Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 02.04.2025 – 102 Sch 39/24 e
Titel:

Erfolgsabhängige Vergütung, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Antrag auf Vollstreckbarerklärung, Vollstreckbarerklärungsverfahren, Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, Rechtsschutzbedürfnis, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Gehörsverletzung, Verfahrensrechtlicher ordre public, Aufhebung des Schiedsspruchs, Treuwidrigkeit, Rechtsbeschwerde, Zurückverweisung, Kausalität der Pflichtverletzung, Treuwidriges Verhalten, Rechtliches Gehör, Aufhebung eines Schiedsspruchs, Schiedsverfahren, Hypothetische Kausalität, Kausalitätserfordernis

Leitsatz:
Aufhebung eines inländischen Schiedsspruchs wegen Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehörs (Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b] ZPO) und wegen Verfehlung der Mindestanforderungen an seine Begründung (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d] i. V. m. § 1054 Abs. 2 ZPO); Zurückverweisung an das Schiedsgericht (§ 1059 Abs. 4 ZPO).
Schlagworte:
Schiedsverfahren, Aufhebungsantrag, Vollstreckbarerklärung, Gehörsverletzung, Prozessökonomie, Kausalität, Biomarkerentwicklung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 6271

Tenor

I. Der in dem DIS-Schiedsverfahren (Az.: DIS-SV-2020-00397) durch das Schiedsgericht, bestehend aus dem Schiedsrichter A als Vorsitzendem sowie den Schiedsrichtern B und C als Beisitzern, am 20. Dezember 2023 in M. erlassene Schiedsspruch wird in seinen Nummern 1 bis 4 aufgehoben.
II. Der Antrag der Antragsgegner, den in Nr. I. genannten Schiedsspruch in seinen Nummern 1 und 2 für vollstreckbar zu erklären, wird abgelehnt.
III. Der Antrag der Antragstellerin, den in Nr. I. genannten Schiedsspruch in seiner Nummer 5 aufzuheben, soweit zum Nachteil der Antragstellerin entschieden wurde, wird zurückgewiesen.
IV. Soweit der Schiedsspruch aufgehoben wurde, wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das aus dem Schiedsrichter A als Vorsitzendem sowie den Schiedsrichtern B und C als Beisitzern bestehende Schiedsgericht zurückverwiesen.
V. Die Antragsgegner tragen die Kosten des hiesigen Verfahrens.
VI. Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Kosten des hiesigen Verfahrens vorläufig vollstreckbar.
VII. Der Streitwert für dieses Verfahren wird auf 30 Millionen Euro festgesetzt.

Gründe

A.
1
Soweit er zu ihrem Nachteil ergangen ist, begehrt die Antragstellerin die Aufhebung des oben bezeichneten inländischen Schiedsspruchs. Die Antragsgegner beantragen neben der Zurückweisung dieses Antrags ihrerseits, den Schiedsspruch in den Nummern 1 und 2 seines Tenors für vollstreckbar zu erklären, hilfsweise den Fall an das identisch besetzte Schiedsgericht zurückzuverweisen, wogegen sich wiederum die Antragstellerin wendet.
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Die Antragstellerin befasste sich mit der Entwicklung neuartiger personalisierter Krebsmedikamente, namentlich sogenannter Immuno-Onkologie-Therapien (Immuno-Mediated Therapie of Cancer; IMT-C), die darauf abzielen, das körpereigene Immunsystem des Patienten zu nutzen, um Tumorzellen zu erkennen und zu eliminieren. Dabei versprach sich die Krebsforschung von einer Kombination mehrerer solcher Einzelwirkstoffe (Immuno-Onkologie-Kombinationstherapie; IMT-C Kombination) eine gegenüber der Therapie mit nur einem Wirkstoff (Monotherapie) verbesserte Wirkung bei der Behandlung von Krebspatienten. Die individuelle Reaktion eines jeden Immunsystems auf verschiedene Tumorarten und auf verschiedene Wirkstoffe zur Krebsbehandlung macht es jedoch erforderlich, (prädiktive) Biomarker zu identifizieren bzw. zu entwickeln, die Rückschlüsse auf das Ansprechen eines individuellen Patienten auf bestimmte therapeutische Maßnahmen zulassen. Mit ihrer Hilfe sollen also diejenigen individuellen Patienten mit einer bestimmten Art von Krebsleiden ermittelt werden, die für die Behandlung mit einer bestimmten IMT-C Kombination infrage kommen. Die X AG (im Folgenden auch: X) hatte eine neuartige Technologie zur Identifizierung solcher Biomarker entwickelt, deren Erfolgsaussichten jedoch noch unsicher waren.
3
Vor diesem Hintergrund erwarb die Antragstellerin mit Kaufvertrag (Sale and Purchase Agreement; im Folgenden: SPA) vom 3. November 2014 von den Antragsgegnern sämtliche Anteile an der X AG. Dabei wurde neben einem festen Kaufpreis in Höhe von 150 Mio. US-Dollar eine weitere erfolgsabhängige Vergütung von bis zu drei weiteren Beträgen à 50 Mio. US-Dollar („Milestonebasierte Earn Outs“) vereinbart, die fällig werden sollte, wenn innerhalb der mit dem 30. Juni 2020 endenden „Earn Out Period“ bis zu drei „Milestone Events“ im Sinne der Bestimmung der Nr. 4.1.2 (f) des SPA eintreten, die nach der von der Antragstellerin vorgelegten Übersetzung (s. auch übersetzter Schiedsspruch Rn. 30) auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
„Milestone Event meint die Initiierung einer klinischen Studie der Phase 2 oder einer klinischen Studie der Phase 3 für eine IMT-C-Kombination [Definition in Nr. 4.1.2 (d) SPA; s. übersetzter Schiedsspruch Rn. 31] durch die Käuferin oder eines ihrer verbundenen Unternehmen im Sinne von §§ 15 ff. AktG (verbundene Unternehmen), bei der die Patienten, die in mindestens einen Arm einer solchen klinischen Studie eingeschlossen werden sollen, vorausschauend anhand eines X Defined Biomarkers [Definition in Nr. 4.1.2 (a) des SPA; s. übersetzter Schiedsspruch Rn. 32] selektiert wurden […]“
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Zur Frage, welche Anstrengungen die Antragstellerin als Käuferin zu unternehmen hatte, um den Eintritt von Milestone Events bis zum 30. Juni 2020 zu ermöglichen, heißt es in Nr. 4.3 des SPA gemäß der von der Antragstellerin vorgelegten Übersetzung (s. auch übersetzter Schiedsspruch Rn. 35) auszugsweise:
„Vom Tag des Abschlusses bis zum 31. Dezember 2016 hat die Käuferin wirtschaftlich angemessene Bemühungen anzuwenden, um zehn (10) klinische Studien der Phase 1 zu identifizieren und initiieren, die sich jeweils auf eine IMT-C Kombination beziehen, wo generierte klinische Daten und Gewebeproben zur Identifizierung eines X Defined Biomarkers verwendet werden. Diesen zehn (10) klinischen Studien der Phase 1 müssen klinische Studien der Phase 1 zu den folgenden IMT-C-Kombinationen beinhalten: (i) MEDI4736 (auf PD-L1 abzielend) und Tremelimumab; (ii) MEDI4736 (auf PD-L1 abzielend) und MEDI6469 (auf Murin OX40 abzielend). Die Käuferin wird nach ihrem angemessenen Ermessen in gutem Glauben andere IMT-C-Kombinationen (einschließlich IMT-C-Kombinationen, die Moleküle umfassen, die möglicherweise lizenziert oder anderweitig von Dritten erworben wurden) prüfen, die Gegenstand dieser zehn (10) klinischen Phase-1-Studien sein könnten. Für den Fall, dass die Käuferin bis zum 31. Dezember 2016 nicht zehn (10) klinische Studien der Phase 1 zu jeweils einer IMT-C-Kombination eingeleitet hat, werden die Käuferin und die Verkäufer unter Beachtung der Kapazitäten des Unternehmens bestimmen, ob zusätzliche Therapien, die keine IMT-C-Kombinationen sind, verwendet werden können, um die in Ziffer 4.1 genannten Milestone Events zu erreichen, und die Käuferin wird wirtschaftlich angemessenem Bemühungen anwenden, einvernehmlich vereinbarte klinische Studien einzuleiten. […] Für die Zwecke dieser Ziffer 4.3 bedeutet,wirtschaftlich angemessene Bemühungen' die Bemühungen, die mit den allgemeinen Praktiken und Standards übereinstimmen, die von Unternehmen ähnlicher Größe und mit ähnlichen Ressourcen wie dem Unternehmen der Käuferin in der Life-Science-Branche und in Bezug auf ähnliche Programme in einem ähnlichen Entwicklungsstadium angewandt werden, wobei alle relevanten Faktoren mit zu berücksichtigen sind, einschließlich, soweit anwendbar, des Entwicklungsstadiums, der Produktlebensdauer, des Wirksamkeits- und Sicherheitsprofils, der Kosten und des Zeitrahmens, der Patientenbedürfnisse und des jeweiligen klinischen Umfelds.“
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Die Parteien vereinbarten die Geltung deutschen Rechts unter Ausschluss des Kollisionsrechts und des CISG (Nr. 18.1 SPA) und schlossen ebenfalls am 3. November 2014 eine in Nr. 18.2 SPA in Bezug genommene Schiedsvereinbarung mit Schiedsort M..
6
Im Schiedsverfahren machten die Antragsgegner als Schiedskläger die Zahlung von drei Milestonebasierten Earn Outs à 50 Mio. US-Dollar geltend. Dabei argumentierten sie zum einen, es sei in der sogenannten HUDSON-Studie innerhalb der Earn Out Period tatsächlich zum Einsatz eines X Defined Biomarkers (im Folgenden auch: XDB) zur vorausschauenden Patientenselektion gekommen. Zum anderen vertraten sie die Auffassung, die Antragstellerin (Schiedsbeklagte) sei ihrer vertraglichen Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen, in hinreichendem Umfang klinische Studien der Phase 1 zu identifizieren und so die Möglichkeit zu schaffen, dass es in den Phasen 2 oder 3 zur vorausschauenden Patientenselektion auf der Grundlage eines XDB kommt; mit Blick auf die wenigen identifizierten klinischen Studien der Phase 1 habe die Antragstellerin X nicht im geschuldeten Umfang Gewebeproben und klinische Daten überlassen, um einen XDB entwickeln zu können. Durch dieses Verhalten habe die Antragstellerin X die vereinbarte Möglichkeit von „zehn Schüssen aufs Tor“ genommen.
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Mit seinem am 20. Dezember 2023 am Schiedsort M. erlassenen Schiedsspruch ordnete das Schiedsgericht an, dass
- die Schiedsbeklagte an die Schiedskläger eine Zahlung in Höhe von 46.428.397,04 US-Dollar (Earn Out in Höhe von 50 Mio. US-Dollar abzüglich Earn Out-Abzug gemäß Nr. 4.2.3 SPA in Höhe von 3.571.602,96 US-Dollar) leistet (Nr. 1 des Tenors);
- die Schiedsbeklagte (näher beschriebene) Zinsen auf den ausgeurteilten Betrag zahlt (Nr. 2 des Tenors);
- die Schiedskläger 66% und die Schiedsbeklagte 34% der Honorare und Auslagen der Schiedsrichter sowie der DIS-Verwaltungsgebühren tragen, weshalb die Schiedskläger 98.324,62 € an die Schiedsbeklagte zu zahlen haben (Nr. 3 des Tenors);
- jede Partei alle anderen ihr im Zusammenhang mit dem Schiedsverfahren entstandenen Kosten selbst trägt (Nr. 4 des Tenors).
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Außerdem wies das Schiedsgericht „alle[…] anderen und weiteren materiellen und/oder verfahrensrechtlichen Ansprüche und Anträge der Schiedskläger und der Schiedsbeklagten, die im […] Verfahren vorgebracht werden“, ab (Nr. 5 des Tenors).
9
Soweit das Schiedsgericht die antragsgegnerseits geltend gemachten Earn Out-Ansprüche abgewiesen hat, hat es sich zum einen darauf gestützt, dass hinsichtlich der HUDSON-Studie nicht festzustellen sei, dass der zum Einsatz gekommene Biomarker einen XDB im Sinne der Nr. 4.1.2 (a) des SPA darstellte. Zum anderen hat es hinsichtlich aller diskutierten Medikamentenkombinationen mit Ausnahme der Nr. 1 sowohl eine treuwidrige Vereitelung des Bedingungseintritts durch die Schiedsbeklagte (§ 162 Abs. 1 BGB) als auch einen gegen diese gerichteten Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB verneint. Die Antragsgegner (Schiedskläger) haben diese Abweisung hingenommen.
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Der Zuspruch eines Earn Out-Anspruchs beruht darauf, dass das Schiedsgericht hinsichtlich der Medikamentenkombination 1 angenommen hat, dass die Antragstellerin den Eintritt eines Milestone Events innerhalb der Earn Out Period wider Treu und Glauben im Sinne des § 162 Abs. 1 BGB verhindert habe, sodass die Bedingung als eingetreten gelte. Dabei hat das Schiedsgericht zunächst ohne Bezug zu einer bestimmten Medikamentenkombination allgemeine Erörterungen zu den Voraussetzungen eines Earn Out-Anspruchs auf Basis von § 162 Abs. 1 BGB angestellt (Rn. 98 bis 246 des Schiedsspruchs) und insofern im Wesentlichen ausgeführt: § 162 Abs. 1 BGB verlange neben einem mindestens fahrlässigen treuwidrigen Verhalten eine Kausalität dieses Verhaltens für das Ausbleiben des Bedingungseintritts. Die Mehrheit des Schiedsgerichts sei der Auffassung (Rn. 106), „dass die Schiedskläger zur Erfüllung des Kausalitätserfordernisses nachweisen müssen, dass ‒, wenn die Schiedsbeklagte ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht verletzt hätte ‒ ein oder mehrere Milestone Events aller Wahrscheinlichkeit nach erreicht worden wären. Ob dies der Fall ist oder nicht, muss von diesem Schiedsgericht entschieden werden (,Prognoseentscheidung').“ Zusammenfassend hat das Schiedsgericht zu Beweislast und Beweismaß ausgeführt (Rn. 123; Hervorhebungen im Original), „dass gemäß § 162 Abs. 1 BGB die Schiedskläger die Beweislast dafür tragen, dass ein geltend gemachter Verstoß oder ein sonstiges relevantes Verhalten wider Treu und Glauben der Schiedsbeklagten den Eintritt eines oder mehrerer Milestone Events verhindert hat“, dass es also „ohne das relevante Verhalten wider Treu und Glauben […] zu einem oder mehreren Milestone Events im gewöhnlichen Verlauf der Dinge wahrscheinlich gekommen wäre“. Hinsichtlich des Umfangs der von der Antragstellerin aufgrund der Nr. 4.3 des SPA übernommenen Pflicht hat das Schiedsgericht die Auffassung vertreten, „dass, sobald eine klinische Studie der Phase 1,identifiziert' wurde, eine verbindliche Verpflichtung für die Schiedsbeklagte bestand, X das Notwendige zur Verfügung zu stellen, um einen XDB identifizieren zu können“ (Rn. 161). Zweck der Klausel sei es, „den Schiedsklägern eine faire Chance zu geben, dass die geplanten Milestone Events tatsächlich erreicht werden können, in den Worten der Schiedskläger: dass sie,zehn Schüsse aufs Torʼ haben“ (Rn. 162). Der Einwand der Antragstellerin, eine solche Auslegung sei mit Blick auf die Knappheit der Gewebeproben nicht sachgerecht, überzeuge nicht (Rn. 165); es hätte ausgereicht, X gescannte Bilder von gefärbten Gewebeobjektträgern bereitzustellen, nicht aber die physischen Gewebeobjektträger selbst, sodass der Schiedsbeklagten der Großteil der gesammelten Proben für andere Zwecke zur Verfügung gestanden hätte. „Darüber hinaus hätte, wenn überhaupt, die Frage, ob X eine ausreichende Anzahl von Gewebeproben zur Verfügung gestellt werden kann, im Rahmen der wirtschaftlich angemessenen Bemühungen der Schiedsbeklagten, geeignete klinische Studien der Phase 1 zu identifizieren, geprüft werden müssen.“ Eine Auslegung der Nr. 4.3 des SPA, welche die Verpflichtung der Schiedsbeklagten darauf beschränkt hätte, wirtschaftlich angemessene Bemühungen zu unternehmen, um zehn klinische Studien der Phase 1 zu identifizieren und einzuleiten, es dann aber in das Ermessen der Schiedsbeklagten gestellt hätte, ob und in welchem Umfang sie X die entsprechenden Studiendaten und Gewebeproben zur Verfügung stellt, würde den eigentlichen Sinn und Zweck der Klausel unterlaufen und wäre mit dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 157 BGB unvereinbar (Rn. 169). Jedoch sei die Schiedsbeklagte nur verpflichtet gewesen, „X mindestens eine Anzahl von abgeglichenen Datensätzen zur Verfügung zu stellen, die die eigenen Entscheidungsgremien der Schiedsbeklagten für notwendig erachtet hätten, um einen Biomarker für die vorausschauende Patientenselektion in einer klinischen Studie der Phase 2/3 zu verwenden, d. h. eine Anzahl, die groß genug ist, um Ergebnisse mit der erforderlichen statistischen Sicherheit zu erzielen“ (Rn. 170). Hinsichtlich der Frage, ob es vor der Verwendung eines Biomarkers zur vorausschauenden Patientenselektion „eine Validierungsanforderung oder eine andere weitere Anforderung“ gibt, hat das Schiedsgericht im Rahmen seiner allgemeinen Erörterungen (Rn. 200 bis 204) ausgeführt, ein Biomarker-Kandidat müsse vor diesem Einsatz „mindestens ein,gewisses Maß an' Validierung bestanden haben“, wobei es „keinen vorab festgelegten Schwellenwert“ gebe, sondern dieser vielmehr „im Einzelfall für jedes spezifische Arzneimittel-Entwicklungsprogramm festgelegt werden“ müsse (Rn. 201). Vor Verwendung eines Biomarkers zur vorausschauenden Patientenselektion sei „ein Vertrauensniveau erforderlich […] das von Fall zu Fall beurteilt werden muss“ und „durch eine separate Bestätigungsanalyse an einem unabhängigen Datensatz erreicht werden“ könne; diese könne aber auch „durch eine starke wissenschaftliche Hypothese ersetzt werden“ (Rn. 202). Die Antragstellerin sei mit Blick auf die vier von ihr identifizierten klinischen Studien der Phase 1 ihrer Pflicht aus Nr. 4.3 des SPA nicht nachgekommen, „X Daten zu Gewebeproben zumindest in einer Anzahl zur Verfügung zu stellen, die von den Entscheidungsgremien der Schiedsbeklagten selbst für die Verwendung eines Biomarkers zur vorausschauenden Patientenselektion in einer klinischen Studie der Phase 2/3 als erforderlich erachtet worden wären“ (Rn. 235). Einzelheiten müssten insoweit im Rahmen der Erörterung des jeweils geltend gemachten verhinderten Milestone Events bewertet werden (Rn. 236). Abgeschlossen hat das Schiedsgericht seine allgemeinen Erörterungen mit einer Auflistung von „weitere[n] Aspekte[n]“ für die Beurteilung der Kausalität (Rn. 245), sodann jedoch festgestellt (Rn. 246), „dass es schwierig ist, auf dieser allgemeinen Ebene Rückschlüsse auf das mögliche Eintreten von Milestone Events zu ziehen. Vielmehr müssen diese Aspekte und ihre Relevanz im Rahmen des Kausalitätserfordernisses für die von den Schiedsklägern geltend gemachten hypothetischen Milestone Events im Folgenden gesondert bewertet werden, soweit dies je nach dem Grad der Substantiierung und des Beweises hinsichtlich der einzelnen Kombinationen erforderlich und/oder möglich ist.“
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Im Anschluss an diese allgemeinen Ausführungen hat das Schiedsgericht speziell mit Blick auf die Medikamentenkombination 1 eine Pflichtverletzung der Antragstellerin bezüglich der Überlassung von Untersuchungsgrundlagen und deren Kausalität für das Ausbleiben eines Milestone Events erörtert und (nach Darlegung der Standpunkte der Parteien) bejaht (Rn. 269 bis 290). Zur Frage der Sorgfaltspflichtverletzung hat es unter anderem ausgeführt (Rn. 269 bis 282): Es sei unbestritten, dass X bezüglich der Studien C10 und C02 keine und von den in Studie C06 aufgenommenen 459 Patienten nur 61 abgeglichene Datensätze zur Verfügung gestellt worden seien (Rn. 271). Die begrenzten klinischen Ergebnisdaten aus der Studie C06 seien X erst im Juni 2016 zur Verfügung gestellt worden, etwa ein Jahr, „nachdem sie wahrscheinlich verfügbar geworden waren“, und „erst kurz vor der Sitzung des ab-Führungsteams am 8. August 2016, bei der die von X und dem [bei der Entwicklung von Biomarkern mit X konkurrierenden] Genexpressionsteam identifizierten Biomarker bewertet und verglichen wurden“. In diesem Zusammenhang gebe es auch „Hinweise auf eine Bevorzugung des Genexpressionsteams“ (Rn. 274). Das ab-Führungsteam, ein Entscheidungsgremium der Schiedsbeklagten, habe im August 2016 und im Oktober 2016 festgestellt, „dass zumindest die C06 Biomarker,vielversprechendʼ waren und zukünftig durch größere Datensätze bestätigt werden sollten“; trotz dieser Feststellungen habe X erst im August 2017 eine sehr begrenzte Anzahl (40) weiterer Gewebeproben und erst im September 2017 Ergebnisdaten von gerade einmal 32 Patienten zur Verfügung gestellt bekommen, wobei letztere zudem ungeeignet gewesen seien (Rn. 275 bis 278). „Insbesondere im Hinblick auf die IFNg Surrogat Biomarker“ hat das Schiedsgericht festgestellt, dass sie sich zwar nicht als besser erwiesen hätten als der bestehende PD-L1-Biomarker, AB jedoch bereit gewesen sei, ihre Entwicklung fortzusetzen und beabsichtigt habe, X Gewebeproben aus zwei großen Studien der Phase 3 (DANUBE und MYSTIC) zur weiteren Prüfung und Entwicklung zur Verfügung zu stellen; kurz nach Lieferung der Gewebeproben seien diese Versuche jedoch auf Eis gelegt worden, wodurch X keine weitere Möglichkeit mehr gehabt habe, einen ihrer Biomarker zu bestätigen (Rn. 280). Einer Aussage der bei der Antragstellerin beschäftigten Zeugin Dr. W zufolge hätten nur sehr wenige Menschen gewusst, was in einem Vertrag zwischen der Antragstellerin „und X“ enthalten sein könnte, was demzufolge für die Verteilung der Gewebeproben nicht ausschlaggebend gewesen sei; die Antragstellerin scheine deshalb ihre Entscheidungen ausschließlich nach eigenem Ermessen und ohne Rücksicht auf ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Antragsgegnern getroffen zu haben (Rn. 281).
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Nachdem für das Schiedsgericht auf dieser Grundlage feststand, dass die Antragstellerin ihre vertraglichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Kombination 1 verletzt hat, hat es zur „entscheidende[n] Frage“, ob die Schiedskläger ihrer „Beweislast“ hinsichtlich der Kausalität dieser Pflichtverletzung für das Ausbleiben eines Milestone Events genügen, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt (Rn. 284 bis 290): Aufgrund des Fehlverhaltens der Antragstellerin sei die Frage, ob es bei rechtzeitiger Überlassung ausreichend abgeglichener Datensätze für eine Bestätigungsanalyse tatsächlich möglich gewesen wäre, die bestehenden Biomarker (soweit überhaupt erforderlich) weiterzuentwickeln und zu bestätigen und/oder einen zusätzlichen Biomarker mit einem erforderlichen Sicherheitsniveau für die Verwendung in einer klinischen Studie der Phase 2/3 zu identifizieren, notwendigerweise hypothetisch und daher per se nicht mit Sicherheit zu beweisen (Rn. 285). Da der Pflichtverstoß der Antragstellerin die Fähigkeit der Antragsgegner, diesen Nachweis zu erbringen, beeinträchtigte, „wäre es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar, diese Beweisschwierigkeiten ausschließlich den Schiedsklägern entgegenzuhalten. […] Es wäre daher unangemessen, im vorliegenden Fall ein allzu strenges Beweismaß anzulegen“ (Rn. 286). „Auf der Grundlage der vorliegenden Beweise“ sei die Mehrheit des Schiedsgerichts davon überzeugt, dass ohne die Pflichtwidrigkeit der Antragstellerin „im gewöhnlichen Lauf der Dinge wahrscheinlich gewesen wäre“, dass X „einen oder mehrere seiner Biomarker weiter [bestätigt hätte], sodass von der Schiedsbeklagten billigerweise erwartet worden wäre, einen solchen bestätigten Biomarker für die vorausschauende Patientenselektion in einer der zahlreichen Studien der Phase 2/3 zur Untersuchung der Kombination Nr. 1 zu verwenden, welche innerhalb des Earn Out-Zeitraums eingeleitet wurden (wie die MYSTIC-Studie oder die C21-Studie)“ (Rn. 287). Zur Begründung dieser Annahme führte das Schiedsgericht aus (Rn. 288 und 289): Das Argument der Antragstellerin, dass ein DBB, um in MYSTIC verwendet zu werden, vor Start der Studie im Juli 2015 hätte einsatzbereit sein müssen, überzeuge nicht, da die Möglichkeit bestehe, einen Biomarker auch nach Beginn einer Studie einzusetzen, beispielsweise durch Hinzufügung eines zusätzlichen Studienarms; obwohl das ab-Führungsteam in seiner Sitzung am 8. August 2016 beschlossen habe, den Battlefield 5 Biomarker nicht in der MYSTIC-Studie einzusetzen, „hatte es darüber hinaus zunächst die Möglichkeit der Verwendung des Biomarkers für die Monotherapie in dieser Studie erörtert, was weiter zeigt, dass ein Biomarker auch nach Beginn der Studie eingesetzt werden kann“ (Rn. 288). „[M]indestens einer“ der von X entwickelten Biomarker für die Kombination 1 sei bereits im August 2016 von AB „als vielversprechend eingestuft“ worden, unter welchen Umständen es der Mehrheit des Schiedsgerichts gerechtfertigt erscheine, die erforderliche Wahrscheinlichkeit zu unterstellen bzw. anzunehmen (Original: „to assume“), „dass einer oder mehrere dieser Biomarker (wenn überhaupt notwendig) bis zum Erreichen des von der Schiedsbeklagten nun vorgeschlagenen Maßes an Zuverlässigkeit hätten weiterentwickelt werden können, wenn die Schiedsbeklagte X die erforderliche[n] größeren Datensätze gemäß der Empfehlung von AB zur Verfügung gestellt hätte“; X sei aufgrund der Verstöße der Antragstellerin „von Anfang an die Möglichkeit genommen, entsprechende Beweise zu erbringen, und diese unangemessene Einschränkung kann ihnen [i. e.: den Schiedsklägern] nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht zur Last gelegt werden“ (Rn. 289). Vor diesem Hintergrund „und unter analoger Berücksichtigung der Grundsätze des § 286 ZPO“ hat das Schiedsgericht in Bezug auf die Kombination 1 die treuwidrige Vereitelung eines Milestone Events durch die Antragstellerin bejaht und deshalb die Bedingung für eine Earn Out-Zahlung gemäß § 162 Abs. 1 BGB als erfüllt angesehen (Rn. 290).
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Die Antragstellerin hat den Schiedsspruch vom 20. Dezember 2023 am selben Tag als Vorabkopie per E-Mail erhalten.
14
Mit am selben Tag beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangenem Schriftsatz vom 20. März 2024 hat die Antragstellerin die Aufhebung des Schiedsspruchs in seinen Nummern 1 bis 4 vollständig und in seiner Nummer 5, soweit zu ihrem Nachteil entschieden wurde, beantragt. Zur, in Schriftsätzen vom 15. Juli 2024 und vom 30. Januar 2025 ergänzten und vertieften, Begründung hat sie im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
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Das Schiedsgericht habe den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör sowohl hinsichtlich der Annahme einer vertrags- oder treuwidrigen Pflichtverletzung als auch hinsichtlich deren Kausalität für das Ausbleiben eines Milestone Events innerhalb der Earn Out Period verletzt. Bezüglich der Annahme einer Pflichtverletzung habe das Schiedsgericht Vortrag und Beweisangebote zu für die Auslegung der Nr. 4.3 des SPA relevanten Aspekten, nämlich zur Historie der Vertragsverhandlungen und zu einer mit Blick auf die Knappheit von Gewebeproben bestehenden Industriepraxis, übergangen und deshalb eine absolute Pflicht der Antragstellerin angenommen, X Daten und Gewebeproben zu überlassen. Die vom Schiedsgericht bejahte Kausalität der von ihm angenommenen Pflichtverletzung für das Ausbleiben eines Milestone Events stütze sich auf das Verständnis des Schiedsgerichts vom Begriff „vielversprechend“; der Vortrag der Antragstellerin zur Bedeutung dieses Begriffs im Zusammenhang mit der Entwicklung von Biomarkern sei vom Schiedsgericht jedoch übergangen worden. Zudem habe es das Schiedsgericht trotz Fehlens eigener Sachkunde unterlassen, sich mit den Ausführungen der Parteisachverständigen, Professor E (Antragsgegner) und Dr. S (Antragstellerin) zur Frage der Wahrscheinlichkeit eines Milestone Events auseinanderzusetzen. Es fehle an jeder positiven Begründung der Kausalität. Hinsichtlich der Annahme der Kausalität sei der Schiedsspruch zudem eine Überraschungsentscheidung und de facto eine Billigkeitsentscheidung; er verfehle insoweit die an die Begründung eines Schiedsspruchs zu stellenden Mindestanforderungen. Bei einer Gesamtschau der gravierenden Verstöße verfestige sich der Eindruck, dass der Schiedsspruch einer Willkürentscheidung gleichkomme.
16
Die Antragstellerin beantragt,
Der in dem DIS-Schiedsverfahren (Az.: DIS-SV-2020-00397) durch das Schiedsgericht bestehend aus dem Schiedsrichter A als Vorsitzenden und den Schiedsrichtern B und C als Beisitzer am 20. Dezember 2023 erlassene Schiedsspruch wird in seinen Ziffern 1.-4. vollständig und in seiner Ziffer 5., soweit zum Nachteil der Antragstellerin entschieden wurde, aufgehoben.
17
Die Antragsgegner beantragen,
1. Der Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung des in dem DIS-Schiedsverfahren (Az.: DIS-SV-2020-00397) durch das Schiedsgericht bestehend aus dem Schiedsrichter A als Vorsitzenden und den Schiedsrichtern B und C als Beisitzer am 20. Dezember 2023 erlassenen Schiedsspruchs (gemäß Schriftsatz der Antragstellerin vom 20. März 2024) wird zurückgewiesen.
Hilfsweise für den Fall, dass der Senat dem Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung des Schiedsspruchs vom 20. Dezember 2023 ganz oder teilweise stattgeben sollte, wird beantragt, den Fall an das Schiedsgericht bestehend aus dem Schiedsrichter A als Vorsitzenden und den Schiedsrichtern B und C als Beisitzer zurückzuverweisen.
2. Der in dem DIS-Schiedsverfahren (Az.: DIS-SV-2020-00397) durch das Schiedsgericht bestehend aus dem Schiedsrichter A als Vorsitzenden und den Schiedsrichtern B und C als Beisitzer am 20. Dezember 2023 erlassene Schiedsspruch wird in seinen Ziffern 1 und 2 für vollstreckbar erklärt.
18
Die Antragstellerin ist den Anträgen der Antragsgegner entgegengetreten und beantragt insoweit:
1. Der Hilfsantrag der Antragsgegner, den Fall an das Schiedsgericht bestehend aus dem Schiedsrichter A als Vorsitzenden und den Schiedsrichtern B und C als Beisitzer zurückzuverweisen, wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag, der in dem DIS-Schiedsverfahren (Az.: DIS-SV-2020-00397) durch das Schiedsgericht bestehend aus dem Schiedsrichter A als Vorsitzenden und den Schiedsrichtern B und C als Beisitzer am 20. Dezember 2023 erlassene Schiedsspruch in seinen Ziffern 1 und 2 für vollstreckbar zu erklären, wird abgewiesen.
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Die Antragsgegner vertreten in ihren Schriftsätzen vom 10. Juni und vom 22. Dezember 2024 den Standpunkt, der Vortrag der Antragstellerin hinsichtlich einer Pflichtverletzung sei weder mit Blick auf den Aspekt der Historie der Vertragsverhandlungen noch mit Blick auf eine Knappheit der Gewebeproben deren Kernvorbringen, sodass ein ‒ ohnehin nicht gegebenes ‒ Übergehen dieses Vortrags den Vorwurf einer Gehörsverletzung von vornherein nicht begründen könne. Das Schiedsgericht habe im Zusammenhang mit der von der Antragstellerin ins Feld geführten Knappheit der Gewebeproben unter Einbeziehung auch der Entstehungsgeschichte Ausführungen gemacht. Es habe außerdem die von der Antragstellerin gewünschte Auslegung mit dem Argument zurückgewiesen, die Frage, ob X eine ausreichende Anzahl von Gewebeproben zur Verfügung gestellt werden kann, hätte, wenn überhaupt, im Rahmen der wirtschaftlich angemessenen Bemühungen der Schiedsbeklagten, geeignete klinische Studien der Phase 1 zu identifizieren, geprüft werden müssen. Dieses (vom Schiedsgericht angenommene) Auswahlermessen stelle gerade sicher, dass die Antragstellerin nicht durch eine absolute Pflicht gebunden sei. Dass aus der in Ausübung des Ermessens getroffenen Auswahlentscheidung hinsichtlich der zur Entwicklung von Biomarkern durch X bestimmten Studien (auch absolute) Pflichten erwachsen könnten, sei eine ganz andere Frage, zu der die Antragstellerin nicht konkret vorgetragen habe. Die Beschränkung auf zehn Studien sei ein vereinbarter Kompromiss, der das Interesse der Antragstellerin an Flexibilität für den Rest ihres Portfolios habe sichern und den Antragsgegnern gleichzeitig eine faire Chance auf die Erreichung der drei Milestone Events habe gewähren sollen. Der (angeblich übergangene) Vortrag der Antragstellerin, sie habe in den Vertragsverhandlungen die Eingehung einer absoluten Verpflichtung stets abgelehnt, habe keinen spezifischen Bezug zum Wortlaut der Klausel 4.3 des SPA in seiner vereinbarten Fassung und besage dementsprechend nichts zu der Frage, ob es ein Auswahlermessen nur bezüglich der zehn Studien oder auch ‒ nach der getroffenen Auswahl ‒ bezüglich der Überlassung von Datensets aus diesen Studien habe geben sollen. Die von der Antragstellerin in Bezug genommenen, von ihr während der Vertragsverhandlungen abgelehnten Vorschläge der Antragsgegner hätten mit der schließlich vereinbarten Fassung der Nr. 4.3 des SPA nichts zu tun. Der gesamte angeblich übergangene Vortrag betreffe die allein maßgebliche Frage, ob die Antragstellerin nach Identifizierung einer Studie im Sinne der Nr. 4.3 des SPA zur Überlassung und/oder Gewebeproben verpflichtet war, gar nicht. Der Vortrag der Antragstellerin zu einem Industriestandard mit Blick auf die Knappheit von Gewebeproben beziehe sich auf die Frage, ob Pharmaunternehmen üblicherweise alle verfügbaren Gewebeproben an einen einzigen Biomarker-Entwickler weitergeben. In diesem Punkt habe das Schiedsgericht der Antragstellerin aber ausdrücklich Recht gegeben und die Antragstellerin mit Blick auf den beabsichtigten Zweck der Nr. 4.3 des SPA nur als verpflichtet angesehen, X mindestens eine Anzahl von abgeglichenen Datensätzen zur Verfügung zu stellen, die die eigenen Entscheidungsgremien der Schiedsbeklagten für notwendig erachtet hätten, um einen Biomarker für die vorausschauende Patientenselektion in einer klinischen Studie der Phase 2/3 zu verwenden. Dass es einen Industriestandard geben solle, wonach ein Pharmaunternehmen sich nicht zur Übergabe von Datensets aus konkreten identifizierten Studien verpflichten könnte, habe auch die Antragstellerin nicht behauptet. Die von der Antragstellerin behauptete Unmöglichkeit, X Scans von eingefärbten Proben, diese selbst aber einem anderen Entwickler zu überlassen, sei in dieser Allgemeinheit unzutreffend, was das Schiedsgericht in Randnummer 165 des Schiedsspruchs durch Bezugnahme auf den Vortrag der Antragsgegner (Rn. 145 des Schiedsspruchs) gesehen habe. Zudem habe das Schiedsgericht in diesem Zusammenhang auf die Aussage des Zeugen Dr. R verwiesen, wonach XDB weniger Gewebeschnitte benötigten als Genexpressions-Biomarker; sie dienten gerade dazu, dem Problem der Gewebeprobenknappheit zu begegnen.
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Hinsichtlich der vom Schiedsgericht angenommenen Kausalität der Pflichtverletzung für das Ausbleiben eines Milestone Events treten die Antragsgegner der Auffassung der Antragstellerin entgegen, das Schiedsgericht habe seine Auffassung nur in zwei Absätzen (Rn. 288 f. des Schiedsspruchs) begründet. Die einzelnen von der Antragstellerin herausgegriffenen Argumente und Beweismittel seien nach dem Rechtsstandpunkt des Schiedsgerichts nicht entscheidungserheblich; sie stellten auch kein Kernvorbringen dar. Die Ausführungen des Schiedsgerichts zur Kausalität seien in sich stimmig und genügten den an einen Schiedsspruch zu stellenden Begründungsanforderungen. Die Entscheidung zur Kausalität sei auch weder überraschend noch ausschließlich auf Billigkeitserwägungen gestützt.
21
Der Senat hat die mit Beschluss vom 6. Dezember 2024 angeordnete mündliche Verhandlung am 14. Februar 2025 durchgeführt. Auf das Sitzungsprotokoll und die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung haben sich sowohl die Antragsgegner als auch die Antragstellerin in (hinsichtlich neuen Sachvortrags nicht nachgelassenen) Schriftsätzen vom 4. März 2025 bzw. vom 10. März 2025, auf die ebenfalls Bezug genommen wird, geäußert.
B.
22
I. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 1025 Abs. 1, § 1043 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 Satz 1 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu und § 3 Nr. 49 DelV zur Entscheidung über die gestellten Anträge zuständig, weil der vertraglich vereinbarte Schiedsort M. ist (Nr. 1.2 Satz 1 der Schiedsvereinbarung [Anlage ASt 6]) und damit in Bayern liegt.
23
II. Der auf die Nummern 1 und 2 des Tenors beschränkte Antrag der Antragsgegner auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist zulässig; die erforderliche Teil- und Abgrenzbarkeit ist gegeben (vgl. BayObLG, Beschluss vom 22. Januar 2024, 101 Sch 172/23 e, juris Rn. 29; s. auch BGH, Beschluss vom 26. Juni 2020, I ZB 108/19, SchiedsVZ 2021, 341 Rn. 9 [zur Möglichkeit eines Teilaufhebungsantrags]; BayObLG, Beschluss vom 13. Dezember 2023, 101 Sch 112/22, juris Rn. 141 [zur Möglichkeit einer Beschränkung der Vollstreckbarerklärung auf Teile des Schiedsspruchs]). Wegen Vorliegens von Aufhebungsgründen im Sinne des § 1059 Abs. 2 ZPO ist der Antrag aber in der Sache erfolglos und deshalb (unter Aufhebung des Schiedsspruchs) abzulehnen (§ 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO)
24
1. Der Schiedsspruch verletzt die Antragstellerin in ihrem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 91 Abs. 1 BV, § 1042 Abs. 1 Satz 2 ZPO), weshalb der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) ZPO (Verstoß gegen den [hier: verfahrensrechtlichen] ordre public) gegeben ist.
25
a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist Bestandteil des (verfahrensrechtlichen) ordre public (BGH, Beschluss vom 21. April 2022, I ZB 36/21, WM 2023, 1144 Rn. 14 m. w. N.; BayObLG, Beschluss vom 13. Dezember 2023, 101 Sch 112/22, juris Rn. 148; Beschluss vom 17. Mai 2023, 102 Sch 44/22, juris Rn. 51). Für die Beurteilung der Frage, ob ein Schiedsgericht den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör verletzt hat, sind dieselben Maßstäbe anzulegen wie bei einem staatlichen Gericht (vgl. BGH, Beschl. v. 26. November 2020, I ZB 11/20, IHR 2023, 96 Rn. 23 m. w. N.; BayObLG, Beschluss vom 13. Dezember 2023, 101 Sch 112/22, juris Rn. 148; Beschluss vom 17. Mai 2023, 102 Sch 44/22, juris Rn. 52).
26
Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht insbesondere, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Er ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Vorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen, wenn ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden soll, im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BGH WM 2023, 1144 Rn. 19 unter Verweis auf BVerfGE 65, 293 [juris Rn. 11]; BVerfGE 70, 288 [juris Rn. 16]; BVerfGE 86, 133 [juris Rn. 39]; BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 2021, 1 BvR 242/21, juris Rn. 6). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BGH, a. a. O. unter Verweis auf BVerfGE 47, 182 [juris Rn. 21]; BVerfGE 86, 133 [juris Rn. 39]; BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 2021, 1 BvR 242/21, juris Rn. 6).
27
Dabei kann weder die schlichte Auflistung von Schriftsätzen noch die Wiedergabe eines Vorbringens als Parteivortrag die gebotene inhaltliche Auseinandersetzung mit dem wesentlichen Kern des Vorbringens einer Partei, das eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft, in den Gründen eines Schiedsspruchs ersetzen (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2019, I ZB 90/18, WM 2019, 1973 Rn. 19). Von einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist ferner dann auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht; setzt sich das Gericht mit dem Parteivortrag nicht inhaltlich auseinander, sondern mit Leerformeln über diesen hinweg, ist das im Hinblick auf die Anforderungen aus dem Verfahrensgrundrecht nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Vortrags (BGH, Beschluss vom 7. Juni 2018, I ZB 70/17, WM 2018, 1556 Rn. 6).
28
Entscheidungserheblich ist eine Gehörsverletzung, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Schiedsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (BGH WM 2023, 1144 Rn. 20 m. w. N.).
29
b) An diesen Vorgaben gemessen, verletzt der Schiedsspruch den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör sowohl mit Blick auf die Annahme einer Pflichtverletzung (dazu sogleich unter Doppelbuchst. aa]) als auch mit Blick auf deren Kausalität für das Ausbleiben eines Milestone Events (dazu unter Doppelbuchst. bb]).
30
aa) Hinsichtlich der Annahme, die Antragstellerin habe ihre vertraglichen Pflichten dadurch verletzt, dass sie X nicht in hinreichendem Umfang zur Entwicklung eines XDB Gewebeproben und klinischen Daten aus die Medikamentenkombination 1 betreffenden identifizierten klinischen Studien der Phase 1 überlassen habe, rügt die Antragstellerin, die diesem Verständnis zugrunde liegende Auslegung der Nr. 4.3 des SPA berücksichtige weder den Vortrag der Antragstellerin zur Historie der Vertragsverhandlungen noch ihren Vortrag zum Bestehen einer maßgeblichen Industriepraxis, insbesondere mit Blick auf die generelle Knappheit von Gewebeproben (Stichwort: „Tissue is the issue.“).
31
(1) Mit Blick auf den Vortrag der Antragstellerin zur Historie der Vertragsverhandlungen und ihre Bedeutung für die Auslegung der Nr. 4.3 des SPA ist eine Verletzung des Rechts der Antragstellerin auf rechtliches Gehör durch das Schiedsgericht nicht festzustellen.
32
(a) Die Antragstellerin trägt insoweit im Wesentlichen vor, das Schiedsgericht berücksichtige bei seiner Auslegung nicht, dass die Antragstellerin in den Vertragsverhandlungen mehrere Versuche der Antragsgegner, absolute oder abstrakte (also nicht unter dem Vorbehalt wirtschaftlich angemessener Bemühungen stehende) Verpflichtungen der Antragstellerin mit Blick auf die Überlassung von Gewebeproben zu etablieren, stets zurückgewiesen habe, was die Verkäufer auch verstanden und akzeptiert hätten. Letzteres habe einer der Antragsgegner (Dr. G. M.) in seinem Kreuzverhör dezidiert bestätigt, indem er das drohende Scheitern des Vertrages als Grund für seine Aussage bezeichnet hat, das letzte Angebot der Antragstellerin solle „nicht mehr angefasst“ werden. Zu dieser Thematik habe die Antragstellerin unter Beweisantritt (Zeugenbeweis ihrer Verhandlungsführerin, der Anwältin K) ausführlich vorgetragen. Dennoch nehme der Schiedsspruch zu ihren Aussagen nicht Stellung und lasse den gesamten Inhalt der Vertragshistorie unberücksichtigt. Auf den (wiedergegebenen) Vortrag der Antragstellerin sei das Schiedsgericht in keiner Weise mehr eingegangen; es habe „den Begriff Vertragsverhandlung lediglich als Leerformel erwähnt […]“.
33
(b) Richtig ist, dass das Schiedsgericht zwar (in Rn. 164 des Schiedsspruchs) den „Verhandlungsverlauf“ als einen bei der Vertragsauslegung zu berücksichtigenden Aspekt benennt, sich aber nicht explizit mit dem wiedergegebenen Vortrag der Antragstellerin auseinandersetzt. Dennoch ist nicht festzustellen, dass das Schiedsgericht den Vortrag der Antragstellerin, in den Vertragsverhandlungen das Eingehen absoluter Verpflichtungen im Hinblick auf die Überlassung von Gewebeproben und klinischen Daten stets abgelehnt zu haben, übergangen hätte.
34
(aa) Die von der Antragstellerin ins Feld geführten Zurückweisungen bezogen sich nicht auf die Nr. 4.3 des SPA, sondern auf Vorschläge der Antragsgegner im Rahmen der Vertragsverhandlungen, die zulasten der Antragstellerin weitergingen als die schließlich vereinbarte Klausel 4.3 (vgl. hierzu die Antragserwiderung vom 10. Juni 2024, Rn. 93 bis 95).
35
(bb) Das Schiedsgericht hat den Vortrag der Antragstellerin, keine absoluten Verpflichtungen akzeptiert zu haben, nicht übersehen oder übergangen, sondern die Auffassung vertreten, die Frage der hinreichenden Verfügbarkeit von Gewebeproben hätte gegebenenfalls im Rahmen der Auswahl der zehn Studien berücksichtigt werden müssen (Rn. 165 des Schiedsspruchs). Hinsichtlich der Identifizierung dieser Studien unterlag die Antragstellerin jedoch (entsprechend ihrem Vortrag zu ihrer Positionierung in den Vertragsverhandlungen) keiner absoluten Verpflichtung; vielmehr war sie insoweit nur zu wirtschaftlich angemessenen Bemühungen („commercially reasonable efforts“) verpflichtet, und Nr. 4.3 des SPA trifft ausdrücklich Vorkehrungen für den Fall, dass es (in Anwendung der allein geschuldeten wirtschaftlich angemessenen Bemühungen) nicht einmal zur Einleitung der zehn Studien kommt. Das Schiedsgericht hat damit den Vortrag der Antragstellerin nicht übergangen, sondern gerade auf der Grundlage argumentiert, dass die Antragstellerin ‒ bis zur Identifizierung einer Studie, die nach den Ausführungen des Schiedsgerichts auch vom Vorhandensein einer hinreichenden Zahl von Gewebeproben und klinischen Daten abhängig gemacht werden konnte ‒ gerade keiner absoluten Verpflichtung unterlag.
36
Eine andere Frage ist es, ob die Annahme des Schiedsgerichts, die Knappheit von Gewebeproben hätte bei der Identifizierung einer Studie im Rahmen wirtschaftlich vernünftiger Bemühungen berücksichtigt werden können, auf der Übergehung diesbezüglichen Vortrags beruht (vgl. dazu sogleich zu [2]).
37
(2) Zutreffend ist hingegen die Rüge der Antragstellerin, das Schiedsgericht habe im Rahmen der Auslegung der Nr. 4.3 des SPA ihren Vortrag zu einer bestehenden maßgeblichen Industriepraxis mit Blick auf die generelle Knappheit von Gewebeproben in entscheidungserheblicher Weise übergangen.
38
(a) Das Schiedsgericht hat insoweit (Rn. 165 des Schiedsspruchs) zum einen argumentiert, es sei nicht von dem antragstellerseits behaupteten Mangel an Gewebeproben überzeugt, da es nach dem Vortrag der Antragsgegner ausgereicht hätte, „X gescannte Bilder von gefärbten Gewebeobjektträgern bereitzustellen, nicht aber die physischen Gewebeobjektträger, sodass der Schiedsbeklagten der Großteil der gesammelten Proben für andere Zwecke zur Verfügung stand“; in diesem Zusammenhang habe der (bei der Antragstellerin tätige) Dr. R darauf hingewiesen, dass ein Vorteil des von X entwickelten IFNg Surrogat Biomarkers (eines Immunhistochemiebiomarkers) gegenüber einem mRNA-Biomarker darin bestehe, dass er eine geringere Anzahl von Gewebeschnitten für den Test erfordere (vgl. Anlage ASt 34a Rn. 78). Zum anderen („Darüber hinaus“) hätte nach der Auffassung des Schiedsgerichts, „wenn überhaupt, die Frage, ob X eine ausreichende Anzahl von Gewebeproben zur Verfügung gestellt werden kann, im Rahmen der wirtschaftlich angemessenen Bemühungen der Schiedsbeklagten, geeignete klinische Studien der Phase 1 zu identifizieren, geprüft werden müssen.“
39
(b) Bezüglich beider Aspekte hat die Antragstellerin eine Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör aufgezeigt.
40
(aa) Die Antragstellerin hat im Schiedsverfahren vorgetragen, dass es entgegen den Ausführungen des Schiedsgerichts nicht möglich gewesen wäre, X das Bild einer Gewebeprobe, diese selbst aber einem anderen Biomarkerentwickler zur Verfügung zu stellen, da die Probe vor dem Scan speziell für die X-Technologie aufbereitet werden müsse, wodurch sie für andere Entwickler unbrauchbar werde (vgl. Schiedsklageerwiderung [Anlage ASt 2] Rn. 358 [übersetzt nur von den Antragsgegnern in deren Anlage ASt_2_Ergänzende Übersetzung]; schriftliche Zeugenaussage Dr. W vom 6. August 2021 [Anlage ASt 12] Rn. 53-56).
41
Mit diesem Vortrag hat sich das Schiedsgericht vor seiner Verneinung einer Gewebeprobenknappheit nicht auseinandergesetzt. Daran ändert auch der Hinweis auf die wiedergegebene Aussage des (bei der Antragstellerin tätigen) Zeugen Dr. R nichts, die auf die Frage einer doppelten Verwendbarkeit einer Gewebeprobe im dargelegten Sinne nicht eingeht. Die erforderliche Auseinandersetzung lässt sich entgegen der Auffassung der Antragsgegner (Rn. 80 der Antragserwiderung) auch nicht darin sehen, dass das Schiedsgericht in Rn. 165 des Schiedsspruchs zustimmend den in Rn. 145 des Schiedsspruchs wiedergegebenen Vortrag der Antragsgegner in Bezug genommen hätte. Eine solche Inbezugnahme lässt sich Randnummer 165 des Schiedsspruchs nicht entnehmen.
42
Entgegen den Ausführungen der Antragsgegner gehört das Vorbringen der Antragstellerin zur Gewebeprobenknappheit auch zu deren Kernvortrag. Auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Schiedsgerichts stellen sich lediglich zwei zentrale Fragen, nämlich die nach dem Umfang der (durch Auslegung zu ermittelnden) Pflichten der Antragstellerin aus Nr. 4.3 des SPA und die nach der Kausalität einer Verletzung dieser Pflichten für das Ausbleiben eines Milestone Events. Vorbringen der Antragstellerin dazu, dass das (bekannte) Problem der Gewebeprobenknappheit einer weiten Auslegung der Nr. 4.3 des SPA zu ihren Lasten entgegenstehe, ist daher in dem Sinne zentral, dass ein Eingehen des Schiedsgerichts darauf nach den oben dargelegten Maßstäben zu erwarten gewesen wäre. Das Schiedsgericht hat auch selbst zu erkennen gegeben, dass es eine etwa gegebene Gewebeprobenknappheit als jedenfalls potentiell relevant für die Auslegung der Nr. 4.3 des SPA ansieht; ansonsten hätte es nahegelegen, die Relevanz dieses Aspekts insgesamt zu verneinen, statt das Argument der Antragstellerin (ohne Auseinandersetzung mit ihrem Vortrag) in der Sache zurückzuweisen.
43
(bb) Auch bezüglich des zweiten oben wiedergegebenen Arguments zur Zurückweisung der Gewebeprobenknappheit, auf dessen selbständigen Charakter die Antragsgegner auch in der mündlichen Verhandlung noch einmal hingewiesen haben, ist eine Gehörsverletzung zulasten der Antragstellerin festzustellen.
44
Der vom Schiedsgericht vertretenen Auffassung, die Frage einer Knappheit von Gewebeproben hätte, „wenn überhaupt, im Rahmen der wirtschaftlich angemessenen Bemühungen […] geeignete klinische Studien der Phase 1 zu identifizieren, geprüft werden müssen“, ist die Antragstellerin, wie sie zu Recht geltend macht (vgl. Rn. 49 der Replik zu [iv] und Rn. 50), im Schiedsverfahren auch mit dem Argument entgegengetreten, dass sich im Zeitpunkt der Auswahl einer Studie der Phase 1 nicht sicher sagen lasse, ob überhaupt hinreichend viele geeignete Gewebeproben gewonnen werden können. Dies hat die Antragstellerin in ihrem Post-Hearing-Brief vom 22. Juni 2023 (Anlage ASt 4, Rn. 159) unter Verweis auf Äußerungen ihres Sachverständigen Dr. S in der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2023 (Anlage ASt 10, S. 9, und Anlage ASt 7a, S. 18, Zeilen 2 bis 13) geltend gemacht. Mit diesem (ebenfalls zu ihrem Kernvortrag gehörenden) Vorbringen der Antragstellerin hat sich das Schiedsgericht jedoch nicht auseinandergesetzt.
45
(c) Jedenfalls in ihrer Kombination sind diese Gehörsverletzungen im oben dargelegten Sinne entscheidungserheblich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Schiedsgericht hinsichtlich des Umfangs der Verpflichtung der Antragstellerin aus Nr. 4.3 des SPA zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn es den Vortrag der Antragstellerin zur Unmöglichkeit sowohl der doppelten Verwendung einer Gewebeprobe als auch der Gewissheit vom Vorhandensein hinreichend vieler Gewebeproben bei Auswahl einer klinischen Studie der Phase 1 zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hätte. Der Hinweis der Antragsgegner darauf, dass das Schiedsgericht (Rn. 170 des Schiedsspruchs) die Antragstellerin nur als verpflichtet angesehen habe, X so viele Datensätze zur Verfügung zu stellen, wie die eigenen Entscheidungsgremien für erforderlich erachtet hätten (vgl. Rn. 87 der Antragserwiderung), ändert an der Entscheidungserheblichkeit nichts. Legt man den übergangenen Vortrag der Antragstellerin zugrunde, folgt aus der Erforderlichkeit einer bestimmten Zahl von Gewebeproben und Daten nach Auffassung der Entscheidungsgremien der Antragstellerin nämlich nicht, dass diese auch ‒ im Zeitpunkt der Auswahl der Studie absehbar ‒ tatsächlich vorhanden sind. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass das Schiedsgericht in Anbetracht des Vortrags der Antragstellerin zu einem anderen Verständnis der ihr gemäß Nr. 4.3 des SPA obliegenden Verpflichtung gekommen wäre.
46
Dem lässt sich nicht mit den Antragsgegnern (Rn. 32 des Schriftsatzes vom 4. März 2025) entgegenhalten, dass jedenfalls mit Blick auf die Medikamentenkombination 1 tatsächlich genügend Proben und Daten vorhanden gewesen seien; denn diese Ausführungen zur Frage, was in einer konkreten Studie zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Abschluss des SPA tatsächlich vorhanden war, sind für die Frage, wie Nr. 4.3 des SPA auszulegen ist, ohne Belang. Gleiches gilt bezüglich des Hinweises der Antragsgegner (Rn. 33 bis 35 des Schriftsatzes vom 4. März 2025), das Schiedsgericht habe seine Annahme einer Pflichtverletzung selbständig tragend (auch) darauf gestützt, dass die eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen gemäß der von der Antragstellerin benannten Zeugin Dr. W für die Verteilung der Gewebeproben nicht ausschlaggebend gewesen seien. Die zitierten Ausführungen des Schiedsgerichts (Rn. 281 des Schiedsspruchs) betreffen erkennbar die Frage, ob die Pflicht verletzt wurde, nicht die hier diskutierte Frage, ob Vortrag dazu, wie Nr. 4.3 des SPA auszulegen und die darin eingegangene Pflicht zu verstehen sei, übergangen wurde.
47
bb) Auch hinsichtlich der Annahme des Schiedsgerichts, die von ihm bejahte treuwidrige Pflichtverletzung sei im Sinne des § 162 Abs. 1 BGB kausal für das Ausbleiben eines Milestone Events, rügt die Antragstellerin zu Recht eine entscheidungserhebliche Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör.
48
(1) Wie oben wiedergegeben, hat das Schiedsgericht mit Blick auf § 162 Abs. 1 BGB den ‒ wegen des Verbots der révision au fond (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2023, I ZB 37/23, WM 2024, 370 Rn. 49) nicht auf seine materielle Richtigkeit zu überprüfenden ‒ Maßstab aufgestellt, dass den Antragsgegnern die Beweislast dafür obliegt, dass ohne das vom Schiedsgericht angenommene treuwidrige Verhalten der Eintritt eines Milestone Events nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wahrscheinlich gewesen wäre. Diesen Maßstab hat das Schiedsgericht mehrfach bekräftigt und (in einem Fall auch durch Verwendung von Fett- und Kursivdruck) herausgestellt (vgl. Rn. 107, 119, 121, 123, 245 und 287 des Schiedsspruchs).
49
Zwar hat das Schiedsgericht (Rn. 113 des Schiedsspruchs mit Fußnote 142) in diesem Zusammenhang ein Urteil des Reichsgerichts vom 17. Juni 1907 (Rep. I. 495/06, RGZ 66, 222 [226]) wie folgt (teilweise abweichend vom Original; Hervorhebung im Schiedsspruch) zitiert: „Es kommt aber noch Folgendes in Betracht. Soll ein bestimmtes Handeln als Ursache des Ausfalls einer Bedingung gedacht werden, und steht nur fest, dass ohne das Handeln die Bedingung hätte eintreten können, nicht dass sie dann eingetreten wäre, so muss zumindest die Sache so liegen, dass infolge des Handels [!] die Bedingung nicht mehr eintreten kann. […] Das Eintreten der Bedingung muss verhindert worden sein; es reicht nicht aus, wenn es erschwert wurde. Hat der Verpflichtete lediglich die Umstände des Eintritts der Bedingung in eine für den Gegner ungünstige Richtung beeinflusst, so entfällt die Fiktion des Eintritts der Bedingung.“ Diese Urteilspassage hat das Schiedsgericht (Rn. 113 des Schiedsspruchs) so verstanden, dass das Reichsgericht „zwischen Szenarien unterschieden [habe], in denen einerseits die Erreichung der Bedingung unmöglich gemacht wurde, die Bedingung also,verhindert' wurde, und Szenarien andererseits, in denen die Erreichung erschwert wurde, d.h. die Erreichung der Bedingung war lediglich,erschwert' (,Verhinderung' gegenüber,Erschwerung'). Das Gericht entschied, dass die bloße Möglichkeit, dass die Bedingung eingetreten sein könnte, nur ‒, aber immer noch ‒ in einem Fall ausreicht, in dem die ungerechtfertigte Handlung das Erreichen der Bedingung völlig unmöglich machte“.
50
Das Schiedsgericht hat diese wiedergegebenen Überlegungen aber nicht zum Anlass genommen, die Antragsgegner nur insoweit als beweisbelastet anzusehen, als sie die bloße Möglichkeit nachweisen müssten, dass es ohne das treuwidrige Verhalten der Antragstellerin innerhalb der Earn Out Period zum Einsatz eines XDB zur vorausschauenden Patientenselektion in einer klinischen Studie der Phase 2 oder 3 gekommen wäre bzw. redlicherweise hätte kommen müssen, weil das treuwidrige Verhalten der Antragstellerin diesen Bedingungseintritt völlig unmöglich gemacht hätte. Es hat vielmehr auch bei der Diskussion der erforderlichen hypothetischen Kausalität gerade im Zusammenhang mit der Medikamentenkombination 1 an der „Beweislast“ (Rn. 283 des Schiedsspruchs) der Antragsgegner dafür festgehalten, dass ein Milestone Event „im gewöhnlichen Lauf der Dinge wahrscheinlich gewesen wäre“ (Rn. 287 des Schiedsspruchs).
51
Als Folge der erheblichen Behinderung müsse „die Frage notwendigerweise hypothetisch bleiben, ob X letztendlich in der Lage gewesen wäre, einen oder mehrere seiner Biomarker weiter zu bestätigen“ (Rn. 287 des Schiedsspruchs); erforderlich sei eine „Prognoseentscheidung“ des Schiedsgerichts (Rn. 106 des Schiedsspruchs).
52
(2) Wie die Antragstellerin zu Recht geltend macht, hat das Schiedsgericht seine Annahme eines Kausalitätsnachweises allein in den Randnummern 288 und 289 des Schiedsspruchs abgehandelt und darauf gestützt, dass „X tatsächlich mehrere Biomarker für die Kombination Nr. 1 entwickelt [hatte], von denen mindestens einer bereits im August 2016 von AB als vielversprechend eingestuft wurde“ (Rn. 289 des Schiedsspruchs). „Unter diesen Umständen“ erschien es der Mehrheit des Schiedsgerichts „gerechtfertigt, die erforderliche Wahrscheinlichkeit zu unterstellen [bzw. anzunehmen; Original: „to assume“], dass einer oder mehrere dieser Biomarker (wenn überhaupt notwendig) bis zum Erreichen des von der Schiedsbeklagten nun vorgeschlagenen Maßes an Zuverlässigkeit hätten weiterentwickelt werden können, wenn die Schiedsbeklagte X die erforderlichen größeren Datensätze gemäß der Empfehlung von AB zur Verfügung gestellt hätte“ (Rn. 289 des Schiedsspruchs).
53
Der Hinweis der Antragsgegner darauf, dass die Ausführungen des Schiedsgerichts zum Vorbringen der Parteien zur Kausalität im Schiedsspruch keineswegs nur zwei Absätze umfassten (vgl. Rn. 101 ff. der Antragserwiderung), ändert nichts daran, dass das Schiedsgericht seine Annahme vom Gegebensein der erforderlichen Kausalität hinsichtlich der Medikamentenkombination 1 nur in den Randnummern 288 f. des Schiedsspruchs begründet hat. Insbesondere ist es unbehelflich, dass die Antragsgegner (vgl. Rn. 111 ff. der Antragserwiderung) einen Zusammenhang zwischen den Ausführungen des Schiedsgerichts zur Pflichtverletzung und denen zur Kausalität herstellen wollen. Nach dem vom Schiedsgericht vorgegebenen rechtlichen Maßstab war zusätzlich zur treuwidrigen Pflichtverletzung deren Kausalität für das Ausbleiben eines Milestone Events erforderlich, welche die Antragsgegner nach dem dargelegten Beweismaß („im gewöhnlichen Lauf der Dinge wahrscheinlich“) zu beweisen hatten. Dann ist es aber nicht möglich, aus der Annahme einer Pflichtverletzung, ihrem Ausmaß oder ihren Umständen Schlussfolgerungen für die Kausalität zu ziehen; diese ist dann vielmehr, wie die Antragstellerin (vgl. Rn. 69 der Replik) zu Recht geltend macht, selbständig positiv zu begründen, und diese Begründung erfolgt ausschließlich in den Randnummern 288 f. des Schiedsspruchs.
54
(3) Da somit die zitierte Einschätzung, dass „einer oder mehrere“ der Biomarkerkandidaten von X ohne das treuwidrige Verhalten der Antragstellerin wahrscheinlich „bis zum Erreichen des von der Schiedsbeklagten nun vorgeschlagenen Maßes an Zuverlässigkeit hätten weiterentwickelt werden können“, nach den Darlegungen des Schiedsgerichts darauf fußt, dass „mindestens einer [der Biomarkerkandidaten] bereits im August 2016 von AB als vielversprechend eingestuft wurde“, ist es offensichtlich, dass nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Schiedsgerichts die Bedeutung des Begriffs „vielversprechend“ im Zusammenhang mit der Entwicklung von Biomarkern von zentraler Bedeutung für seine Entscheidung war. Dazu passt, dass das Schiedsgericht den Vortrag der Antragstellerin zur Bedeutung des Begriffs „vielversprechend“ als solchen wiedergegeben hat (Rn. 266 des Schiedsspruchs). Wegen der zentralen Bedeutung dieser Frage für die vom Schiedsgericht getroffene Entscheidung war aber nach den oben dargelegten Maßstäben auch eine Auseinandersetzung mit diesem Vortrag erforderlich.
55
Gleiches gilt mit Blick auf Vorbringen der Parteien unmittelbar zu der Frage, ob die Weiterentwicklung eines Biomarkerkandidaten „bis zum Erreichen des von der Schiedsbeklagten nun vorgeschlagenen Maßes an Zuverlässigkeit“, deren Notwendigkeit das Schiedsgericht seiner Entscheidung also zugrunde gelegt hat, innerhalb der Earn Out Period wahrscheinlich gewesen wäre. Auch den streitigen (durch Aussagen von Sachverständigen qualifizierten) Vortrag der Parteien zur Frage dieser Wahrscheinlichkeit hat das Schiedsgericht im Schiedsspruch als solchen wiedergegeben (Rn. 239 sowie Rn. 243 f.).
56
(4) Die Antragstellerin macht zu Recht geltend, dass sowohl ihr Vortrag hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs „vielversprechend“ als auch ihr Vortrag unmittelbar zur Frage der Wahrscheinlichkeit, dass ein Biomarkerkandidat bis zur Einsatzreife weiterentwickelt worden wäre, vom Schiedsgericht übergangen wurde.
57
(a) Mit Blick auf die Bedeutung des Begriffs „vielversprechend“ im hier gegebenen Kontext hat die Antragstellerin (vgl. Rn. 104 f. des Antrags, Rn. 84 f. der Replik) u. a. auf folgenden Vortrag im Schiedsverfahren hingewiesen: In der Duplik vom 5. August 2022 (Anlage ASt 3, Rn. 440) vertrat die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die Aussage der Zeugin Dr. M (hier Anlage ASt 16, Rn. 24), dass „,vielversprechend' auf dem Gebiet der Biomarkerentwicklung nichts anderes [bedeute] als die Tatsache, dass ein Signal vorläufig beobachtet wurde“. In der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht vom 13. März 2023 trug die Antragstellerin unter erneutem Verweis auf die Aussage der Zeugin Dr. M vor, die Antragsgegner übertrieben die wahre Bedeutung des Wortes „,vielversprechend'“ gewaltig; in diesem Zusammenhang wies die Antragstellerin auch auf eine E-Mail des bei X beschäftigten Herrn S1. an den ebenfalls dort tätigen Herrn S2. (vgl. hier Anlage ASt 17; E-Mail vom 27. April 2017) hin, in welcher dieser die Bezeichnung „Vielversprechende Biomarker“ (Original: „Promising Signature Candidates“) vorgeschlagen habe, weil diese den (hohen) Anforderungen des zuvor gebrauchten Begriffs „Candidates with the Highest Ranks“ nicht gerecht würden (Anlage ASt 14, S. 128 Rn. 4 bis S. 129 Rn. 19). Die Antragstellerin hat damit unter Verweis auf eine Aussage ihrer Senior-Vizepräsidentin für Präzisionsmedizin und Bioproben (vgl. Duplik vom 5. August 2022, Anlage ASt 3, Rn. 11) und die Aussage eines X-Mitarbeiters, der die Verwendung des Begriffs „Promising Signature Candidates“ zur Abschwächung einer zuvor gebrauchten Bezeichnung vorgeschlagen hatte, vorgetragen, dass die Verwendung des Begriffs „vielversprechend“ nicht die Annahme einer Erfolgswahrscheinlichkeit durch den Begriffsverwender bedeute. Dass das Schiedsgericht diesen Vortrag der Antragstellerin (in Rn. 266 des Schiedsspruchs) als solchen wiedergegeben hat, kann nach den oben dargelegten Maßstäben eine Auseinandersetzung damit nicht ersetzen.
58
Entgegen der von den Antragsgegnern im Schriftsatz vom 4. März 2025 (S. 5 und Rn. 46) geäußerten Auffassung bestand kein Anlass dazu, mit Blick auf die hiesigen Ausführungen die mündliche Verhandlung erneut zu eröffnen, weil der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2025 zwar die Auffassung geäußert hat, der Vortrag der Antragstellerin zur Bedeutung des Begriffs „vielversprechend“ sei übergangen worden, die Quellen des übergangenen Vortrags aber nicht ausdrücklich benannt hat. Die Frage, welcher Vortrag hier nach Auffassung der Antragstellerin übergangen worden ist, war Gegenstand umfangreicher schriftsätzlicher Ausführungen der Antragstellerin, zu denen sich die Antragsgegner auch geäußert haben (Antragserwiderung vom 10. Juni 2024, Rn. 136; Duplik vom 23. Dezember 2024, Rn. 30 f.). Es war deshalb auch ohne ausdrückliche Benennung klar, auf welchen Vortrag der Antragstellerin sich der Senat bezogen hat.
59
(b) Auch die Ausführungen der Sachverständigen der Parteien (Professor E für die Antragsgegner und Dr. S für die Antragstellerin) zu der Frage, ob der Einsatz eines XDB im Sinne des SPA bei ungehinderter Weiterentwicklung wahrscheinlich gewesen wäre, hat das Schiedsgericht bei seiner Entscheidung nicht gewürdigt und verarbeitet. Die Antragstellerin ist, wie sie zu Recht geltend macht (Rn. 135 des Aufhebungsantrags), den Ausführungen des Sachverständigen der Antragsgegner Prof. E (auch) durch Ausführungen ihres Sachverständigen Dr. S entgegengetreten (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2023, Anlage ASt 14, S. 154 Zeile 2 bis S. 164 Zeile 17; Schriftsatz vom 22. Juni 2023, Anlage ASt 4, Rn. 270 bis 288; Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2023, Anlage ASt 7, S. 27 Zeile 1 bis S. 28 Zeile 17; Anlage ASt 27, Rn. 5.5 bis 5.17 [vollständig übersetzt nur in der von den Antragsgegnern vorgelegten Anlage ASt 27 Ergänzende Übersetzung der Antragsgegner]). Obwohl die Antragstellerin (wie auch die Antragsgegner) ihren Vortrag zur Kausalität (auch) auf die Aussagen ihres Parteisachverständigen gestützt und damit in besonders qualifizierter Weise geltend gemacht hat, hat sich das Schiedsgericht im Zusammenhang mit der Bejahung der Kausalität mit dessen Aussagen nicht auseinandergesetzt.
60
(5) Die Nichtberücksichtigung dieser Vorträge ist auch im dargelegten Sinne entscheidungserheblich. Das gilt besonders mit Blick darauf, dass das Schiedsgericht seiner Entscheidung die Annahme zugrunde gelegt hat, dass die Biomarkerkandidaten von X vor ihrem Einsatz zur vorausschauenden Patientenselektion in einer klinischen Studie der Phase 2 oder 3 „bis zum Erreichen des von der Schiedsbeklagten nun vorgeschlagenen Maßes an Zuverlässigkeit“ weiterzuentwickeln waren (vgl. Rn. 289 des Schiedsspruchs).
61
2. Der von der Antragstellerin angegriffene Schiedsspruch verfehlt ferner bezüglich eines ganz zentralen Aspekts der Entscheidung, nämlich der Bejahung der Kausalität des Pflichtverstoßes für das Ausbleiben eines Milestone Events, die Mindestanforderungen, die an die Begründung eines Schiedsspruchs (§ 1054 Abs. 2 ZPO) zu stellen sind und erfüllt damit den ‒ innerhalb der Dreimonatsfrist des § 1059 Abs. 3 Sätze 1 und 2 ZPO geltend gemachten und damit gemäß § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO zu berücksichtigenden ‒ Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) ZPO.
62
a) Zwar muss die gemäß § 1054 Abs. 2 ZPO erforderliche Begründung eines Schiedsspruchs nicht den für Urteile staatlicher Gerichte geltenden Maßstäben, sondern lediglich gewissen Mindestanforderungen entsprechen. Die Begründung darf aber nicht offenbar widersinnig sein oder im Widerspruch zur Entscheidung stehen; sie darf sich nicht auf inhaltsleere Wendungen beschränken und muss zu den wesentlichen Verteidigungsmitteln der Parteien Stellung nehmen (BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2021, I ZB 21/21, WM 2022, 576 Rn. 51; IHR 2023, 96 Rn. 24; BayObLG, Beschluss vom 17. Mai 2023, 102 Sch 44/22, juris Rn. 53). Dass diese Schwelle nur in extremen Fällen unter dem Aspekt des Willkürverbots bejaht würde, lässt sich entgegen der Auffassung der Antragsgegner (Rn. 38 der Duplik zu Fn. 4) der zuletzt genannten Entscheidung ‒ in der die Frage, ob der Inhalt eines Schiedsspruchs überhaupt der Willkürkontrolle unterliegt, offengelassen wurde (Rn. 56) ‒ nicht entnehmen und trifft nicht zu.
63
b) Den dargelegten Vorgaben wird die Begründung der Kausalität der Pflichtverletzung für das Ausbleiben eines Milestone Events durch das Schiedsgericht nicht gerecht, da die Entscheidungsgründe hinsichtlich des rechtlichen Maßstabs in dem Sinne in sich widersprüchlich sind, dass sich der aufgestellte und der angewandte Maßstab offensichtlich nicht decken.
64
aa) Wie ausgeführt, hat das Schiedsgericht die Beweislast für die Kausalität bei den Antragsgegnern gesehen und hinsichtlich des Beweismaßes von ihnen den Nachweis verlangt, dass der Eintritt eines Milestone Events innerhalb der Earn Out Period ohne die Pflichtverletzung „nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wahrscheinlich“ gewesen wäre (vgl. Rn. 107, 119, 121, 123, 245 und 287 des Schiedsspruchs). Damit war nach den vom Schiedsgericht aufgestellten ‒ und wegen des Verbots der révision au fond nicht zu hinterfragenden ‒ Maßstäben klar, dass die Kausalität nicht bereits aufgrund der vom Schiedsgericht angenommenen Pflichtverletzung zu vermuten war, sondern die Antragsgegner unabhängig von dieser die Überzeugung des Schiedsgerichts herbeizuführen hatten, dass ‒ trotz der vom Schiedsgericht unterstellten Weiterentwicklungsbedürftigkeit der Biomarkerkandidaten vor ihrem Einsatz (vgl. Rn. 289 des Schiedsspruchs) ‒ das Erreichen eines Milestone Events wahrscheinlicher war als seine Verfehlung.
65
bb) Für den Zuspruch des Milestonebasierten Earn Outs wesentliche Teile der Begründung des Schiedsspruchs stehen jedoch offensichtlich im Widerspruch zu diesen vom Schiedsgericht aufgestellten Maßstäben.
66
(1) So heißt es in Randnummer 286 des Schiedsspruchs, es wäre wegen der durch die Pflichtverletzung der Antragstellerin verursachten Beeinträchtigung der Entwicklungstätigkeit von X „mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar, diese Beweisschwierigkeiten ausschließlich den Schiedsklägern entgegenzuhalten […] [und] unangemessen, im vorliegenden Fall ein allzu strenges Beweismaß [Original: „an overly stringent standard of proof“] anzulegen“ (Rn. 286 des Schiedsspruchs), und in Randnummer 289 spricht das Schiedsgericht davon, dass den Schiedsklägern durch die Verstöße der Schiedsbeklagten „von Anfang an die Möglichkeit genommen [worden sei], entsprechende Beweise zu erbringen, und diese unangemessene Einschränkung kann ihnen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht zur Last gelegt werden“.
67
(2) Diese vom Schiedsgericht angenommenen Nöte der Antragsgegner, die nach Auffassung des Schiedsgerichts auf das Verhalten der Antragstellerin zurückzuführen sind, hätten es möglicherweise nahegelegt, eine Umkehr der Beweislast oder eine Absenkung des Beweismaßes zugunsten der Antragsgegner zu diskutieren. Das Schiedsgericht hat jedoch den von ihm zuvor aufgestellten und mehrfach herausgestellten Maßstab nicht verworfen, wie übrigens auch die Antragsgegner meinen, wenn sie (Rn. 255 der Antragserwiderung) formulieren: „Das Schiedsgericht sagt nicht, dass es sich von rechtlichen Beweismaßstäben und konkret dem Maßstab der Wahrscheinlichkeit für den Bedingungseintritt im Rahmen seiner Prüfung nach § 162 Abs. 1 BGB löst. Vielmehr hält das Schiedsgericht es lediglich für unangemessen, bei der Beurteilung eben dieser Wahrscheinlichkeit ein allzu strenges Beweismaß anzulegen.“ Es ist jedoch vollkommen unklar, was ein „nicht allzu strenges Beweismaß“ mit Blick auf eine nachzuweisende Wahrscheinlichkeit überhaupt sein soll, und der Schiedsspruch enthält dazu auch keinerlei Ausführungen.
68
(3) Damit ergibt sich, dass die Begründung des Schiedsspruchs hinsichtlich der Annahme der Kausalität in Bezug auf den rechtlichen Maßstab in sich offensichtlich widersprüchlich ist. Die zitierten Erwägungen (Rn. 286, 289 des Schiedsspruchs) zeigen, dass die Bejahung der Kausalität darauf beruht, dass das Schiedsgericht tatsächlich auf der Grundlage einer Beweislastumkehr zugunsten der Antragsgegner entschieden oder jedenfalls eine in ihrem Umfang völlig unklare Absenkung des Beweismaßes der Wahrscheinlichkeit („nicht allzu strenges Beweismaß“) vorgenommen hat, ohne sich damit auseinanderzusetzen, dass das mit den zuvor mehrfach hervorgehobenen Maßstäben nicht in Einklang steht und ohne diese Maßstäbe zu modifizieren oder zu verwerfen.
69
(4) Entgegen den Ausführungen der Antragsgegner im Schriftsatz vom 4. März 2025 steht das Verbot der révision au fond den hier angestellten Überlegungen nicht entgegen.
70
(a) Die Antragsgegner führen (Rn. 1 ff. des Schriftsatzes) unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Oberlandesgerichts München aus, das Verbot der révision au fond stehe der Überprüfung des Schiedsspruchs auf seine materielle Richtigkeit entgegen, was auch bedeute, dass dem staatlichen Gericht die Nachprüfung der vom Schiedsgericht vorgenommenen (auch erkennbar falschen) Beweiswürdigung untersagt sei. Auch eine widersprüchliche Beweiswürdigung verstoße nicht gegen den ordre public.
71
(b) Der Senat verkennt nicht, dass das Verbot der révision au fond der Überprüfung der materiellen Richtigkeit eines Schiedsspruchs entgegensteht und dass sich dieses Verbot auch auf die vom Schiedsgericht vorgenommene Beweiswürdigung, also auf die Ermittlung des der Rechtsanwendung zugrunde zu legenden streitigen Tatsachenstoffs durch Würdigung der dazu erhobenen Beweise erstreckt.
72
(c) Hier geht es aber weder darum, dass der vom Schiedsgericht aufgestellte rechtliche Maßstab nach Auffassung des Senats unrichtig wäre, noch darum, dass die Gewinnung des der Rechtsanwendung zugrunde zu legenden Tatsachenstoffs durch das Schiedsgericht nach Auffassung des Senats fehlerhaft erfolgt wäre. Es geht vielmehr darum, dass die Ausführungen des Schiedsgerichts zum relevanten rechtlichen Maßstab offensichtlich in sich widersprüchlich sind, dass also das Schiedsgericht den einen rechtlichen Maßstab ‒ Beweislast der Antragsgegner dafür, dass ohne den Pflichtverstoß im gewöhnlichen Lauf der Dinge ein Milestone Event wahrscheinlich erreicht worden wäre ‒ postuliert, seiner Entscheidung aber einen anderen, in seiner Reichweite allerdings nicht ganz klaren rechtlichen Maßstab ‒ Beweislastumkehr oder Herabsetzung des Beweismaßes auf ein nicht „allzu strenges“ ‒ tatsächlich zugrunde gelegt hat. Damit ist die Entscheidungsbegründung des Schiedsgerichts offenbar widersinnig im Sinne der oben zu Buchst. a) wiedergegebenen Rechtsprechung.
73
c) Es lässt sich auch nicht ‒ unter Ausblenden der Ausführungen zu Buchst. b) ‒ argumentieren, das Schiedsgericht liefere die nach dem aufgestellten Maßstab hinsichtlich Beweislast (Antragsgegner) und Beweismaß („im gewöhnlichen Lauf der Dinge wahrscheinlich“) erforderliche positive Begründung der Kausalität in Randnummer 287 des Schiedsspruchs, indem es ausführt, seine Mehrheit sei „[a]uf der Grundlage der vorliegenden Beweise […] davon überzeugt, dass dies [i. e.: die Erreichung eines Milestone Events] im gewöhnlichen Lauf der Dinge wahrscheinlich gewesen wäre“, womit es die erforderliche selbständige „,Prognoseentscheidung'“ (Rn. 106 des Schiedsspruchs) getroffen habe. Der bloße Verweis auf die „Grundlage der vorliegenden Beweise“, die nicht benannt, geschweige denn auch nur ansatzweise diskutiert werden, stellt nämlich eine inhaltsleere Wendung im Sinne der oben zu Buchst. a) wiedergegebenen Rechtsprechung dar, die einen Schiedsspruch nicht in dem nach § 1054 Abs. 2 ZPO erforderlichen Mindestmaß begründen kann.
74
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, das Schiedsgericht habe mit der „Grundlage der vorliegenden Beweise“ seine vorherigen Ausführungen zur Frage einer Sorgfaltspflichtverletzung (Rn. 275 bis 280 des Schiedsspruchs) in Bezug genommen (so die Antragsgegner in Rn. 123 der Antragserwiderung). Ein solcher Rückverweis ist, wie die Antragstellerin zu Recht geltend gemacht hat (Rn. 78 der Replik), der zitierten Wendung nicht zu entnehmen, zumal das Schiedsgericht, das sonst des Öfteren in den Entscheidungsgründen unmittelbar oder in Fußnoten dazu auf andere Passagen seiner Entscheidung ausdrücklich Bezug genommen hat (s. etwa Rn. 117 Fn. 149, Rn. 121 Fn. 154, Rn. 235, Rn. 270), einen Bezug hier gerade nicht ausspricht.
75
d) Eine solche Perplexität (oben zu Buchst. b]) oder besondere Dürftigkeit der Gründe (oben zu Buchst. c]) stellt einen Verfahrensmangel im Sinne des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) ZPO dar (vgl. Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, § 1059 Rn. 42). Es ist auch anzunehmen, dass sich der vorliegende Verfahrensmangel auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat. Die Formulierung des Kausalitätserfordernisses in § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) ZPO erweckt zwar den Eindruck, als genüge die bloße Möglichkeit, dass ohne Verfahrensverstoß das Ergebnis ein anderes gewesen wäre, nicht; indes wollte der Gesetzgeber nur eine Aufhebung des Schiedsspruchs aus rein formalen Gründen und die Durchführung eines neuen Verfahrens verhindern, das zu demselben Ergebnis wie der aufgehobene Schiedsspruch führen müsste (BT-Drs. 13/5274, S. 59; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1059 Rn. 48). Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass ein Schiedsgericht, das sich der oben zu Buchst. b) und c) dargelegten Problematik bewusst ist, unter Anwendung eines einheitlichen Maßstabs zu einem vom vorliegenden Schiedsspruch abweichenden Ergebnis gelangte.
76
3. Mit Blick auf die obigen Ausführungen kann dahinstehen, ob die faktische Umkehrung der Beweislast bzw. die Herabsetzung des Beweismaßes im Widerspruch zu den vom Schiedsgericht selbst dazu aufgestellten Maßstäben zugleich auch unter dem Aspekt einer Überraschungsentscheidung (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19. September 2023, XI ZR 58/23, WM 2023, 1955 Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 18. Januar 2022, 101 Sch 60/21, juris Rn. 94; jeweils m. w. N.) eine (weitere) Gehörsverletzung und damit einen weiteren Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b] ZPO) darstellt (vgl. Rn. 21 [zweiter Punkt] und Rn. 235 bis 242 der Antragsschrift, Rn. 227 bis 242 der Antragserwiderung, Rn. 156 bis 161 der Replik und Rn. 43 der Duplik).
77
4. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sieht der Senat im vorliegenden Schiedsspruch keinen Fall einer gegen § 1051 Abs. 3 ZPO bzw. Art. 24.4 der DIS-Schiedsgerichtsordnung verstoßenden Billigkeitsentscheidung, was ebenfalls den Aufhebungsgrund des §§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) ZPO erfüllt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 2016, I ZB 99/14, WM 2016, 1244 Rn. 26; BayObLG, Beschluss vom 17. Mai 2023, 102 Sch 44/22, juris Rn. 47 m. w. N.). Eine Billigkeitsentscheidung gemäß § 1051 Abs. 3 ZPO zeichnet sich dadurch aus, dass das Schiedsgericht gänzlich davon Abstand nimmt, Erwägungen zum positiven Recht anzustellen (BayObLG, a. a. O.; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, § 1051 Rn. 9). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Die Entscheidungsgründe des Schiedsspruchs lassen keinen Zweifel daran, dass das Schiedsgericht seiner Entscheidung die Anwendung deutschen Rechts, insbesondere des § 162 Abs. 1 BGB, zugrunde gelegt hat. Dass es im Rahmen dieser Anwendung unter Verweis auf „Treu und Glauben“ Überlegungen zur Frage von Beweislast und/oder Beweismaß angestellt hat (Rn. 286 und 289 des Schiedsspruchs), bedeutet nicht, dass das Schiedsgericht von Erwägungen zum positiven Recht gänzlich Abstand genommen hätte.
78
5. Die Frage, ob der Schiedsspruch auch wegen Verstoßes gegen das Willkürverbot aufzuheben wäre (vgl. zu diesem Maßstab BGH, Beschluss vom 5. Februar 2025, I ZB 78/24, juris Rn. 22), kann mit Blick auf die obigen Ausführungen zu den Nummern 1 und 2 dahinstehen.
79
III. Der gegenläufige Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung des Schiedsspruchs ist bezüglich der Nummer 5 des Tenors mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da weder von der Antragstellerin vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass insoweit eine Entscheidung zulasten der Antragstellerin vorliegt. Bezüglich der Nummern 1 bis 4 des Tenors ist der Antrag zulässig und begründet.
80
1. Der innerhalb der Dreimonatsfrist des § 1059 Abs. 3 Sätze 1 und 2 ZPO beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangene Antrag ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fehlt ihm nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
81
a) Das Grundgesetz garantiert Rechtsschutz vor den Gerichten nicht nur gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, sondern darüber hinaus im Rahmen des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs. Dieser ist Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips in Verbindung mit den Grundrechten, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG. Der allgemeine Justizgewährungsanspruch umfasst nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Recht auf Zugang zu den staatlichen Gerichten, eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands sowie eine verbindliche Entscheidung durch ein staatliches Gericht. Der Justizgewährungsanspruch garantiert darüber hinaus aber auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Ein Antrag ist zwar als unzulässig abzuweisen, wenn für ihn kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Das Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses soll verhindern, dass Rechtsstreitigkeiten in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, für die eine solche Prüfung nicht erforderlich ist. Grundsätzlich haben Rechtssuchende allerdings einen Anspruch darauf, dass die staatlichen Gerichte ihr Anliegen sachlich prüfen und darüber entscheiden. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt jedoch, wenn ein Antrag objektiv schlechthin sinnlos ist, wenn also der Antragsteller unter keinen Umständen mit seinem prozessualen Begehren irgendeinen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2024, I ZB 22/24, juris Rn. 17 f.).
82
b) Hieran gemessen, ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht deswegen entfallen, weil § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestimmt, dass ein Antrag auf Vollstreckbarerklärung „unter Aufhebung des Schiedsspruchs“ abzulehnen ist, wenn ein Aufhebungsgrund vorliegt und zugleich die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung den Gegenantrag auf Vollstreckbarerklärung gestellt hat mit der Folge, dass dieser gemäß § 269 Abs. 1 ZPO nicht mehr ohne Einverständnis des Antragstellers zurückgenommen werden kann (BayObLG, Beschluss vom 5. Februar 2025, 101 Sch 3/24 e, juris Rn. 122 ff.; a. A. OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. März 2016, 26 Sch 7/15, IPRspr 2016, 777 [juris Rn. 113] m. w. N.).
83
aa) Grundsätzlich ist sowohl über den Aufhebungsantrag als auch über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zu verhandeln und zu entscheiden, da die Antragstellerin vorliegend einen selbständigen förmlichen Aufhebungsantrag gestellt hat. Der Gegenantrag auf Vollstreckbarerklärung ist erst nach dem Aufhebungsantrag eingereicht worden, der somit nicht als bloßer Gegenantrag auf Aufhebung im Rahmen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens angesehen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 1999, III ZB 21/98, BGHZ 142, 204 [207] zum umgekehrten Fall; vgl. auch BayObLG, Beschluss vom 28. Juni 2022, 101 Sch 120/21, juris Rn. 74). bb) Zwar bestimmt § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO, dass der Antrag auf Vollstreckbarerklärung „unter Aufhebung des Schiedsspruchs“ abzulehnen ist, wenn einer der in § 1059 Abs. 2 ZPO bezeichneten Aufhebungsgründe vorliegt. Zudem folgt aus § 269 Abs. 1 ZPO, der im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs entsprechende Anwendung findet (vgl. BayObLG, Beschluss vom 6. Mai 2024, 101 Sch 40/24 e, juris Rn. 13), dass der gegenläufige Antrag auf Vollstreckbarerklärung nicht mehr ohne Einwilligung des Gegners zurückgenommen werden kann, sobald über ihn mündlich verhandelt worden ist. Soweit – wie hier – Aufhebungsgründe vorliegen, hätte eine Aufhebung des Schiedsspruchs in einer Konstellation wie der vorliegenden somit ohnehin zusammen mit der Ablehnung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung zu erfolgen. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller mit einer Entscheidung über seinen Aufhebungsantrag nicht noch irgendeinen (anderen) schutzwürdigen Vorteil erlangen kann. Dass der Aufhebungsantrag objektiv schlechthin sinnlos ist, kann nicht festgestellt werden, zumal der unterlegene Schiedsbeklagte wegen § 1059 Abs. 2, § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO zunächst gehalten war, innerhalb der Dreimonatsfrist einen Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs zu stellen; es erscheint nicht geboten, dem Schiedsbeklagten nach Stellung des gegenläufigen Antrags auf Vollstreckbarerklärung wegen dadurch entfallenen Rechtsschutzbedürfnisses die Erklärung der Erledigung seines ursprünglich gebotenen Aufhebungsantrags abzuverlangen, obwohl er das Ziel der Aufhebung im Rahmen eines unselbständigen Gegenantrags weiterverfolgen kann.
84
2. Der Antrag ist auch bezüglich der Nummern 1 bis 4 des Tenors des Schiedsspruchs begründet. Bezüglich der Nummern 1 und 2 des Tenors wird insoweit auf die obigen Ausführungen verwiesen. Mit dieser Aufhebung des Schiedsspruchs in der Hauptsache wird zugleich der Ausspruch über die Kosten des Schiedsverfahrens (Nrn. 3 und 4 des Tenors) ohne Weiteres hinfällig (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2009, III ZB 88/07, BGHZ 179, 304 Rn. 37), sodass der Schiedsspruch (jedenfalls zur Klarstellung) auch insoweit aufzuheben war.
85
IV. Auf den entsprechenden Hilfsantrag der Antragsgegner hin verweist der Senat die Sache gemäß § 1059 Abs. 4 ZPO im Umfang der Aufhebung an das Schiedsgericht zurück.
86
Für eine Zurückverweisung spricht, dass sich das Schiedsgericht mit dem komplexen Sachverhalt bereits intensiv befasst hat. Die dabei erworbenen Kenntnisse können im weiteren Verfahren verwendet werden. Der dagegen von der Antragstellerin vorgebrachte Einwand (Rn. 24 ff. des Schriftsatzes vom 10. März 2025), das Schiedsgericht habe sich offenbar nie ausreichend in den Streitstoff eingearbeitet, sodass von einer Zurückverweisung keine Steigerung der Prozessökonomie zu erwarten sei, überzeugt nicht. Zu berücksichtigen ist insoweit der außerordentliche Umfang und die weit überdurchschnittliche Komplexität des Prozessstoffs gerade auch in wissenschaftlich-technischer Hinsicht. Dabei hatte sich das Schiedsgericht mit der Frage der Vereitelung eines Bedingungseintritts auch mit Blick auf andere Kombinationen als die Medikamentenkombination 1 sowie damit zu befassen, ob die Verwendung des Biomarkers CD73 High in der sogenannten HUDSON-Studie ein Milestone Event darstellte und somit einen Earn Out-Anspruch ausgelöst hat. Auch zeigen der Umfang der Ausführungen im Schiedsspruch sowie die Durchführung einer fünftägigen mündlichen Verhandlung das Bemühen des Schiedsgerichts, den komplexen Verfahrensstoff sorgfältig zu erfassen. Die oben beanstandeten einzelnen Verstöße belegen vor diesem Hintergrund nicht, dass sich das Schiedsgericht insgesamt nicht ausreichend in den komplexen Streitstoff eingearbeitet hätte.
87
Die Auffassung der Antragstellerin (Rn. 9 des Schriftsatzes vom 10. März 2025), die Zurückverweisung nach § 1059 Abs. 4 ZPO sei auf Ausnahmefälle beschränkt, vermag der Senat nicht zu teilen. Aus dem insoweit angeführten § 1059 Abs. 5 ZPO ergibt sich dazu nichts, da dieser nur die Frage betrifft, ob nach Aufhebung des Schiedsspruchs die Schiedsvereinbarung wiederauflebt oder die Parteien des Schiedsverfahrens sich nunmehr an die staatlichen Gerichte wenden könnten bzw. ggf. müssten (vgl. Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1059 Rn. 89 und 91); die Vorschrift betrifft aber nicht die Frage, ob das alte Schiedsgericht oder gegebenenfalls ein neues zur Entscheidung berufen ist.
88
Der Zurückverweisung stehen die antragstellerseits geltend gemachten Bedenken (vgl. Rn. 173 bis 176 der Replik, Rn. 6 der Triplik, Rn. 4 f. und 9 ff. des Schriftsatzes vom 10. März 2025) nicht entgegen. Eine Rückverweisung kommt allerdings nicht in Betracht, wenn eine augenfällige, gravierende Verletzung des rechtlichen Gehörs einer Partei vorliegt und anzunehmen ist, dass das Schiedsgericht bereits in einer Weise festgelegt ist, dass realistisch keine Änderung seiner Entscheidung aufgrund einer Neubefassung erwartet werden kann (vgl. BGH WM 2019, 1973 Rn. 46; BayObLG, Beschluss vom 20. Januar 2023, 102 Sch 115/21, GmbHR 2023, 396 [juris Rn. 211 und 213]).
89
Einen derartigen Verstoß vermag der Senat im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Vor dem Hintergrund der dargelegten Komplexität des Falles erscheinen die oben dargelegten Gehörsverletzungen nicht, wie von der Antragstellerin (Rn. 12 ff. des Schriftsatzes vom 10. März 2025) geltend gemacht, als bewusste Außerachtlassung von Parteivortrag. Aus Sicht des Senats näherliegend ist, dass das Schiedsgericht in Anbetracht der Stofffülle vereinzelt die Übersicht verloren hat, was im Übrigen auch für die nicht konsequente Durchhaltung der zu Beweislast und Beweismaß aufgestellten Maßstäbe gelten dürfte. Der Senat sieht keinen Grund für die Annahme, dass das Schiedsgericht nicht bereit sein könnte, sich unter Beachtung der obigen Ausführungen (BT-Drs. 13/5274, S. 60) unvoreingenommen und ergebnisoffen erneut mit den Fragen der Auslegung der Nr. 4.3 des SPA und der Kausalität einer etwa angenommenen Pflichtverletzung der Antragstellerin für das Ausbleiben eines Milestone Events nach den vom Schiedsgericht aufgestellten Maßstäben zu Beweislast und Beweismaß auseinanderzusetzen.
90
Soweit die Antragstellerin hilfsweise geltend macht, dass eine jedwede (nicht nur eine augenfällige und gravierende) Gehörsverletzung einer Zurückverweisung nach § 1059 Abs. 4 ZPO entgegenstünde (Rn. 32 f. des Schriftsatzes vom 10. März 2025), was der Bundesgerichtshof bisher offengelassen hat (BGH WM 2019, 1973 Rn. 46; vgl. ferner BGH WM 2022, 576 Rn. 84 und BGH WM 2018, 1556 Rn. 26), folgt der Senat dem nicht. Eine solch weite Einschränkung der Geeignetheit im Sinne des § 1059 Abs. 4 ZPO ließe dem vom Gesetzgeber geschaffenen Instrument, im Interesse der Prozessökonomie das Verfahren an das Schiedsgericht zurückzuverweisen, einen zu schmalen Anwendungsbereich, zumal in Anbetracht des Umstands, dass für die Aufhebung eines Schiedsspruchs in aller Regel Gehörsverletzungen geltend gemacht werden. Auch in seinem Beschluss vom 20. Januar 2021 (102 Sch 115/21, juris Rn. 211) hat das Bayerische Oberste Landesgericht insoweit lediglich eine augenfällige und gravierende Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör als einer Zurückverweisung entgegenstehend angesehen (ebenso Voit in Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 1059 Rn. 41).
91
V. 1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die nur auf Antrag der Antragsgegner hin ausgesprochene Zurückverweisung an das Schiedsgericht ändert am vollständigen Unterliegen der Antragsgegner im hiesigen Verfahren ebenso wenig wie die Zurückweisung des Aufhebungsantrags, soweit er auf Nummer 5 des Tenors der schiedsgerichtlichen Entscheidung bezogen ist. Da eine Belastung der Antragstellerin durch Nummer 5 des Tenors nicht ersichtlich ist, hat der Aufhebungsantrag insoweit keinen bezifferbaren Wert, der für eine Kostenquotierung herangezogen werden könnte; jedenfalls fiele ein insoweit anzusetzender Wert neben dem Wert des Aufhebungsantrags im Übrigen nicht ins Gewicht, sodass eine Kostenquotierung gemäß § 92 Abs, 2 Nr. 1 ZPO nicht veranlasst ist.
92
2. Wegen der in ihm enthaltenen Kostenentscheidung war dieser Beschluss für vorläufig vollstreckbar zu erklären; ein Umkehrschluss ist aus § 1064 Abs. 2 ZPO, der dies nur für den Fall der Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs ausdrücklich anordnet, nicht zu ziehen (OLG Hamburg, Beschluss vom 30. Mai 2008, 11 Sch 9/07, juris Rn. 44; Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1060 Rn. 34).
93
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 39 Abs. 2, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m.  § 3 ZPO.
VI. Es ergeht folgende