Inhalt

VGH München, Beschluss v. 31.03.2025 – 7 CS 25.216
Titel:

Rundfunkbeitrag im privaten Bereich, Vermutung der Wohnungsinhaberschaft nach Melderecht (nicht widerlegt), Zuordnung von Zahlungen von Rundfunkbeiträgen durch Angabe der Beitragsnummer

Normenketten:
RBStV § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 10 Abs. 5 S. 1
Rundfunkbeitragssatzung § 5
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag im privaten Bereich, Vermutung der Wohnungsinhaberschaft nach Melderecht (nicht widerlegt), Zuordnung von Zahlungen von Rundfunkbeiträgen durch Angabe der Beitragsnummer
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 23.12.2024 – M 6 S 24.1470
Fundstelle:
BeckRS 2025, 5914

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragssteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 399,75 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsgegner setzte gegenüber dem Antragsteller mit Bescheid vom 1. Dezember 2023 für den Zeitraum Januar 2020 bis August 2023 rückständige Rundfunkbeiträge in Höhe von insgesamt 799,50 Euro einschließlich eines Säumniszuschlags von 8,00 Euro für eine Wohnung in K. unter der Beitragsnummer …5 fest.
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Hiergegen erhob der Antragsteller am 13. Dezember 2023 Widerspruch, über den noch nicht entschieden wurde. Am 21. März 2023 beantragte er beim Verwaltungsgericht München, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
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Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2024 reichte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht eine Meldebescheinigung der Gemeinde K. ein, aus der sich sein Einzug in vorgenannte Wohnung zum 1. September 2015 sowie sein Auszug am 30. März 2023 ergibt. Gleichzeitig legte er eine Meldebescheinigung der Gemeinde A. vor, wonach er zum 30. März 2023 in eine Wohnung in A. eingezogen ist. Daraufhin hob der Antragsgegner mit Schreiben vom 11. Juni 2024 den Bescheid vom 1. Dezember 2023 insoweit auf, als dieser Beiträge für März 2023 bis August 2023 festsetzte. Das vorläufige Rechtsschutzverfahren wurde insoweit von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt.
4
Mit Beschluss vom 23. Dezember 2024 stellte das Verwaltungsgericht das Eilverfahren ein, soweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt worden war, und lehnte im Übrigen den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ab. Zudem legte es dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auf. Zur Begründung der Antragsablehnung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller im noch festgesetzten Zeitraum gemäß der Vermutungsregelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV beitragspflichtiger Inhaber einer Wohnung in K. gewesen sei, die Vermutung nicht widerlegt habe bzw. das Vorbringen insoweit treuwidrig sei. Zudem habe der Antragsteller den Rundfunkbeitrag für diese Wohnung auch nicht mit befreiender Wirkung durch dessen Zahlung auf das betriebliche Beitragskonto für die unter derselben Adresse befindliche Firma E. mit der Beitragsnummer …5 geleistet.
5
Gegen die Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO und die Kostenentscheidung hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Der Antragsgegner tritt dieser entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
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1. Soweit die Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Verfahrens gerichtet ist, erweist sie sich als unzulässig. Denn diese Kostenentscheidung ist unanfechtbar (§ 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
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2. Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags des Antragstellers durch das Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1. Dezember 2023 anzuordnen, soweit dieser aufgrund des Schreibens des Antragsgegners vom 11. Juni 2024 nur noch Rundfunkbeiträge für den Zeitraum Januar 2020 bis Februar 2023 betrifft, ist zulässig, aber unbegründet.
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Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach Maßgabe von § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Der Senat folgt den Gründen des streitgegenständlichen Beschlusses und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
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a) Soweit der Antragsteller meint, das Verwaltungsgericht habe im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Vollzugs- und Aussetzungsinteresse einen falschen Maßstab angewandt, dringt er damit nicht durch. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben ist grundsätzlich Voraussetzung für den Erfolg des hiergegen gerichteten Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO, dass bei summarischer Prüfung der Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs überwiegend wahrscheinlich ist. Offene Erfolgsaussichten reichen entgegen der Auffassung des Antragstellers hingegen nicht.
11
Der Gesetzgeber hat in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO eine generalisierende Interessenabwägung getroffen, wonach für bestimmte Arten von Entscheidungen ein Vorrang des öffentlichen Vollzugsintereses statuiert wird. Die in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO enthaltene und auch Rundfunkbeiträge betreffende Wertung, dass das Vollzugsinteresse hinsichtlich der Forderung von öffentlichen Abgaben in der Regel Vorrang vor den Belangen des Betroffenen hat, vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anforderung von Abgaben von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben, hat das zur Entscheidung berufene Gericht nachzuvollziehen. Deshalb tritt der grundsätzliche Vorrang des Vollzugsinteresses nur dann zurück, wenn der Rechtsbehelf mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird, wenn also die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit so gewichtig sind, dass ein Obsiegen des Betroffenen im Rechtsbehelfsverfahrens wahrscheinlicher ist als sein Unterliegen (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2015 – 7 AS 15.2585 – juris Rn. 3; Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 95 m.w.N.). Nur dann sind ernstliche Zweifel im Sinn des auch im gerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwendenden § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO an der Rechtmäßigkeit der Abgabenforderung gegeben, die eine Aussetzung des Vollzugs des Verwaltungsakts rechtfertigen.
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b) Aber selbst dann, wenn – wie auch gegenteilig vertreten wird (vgl. zum Meinungsstand Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 95) – ernstliche Zweifel i.S.v. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO schon dann anzunehmen wären, wenn ein Obsiegen oder Unterliegen im Hauptsacherechtsbehelfsverfahren bei summarischer Würdigung gleich wahrscheinlich ist, hätte die Beschwerde keinen Erfolg. Denn nach Aktenlage und unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens wurden Gründe für die Annahme offener Erfolgsaussichten weder nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO dargelegt noch sind sie ersichtlich.
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aa) Das Verwaltungsgericht ist in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Antragsteller im Zeitraum Januar 2020 bis Februar 2023 Inhaber der unter der Beitragsnummer …5 geführten Wohnung in K. und damit beitragspflichtig gemäß § 2 Abs. 1 RBStV war.
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Das wird für den Zeitraum Januar 2020 bis August 2022 vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung (S. 4) selbst eingeräumt. Dass der Antragsteller auch für den restlichen Zeitraum September 2022 bis Februar 2023 Inhaber der streitgegenständlichen Wohnung in K. war, folgt, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat, aus der Vermutungsregelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV, wonach derjenige als Inhaber einer Wohnung vermutet wird, der dort nach dem Melderecht gemeldet ist. Ausweislich der vom Antragsteller vorgelegten Meldebescheinigung vom 23. Mai 2024 war dieser vom 1. September 2015 bis 30. März 2023 mit einer Hauptwohnung unter der Adresse in K. gemeldet, auf die sich der angegriffene Bescheid bezieht.
15
Das Verwaltungsgericht hat im Weiteren festgestellt, dass der vom Antragsteller vorgelegte Wohnungsmietvertrag mit Beginn 1. November 2022 nicht geeignet ist, die Vermutung der Wohnungsinhaberschaft des Antragstellers bis 30. März 2023 zu erschüttern bzw. zu widerlegen. Zum einen sei bereits nicht klar, ob es sich bei der ab 1. November 2022 vermieteten Wohnung um die rundfunkbeitragsrechtlich veranlagte Wohnung handele, nachdem es in dem Anwesen mehrere Wohnungen gebe, zum anderen stehe der Vortrag in unaufgelöstem Widerspruch zu den Meldedaten.
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Diesen zutreffenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist der Antragsteller nicht ansatzweise entgegengetreten. Anstatt sich mit der Begründung des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO auseinanderzusetzen, trägt er im Beschwerdeverfahren erneut lediglich vor, durch die Vorlage des Mietvertrags sei die Vermutung der Wohnungsinhaberschaft widerlegt. Der Antragsteller kann sich zur Widerlegung der Vermutung auch nicht auf die von ihm als „Ummeldung“ bezeichnete Mitteilung an den Antragsgegner vom 24. August 2022 berufen, in der er diesen auf seinen Auszug aus der streitgegenständlichen Wohnung in K. im August 2022 und den Einzug in eine andere Wohnung hingewiesen hatte. Denn auch diese Mitteilung steht im evidenten Widerspruch zu der von ihm später vorgelegten Meldebescheinigung, wonach der Antragsteller in der Zeit vom 1. September 2015 (Einzug) und 30. März 2023 (Auszug) unter der streitgegenständlichen Adresse gemeldet war. Dieser Widerspruch wird im Beschwerdeverfahren nicht ansatzweise vom Antragsteller aufgeklärt. Einlassungen hierzu erfolgen nicht, Nachweise für die Unrichtigkeit der vorgenannten Ein- und Auszugstermine, die der Antragsteller laut Meldebescheinigung noch dazu persönlich am 1. September 2015 bzw. 30. März 2023 der Meldebehörde gemeldet hat, werden nicht erbracht.
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Da somit der Antragsteller die Vermutung in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV nicht widerlegen konnte, kommt es auf den vom Verwaltungsgericht angesprochenen Aspekt, ob die Geltendmachung eines von der Meldebescheinigung abweichenden Umstands im vorliegenden Fall als treuwidrig zurückzuweisen wäre, nicht mehr an.
18
bb) Das Verwaltungsgericht hat entgegen der Auffassung des Antragstellers auch zu Recht festgestellt, dass die Rundfunkbeiträge, die mit streitgegenständlichem Bescheid erhoben wurden, rückständig i.S.v. § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV sind. Der Antragsteller kann hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, er habe die Rundfunkbeiträge für die Wohnung in K. rechtzeitig und mit befreiender Wirkung bezahlt. Zwar leistete der Antragsteller laut Aktenlage im Zeitraum Januar 2020 bis Februar 2023 monatliche Zahlungen in Höhe von jeweils 17,49 Euro, also in Höhe des bis Juli 2021 geltenden monatlichen Rundfunkbeitrags für eine Wohnung. Diese Zahlungen erfolgten aber unter Angabe der Beitragsnummer …5 und somit auf ein Beitragskonto, das entgegen der Meinung des Antragstellers nicht die streitgegenständliche Wohnung in K. betrifft, sondern eine Betriebsstätte unter dieser Adresse, nämlich die Firma E. Dass es sich bei dem Beitragskonto mit der Beitragsnummer …5 um ein „gewerbliches“ Konto für diese Betriebsstätte handelt, hat das Verwaltungsgericht zutreffend mit Verweis auf die in den Akten des Antragsgegners enthaltenen Schriftstücke festgestellt; dem hat der Antragsteller, indem er ohne Begründung behauptet, es handele sich um ein „privates Konto“, im Beschwerdeverfahren nichts Substantielles i.S.v. § 146 Abs. 4 Satz 2 VwGO entgegengesetzt. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang noch auf ein Schreiben des Antragstellers vom 8. Januar 2013 (Bl. 78 der Akte zum Beitragskonto mit der Beitragsnummer ...5), in dem er selbst im Rahmen einer Änderungsmitteilung die Beitragsnummer …5 seiner „Geschäftsadresse“ für die Firma E. in K. zuteilt und bezüglich seiner „Privatadresse“ an einem anderen Ort in K. um eine neue Beitragsnummer bittet. Soweit der Antragsteller später vorträgt, Inhaber der Firma sei nicht er selbst, sondern Herr A.E., ändert dies nichts daran, dass es sich bei dem Beitragskonto mit der Beitragsnummer …5 um ein solches für eine Betriebsstätte handelt. (Über-)Zahlungen auf ein gewerbliches Beitragskonto für eine bestimmte Betriebsstätte unter Angabe der entsprechenden Beitragsnummer können nicht als Entrichtung des Rundfunkbeitrags für eine andere Betriebsstätte oder Wohnung angesehen werden. Denn die Zahlungszuordnung erfolgt mit der bei Zahlung angegebenen Beitragsnummer für die dieser zugehörigen Betriebsstätte bzw. Wohnung. Das ergibt sich auch aus § 5 der Rundfunkbeitragssatzung, wonach jeder Beitragsschuldner eine Anmeldebestätigung und eine Beitragsnummer erhält und die Beitragsnummer bei allen Zahlungen anzugeben ist. Dementsprechend wurden dem Antragsteller die bis dahin angelaufenen Überzahlungen auf das Beitragskonto mit der Beitragsnummer …5 im Mai 2022 und Juli 2023 zurücküberwiesen.
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Soweit der Antragsteller die rückwirkende Anmeldung durch den Antragsgegner mit einem neuen Beitragskonto und neuer Beitragsnummer rügt und geltend macht, er habe den Rundfunkbeitrag für eine Wohnung in dem streitgegenständlichen Zeitraum auf dieses Beitragskonto mangels Kenntnis davon gar nicht leisten können, beruht das nach Aktenlage darauf, dass er entgegen seiner Verpflichtung gegenüber dem Antragsgegner nicht hinreichend deutlich gemacht hat, dass er unter der Adresse, die der Firma E. mit der Beitragsnummer …5 zugeordnet war, auch noch eine Wohnung unterhält. Hätte er dies von Anfang an getan, hätte er eine Beitragsnummer für die Wohnung erhalten und unter dieser den Rundfunkbeitrag im privaten Bereich entrichten können.
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3. Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, mithin aus der Hälfte der festgesetzten Rundfunkbeiträge. Dabei wurden Rundfunkbeiträge auch für den Festsetzungszeitraum in Ansatz gebracht, der den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil des Verfahrens betrifft, da sich die Beschwerde des Antragstellers auch gegen die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts bezüglich dieses Teils richtet.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).