4 O 296/22, BeckRS 2024, 19424, Rn. 42 f.; BeckOGK/Franzki, 1.6.2024, AMG § 84a Rn. 15; LG Detmold, Urteil vom 13.02.2024 – 02 O 85/23, PharmR 2024, 228, 233).
191
Der Klägerin ist es vorliegend nicht gelungen einen kausalen Gesundheitsschaden hinreichend darzulegen. Darüber hinaus bestehen andere schadensgeeignete Alternativursachen (s.o.), sodass kein Anspruch auf die begehrte Auskunft besteht.
IV. Rechtsanwaltskosten
192
Mangels Anspruchs in der Hauptsache ergibt sich auch kein Anspruch auf Ersatz der beantragten, vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten samt Zinsen.
V. Keine Vorlage
193
Eine Vorlage des Rechtsstreits an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV war mangels Vorliegens der Vorlagevoraussetzungen nicht veranlasst.
C.Nebenentscheidungen
194
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
195
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 2, S. 1 ZPO.
D. Streitwert
196
Die Entscheidung zum Streitwert folgt aus §§ 48 Abs. 1, 43 GKG, §§ 3 ff. ZPO und beruht auf dem mit 150.000,00 € bezifferten Schmerzensgeldantrag, dem der Streitwert bzgl. des Feststellungs- und des Auskunftsantrags hinzuzuaddieren ist.