Titel:
Eilrechtsschutz, Versammlungsrecht, Verlegung der Abschlusskundgebung vom D. auf den S., konkurrierende Veranstaltung, Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, Gefahrenprognose, Anzahl Ordner am Lautsprecherfahrzeug, starre Zeitvorgaben für Musikdarbietungen und -pausen, Lautstärkenbegrenzung auf 75 dB(A) Spitzenpegel, Ermessensentscheidung, Verhältnismäßigkeit
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
GG Art. 8
BayVersG Art. 15 Abs. 1
BayVersG Art. 15 Abs. 2 Nr. 2
Schlagworte:
Eilrechtsschutz, Versammlungsrecht, Verlegung der Abschlusskundgebung vom D. auf den S., konkurrierende Veranstaltung, Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, Gefahrenprognose, Anzahl Ordner am Lautsprecherfahrzeug, starre Zeitvorgaben für Musikdarbietungen und -pausen, Lautstärkenbegrenzung auf 75 dB(A) Spitzenpegel, Ermessensentscheidung, Verhältnismäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2025, 6279
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet, soweit sie darauf gerichtet ist, die Ziffer 2.21 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2025 i.d.F. der Ziffer 3 des Änderungsbescheids vom 7. Februar 2025 sowie den Bescheid vom 9. Januar 2025 in Ziffer 2.1, in Ziffer 2.9, in Ziffer 2.10, soweit dort bei einer Teilnehmerzahl in Höhe von mindestens fünf Personen mehr als mindestens drei Ordner gefordert werden, und in Ziffer 2.19 aufzuheben.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtschutzverfahren gegen verschiedene versammlungsrechtliche Anordnungen.
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1. Mit E-Mail vom 7. November 2024 zeigte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin eine Versammlung mit ca. fünf Teilnehmern u.a. für den 22. Februar 2025 von ca. 11:00 Uhr bis 16:00 Uhr zu dem Thema: „W … steht auf für den Frieden – FRIEDFERTIG UND WIDERSTÄNDIG – Kriegstreiber an die Front!“ an. Die Veranstaltung soll am V … eröffnet werden, geplant sind Stopps am S …, D … und am O … M … Als Kundgebungsmittel sollen ein Lautsprecherfahrzeug, Banner, Flyer, Plakate, Glocken, Trommeln und Papiertüten zum Einsatz kommen.
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2. Mit Bescheid vom 9. Januar 2025 bestätigte die Antragsgegnerin unter Ziffer 1 die Anzeige der angemeldeten Veranstaltung (neben weiteren Terminen am 11. Januar und am 1. Februar 2025) für den 22. Februar 2025 und legte dabei folgende Wegstrecke fest: „U … M … (siehe Lageplan) – R … – K … – P … a V … (siehe Lageplan) – D … – S … (siehe Lageplan) – Do … – D … (siehe Lageplan)“. Unter Ziffer 2 des Bescheids ordnete die Antragsgegnerin u.a. folgende Beschränkungen an:
„2.1. Die Verwendung von Symbolen, Kleidungsstücken oder Kleidungsergänzungen, die als „Gelber Stern“ an die Zwangskennzeichnung von Jüdinnen und Juden während des nationalsozialistischen Regimes erinnern, oder auch Abwandlungen dazu, wie „Gelbe Punkte“ oder „Gelbe Vierecke“ oder Ähnliches, die unter Zufügung oder Ersetzung des Worts „Jude“ oder durch andere Wörter wie z.B. „nicht geimpft“ oder „ungeimpft“ oder sonstigen Aussagen, die eine Gleichsetzung der Corona-Schutzmaßnahmen mit der Verfolgung der Juden durch dieses Regime nahelegen, ist untersagt. Dies gilt auch für Parolen und Schriftzüge auf sonstigen Kundgebungsmitteln, die eine Gleichsetzung der Corona-Schutzmaßnahmen mit der Verfolgung der Juden durch dieses Regime nahelegen.
2.4 Die stationären Kundgebungen bzw. Ansprachen werden auf folgende Bereiche beschränkt:
2.8 Bis 25 Teilnehmer/innen ist ein/e volljährige/r Ordner/in einzusetzen. Ab 26 Teilnehmer/innen erhöht sich diese Ordnerzahl um eine/n Ordner/in pro angefangene 25 Teilnehmer/innen. Die Ordner/innen müssen durch weiße Armbinden mit der Aufschrift „Ordner“ bzw. „Ordnerin“ kenntlich gemacht und vom Versammlungsleiter über ihre Rechte und Pflichten belehrt werden. Die Ordner/innen müssen sich ausweisen können. Sie haben den Anweisungen der Polizei Folge zu leisten. Sie dürfen nicht alkoholisiert sein und dürfen auch während der Versammlung keinerlei Alkohol zu sich nehmen. Sie haben die Einhaltung der Vorgaben dieses Bescheids sicherzustellen.
2.9 Darüber hinaus ist an jedem Rad des Lautsprecherwagens – sollte dieser sich in Bewegung befinden – zusätzlich zur unter Ziffer 2.8 festgelegten Zahl je ein/e Ordner/in einzusetzen. Diese Ordner/innen haben Warnwesten anzulegen.
2.10 Da in der Versammlungsanzeige von einer Teilnehmerzahl in Höhe von 5 Personen ausgegangen wird, ist sicherzustellen, dass bei Erreichen dieser Teilnehmerzahl mindestens 5 Ordner/innen eingesetzt werden können. Sollten mehr Personen an der Versammlung teilnehmen, ist die Zahl der Ordner/innen entsprechend zu erhöhen.
2.19 Die Lautstärke darf einen Spitzenpegel von 75 dB(A) – gemessen 5 Meter vor Lautsprechern bzw. vor den Schalltrichtern von Megafonen – nicht überschreiten. Bei polizeilichen oder sonstigen Sicherheitsdurchsagen ist die Verwendung geräuschvoller Kundgebungsmittel, insbesondere von Lautsprechern, Megafonen, Trommeln und Trillerpfeifen etc. sofort einzustellen.
2.21 Musikdarbietungen sind nur in folgenden Zeiträumen zulässig:
- 11:00 Uhr bis 11:30 Uhr
- 12:00 Uhr bis 12:30 Uhr
- 13:00 Uhr bis 13:30 Uhr
- 14:00 Uhr bis 14:30 Uhr
- 15:00 Uhr bis 15:30 Uhr
Hinweis: Ansprachen sind während der Versammlung jederzeit erlaubt.“
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Auf die zugehörige Begründung des Bescheids zu den einzelnen Beschränkungen wird Bezug genommen.
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3. Mit Anzeige vom 4. Februar 2025 wurde bei der Antragsgegnerin die Versammlung „… … …“ am 22. Februar 2025 von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr angezeigt. Bei der Versammlung, die stationär am D … stattfinden solle, würden bis zu 100 Teilnehmer erwartet.
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Mit E-Mail vom 5. Februar 2025 wurde dem Antragsteller die Möglichkeit zur Äußerung hinsichtlich der Verlegung des Orts der Abschlusskundgebung gegeben. Mit E-Mail vom 6. Februar 2025 widersprach der Antragsteller den vorgeschlagenen Änderungen im Versammlungsablauf.
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4. Mit Ergänzungsbescheid vom 7. Februar 2025 ordnete die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller Folgendes an:
„1. Für die im Bescheid vom 09.01.2025 unter Ziffer 1. bestätigte Wegstrecke der Versammlung „W … steht auf für den Frieden – Friedfertig und Widerständig – Kriegstreiber an die Front!“ am 22.02.2025 von 11:00 Uhr bis 16:00 Uhr wird folgende Beschränkung festgesetzt: Der Versammlungsaufzug hat auf der Wegstrecke: U … M … (stationäre Kundgebung) – R … – K … – P … a V … (stationäre Kundgebung) – D … – S … (stationäre Kundgebung) stattzufinden.
2. In der Beschränkung unter Ziffer 2.4 des o.g. Bescheids entfällt der „D …“.
3. Die Beschränkung unter Ziffer 2.21 des o.g. Bescheids wird geändert zu: Musikdarbietungen sind nur in folgenden Zeiträumen zulässig:
- 11:00 Uhr bis 11:15 Uhr
- 11:30 Uhr bis 11:45 Uhr
- 12:00 Uhr bis 12:15 Uhr
- 12:30 Uhr bis 12:45 Uhr
- 13:00 Uhr bis 13:15 Uhr
- 13:30 Uhr bis 13:45 Uhr
- 14:00 Uhr bis 14:15 Uhr
- 14:30 Uhr bis 14:45 Uhr
- 15:00 Uhr bis 15:15 Uhr
- 15:30 Uhr bis 15:45 Uhr
Hinweis: Ansprachen sind während der Versammlung jederzeit erlaubt.“
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Auf die Begründung des Bescheids zu den einzelnen Bestimmungen wird Bezug genommen.
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5. Mit der am 11. Februar 2025 erhobenen Klage (W 5 K 25.207) wendet sich der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten gegen die versammlungsrechtlichen Anordnungen, sinngemäß mit dem Antrag,
die Ziffern 1 und 2 des Änderungsbescheids der Antragsgegnerin vom 7. Februar 2025 aufzuheben,
die Ziffer 2.21 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2025 i.d.F. der Ziffer 3 des Änderungsbescheids vom 7. Februar 2025 aufzuheben und den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2025 in den Ziffern 2.1 und 2.9, in der Ziffer 2.10, soweit dort bei einer Teilnehmerzahl in Höhe von mindestens 5 Personen mehr als mindestens drei Ordner gefordert werden, und in der Ziffer 2.19 aufzuheben.
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Im hiesigen Rechtsstreit beantragte der Antragstellerbevollmächtigte,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Zur Begründung führte der Bevollmächtigte des Antragstellers im Wesentlichen aus: Der Antragsteller wende sich zunächst gegen den Ausschluss des D … als Versammlungs- und Kundgebungsort. Die Antragsgegnerin habe diesen Versammlungsort ausdrücklich mit Bescheid vom 9. Januar 2025 bestätigt. Soweit erst am 4. Februar 2025 eine anderweitige Versammlung an diesem Ort angezeigt worden sei, könne dies nicht dazu führen, dass der angezeigte und vor allem bestätigte Versammlungsort einfach wieder aufgehoben werde. Aus Sicht des Antragstellers sei der D … als zentraler Ort in W … ein unbedingt erforderlicher Versammlungsort, da die Meinungskundgabe dort eine ungleich größere Resonanz habe als auf den ebenfalls angemeldeten Nebenplätzen, z.B. am S … Die Antragsgegnerin hätte die Gegenveranstaltung auch dorthin verlegen können. Es gelte grundsätzlich das Erstanmelderprinzip. Eine Abweichung von diesem Prinzip bedürfe hinreichend gewichtiger Gründe. Einer einmal getroffenen behördlichen Entscheidung müsse man vertrauen dürfen. Art. 49 BayVwVfG regele ausdrücklich, dass eine Aufhebung nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich sei, welche hier nicht vorlägen. Abgesehen von der erfolgten Selbstbindung der Verwaltung sei nicht ersichtlich, dass die Versammlung „… … …“ nicht auch an einem anderen Ort oder zu einer anderen Zeit stattfinden könnte. Selbst wenn man annehmen würde, dass das „… … …“ unbedingt auf dem D … und an diesem Tag stattfinden müsse, so hätte man nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch eine zeitlich gestaffelte Nutzung anordnen können. Die Auflage zur Beschränkung von Musikdarbietung sei rechtswidrig, da sie willkürlich sei. Die Willkür ergebe sich bereits daraus, dass in beiden Bescheiden andere Zeiten aufgeführt seien. Feste Musikzeiten seien nicht geboten. Hierdurch könne der Zweck der Versammlung erheblich eingeschränkt werden. Die Verhinderung einer Dauerbeschallung könne durch mildere Mittel erreicht werden. Soweit im Bescheid vom 9. Januar 2025 in Ziffer 2.1 Symbole untersagt werden, welche eine Gleichsetzung der Corona-Schutzmaßnahmen mit der Judenverfolgung nahelegen, sei schon nicht ersichtlich, welchen Zweck diese Auflage haben solle. Die Corona-Pandemie sei seit Jahren beendet. Insbesondere habe die angezeigte Versammlung keinerlei Bezug zu den Corona-Maßnahmen. Man könne nicht willkürlich Symbole ohne Bezug zur Veranstaltung herausgreifen und diese verbieten. Da der Antragsteller die Versammlungsauflagen zu Beginn verlesen müsse, werde bei Dritten der Eindruck erweckt, als müsse durch behördliche Anordnung Antisemitismus verhindert werden und diese Anordnung sei erforderlich. Unter Ziffer 2.9 des Bescheids vom 9. Januar 2025 werde angeordnet, dass der Lautsprecherwagen von vier Ordnern begleitet werden müsse, je ein Ordner pro Rad. Auch diese Anordnung sei unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Das Lautsprecherfahrzeug sei ein Hochdachkombi ( … …). Bei einem Aufzug werde dieses Fahrzeug in Schrittgeschwindigkeit fortbewegt. Eine besondere Gefährdungslage für Dritte oder auch Versammlungsteilnehmer sei bei dieser geringen Geschwindigkeit nicht ersichtlich. Bezeichnenderweise nenne auch die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid keine Gründe, warum ausgerechnet vier Ordner für das Fahrzeug erforderlich seien. Entsprechend sei auch die Mindestzahl an Ordnern in Ziffer 2.10 des Bescheides vom 9. Januar 2025 auf drei zu reduzieren. Die Unverhältnismäßigkeit dieser Anordnung zeige sich schon darin, dass die Antragsgegnerin in dieser Vorschrift davon ausgehe, dass bei fünf Versammlungsteilnehmern auch fünf Ordner eingeteilt werden müssten. Schließlich richte sich der Antrag gegen den unter Ziffer 2.19 angeordneten Spitzenpegel von lediglich 75 db(A). Der Antragsteller habe schon zahlreiche Versammlungen angemeldet. Dort sei als Spitzenpegel stets eine Lautstärke von maximal 85 db(A) angeordnet worden. Es sei nicht ersichtlich, warum der Spitzenpegel nunmehr willkürlich abgesenkt werde. Eine Begründung für die Absenkung werde nicht gegeben. Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2025 vertiefte der Antragstellerbevollmächtigte nochmals seine Antragsbegründung.
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6. Mit Schreiben vom 13. Februar 2025 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Verlegung der Abschlusskundgebung vom D … zum S … stelle nur eine geringe räumliche Änderung von ca. 80 Metern dar. Die Abschlusskundgebung finde weiterhin an der Verkehrsachse der D … statt. Dem Erstanmelderprinzip werde hinsichtlich des Ortsbezugs und der öffentlichen Wahrnehmung der Versammlung auch mit der geringfügigen Änderung Rechnung getragen. Aufgrund der weitaus geringeren Teilnehmerzahl der Versammlung des Antragstellers sei eine Routenänderung im Hinblick auf die praktische Durchführbarkeit des Versammlungskonzepts und des polizeilichen Einsatzkonzepts verfahrensfehlerfrei. Für die Durchführung der Versammlung „… … …“ sei der S … deutlich zu klein dimensioniert. Bereits für die in der Versammlungsanzeige angegebene Teilnehmerzahl von 100 Personen und die zahlreichen geplanten Aufbauten (u.a. Pavillons, div. Tische, Podest, Pinnwände, Lastenräder, usw.) seien die dortigen räumlichen Verhältnisse nicht ausreichend. Eine klare räumliche Trennung der beiden Versammlungen sei zwingend notwendig. Hierzu werde auf die Gefahrenprognose der Polizei verwiesen (Blatt 23 der Behördenakte). Mit Vorlage der Versammlungsanzeige „… … …“ vom 4. Februar 2025 habe eine neue Sachlage bestanden. Im Rahmen der praktischen Konkordanz sei ein Ausgleich der widerstreitenden Interessen der Veranstalter durch die Versammlungsbehörde herzustellen. Alternative geeignete Versammlungsflächen im Innenstadtbereich seien im gegenständlichen Zeitraum nicht verfügbar bzw. seitens des Veranstalters der Versammlung, „… … …“, wie auch stets seitens des Antragstellers, nicht denkbar. Auf den an die Verkehrsachse der D … angrenzenden Versammlungsflächen, namentlich auf dem Platz am V …, auf dem S … und auf dem D … hätten im Jahr 2024 über 70 stationäre Kundgebungen stattgefunden. Sich fortbewegende Versammlungsaufzüge, welche die D … begehen, seien dabei nicht berücksichtigt. Durch das dortige Versammlungsgeschehen bestehe eine erhebliche Lärmbeschwerdelage durch Anwohner, Passanten und Gewerbetreibende, welche sich maßgeblich auch auf Versammlungen des Antragstellers zurückführen ließen. Zum Schutz dieser Personen vor vermeidbaren schädlichen Umwelteinwirkungen und zur Wahrung deren Grundrechte sei die Beschränkung der Lautstärke von Lautsprechern bzw. Megafonen notwendig. Die Beschränkung der Musikdarbietungen auf einen 15-Minuten-Rhythmus sei vom Antragsteller im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 14. Januar 2025 selbst angeregt worden. Die nun in diesem Zusammenhang vorgeschlagenen milderen Mittel seien in der praktischen Durchführung nicht realistisch und nicht zu kontrollieren. Aufgrund der wiederkehrenden Lärmbeschwerden im Zusammenhang mit Versammlungen des Antragstellers sei die Beschränkung der Musikdarbietungen mittels eines starren Konzepts notwendig. Durch eine dauerhafte Musikbeschallung und die hohe Anzahl an Versammlungen insbesondere auch im Bereich der D …, auch durch den Antragsteller selbst, entstünden in der Gesamtschau für Passanten, Gewerbetreibende und Anwohner erhebliche vermeidbare schädliche Umweltimmissionen. Gewerbetreibende hätten andernfalls zusätzlich mit deutlichen wirtschaftlichen Einbußen zu rechnen. Nach polizeilicher und hiesiger Einschätzung sei der Antragsteller der coronamaßnahmenkritischen Szene zuzuordnen. Dieser habe in der Vergangenheit an entsprechend einschlägigen Versammlungen teilgenommen. Die Nutzung von gelben Sternen, Punkten, Vierecken, o.ä. sei durch den Veranstalter in der Vergangenheit mehrmals thematisiert und ein Einsatz als Kundgebungsmittel geplant worden. Dieses Kundgebungsmittel sei zum Beispiel im Rahmen eines fernmündlichen Gesprächs am 28. November 2024 und eines Erörterungsgesprächs am 13. Oktober 2023 thematisiert worden. Es sei daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Veranstalter derartige Kundgebungsmittel in einer Art und Weise einsetzen wolle, welche die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billige, verherrliche, rechtfertige oder verharmlose und dadurch eine konkrete Gefahr einer Beeinträchtigung der Würde der Opfer bestehe. Durch die Beschränkung sollten Straftaten verhütet und Rechtsgutverletzungen verhindert werden. Der Großteil der gegenständlichen Versammlungsstrecke finde auf beschränkt öffentlichen gewidmeten Verkehrsflächen und damit innerhalb der Fußgängerzone statt. Das Befahren dieser Bereiche mit einem Kraftfahrzeug, insbesondere auch im Rahmen einer Versammlung im hier gegenständlichen Zeitraum, stelle grundsätzlich eine konkrete Gefahr dar. Um dieser konkreten Gefahr für Versammlungsteilnehmer, potentielle Gegendemonstranten, Radfahrer, Passanten, insbesondere auch Kindern, und anderen Verkehrsteilnehmern in der am Samstag besonders hochfrequentierten Würzburger Innenstadt vorzubeugen, sei der Einsatz zusätzlicher Ordner am Fahrzeug notwendig. Da das Fahrzeug vier Reifen habe, grundsätzlich in alle Raumrichtungen bewegt werden könne und auf den zum Teil beengten Flächen der stationären Kundgebungen rangiert werden müsse, seien zur ausreichenden Absicherung vier Ordner notwendig. Diese Ordner müssten dabei auch nur eingesetzt werden, soweit sich das Fahrzeug in Bewegung befinde. Die Gesamtordnerzahl belaufe sich damit zumindest für den Zeitraum des sich fortbewegenden Versammlungsaufzugs bei fünf Teilnehmern auf mindestens fünf Ordner. Im Rahmen der stationären Kundgebungen reiche bei einer Teilnehmerzahl von fünf Personen ein Ordner aus. Im Weiteren werde vollumfänglich auf die Begründungen der Bescheide vom 9. Januar 2025 und vom 7. Februar 2025 verwiesen.
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7. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (vgl. auch W 5 K 24.108) sowie die Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag hat teilweisen Erfolg.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 25 BayVersG, sachgerecht ausgelegt als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziffern 1 und 2 des Änderungsbescheids der Antragsgegnerin vom 7. Februar 2025, gegen die Ziffer 2.21 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2025 i.d.F. der Ziffer 3 des Änderungsbescheids vom 7. Februar 2025 und gegen Teile des Bescheids der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2025 (Ziffer 2.1; Ziffer 2.9; Ziffer 2.10, soweit dort bei einer Teilnehmerzahl in Höhe von mindestens 5 Personen mehr als mindestens drei Ordner gefordert werden; Ziffer 2.19) ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
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Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung hat es entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen.
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Wesentliches Element im Rahmen der insoweit gebotenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Erweist sich der Rechtsbehelf als offensichtlich aussichtsreich, so wird das Interesse des Antragstellers an einer Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage stärker zu gewichten sein als das gegenläufige Interesse der Antragsgegnerin. Umgekehrt wird eine Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage grundsätzlich nicht in Frage kommen, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich aussichtslos darstellt. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht eindeutig zu beurteilen, so darf dies bei der Gewichtung der widerstreitenden Interessen nicht außer Acht gelassen werden. Lassen sich nach summarischer Überprüfung noch keine Aussagen über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs machen, ist also der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. zum Ganzen BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 u.a. – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 65 ff. m.w.N.). Auch die Bedeutung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Versammlungsfreiheit durch Art. 8 GG ist in diesem Rahmen zu berücksichtigen.
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1. Ausgehend davon erweist sich die Festlegung eines von der Anzeige abweichenden Aufstellungsorts für die Schlusskundgebung (S … statt D …) nach Maßgabe von Ziffer 1 und 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 7. Februar 2025 nach summarischer Prüfung aller Voraussicht nach als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, insbesondere nicht in seiner Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1.1. Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen. Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend. In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, bei der die Teilnehmer in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen – schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und die Wahl des Ortes – im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen (vgl. BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v 4.6.2021 – 10 CS 21.1590 – juris Rn. 17). Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (st. Rspr., vgl. BVerfG, B.v. 12.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v 4.6.2021 – 10 CS 21.1590 – juris Rn. 17).
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Nach Art. 8 Abs. 2 GG kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Derartige Beschränkungen sind im Lichte der grundlegenden Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG auszulegen. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig (vgl. BVerfG, B.v. 21.11.2020 – 1 BvQ 135/20 – juris Rn. 6; B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v 4.6.2021 – 10 CS 21.1590 – juris Rn. 18). Rechtsgüterkollisionen ist im Rahmen versammlungsrechtlicher Verfügungen durch Auflagen oder Modifikationen der Durchführung der Versammlung, etwa Veränderungen der Route eines Aufzuges, Rechnung zu tragen (BVerfG, B.v. 24.10.2001 – 1 BvR 1190/90 – BVerfGE 104, 92 – juris Rn. 63). Derartige Beschränkungen sind im Lichte der grundlegenden Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG auszulegen. Insoweit gilt die Regel, dass kollektive Meinungsäußerungen in Form einer Versammlung umso schutzwürdiger sind, je mehr es sich bei ihnen um einen Beitrag zum Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt (st.Rspr. vgl. etwa BVerfG, U.v. 11.11.1986 – 1 BvR 713/83 – BVerfGE 73, 206 – juris Rn. 102). Nur soweit eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegt, kann von dem Veranstalter nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG verlangt werden, dass er den geplanten Ablauf seiner Versammlung ändert, oder kann eine Versammlung gänzlich untersagt werden (BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 14 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 11.12.2020 – 6 B 432/20 – juris Rn. 11; B.v. 13.3.2021 – 6 B 96/21 – juris Rn. 6). Mit dem Merkmal der unmittelbaren Gefährdung ist ein hoher Gefahrenmaßstab angesprochen, den nicht schlechterdings jede zu erwartende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit erreicht.
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1.2. Rechtsgrundlage für die Verlegung des Versammlungsorts ist Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde eine Versammlung insbesondere beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Es spricht alles für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme, weil die Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 15 Abs. 1 BayVersG nach summarischer Prüfung erfüllt sind und die behördliche Ermessensausübung keinen rechtlichen Bedenken unterliegt.
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Bei der vom Antragsteller angezeigten Veranstaltung unter freiem Himmel am 22. Februar 2025 handelt es sich – zwischen den Beteiligten unumstritten – um eine Versammlung i.S.v. Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 BayVersG. Eine Versammlung i.S.d. Art. 8 Abs. 1 GG ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2001 – 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 – juris Rn. 41; BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 23/06 – juris Rn. 15). Weitgehend übereinstimmend definiert Art. 2 Abs. 1 BayVersG Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes als Zusammenkünfte von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Diese Voraussetzungen liegen hier ohne Weiteres vor. Unproblematisch stellt die Verlegung des Versammlungsorts vom D … zum S … auch eine Beschränkung i.S.v. Art. 15 Abs. 1 BayVersG dar.
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Der Schutz der „öffentlichen Sicherheit“ im Sinne von Art. 15 Abs. 1 BayVersG umfasst die gesamte Rechtsordnung und damit auch straßenverkehrsrechtliche Vorschriften, welche die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs regeln (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.1989 – 7 C 50/88 – BVerwGE 82, 34 – juris Rn. 15). Kollidiert die Versammlungsfreiheit des Antragstellers mit anderen Verfassungsgütern, ist eine Abwägung der betroffenen Positionen zur Herstellung praktischer Konkordanz erforderlich. Wichtige Abwägungselemente sind dabei unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten, die Dringlichkeit der blockierten Tätigkeit Dritter, aber auch der Sachbezug zwischen den beeinträchtigten Dritten und dem Protestgegenstand. Stehen die äußere Gestaltung und die durch sie ausgelösten Behinderungen in einem Zusammenhang mit dem Versammlungsthema oder betrifft das Anliegen auch die von der Demonstration nachteilig Betroffenen, kann die Beeinträchtigung ihrer Freiheitsrechte unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände möglicherweise eher sozial erträglich und dann in größerem Maße hinzunehmen sein, als wenn dies nicht der Fall ist. Demgemäß ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, ob und wie weit die Wahl des Versammlungsortes und die konkrete Ausgestaltung der Versammlung sowie die von ihr betroffenen Personen einen Bezug zum Versammlungsthema haben (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2023 – 10 CS 23.847 – juris Rn. 11; B.v. 13.11.2020 – 10 CS 20.2655 – juris Rn. 22; HessVGH, B.v. 30.10.2020 – 2 B 2655/20 – juris Rn. 5 unter Verweis auf BVerfG, B.v. 24.10.2001 − 1 BvR 1190/90 − BVerfGE 104, 92 – juris Rn. 64).
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Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit dürfen beim Erlass von versammlungsrechtlichen Beschränkungen oder eines Versammlungsverbots keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose gestellt werden. Sie ist auf konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte zu stützen, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben (vgl. BVerfG, B.v. 6.6.2007 – 1 BvR 1423/07 – juris Rn. 17). Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen für sich allein nicht aus (vgl. BVerfG, B. v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 12.5.2023 – 10 CS 23.847 – juris Rn. 13; B.v. 24.3.2023 – 10 CS 23.575 – juris Rn. 19; B.v. 6.6.2015 – 10 CS 15.1210 – juris Rn. 22; U.v. 10.7.2018 – 10 B 17.1996 – juris Rn. 26; BVerwG, B.v. 24.8.2020 – 6 B 18.20 – juris Rn. 6). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Beschränkung liegt grundsätzlich bei der Behörde (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 17; B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 19 jeweils m.w.N.; BayVGH, B.v. 12.5.2023 – 10 CS 23.847 – juris Rn. 13; B.v. 24.3.2023 – 10 CS 23.575 – juris Rn. 19; B.v. 19.12.2017 – 10 C 17.2156 – juris Rn. 16 m.w.N.).
26
Gemessen an diesen Grundsätzen begegnet die Gefahrenprognose der Antragsgegnerin, die der Änderung des Versammlungsorts zugrunde liegt, bei summarischer Prüfung keinen durchgreifenden Bedenken. Eine gleichzeitige Durchführung beider Veranstaltungen mit unterschiedlichem Programm würde i.S.v. Art. 15 Abs. 1 BayVersG die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährden. Es ist schon fraglich, ob der auf dem D … vorhandene Raum überhaupt für beide Veranstaltungen ausreicht. Wenn die Teilnehmer des Aufzugs des Antragstellers gleichwohl auf den D … geführt würden, um dort ihre Abschlusskundgebung durchzuführen, wäre dies jedenfalls wegen der unvereinbaren Zielsetzungen der beiden Veranstaltungen und deshalb zu befürchtender – auch strafrechtlich relevanter – Auseinandersetzungen mit einer Gefährdung von Teilnehmern verbunden, die durch polizeiliche Maßnahmen nicht abgewendet werden kann. Dies ergibt sich aus der mit E-Mail vom 4. Februar 2025 getroffenen Einschätzung der Polizeiinspektion W …- …, ausweislich derer von der zeitgleichen Durchführung der beiden Versammlungen am gleichen Ort dringend abgeraten wird. In der Stellungnahme wird ausgeführt, dass die Meinungen und Einstellungen der beiden beteiligten Gruppen als absolut konträr bezeichnet werden und es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit mit heftigen verbalen Auseinandersetzungen zu rechnen. Die daraus gezogene Schlussfolgerung, dass eine räumliche Trennung der beiden Versammlungen zwingend notwendig sei, kann die Kammer – nachdem dies von den Beteiligten auch nicht in Abrede gestellt wurde – nachvollziehen.
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1.3. Ein Vorrang der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung für dessen Abschlusskundgebung am D … lässt sich nicht aus dem so genannten Erstanmelderprivileg herleiten. Das Versammlungsgesetz selbst enthält keine Regelung, nach der stets derjenige, der seinen Willen zur Durchführung einer Versammlung vor anderen Veranstaltern kundgibt, auch zwingend den Vorrang bekommen müsste. Anderenfalls hätte es ein Veranstalter in der Hand, durch besonders frühe Anmeldung einen bestimmten Veranstaltungsort zu einer bestimmten Zeit zu „reservieren“ und andere Veranstaltungen von vornherein auszuschließen. Eine zeitlich nachrangig angemeldete Veranstaltung hat nicht alleine aufgrund des späteren Anzeigezeitpunkts zurückzutreten. Kommt es zu konkurrierenden Nutzungswünschen, ist eine praktische Konkordanz bei der Ausübung der Grundrechte unterschiedlicher Grundrechtsträger herzustellen. Dabei kann die Behörde aus hinreichend gewichtigen Gründen unter strikter Berücksichtigung des Grundsatzes inhaltlicher Neutralität von der zeitlichen Reihenfolge der Anmeldung einer Versammlung abweichen (BVerfG, B.v. 6.5.2005 – 1 BvR 961/05 – BverfGK 6, 104-114 – juris). Die behördliche Entscheidung zwischen verschiedenen angemeldeten bzw. außerhalb des Versammlungsrechts durchgeführten Veranstaltungen kann sinnvoller Weise erst zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem alle Gesamtumstände bekannt sind (VG Berlin, B.v. 28.4.2005 – 1 A 65.05 – juris m.w.N.), was vorliegend erst nach Eingang der Versammlungsanzeige vom 4. Februar 2025 der Versammlung „… … …“ der Fall war. Entgegen der Auffassung des Antragstellerbevollmächtigten ist es an dieser Stelle ohne Relevanz, dass die Versammlungsbehörde dem erstanmeldenden Antragsteller die begehrte Versammlungsörtlichkeit einschließlich der Abschlusskundgebung am D … bereits durch Bescheid vom 9. Januar 2025 bestätigt hatte. Sollte sich die Gefahrenlage in dem Zeitraum zwischen der – nach Art. 15 Abs. 3 BayVersG rechtzeitig zu treffenden – behördlichen Entscheidung und dem Beginn der Versammlung maßgeblich ändern, bleibt es der Behörde nämlich unbenommen, ihre Verfügung entsprechend zu korrigieren (Barczak in Ridder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, 2. Aufl. 2020, BayVersG, Art. 15 Rn. 25). Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Behörde nicht dazu berechtigt sein sollte, im Fall nachträglicher Änderungen weiterreichende Beschränkungen zu erlassen. Auch aus den im Bescheid vom 9. Januar 2025 getroffenen Anordnungen und Gründen selbst erwächst in keiner Weise ein Bestands- oder Vertrauensschutz in dem Sinne, dass bei geänderter Sachlage bis zum Beginn der Versammlung keine ergänzenden oder abweichenden Beschränkungen erlassen werden dürften.
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Die Rechtspositionen des Antragstellers und der Versammlung „… … …“ sind im Wege praktischer Konkordanz in Einklang zu bringen. Die Bewertung der Versammlungsbehörde, dass das Interesse des Antragstellers an der Nutzung des D … am 22. Februar 2025 hinter den Interessen der Veranstalter und Teilnehmer am „… … …“ zurückzustehen hat, ist nicht zu beanstanden. Bei der Versammlung „… … …“ handelt es sich um eine stationäre Versammlung, für die ca. 100 Teilnehmer – ggf. aber auch deutlich mehr – erwartet werden, die im Zeitraum von 10 bis 18 Uhr stattfinden soll und die zahlreiche Aufbauten (u.a. Pavillons, div. Tische, Podest, Pinnwände, Lastenräder, usw.) umfasst. Es liegt auf der Hand, dass die Versammlung auf eine größere Versammlungsfläche angewiesen ist als die Versammlung des Antragstellers. Die Einschätzung, wonach die Fläche des S … zur Ausrichtung der Versammlung „… … …“ nicht als ausreichend groß angesehen wird, erscheint der Kammer nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass die Versammlungsbehörde im Bescheid vom 7. Februar 2025 ausgeführt hat, dass am 22. Februar 2025 – d.h. ein Tag vor der Bundestagswahl – bereits zahlreiche potentiell geeignete Flächen in der W … Innenstadt durch weitere Versammlungen, Infostände, Veranstaltungen usw. belegt sind, so der O … M …, der B …, die E …, der Ba …, die H …, die O …-W …-S …, der D …platz, die Ho … und die Flächen am U … M … und am V … Ein anderer, als gleichwertig anzusehender Versammlungsort im innerstädtischen Bereich ist nicht zu ersehen. Soweit der Antragstellerbevollmächtigte pauschal den M …, den R …, den K …, den P … und den Ma … als potentielle Versammlungsorte für die Versammlung „… … …“ aufführt, ist dem entgegenzuhalten, dass – jenseits dessen, ob an den bezeichneten Orten überhaupt die Möglichkeit zur Durchführung der Konkurrenzveranstaltung besteht – eine Verlegung der Versammlung „… … …“ ungleich stärkere Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters nach sich ziehen würde als die verfügte Verlegung der Abschlusskundgebung bei der Versammlung des Antragstellers. Während sich im Fall der stationären Versammlung „… … …“ eine komplette örtliche Verlegung über den gesamten Versammlungszeitraum (10:00 bis 18:00 Uhr) ergeben würde, kann die als Aufzug geplante Veranstaltung des Antragstellers in wesentlichen Teilen der Streckenführung und über weite Teile des vorgesehenen Versammlungszeitraums (11:00 Uhr bis 16:00 Uhr) wie angezeigt stattfinden; lediglich ein kleinerer Teil der Versammlung – die Abschlusskundgebung am D … – ist von der Verlegung auf den nahegelegenen S …, der ebenfalls unmittelbar an die D … angrenzt, betroffen. Nach Art und Inhalt der Veranstaltung ist der Antragsteller – mangels thematischen Bezugs – auch nicht auf eine Ausrichtung auf den D … angewiesen. Zutreffend verweist die Antragsgegnerseite darauf, dass insgesamt der Kernbereich des Versammlungsrechts überhaupt nicht und das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters nur in unwesentlichem Umfang berührt wird. Da der Antragsteller aus seiner frühzeitig erfolgten Versammlungsanmeldung kein exklusives Nutzungsrecht an den von ihm angemeldeten Örtlichkeiten zu der angemeldeten Zeit herleiten kann, spricht alles dafür, dass die Antragsgegnerin durch die beanstandete Anordnung den wechselseitigen Grundrechtspositionen durch die getroffene Maßnahme größtmögliche Geltung verschafft und damit dem Gebot praktischer Konkordanz in sachgerechter Weise Rechnung getragen hat.
29
1.4. Die Anordnung erweist sich als ermessensfehlerfrei. Die Behörde hat das ihr zustehende Ermessen erkannt und in pflichtgemäßer Weise ausgeübt. Insbesondere bestehen – unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zur praktischen Konkordanz – keine Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Auch im Übrigen sind keine Ermessensfehler ersichtlich.
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1.5. Im Ergebnis der summarischen Prüfung spricht alles dafür, dass die gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 7. Februar 2025 gerichtete Klage in der Hauptsache erfolglos bleiben wird.
31
2. Die in Ziffer 2.21 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2025 i.d.F. der Ziffer 3 des Änderungsbescheids vom 7. Februar 2025 getroffene Regelung zur Zulässigkeit von Musikdarbietungen ist demgegenüber nach summarischer Prüfung voraussichtlich rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
32
Nach der angegriffenen Regelung i.d.F. der Ziffer 3 des Änderungsbescheids vom 7. Februar 2025 sind Musikdarbietungen nur in bestimmen, genau definierten Zeiträumen zulässig, nämlich von 11:00 Uhr bis 11:15, 11:30 Uhr bis 11:45 Uhr, 12:00 Uhr bis 12:15 Uhr, 12:30 Uhr bis 12:45 Uhr, 13:00 Uhr bis 13:15 Uhr, 13:30 Uhr bis 13:45 Uhr, 14:00 Uhr bis 14:15 Uhr, 14:30 Uhr bis 14:45 Uhr, 15:00 Uhr bis 15:15 Uhr und 15:30 Uhr bis 15:45 Uhr. Die so getroffene Regelung ist aller Voraussicht nach unverhältnismäßig, weil sie für die Musikdarbietungen feste Zeiten vorgibt, die jedenfalls das von Art. 8 Abs. 1 GG umfasste Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters in nicht erforderlicher Weise beeinträchtigt. Das im vorliegenden Fall als schützenswert anzuerkennende Interesse an der Verhinderung einer Dauerbeschallung lässt sich in gleicher Weise durch ein milderes Mittel realisieren, die ohne feste zeitliche Vorgaben auskommt, etwa indem die zu erwartenden Musikdarbietungen eine bestimmte Dauer nicht überschreiten dürfen und im Anschluss an eine jede Darbietung eine bestimmte Pausenlänge einzuhalten ist, wobei bei Bemessung der Pausenlänge der hohen Bedeutung der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) für die freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit freilich in gebührender Weise Rechnung zu tragen ist. Auf diese Weise kann den befürchteten Beeinträchtigungen für Passanten, Gewerbetreibende und Anwohnern in gleicher Weise und unter geringerer Beeinträchtigung des Selbstbestimmungsrechts des Veranstalters, dem gerade im Rahmen eines dynamischen Versammlungsaufzugs eine punktgenaue Planung und Umsetzung von Musikdarbietungen im Rahmen des vorgegebenen „starren Konzepts“ erhebliche Schwierigkeiten bereiten dürfte, Rechnung getragen werden. Soweit die Antragsgegnerseite, welche sich in der Begründung der Bescheide mit milderen Mitteln nicht hinreichend auseinandergesetzt hat, im Rahmen der Antragserwiderung einwendet, die Regelung sei vom Veranstalter am 14. Januar 2025 im Rahmen einer persönlichen Vorsprache selbst vorgeschlagen worden, ist dies mangels aktenkundiger Erwähnung im Rahmen der hiesigen Entscheidung im einstweiligen Rechtschutzverfahren nicht berücksichtigungsfähig. Es ist ohne Weiteres auch nicht ersichtlich, weshalb das – auch von Antragstellerseite – vorgeschlagene mildere Mittel nicht realistisch oder nicht zu kontrollieren sein könnte.
33
3. Als voraussichtlich rechtswidrig erweist sich nach summarischer Prüfung auch die Ziffer 2.1 des Bescheids vom 9. Januar 2025, mit der im Wesentlichen die Verwendung von Symbolen, Kleidungsstücken oder Kleidungsergänzungen die als „Gelber Stern“ an die Zwangskennzeichnung von Jüdinnen und Juden während des nationalsozialistischen Regimes erinnern, oder auch Abwandlungen dazu, wie „Gelbe Punkte“ oder „Gelbe Vierecke“ oder Ähnliches, die unter Zufügung oder Ersetzung des Worts „Jude“ oder durch andere Wörter wie z.B. „nicht geimpft“ oder „ungeimpft“ oder sonstigen Aussagen, die eine Gleichsetzung der Corona-Schutzmaßnahmen mit der Verfolgung der Juden durch dieses Regime nahelegen, untersagt werden.
34
Rechtsgrundlage für diese versammlungsrechtliche Beschränkung ist Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG. Danach kann die zuständige Behörde eine Versammlung insbesondere dann beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen durch die Versammlung die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft gebilligt, verherrlicht, gerechtfertigt oder verharmlost wird, auch durch das Gedenken an führende Repräsentanten des Nationalsozialismus, und dadurch die unmittelbare Gefahr einer Beeinträchtigung der Würde der Opfer besteht.
35
Beschränkungen, die darauf abzielen, Straftaten zu verhindern, dürfen nur verfügt werden, wenn konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der fraglichen Versammlung die unmittelbare Gefahr besteht, dass solche Straftaten begangen werden (vgl. BayVGH, B.v. 19.12.2017 – 10 C 17.2156 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 28.6.2013 – 10 CS 13.1356 – juris Rn. 4; B.v. 12.4.2013 – 10 CS 13.787 – juris Rn. 4). Weder aus den Behördenakten noch aus der Begründung des Bescheids ergeben sich vorliegend Umstände oder Tatsachen, die die Annahme einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG rechtfertigen würden. Die polizeiliche Einschätzung der Polizeiinspektion W …- … für die für die vom Antragsteller angezeigte Versammlung beschäftigt sich ausschließlich mit einer Gefahrenprognose im Falle des Aufeinandertreffens der Teilnehmer der Versammlung und der kollidierenden Veranstaltung „… … …“. Anhaltspunkte dafür, dass es bei der Versammlung des Antragstellers zu mit Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG verbundenen Straftaten – namentlich solcher nach § 130 StGB – kommen könnte, ergeben sich daraus nicht. Auch in der Begründung des Bescheids vom 9. Januar 2025 findet sich lediglich der Verweis darauf, dass bei einer Versammlung am 29. Oktober 2021 auf dem B … in W … durch Kritiker/innen der Corona-Schutzmaßnahmen gelbe Punkte mit der Aufschrift „ungeimpft“ als Kundgebungsmittel genutzt worden seien. Unabhängig von der konkreten strafrechtlichen Würdigung eines solchen Verhaltens lässt sich allein daraus jedenfalls nicht ableiten, dass im Rahmen des hiesigen Versammlungsgeschehens der Einsatz entsprechender Kundgebungsmittel beabsichtigt ist. Entsprechendes lässt sich auch nicht – wie die Antragsgegnerseite meint – aus der Versammlungsanzeige des Antragstellers vom 4. Oktober 2023 für eine Versammlung am 7. Oktober 2023 herleiten, in der die Verwendung eines gelben bzw. roten Punktes mit der Aufschrift „Schwul“ bzw. „Homo“ angekündigt wurde, und ebenso wenig daraus, dass derartige Kundgebungsmittel Gegenstand von – im vorliegenden Verfahren nicht aktenkundig dokumentierten – Gesprächen zwischen dem Antragsteller und der Versammlungsbehörde gewesen sein sollen. Es ist – nachdem in der hier relevanten Versammlungsanzeige vom 7. November 2024 ein entsprechendes Kundgebungsmittel nicht aufgeführt wurde und die Begehung entsprechender Straftaten auf vergleichbaren Demonstrationen in der Vergangenheit nicht aufgezeigt wurde – kein hinreichender Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG zu befürchten wäre. Eine rein vorsorgliche versammlungsrechtliche Beschränkung auf bloße Vermutungen hin findet jedoch in Art. 15 Abs. 2 BayVersG keine Rechtsgrundlage (vgl. BayVGH, B.v. 19.12.2017 – 10 C 17.2156 – juris Rn. 16).
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4. Ebenfalls als voraussichtlich rechtswidrig erweist sich nach summarischer Prüfung die Ziffer 2.9 des Bescheids vom 9. Januar 2025, wonach an jedem Rad des Lautsprecherwagens – sollte sich dieser in Bewegung finden – zusätzlich zur unter Ziffer 2.8 festgelegten Zahl je ein Ordner einzusetzen ist und diese Ordner Warnwesten anzulegen haben.
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Begründet wird diese Nebenbestimmung im Bescheid vom 9. Januar 2025 damit, dass der Einsatz zusätzlicher Ordner am fahrenden Lautsprecherfahrzeug notwendig sei, um die Verletzung von Teilnehmern durch dieses Kundgebungsmittel zu verhindern. Zur Eigensicherung der Ordner am Fahrzeug hätten diese Warnwesten zu tragen. In der Antragserwiderung führt die Antragsgegnerin zudem aus, der Einsatz von zusätzlichen Ordnern am Fahrzeug sei notwendig, um der konkreten Gefahr für Versammlungsteilnehmer, potentielle Gegendemonstranten, Radfahrer, Passanten, insbesondere auch Kinder, und andere Verkehrsteilnehmer in der am Samstag besonders hochfrequentierten W … Innenstadt vorzubeugen. Da das Fahrzeug vier Reifen habe, grundsätzlich in alle Raumrichtungen bewegt werden könne und auf den zum Teil beengten Flächen der stationären Kundgebungen rangiert werden müsse, seien zur ausreichenden Absicherung vier Ordner notwendig.
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Ausgehend davon spricht nach summarischer Prüfung vieles für die Unverhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahme. Die Begründung des Bescheids, ergänzt um die Ausführungen der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung, weisen zwar auf die mögliche Gefährdung von Teilnehmern durch die Fahrzeuge hin und legen dar, dass die Ordner dafür zu sorgen haben, dass keine Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Es fehlen aber Ausführungen dazu, welche konkreten Gefährdungen damit gemeint sind und auf welche Weise sie durch den Einsatz von Ordnern vermieden werden könnten. Insbesondere fehlt es an einer tragfähigen Begründung dafür, weshalb für das Fahrzeug vier Ordner vorgesehen sind. Es ist deshalb auch weder nachvollziehbar, ob der Einsatz von Ordnern tatsächlich geeignet ist, den von der Antragsgegnerin angenommenen Gefährdungen effektiv entgegenzuwirken, noch ob dies einen Einsatz einer so großen Zahl von Ordnern erfordert. Das gilt insbesondere angesichts dessen, dass es sich bei dem Lautsprecherfahrzeug um einen … … handelt, welcher den Demonstrationszug lediglich in Schrittgeschwindigkeit begleiten darf (vgl. Auflage 2.16 des Bescheids vom 9. Januar 2025). Eine „Radwache“, wie sie etwa bei größeren Fahrzeugen oder bei Faschingsumzügen im Einzelfall geboten sein mag, erscheint im vorliegenden Einzelfall nicht veranlasst. Die erwartete Teilnehmerzahl von fünf Personen ist derart überschaubar, dass das Fahrzeug nicht durch mehr als die von der Antragstellerseite zugestandenen zwei Ordner begleitet werden muss, um die Teilnehmer vor den Gefahren des Fahrzeugs zu schützen. Im Weiteren bestehen Zweifel daran, ob die Verpflichtung, das Lautsprecherfahrzeug überhaupt von Ordnern begleiten zu lassen, ein geeignetes Mittel zur Vermeidung von Gefahren darstellt, die dadurch entstehen, dass sich das Fahrzeug durch den innerstädtischen Bereich bzw. durch die Fußgängerzone bewegt und dadurch in engen Kontakt mit Passanten gerät. Denn zwar hat der Versammlungsleiter nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayVersG während der Versammlung für Ordnung zu sorgen. Auch kann er sich zur Erfüllung dieser Aufgabe nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BayVersG einer angemessenen Anzahl von Ordnern bedienen. Die Aufgaben der Ordner gehen aber nicht über diejenigen des Versammlungsleiters hinaus, der sich ihrer bedient. Dementsprechend sind aber die Ordner wie der Versammlungsleiter selbst möglicherweise nur befugt, Störungen der Ordnung aus dem Kreis der Versammlungsteilnehmer zu verhindern. Sie haben aber keine Befugnisse gegenüber Dritten. Gefahren abzuwehren, die wie im Falle des Zusammentreffens mit Passanten, die sich den Lastwagen zu sehr nähern, auf das Verhalten von Personen zurückzuführen sind, die nicht zum Kreis der Versammlungsteilnehmer gehören, ist daher wohl vielmehr Aufgabe der Polizei i.S.v. Art. 2 Abs. 1 PAG (BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 CS 15.431 – juris).
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Dementsprechend erweist sich auch die Ziffer 2.10 des Bescheids vom 9. Januar 2025 als rechtswidrig, soweit dort bei einer Teilnehmerzahl in Höhe von mindestens fünf Personen mehr als mindestens drei Ordner gefordert werden.
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5. Die Klage hat nach summarischer Prüfung schließlich insoweit Erfolg, soweit sie sich gegen Ziffer 2.19 des Bescheids vom 9. Januar 2025 richtet, wonach die Lautstärke einen Spitzenpegel von 75 dB(A) – gemessen 5 Meter vor Lautsprechern bzw. vor den Schalltrichtern von Megaphonen – nicht überschreiten darf. Denn auch insoweit wird sich der Bescheid im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtswidrig erweisen, weil sich seinen Gründen keine konkreten und nachvollziehbaren tatsächlichen Anhaltspunkte als Grundlage für die nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG erforderliche Prognose entnehmen lassen, dass nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist.
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Grundsätzlich bestehen keine Bedenken gegen die Festsetzungen von Lärmschutzauflagen, auch im Rahmen von Höchstpegeln. Unter den jeweils gegebenen Umständen ist aber stets zu untersuchen, ob diese vor dem Hintergrund des von ihnen verfolgten Zwecks verhältnismäßig, d.h. geeignet, erforderlich und angemessen sind. Dabei sind die Umstände des Einzelfalls einer genauen Betrachtung zu unterziehen.
42
Die Rechtsprechung hat in verschiedensten Konstellationen dargelegt, dass eine gewisse Bandbreite von Lautstärkepegeln nach den jeweils vorliegenden Umständen gerechtfertigt sein kann. Der hier von der Antragsgegnerin vorgesehene Höchstwert von 75 dB(A) liegt wohl eher im unteren Bereich der von der Rechtsprechung für zulässig gehaltenen Werte, die sich u.a. an den Werten der RL 2003/10 EG über „Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (Lärm)“ bzw. an der diese in nationales Recht umsetzenden Lärm- und Arbeitsschutzverordnung (§ 6 LärmVibrationsArbSchV) orientieren (vgl. Nachweise bei VG München, U.v. 24.7.2013 – M 7 K 13.640 – juris Rn. 25 mit Verweis auf BayVGH, B.v. 28.6.2013 – 10 CS 13.1356 – Rn. 8: 85 dB(A) gemessen 5 m vor der Mündung des Schalltrichters; OVG Lüneburg, B.v. 10.11.2010 – 11 LA 298/ 10 – juris Rn. 3, 14 ff. u. B.v. 11.9.2009 – 11 ME 447/09 – juris Rn. 4, 8: jeweils 90 dB(A) gemessen in 1 m Abstand von der Emissionsquelle). Vorliegend gelten angesichts des eher im niedrigen Bereich angesetzten Höchstlärmpegels von 75 dB(A) und angesichts des hohen Stellenwerts der Versammlungsfreiheit gesteigerte Begründungsanforderungen der Behörde, denen die Antragsgegnerin in der angegriffenen Anordnung nach dem Dafürhalten der Kammer nicht hinreichend nachgekommen ist.
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Die Antragsgegnerin hat die Lärmschutzauflage ausweislich der Begründung im Bescheid vom 9. Januar 2025 zum Schutz der Anwohner und der eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebe im Umfeld der Veranstaltung im Interesse des geltenden Immissionsschutzrechts erlassen. Sie führt hierzu näher aus, dass entlang der gesamten Aufzugsstrecke und an allen Flächen der stationären Kundgebungen sich unmittelbar eine Vielzahl an Gewerbebetrieben, insbesondere auch Gastronomiebetriebe mit außengastronomischen Flächen befänden. Zwischen Versammlungsfläche bzw. Lautsprecheranlage und Gewerbebetrieben, gastronomischen Außenflächen und Passanten verblieben dabei zum Teil nur wenige Meter Abstand. Durch den festgesetzten Spitzenpegel von 75 dB(A) sei bei der Versammlung sowohl eine Binnen- als auch eine Außenkommunikation mit Personen im weiteren Umfeld des tatsächlichen Versammlungsgeschehens möglich. Insbesondere befinde sich im Umfeld der Versammlung kein lautstarker Straßenverkehr. Es werde nicht mit lärmenden Gegendemonstranten gerechnet. Angesichts des hohen Lärmpotenzials einer Versammlung mit durchgängiger Beschallung von 11:00 Uhr bis 16:00 Uhr, insbesondere auch in der D … bzw. auf den unmittelbar angrenzenden Plätzen, müsse ein Interessenausgleich zwischen der Versammlungsfreiheit und dem Ruhebedürfnis der Anwohner hergestellt werden. Weiterhin diene diese Beschränkung dem Schutz von im Einsatz befindlichen Ordnungskräften wie dem Ordnungsamt, dem kommunalen Ordnungsdienst oder der Polizei. Die Antragsgegnerin beschränkt sich mit diesen Ausführungen darauf, die generelle Möglichkeit lärmbedingter Gesundheitsschäden bzw. Beeinträchtigung von ansässigen Gewerbebetrieben festzustellen.
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Konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass solche Schäden im Hinblick auf die im Falle der Versammlung des Antragstellers zu erwartenden Schallimmissionen ohne bzw. jedenfalls bei einer von der Antragstellerseite akzeptierten Lautstärkebegrenzung (Spitzenpegel von 85 dB(A)) zu erwarten sind, werden damit von der Antragsgegnerin nicht angeführt (vgl. zu diesem Erfordernis BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 CS 15.431 – juris). Es ist auch nicht ersichtlich, ob und inwieweit Lärmuntersuchungen stattgefunden haben oder zumindest technische Regelwerke oder bestehende Schutzvorschriften als Orientierungshilfe bei der Ermittlung des maximalen Lautstärkepegels Berücksichtigung gefunden haben. Letztlich ist nicht zu erkennen, weshalb gerade der gewählte Wert im vorliegenden Fall als Höchstwert herangezogen worden ist. Es ist seitens der Antragsgegnerin bei Zugrundelegung ihres gesamten Vortrags im Verfahren somit nicht ausreichend dargetan, dass die Anordnung geeignet und erforderlich ist, um den Eintritt der genannten Gefahren zu verhindern.
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6. Im Ergebnis erweist sich nach summarischer Prüfung die örtliche Verlegung der Schlusskundgebung auf den S … als rechtmäßig, die im Übrigen angegriffenen Nebenbestimmungen hingegen als rechtswidrig. Dementsprechend war dem Antrag im tenorierten Umfang stattzugeben.
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Die Kostenentscheidung basiert auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG und orientiert sich an der Empfehlung Nr. 45.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Da die vorliegende Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnimmt, wurde der Empfehlung in Ziffer 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 folgend der Streitwert auf die Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Wertes angehoben.