Inhalt

VGH München, Beschluss v. 31.03.2025 – 4 B 24.2040
Titel:

Kostenentscheidung bei Erledigung der Hauptsache im Berufungsverfahren nach Teilzulassung der Berufung eines Streitgenossen, Teilzulassung der Berufung eines Streitgenossen

Normenketten:
VwGO § 161 Abs. 2
VwGO § 155 Abs. 1
Schlagworte:
Kostenentscheidung bei Erledigung der Hauptsache im Berufungsverfahren nach Teilzulassung der Berufung eines Streitgenossen, Teilzulassung der Berufung eines Streitgenossen
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 10.06.2024 – W 8 K 23.591
Fundstelle:
BeckRS 2025, 5907

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 10. Juni 2024 – W 8 K 23.591 – ist wirkungslos geworden, soweit die Feststellungsklage der Klägerin abgewiesen wurde.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Beklagte – insoweit unter Änderung der Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts – die Gerichtskosten zur Hälfte und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im vollen Umfang.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 21.416,71 Euro festgesetzt.

Gründe

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1. Nachdem die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 10. Juni 2024 für wirkungslos zu erklären (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 3 VwGO analog, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog), soweit es infolge der Teilzulassung der Berufung nicht bereits in Rechtskraft erwachsen ist.
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Über die Kosten des erledigten Teils des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO von dem gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 VwGO als Einzelrichter zuständigen Berichterstatter nach billigem Ermessen unter Beachtung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden, wobei die Kosten in der Regel demjenigen aufzuerlegen sind, der im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre. Bei der Entscheidung ist auch zu berücksichtigen, inwieweit das erledigende Ereignis auf den Willensentschluss eines Beteiligten zurückzuführen ist (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 161 Rn. 18 m.w.N.).
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a) Unter Beachtung dieser Grundsätze entspricht es hier billigem Ermessen, die Kosten des Berufungsverfahrens der Beklagten aufzuerlegen, da sie mit Schreiben vom 11. Februar 2025 die streitgegenständlichen Gewerbesteuerforderungen samt Zinsen, Säumniszuschlägen sowie Mahn- und Vollstreckungsgebühren gegenüber der Klägerin erlassen und damit die unmittelbare Ursache für die Erledigung des Verfahrens gesetzt hat. Darüber hinaus wäre die Beklagte hinsichtlich der begehrten Feststellung auch unterlegen; auf die Begründung des Zulassungsbeschlusses vom 28. November 2024 im Verfahren Az. 4 ZB 24.2021 wird verwiesen.
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b) Billigem Ermessen entspricht es weiterhin, die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wie aus dem Tenor ersichtlich aufzuteilen.
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aa) Da das Urteil des Verwaltungsgerichts infolge der Erledigungserklärung zwischen den Parteien des Berufungsverfahrens wirkungslos geworden ist, muss das Berufungsgericht von Amts wegen auch für das erstinstanzliche Verfahren eine Kostengrundentscheidung treffen (vgl. Clausing in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Band 2, Stand August 2024, § 161 VwGO Rn. 18). Da die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts gegenüber dem Streitgenossen der Klägerin in Bestandskraft erwachsen ist, hat die nunmehr zu treffende Kostenentscheidung (nur) die Aufteilung der Kostenlast zwischen der Klägerin (im erstinstanzlichen Verfahren Klägerin zu 1) und der Beklagten zum Gegenstand. Aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung folgt allerdings, dass sie hinsichtlich der Klägerin auch den Teil umfasst, in dem das Urteil mangels Zulassung der Berufung auch ihr gegenüber rechtskräftig geworden ist. Das Berufungsgericht ist schließlich nicht daran gehindert, erforderlichenfalls auch in die rechtskräftige Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts einzugreifen, als sie den ausgeschiedenen Streitgenossen betrifft (vgl. BGH, U.v. 14.7.1981 – VI ZR 35/79 – juris Rn. 17 f.).
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bb) Für die Ermessensentscheidung lässt sich der Grundgedanken des § 155 Abs. 1 VwGO auf den Fall vorliegenden Fall übertragen, bei dem ein Beteiligter gegenüber einem Streitgenossen unterliegt und gegenüber einem anderen Streitgenossen obsiegt (vgl. Olbertz in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2024, § 159 VwGO Rn. 5 ff.; zur Parallelregelung in § 92 ZPO schon früh auch BGH U.v. 15.1.1953 – VI ZR 46/52 – NJW 1953, 618 für den im Zivilprozess typischen Fall einer Parteienmehrheit auf Beklagtenseite). Dabei muss zwischen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten unterschieden werden (sog. Baumbach’sche Formel, vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 155 Rn. 2), da mangels eines Prozessrechtsverhältnisses eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten zwischen Streitgenossen nicht möglich ist, der obsiegende Streitgenosse aber dennoch im Rahmen seines Obsiegens von sämtlichen Kosten freizustellen ist. Für die Aufteilung der Gerichtskosten ist in diesem Fall der Wert der vorliegend identischen Streitgegenstände der Streitgenossen gegenüberzustellen. Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger zu 2 vollumfänglich obsiegt, ist gegenüber der Klägerin zu 1 nach dem Ergebnis der Berufungsinstanz aber (ganz überwiegend) unterlegen. Unter Berücksichtigung von § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO hat die Beklagte daher die hälftigen Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin (vollumfänglich) zu tragen.
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cc) Eine vollständige Tenorierung unter Einbeziehung des vormaligen Klägers zu 2 ist im konkreten Fall nicht vorzunehmen, weil sich die Kostenlast des im Berufungsverfahren nicht mehr beteiligten Streitgenossen bereits aus der rechtskräftigen Kostengrundentscheidung des Verwaltungsgerichts ergibt. Er ist gem. § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO auch ohne ausdrückliche Tenorierung des Verwaltungsgerichts verpflichtet, die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten (nur) zur Hälfte zu tragen (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 159 Rn. 8), da ein Fall der notwendigen Streitgenossenschaft gem. § 159 Satz 2, § 64 VwGO i.V.m. § 62 Abs. 1 ZPO nicht gegeben ist. Eine weitergehende Änderung der rechtskräftigen Kostenentscheidung ist infolge ihrer Spiegelbildlichkeit nicht erforderlich. Aus diesem Grund war auch eine Anhörung entbehrlich (vgl. BGH, U.v. 14.7.1981 – VI ZR 35/79 – juris Rn. 19).
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2. Hinsichtlich der erfolglosen Teil des Zulassungsverfahrens verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Senats in seinem Beschluss vom 28. November 2024. Im Falle eines auch nur teilweise erfolglosen Zulassungsbegehrens entsteht mit der Ablehnung des Antrags gem. Nr. 5120 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zum GKG) eine eigenständige Gerichtsgebühr. Mit der Teilablehnung ist das Zulassungsverfahren insoweit abgeschlossen und bildet mit dem Berufungsverfahren keine Einheit mehr, so dass über die Kosten bereits im Zulassungsverfahren zu entscheiden ist (vgl. BGH, B.v. 17.12.2003 – V ZR 343/02 – NJW 2004, 1048 = juris Rn. 6 zu dem vergleichbaren Fall der Kosten einer erfolglosen Nichtzulassungsbeschwerde).
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3. Für die Kostenfestsetzung weist der Einzelrichter darauf hin, dass der obsiegende Streitgenosse bei der Beauftragung eines gemeinsamen Anwalts von der Gegenpartei in der Regel nur eine seinem Kopfteil entsprechende Erstattung verlangen kann (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 35. Auflage 2023, § 91 Rn. 13.93 m.w.N.).
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 2 VwGO).