Inhalt

VGH München, Urteil v. 27.02.2025 – 9 N 23.1685
Titel:

Normenkontrollantrag gegen im beschleunigten Verfahren Änderung eines Bebauungsplans

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
BauGB § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3, § 13a, § 214 Abs. 1, Abs. 3, § 215
Leitsätze:
1. Ist ein Bebauungsplan Gegenstand der Normenkontrolle und der Betroffene nicht Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet, so kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen, wobei an die Geltendmachung einer – möglichen – Rechtsverletzung dabei keine höheren Anforderungen zu stellen als an die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Es genügt, dass der Antragsteller substantiiert Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Pflicht zu einer erneuten Auslegung des Entwurfs eines Bauleitplans besteht, wenn dieser Entwurf mit den seinen normativen Inhalt ausmachenden zeichnerischen und textlichen Festsetzungen geändert oder ergänzt wird. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Ausfertigung eines Bebauungsplans erfolgt durch handschriftliche Unterzeichnung des ersten Bürgermeisters oder dessen Stellvertreters auf der Originalurkunde unter Angabe des Datums. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB, § 2 Abs. 3 BauGB ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet (Abwägungsausfall) oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss (Abwägungsdefizit), wenn die Bedeutung dieser Belange verkannt wird (Abwägungsfehleinschätzung) oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität). (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
5. Durch die erneute Bekanntmachung eines inhaltlich unveränderten Bebauungsplans wird keine neue Rügefrist eröffnet. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrolle, Antragsbefugnis, Änderung eines Teilbereichs des Bebauungsplans, Andere und baulich intensivere Nutzung des außerhalb des Plangebiets liegenden Nachbargrundstücks, Erneute Auslegung bei Erweiterung des Plangebiets, Abwägungsgebot, Nachbargrundstücks, Normenkontrollantrag, Bebauungsplan, beschleunigtes Verfahren, Änderung, gerechte Abwägung, Auslegung, Bekanntmachung, Ausfertigung, Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit, Abwägungsdisproportionalität, Bewertungsdefizit, Ermittlungsdefizit, Lärmvorbelastung, Rügefrist, Abwägungsfehleinschätzung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 5902

Tenor

I.Die am 5. Februar 2025 erneut bekannt gemachte 6. Änderung des Bebauungsplans *** ** ************* ist unwirksam.
II.Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III.Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV.Die Revision wird nicht zugelassen  

Tatbestand

1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB erfolgte 6. Änderung des Bebauungsplans … … … die erstmals am 14. Mai 2022 und erneut am 5. Februar 2025 bekannt gemacht worden ist. Sie ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … (* … … … … …*). Dieses liegt im Geltungsbereich des ursprünglichen Bebauungsplans … … … der für diesen Bereich ein allgemeines Wohngebiet ausweist. Vom Geltungsbereich der 6. Änderung des Bebauungsplans ist das Grundstück nicht erfasst, es ist zu diesem durch die Privatstraße FlNr. … (* … …*) getrennt.
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Das 5.760 m² große Plangebiet beinhaltet zwei Areale, das westlich gelegene WA 1, das die Flurnummern … und … und … umfasst, sowie das östlich gelegene WA 2, das die FlNr* … (jeweils und im Folgenden: Gemarkung …*) betrifft. Das Gebiet WA 1 ist im ursprünglichen Bebauungsplan als Mischgebiet (§ 6 BauNVO), das Gebiet WA 2 als Fläche für Stellplätze und Garagen festgesetzt. Aktuell befindet sich auf den Grundstücken … und … eine (brachliegende) gewerbliche Nutzung mit Außenanlage und Zufahrt, auf dem Grundstück Fl.Nr. … sind Stellplatzanlagen mit Grünflächen vorhanden. Das Grundstück der Antragstellerin liegt dem Gebiet WA 2 in südlicher Richtung gegenüber.
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Anlass der 6. Änderung des Bebauungsplans … … … ist laut dessen Begründung die Wiedernutzbarmachung geringfügig genutzter Flächen. Zum einen wird die Entwicklung von neuen Bauplätzen für Ein- bzw. Zweifamilienhäuser auf dem Grundstück FlNr. …, zum anderen die Entwicklung von sozialgeförderten Wohnungen auf dem Grundstück FlNr. … angestrebt. Im WA 1 sollen acht Grundstücke, geeignet für Wohnbebauung mit Ein- und Zweifamilienhäusern, entstehen. Die interne Erschließungsstraße wird über die öffentliche Verkehrsfläche FlNr. … mit Anbindung an die … Straße erschlossen. Im WA 2 sollen 20 Wohneinheiten durch Geschosswohnungsbau entstehen. Pro Wohneinheit sind 1,5 Stellplätze nachzuweisen.
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Der Aufstellungsbeschluss der Antragsgegnerin vom 12. November 2020 wurde am 19. Dezember 2020, der Vorentwurf zur 6. Änderung des Bebauungsplans in der Fassung vom 4. Juni 2021 wurde am 10. Juli 2021 ortsüblich bekanntgemacht. Nach Durchführung der frühzeitigen Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung billigte der Stadtrat der Antragsgegnerin am 2. Dezember 2021 den Entwurf des Bebauungsplans … … … in der Fassung vom 2. Dezember 2021. Nach erfolgter öffentlicher Auslegung des Bebauungsplanentwurfs und Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange wurde der Bebauungsplanentwurf am 24. März 2022 angepasst. Es wurde unter anderem das Grundstück der Antragsgegnerin, FlNr. …, als öffentliche Verkehrsfläche in das Plangebiet einbezogen. Über diese wird die interne Erschließungsstraße im WA 1-Gebiet mit Anbindung an die … Straße erschlossen. Hinsichtlich des WA 2-Gebiets (FlNr. …*) wird festgehalten, dass ein möglicherweise verbleibender Stellplatzbedarf auf dem Grundstück FlNr. … mittels Stellplatznutzungs-Dienstbarkeit gedeckt sei. Die vorherig vorhandenen Stellplätze auf FlNr. … seien nunmehr ebenfalls auf dem Grundstück FlNr. … errichtet worden. Eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgte nicht mehr. In seiner Sitzung vom 28. April 2022 beschloss der Stadtrat der Antragsgegnerin die 6. Änderung des Bebauungsplans … … … in der Fassung vom 24. März 2022. Der Plan wurde am 14. Mai 2022 ausgefertigt und der Satzungsbeschluss am selben Tag im Amtsblatt bekanntgemacht. Darin wurde erstmals das Grundstück FlNr. … als vom Bebauungsplan umfasst genannt.
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Im Planaufstellungsverfahren wies das staatliche Bauamt … mit Schreiben vom 18. August 2021 auf die von der Staatsstraße … (* … Straße) ausgehenden Emissionen hin. Von der Antragsgegnerin sei für das neue Gebiet der Lärmschutz zu prüfen. Sollten danach vorgeschriebene Lärmschutzgrenzwerte einzuhalten sein, müsse dies durch entsprechende Schutzmaßnahmen im Rahmen der Bauleitplanung gewährleistet sein. Zudem wies es daraufhin, dass schon heute viele Fahrzeuge entlang der … Straße geparkt würden. Mit dem Bebauungsplan entfalle ein aktuell als Parkfläche genutztes Grundstück. Im Bebauungsplan sei nicht aufgezeigt, wo hierfür zukünftig Ersatz geschaffen werde. Dies werde gebeten zu überdenken und Ersatzflächen zu schaffen.
6
In der Abwägungstabelle, der der Stadtrat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 28. April 2022 zustimmte, heißt es hierzu unter anderem: „Der Hinweis auf mögliche Lärmimmissionen aus dem Verkehr der Staatsstraße St … wird zur Kenntnis genommen. Gemäß der Stellungnahme der Unteren Immissionsschutzbehörde werden Empfehlungen in den Bebauungsplan aufgenommen, die bei der Realisierung der Wohnbebauung, eine Anordnung von Schlafräumen auf der von der Lärmquelle abgewandten Seite vorsehen. Weitergehende Untersuchungen hierzu sind nicht veranlasst.“
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Die Antragstellerin machte im Planaufstellungsverfahren Einwendungen geltend. Es sei ihr zugesichert worden, dass eine Bebauung maximal mit Garagen stattfinden könne, was den höheren Kaufpreis unter anderem ihres Hauses begründet habe. Im Baufeld WA 2 werde eine abweichende Bauweise nach § 22 Abs. 4 BauNVO festgesetzt. Die benannte Abweichung bestehe darin, dass die Gebäudelänge mehr als 50 m betragen dürfe. Damit werde von § 22 Abs. 2 Satz 2 BauNVO abgewichen, obwohl § 22 Abs. 4 BauNVO nur die Abweichung von § 22 Abs. 1 BauNVO erlaube. Die Straße … … sei bislang eine Privatstraße und entlang des Baufelds WA 2 beengt. Sie bewältige gerade einmal den Verkehr, der durch die südlich daran angrenzenden Anwesen bedingt sei. Eine zusätzliche Verkehrsbelastung dieser Straße durch die neue Bebauung auf dem Grundstück FlNr. … müsse unterbleiben. Dies nötige letztlich dazu, im Bebauungsplan auch den ruhenden Verkehr konkret zu regeln. Der mit der Bebauung verbundene vollständige und ersatzlose Wegfall des derzeit vorhandenen Parkplatzes sei nicht hinzunehmen. Würde der Stellplatz ersatzlos wegfallen, müssten die dort abgestellten Fahrzeuge künftig ihren Platz im knappen öffentlichen Straßenraum suchen. Dies wäre voraussichtlich mit Belästigungen für die Wohnbebauung durch Parksuchverkehr verbunden. Auch regle der Planentwurf die bestehenden Straßenverhältnisse in der Straße … … nicht. Hier wäre eine Einbeziehung geboten, um diese bislang als Privatstraße errichtete Straße in die öffentliche Baulast zu übernehmen und so auszubauen, dass künftig die Zufahrt durch Rettungsfahrzeuge durchgängig gewährleistet werde.
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In der Abwägungstabelle, der der Stadtrat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 28. April 2022 zustimmte, werden die Einwendungen behandelt.
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Mit Schriftsatz vom 3. Juni 2022 stellte die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gegen die 6. Änderung des Bebauungsplans … … … mit Berichtigung des Flächennutzungsplans. Sie sei antragsbefugt, da sie im Hinblick auf mögliche planbedingte Lärmauswirkungen und die Stellplätze betroffen sein könne, die im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB als Abwägungsmaterial einzustellen gewesen und fehlerhaft abgewogen worden seien. Des Weiteren sei der räumliche Geltungsbereich der streitgegenständlichen Änderung nicht auf die Straße … … bezogen worden, obwohl hierfür Interessen der Antragstellerin stritten. Mit weiterem Schriftsatz vom 2. Januar 2024 führte sie aus, dass sie ein Interesse an der Beibehaltung des derzeitigen Bebauungsplans habe und dieses Interesse in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB Berücksichtigung hätte finden müssen.
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Der Normenkontrollantrag sei begründet. Es lägen sowohl formelle als auch materielle Fehler vor. Der Bebauungsplan sei bereits wegen mangelnder erneuter Beteiligung nach § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB unwirksam. Nach Anpassung des Entwurfs am 24. März 2022 sei keine erneute Beteiligung nach § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB i.V.m. § 13a Abs. 2 Nr. 1 BauGB durchgeführt worden, obwohl es sich bei der „Anpassung“ um Änderungen und Ergänzungen der Unterlagen im Sinne des § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB und nicht nur um redaktionelle und klarstellende Anpassungen sowie Ergänzungen der Unterlagen gehandelt habe. Diese Ergänzungen und Änderungen beruhten auch nicht auf einem ausdrücklichen Vorschlag eines Betroffenen: Im Kapitel 1.1 „Planungsanlass und Verfahren“ seien im Vergleich zum Entwurf vom 2.12.2021 die Unterlagen ergänzt worden. Das Verfahren nach § 13a BauGB sei erstmals begründet, der Wohnraumbedarf der Antragsgegnerin erstmals beschrieben worden. Auch Kapitel 1.4 „Lage, Größe und Nutzung des Plangebiets“ sei geändert. Es sei die Größe auf 5.760 m² angepasst und das Grundstück FlNr. … neu hinzugefügt worden. Ebenso sei das Kapitel 1.7 „Ziele und Grundsätze der Raumordnung und Landesplanung“ geändert worden. Hinsichtlich der Kapitel 1.9.1.2 „Wohngebiet WA 1, FlNr. … und 1.9.1.3 „Wohngebiet WA 2, FlNr. … sei es ebenfalls zu relevanten Änderungen gekommen. So sei beispielsweise bezüglich des WA 1-Gebiets erstmals die öffentliche Verkehrsfläche FlNr. … genannt worden, über die das Grundstück an die … Straße erschlossen werde, bezüglich des WA 2 sei erstmals auf die Festsetzung von 1,5 Stellplätzen/Garagen pro Wohneinheit eingegangen worden. Schließlich werde hinsichtlich Kapitel 1.9.6 (Erschließung) auch erstmals auf die Erschließung des WA 2-Gebiets über die öffentliche Verkehrsfläche FlNr. … eingegangen. Bei den Änderungen und Ergänzungen handle es sich nicht nur um redaktionelle und klarstellende Anpassungen. Diese Vorschriftenverletzung sei nach § 214 Abs. 1 Satz 1 BauGB auch beachtlich. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Buchst. g BauGB greife nicht ein.
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Auch materielle Vorschriften, deren Verletzung beachtlich sei, seien verletzt. Der Entwurf vom 24. März 2022 bilde die Grundlage für die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB, weshalb ein Abwägungsfehler vorliege. Der Bürger müsse einmal die Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich des Planentwurfs in seiner letzten Fassung erhalten, da der Entwurf die Grundlage für die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB sei (unter Verweis auf BVerwG, B.v. 8.3.2010 – 4 BN 42.09 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 2.8.2021 – 9 NE 21.1262 – juris Rn. 26). Da der Planentwurf vom 2. Dezember 2021 geändert und anschließend über den neuen Planentwurf vom 24. März 2022 entschieden worden sei, ohne dass die Öffentlichkeit oder die Behörden erneut Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hätten, liege ein Abwägungsdefizit nach § 1 Abs. 7 BauGB vor, das nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HS 1 BauGB beachtlich und nach § 214 Abs. 3 Satz 2 HS 2 BauGB auch erheblich sei. Des Weiteren sei das Gebot der Konfliktbewältigung, das sich aus § 1 Abs. 7 BauGB ergebe, verletzt. Dieses werde verletzt, wenn eine scheinbare Konfliktfreiheit nur auf einer Aussparung der konfliktträchtigen Zonen beruhe. Die Straße „Unterer Fuchsgraben“ sei nicht in den Geltungsbereich der Änderung einbezogen worden, aber als Privatstraße zu eng für ein Befahren von Krankenwägen oder der Feuerwehr. Auch werde der Konflikt der Bewältigung des ruhenden Verkehrs durch Stellplätze mithin in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht gelöst. Darüber hinaus liege ein Abwägungsausfall hinsichtlich der durch die Bauleitplanung hervorgerufenen Lärmkonflikte vor. Die Antragsgegnerin habe kein Schallimmissionsgutachten oder ähnliches in Auftrag gegeben. Hinsichtlich etwaiger Lärmquellen, wie die westlich des WA 1-Gebiets und der Lage an der … Straße, würden lediglich schallschutzoptimierte Grundrisse empfohlen.
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Die Antragstellerin beantragt zuletzt,
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Die Satzung über die 6. Änderung des Bebauungsplans … … … ist ungültig.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Der Antrag wird abgelehnt.
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Die Antragsgegnerin hält den Antrag mangels Antragsbefugnis bereits für unzulässig, da die Antragstellerin lediglich ausführe, sie könne im Hinblick auf mögliche planbedingte Lärmauswirkungen und die Stellplätze betroffen sein; des Weiteren sei die Straße … …, in der die Antragstellerin wohnt, fälschlicherweise nicht in den Geltungsbereich des Änderungsbebauungsplans einbezogen worden. Dies begründe keine Antragsbefugnis, es fehle bereits an einer substantiierten Darlegung, inwiefern ihre Belange durch den streitgegenständlichen Bebauungsplan abwägungserheblich berührt sein könnten. Die Nichteinbeziehung des … … könne keine Antragsbefugnis begründen. Inwieweit die Antragstellerin durch die Festsetzung von Stellplätzen im Gebiet WA 2 in ihren Rechten verletzt sei, habe diese weder vorgetragen, noch sei dies ersichtlich. Auch ihr Vortrag, sie sei „möglichen planbedingten Lärmauswirkungen“ ausgesetzt, konkretisiere sie nicht weiter. Dennoch habe die Antragsgegnerin eine immissionsschutztechnische Berechnung eventueller Lärmauswirkungen des streitgegenständlichen Bebauungsplans auf das Wohnhaus der Antragstellerin erstellen lassen, die eindeutig ergebe, dass dort bis zu 5 dB(A) geringere Lärmpegel als ohne die im streitgegenständlichen Bebauungsplan vorgesehene Bebauung zu erwarten sei. Die im Bebauungsplan WA 2 ermöglichte Bebauung zwischen der … Straße und dem Grundstück der Antragstellerin führe also zu einer Minderung der Verkehrslärmimmissionen an ihrem Grundstück, weshalb die Antragsgegnerin diesen Belang nicht in ihre Abwägung habe einstellen müssen. Der Normenkontrollantrag wäre im Übrigen unbegründet. Der Umgriff der streitgegenständlichen Änderung müsse nicht auf die Privatstraße … … erweitert werden. Durch das Änderungsverfahren solle vorrangig Baurecht für das WA 1- und WA 2-Gebiet geschaffen werden, um die dortigen Baulandpotenziale zu nutzen. Ein Anspruch auf Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung eines Bebauungsplans habe die Antragstellerin nicht (unter Berufung auf BVerwG, B.v. 2.9.2009 – 4 BN 16.09). Die von der Antragstellerin vorgebrachten Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen des Bebauungsplans bestünden nicht. Die Aufnahme des Grundstücks FlNr. … habe keine erneute Auslegung erfordert. Dieses im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Grundstück mit einer Fläche von rund 55 m² sei als Verkehrsfläche in den Geltungsbereich des Änderungsbebauungsplans ausschließlich zur Klarstellung der verkehrlichen Ordnung vor Ort und der Erschließung der südlich angrenzenden Grundstücke an die Staatsstraße aufgenommen worden. Daher sei keine weitere Ergänzung des beschafften Abwägungsmaterials zu erwarten gewesen, weshalb eine erneute Auslegung habe unterbleiben dürfen.
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Die Begründung zum Entwurf vom 2. Dezember 2021 sei in der Begründung zum Satzungsbeschluss nur konkretisiert und ergänzt worden, ohne neue Informationen einzustellen. Auch sei die Antragsgegnerin verpflichtet gewesen, ein Schallimmissionsgutachten im Rahmen des Bauleitplanverfahrens erstellen zu lassen. Ein solches sei von der Immissionsschutzbehörde des Landratsamts weder gefordert noch empfohlen worden. Aufgrund der Empfehlungen des Landratsamts, auf einen ausreichenden Lärmschutz, insbesondere zur … Straße hin, zu achten und die Bauherren darauf hinzuweisen sowie lärmsensible Nutzungen abgewandt von der Lärmquelle anzuordnen, hätten in das Planblatt (unter Nr. C.10.) sowie in die Begründung zum Bebauungsplan (Seite 15 unter 2.2) entsprechende Empfehlungen Eingang gefunden. Aufgrund der fachlichen Stellungnahme der unteren Immissionsschutzbehörde beim Landratsamt vom 6. August 2021 und den daraufhin in Plan und Begründung übernommenen Empfehlungen habe die Antragsgegnerin davon ausgehen dürfen, dass alle für die Abwägung maßgeblichen Umstände hinreichend aufgeklärt worden seien. Für die vom Senat im gerichtlichen Schreiben vom 6. Juni 2023 hingewiesenen fehlenden Ermittlungen habe nach alledem für die Antragsgegnerin kein Anlass bestanden.
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Am 5. Februar 2025 machte die Antragsgegnerin „die 6. Änderung des Bebauungsplans … … … mit Berichtigung des Flächennutzungsplans“ (erneut) im Amtsblatt bekannt.
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Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat sich nicht am Verfahren beteiligt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Normaufstellungsakte sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

21
Der Normenkontrollantrag ist zulässig und begründet.
I.
22
Der Antrag ist zulässig.
23
Der Normenkontrollantrag wurde innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt.
24
Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann einen Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder verletzt zu werden. Ist ein Bebauungsplan Gegenstand der Normenkontrolle und der Betroffene nicht Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet, so kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen (stRspr, BVerwG, U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215, 220 ff.; BVerwG, B.v. 21.12.2017 – 4 BN 12.17 – juris Rn. 7). An die Geltendmachung einer – möglichen – Rechtsverletzung sind dabei keine höheren Anforderungen zu stellen als an die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Es genügt, dass der Antragsteller substantiiert Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen (BVerwG, U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215 = juris Rn. 8 ff.; BayVGH, U.v. 11.5.2010 – 15 N 08.850 – juris Rn. 26). Abwägungserheblich sind dabei aber nur private Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. An Letzterem fehlt es bei geringwertigen oder mit einem Makel behafteten Interessen sowie bei solchen, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solchen, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2015 – 4 CN 5.14 – juris Rn. 14 m.w.N.). Führt die Änderung eines Bebauungsplans dazu, dass Nachbargrundstücke in anderer Weise oder baulich intensiver als bisher genutzt werden dürfen, so gehören die Interessen der Nachbarn an der Beibehaltung der geltenden Festsetzungen grundsätzlich zum notwendigen Abwägungsmaterial. Zwar gewährt das Baugesetzbuch keinen Anspruch auf Fortbestand eines Bebauungsplans und schließt auch Änderungen des Plans nicht aus. Die ortsrechtlichen Festsetzungen begründen aber regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass Veränderungen eines bestehenden Bebauungsplans, die sich für die Nachbarn nachteilig auswirken können, nur unter Berücksichtigung ihrer Interessen vorgenommen werden. Planungsnachbarn einer Änderungsplanung können in solchen Fällen eine Antragsbefugnis aus dem Recht auf gerechte Abwägung ihrer Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB nicht nur dann herleiten, wenn die vormalige Festsetzung, auf deren Fortbestand der Betroffene vertraut hat, gerade eine Schutzwirkung gegenüber diesem entfalten soll. Abwägungsrelevant ist vielmehr jedes mehr als geringfügige private Interesse am Fortbestehen des Bebauungsplans in seiner früheren Fassung, auch wenn es auf einer den Betroffenen nur tatsächlich begünstigenden Festsetzung beruht. Deshalb begründen die Festsetzungen eines Bebauungsplans auch dann, wenn sie nicht drittschützend sind, regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass Veränderungen, die sich für die Nachbarn mehr als geringfügig nachteilig auswirken, nur unter Berücksichtigung ihrer Interessen vorgenommen werden (zum Ganzen vgl. BVerwG B.v. 27.9.2021 – 4 BN 17/21 – juris Rn. 9 m.w.N.; BayVGH, U.v. 16.7.2019 – 9 N 17.2391 – juris Rn. 21; VGH BW, U.v. 16.10.2018 – 8 S 2368/16 – juris Rn. 68 f.). Führt mithin eine Bebauungsplanänderung dazu, dass eine bislang allenfalls mit Nebenanlagen bebaubare Fläche – wie im vorliegenden Fall eine bislang als Flächen für Stellplätze und Garagen gem. § 9 Abs. 2 Nr. 4 BauGB (i.d.F. vom 18.8.1976) festgesetzte Fläche, auf der Wohngebäude gerade typischerweise nicht verwirklicht werden können – nunmehr als Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet mit Geschosswohnungsbau und als Maß der baulichen Nutzung bis zu zwei Vollgeschossen ausgewiesen wird, ist das Interesse der Eigentümer eines benachbarten Grundstücks an der Beibehaltung des bisherigen Planungszustands abwägungsrelevant, wenn die tatsächlichen Auswirkungen der Änderungsplanung für diesen über eine bloße Bagatellbetroffenheit hinausgehen (vgl. BVerwG B.v. 28.5.2019 – 4 BN 44/18 – juris, m.w.N.). Zwar bedeutet die Annahme der Abwägungsbeachtlichkeit nachbarrechtlicher Interessen nicht, dass sie sich in der Abwägung auch durchsetzen müssen. Ob sie aber Gegenstand der Abwägung waren und dabei hinreichend berücksichtigt worden sind, muss der betroffene Nachbar im Wege der Normenkontrolle überprüfen lassen können.
25
Die Antragstellerin hat einen derartigen abwägungsrelevanten Belang vorgetragen. Zwar stellt weder ihr Interesse an der Erweiterung des Plangebiets einen abwägungserheblichen Belang dar (vgl. BVerwG, B.v. 2.9.2009 – 4 BN 16/09 – juris Rn. 12), noch führt ihr Vorbringen, es würde durch die Umsetzung der Planung zu einer erheblichen Lärmbelastung kommen, zur Antragsbefugnis. Das von der Antragsgegnerin eingeholte Lärmgutachten hat eine deutliche Reduzierung der Lärmbelastung durch die … Straße am Grundstück der Antragstellerin bei Umsetzung des Bebauungsplans ergeben und auch das Auftreten von (weiterem) Parksuchverkehr, der an ihrem Grundstück vorbeiführen würde, ist nicht ersichtlich. Allerdings begründet ihr dargetanes Interesse an der Beibehaltung der nördlich ihres Grundstücks gelegenen Fläche als festgesetzte Fläche für Stellplätze und Garagen ihre Antragsbefugnis. Es ist auch nicht derart unwesentlich, dass die Abwägungserheblichkeit wegen bloßer Bagatellbetroffenheit zu verneinen wäre. Unter Zugrundelegung der durch die Änderungsplanung eröffneten möglichen Höhe und Länge der neuen Gebäude ist das Interesse der Antragstellerin als Eigentümerin eines benachbarten Wohngrundstücks im Geltungsbereich des Ursprungsbebauungsplans am Fortbestehen des Bebauungsplans in seiner früheren Fassung, also in Bezug auf die Beibehaltung der Fläche für Stellplätze und Garagen, aufgrund der Umstände des Einzelfalls als abwägungsrelevant einzustufen. Durch die durch den streitgegenständlichen Änderungsbebauungsplan ermöglichte erstmalige Bebauung dieser Fläche mit Wohnungen im Geschosswohnungsbau und der Massivität des möglichen Baukörpers im Vergleich zur Umgebungsbebauung bei umfangreicher Ausnutzung der durch Baugrenzen abgesteckten Baufenster, deren geringfügige Überschreitung von 1,50 m durch Gebäudeteile zudem ausnahmsweise zulässig ist (Nr. 3.3 des streitgegenständlichen Bebauungsplans), ergibt sich eine deutlich intensivere Nutzung als nach den bisherigen Festsetzungen und wird die bisherige Wohnlage auf dem Grundstück der Antragstellerin wesentlich geändert.
II.
26
Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Zwar führt die unterlassene erneute Auslegung nicht zur Unwirksamkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplans. Die angegriffene Planung leidet jedoch an einem gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 215 Abs. 1 BauGB relevanten Verstoß gegen das Ermittlungs- und Bewertungsgebot (§ 2 Abs. 3 BauGB) sowie an einem gem. § 214 Abs. 3 Satz 2, § 215 Abs. 1 BauGB relevanten Verstoß gegen das Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB). Diese Mängel führen zur Gesamtunwirksamkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplans.
27
1. Ein Verfahrensfehler liegt nicht bereits darin, dass die Antragsgegnerin keine erneute Auslegung gemäß § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB durchgeführt hat, nachdem sie am 24. März 2022 sowohl die Begründung des Bebauungsplans als auch das Plangebiet durch die Aufnahme des Grundstücks FlNr. … geändert hatte.
28
a) Nach § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB ist der Entwurf eines Bebauungsplans erneut auszulegen und sind Stellungnahmen erneut einzuholen, wenn der Entwurf eines Bebauungsplans nach dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 oder § 4 Abs. 2 BauGB geändert oder ergänzt wird. Die Pflicht zu einer erneuten Auslegung besteht, wenn der Entwurf des Bauleitplans mit den seinen normativen Inhalt ausmachenden zeichnerischen und textlichen Festsetzungen geändert oder ergänzt wird (BVerwG, U.v. 8.3.2017 – 4 CN 1.16 – BVerwGE 158, 182 Rn. 16 m.w.N.). Im Grundsatz löst jede Änderung oder Ergänzung des Entwurfs die Pflicht zur Wiederholung der Auslegung aus (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 18.4.2016 – 4 BN 9.16 – juris Rn. 4, v. 29.6.2017 – 4 BN 37.16 – juris Rn. 8 und v. 31.7.2018 – 4 BN 41.17 – juris Rn. 6). Werden die Grundzüge der Planung nicht berührt, kann nach § 4a Abs. 3 Satz 4 BauGB die Einholung der Stellungnahmen auf die von der Änderung oder Ergänzung betroffene Öffentlichkeit sowie die berührten Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange beschränkt werden. Auch in einem solchen Fall besteht damit eine Pflicht zur erneuten Beteiligung, wenn auch in eingeschränktem Umfang.
29
Allerdings ist das Beteiligungsverfahren nicht um seiner selbst willen zu betreiben (BVerwG, U.v. 29.1.2009 – 4 C 16.07 – BVerwGE 133, 98 Rn. 40 und B.v. 8.3.2010 – 4 BN 42.09 – juris Rn. 11). Hat eine nach öffentlicher Auslegung vorgenommene Ergänzung einer Festsetzung lediglich klarstellende Bedeutung, so besteht kein Anlass zu einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung oder einer erneuten Beteiligung von Behörden und Trägern öffentlicher Belange, denn inhaltlich ändert sich am Planentwurf nichts. Entsprechendes gilt, wenn der Entwurf nach der Auslegung in Punkten geändert wird, zu denen die betroffenen Bürger, Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange zuvor bereits Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, die Änderungen auf einem ausdrücklichen Vorschlag eines Betroffenen beruhen und Dritte hierdurch nicht abwägungsrelevant berührt werden (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 3.1.2020 – 4 BN 25/19 – juris Rn. 6 f; BayVGH, U.v. 11.4.2024 – 9 N 22.567 – juris Rn. 35 f. m.w.N.).
30
b) Gemessen an diesen Grundsätzen haben die von der Antragsgegnerin nach der letzten Auslegung des Bebauungsplanentwurfs vom 20. Dezember 2021 bis 26. Januar 2022 vorgenommenen Modifikationen wie die Ergänzung der Begründung hinsichtlich des Wohnraumbedarfs, der Grundsätze der Raumordnung und Landesplanung, eines verbleibenden Stellplatzbedarfs oder die Einbeziehung des Grundstücks FlNr. … als öffentliche Verkehrsfläche in das Plangebiet keine Pflicht zur erneuten Auslegung und Einholung von Stellungnahmen ausgelöst. Die Ergänzung der Begründung hat keinen über eine Präzisierung oder Vertiefung hinausgehenden normativen Inhalt. Auch die Einbeziehung des Grundstücks FlNr. … führt trotz seines normativen Inhalts nicht dazu, dass der Planentwurf erneut auszulegen war. Bei diesem Grundstück handelt es sich um einen etwa 55 m² großen Streifen, der im Eigentum der Antragsgegnerin steht. Die Interessen anderer Behörden, sonstiger Träger öffentlicher Belange oder der Öffentlichkeit sind von der minimalen Vergrößerung des Planbereichs nicht berührt worden, neue Aspekte, die über die bisher zu berücksichtigten hinausgingen, hat sie nicht ausgelöst.
31
2. Die Antragsgegnerin hat einen Bekanntmachungsfehler durch Neubekanntmachung geheilt; ob der Bebauungsplan an einem weiteren beachtlichen Verfahrensfehler in Gestalt eines Ausfertigungsmangels gem. Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO leidet, kann offen bleiben.
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a) Ein Fehler in der Bekanntmachung des Bebauungsplans liegt nicht (mehr) vor. Bebauungspläne sind als Satzung nach § 10 Abs. 1 BauGB gemäß Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO auszufertigen und (anschließend) bekanntzumachen (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.1999 – 4 B 129.98 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 1.7.2014 – 15 N 12.333 – juris Rn. 26 f.). Die Ausfertigung erfolgt hierbei durch handschriftliche Unterzeichnung des ersten Bürgermeisters oder dessen Stellvertreters auf der Originalurkunde unter Angabe des Datums (vgl. BayVGH, U.v. 10.10.2018 – 2 N 16.1285 – juris Rn. 20; Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, GO, Stand Januar 2024, Art. 26 Nr. 3 Buchst. a). Ihr Zweck ist es, zu bezeugen, dass der Satzungsinhalt mit dem Willen des Gemeinderats übereinstimmt (Bezeugung der Authentizität). Die Ausfertigung schafft die Originalurkunde, die zugleich Grundlage und Voraussetzung der Verkündung ist. Sie muss daher in der Zeit zwischen Satzungsbeschluss und Bekanntmachung erfolgen. Vorliegend stimmt das Datum der ursprünglichen Bekanntmachung mit dem Datum, das als Ausfertigungsdatum auf dem Bebauungsplan genannt ist, überein. Allerdings hat die Antragsgegnerseite in der mündlichen Verhandlung Zweifel daran aufgeworfen, ob das Ausfertigungsdatum richtig beurkundet ist. Die augenscheinliche Übereinstimmung von Ausfertigungs- und Bekanntmachungsdatum stellt ein starkes Indiz dafür dar, dass die Reihenfolge (Ausfertigung vor Bekanntmachung) nicht gewahrt ist, denn regelmäßig dürfte es nicht möglich sein, die Bekanntmachung des Bebauungsplans nach seiner Ausfertigung noch am selben Tage zu bewirken (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.1999 – 4 B 129/98 – Rn. 6). Dieses Indiz hat die Antragsgegnerin, die in der mündlichen Verhandlung lediglich Zweifel an der Richtigkeit des Ausfertigungsdatums äußerte, nicht widerlegen können. Jedoch hat sie diesen Bekanntmachungsmangel in einem ergänzenden Verfahren gemäß § 214 Abs. 4 BauGB behoben, indem sie den Bebauungsplan am 5. Februar 2025 erneut bekannt gemacht hat. Damit hat sie das von ihr ursprünglich eingeleitete Verfahren an der Stelle fortgesetzt, an der ihr der korrigierte Fehler unterlaufen ist und hat das ergänzende Verfahren mit einer erneuten Bekanntmachung des neuen, inhaltsgleichen, Bebauungsplan abgeschlossen (BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 – 4 BN 42.09 – juris Rn. 8; B.v. 29.12.2000 – 4 BN 47.00 – Rn. 6 m.w.N.).
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b) Allerdings ist das Vorliegen eines Ausfertigungsmangels nicht ausgeschlossen, da durch die Zurückversetzung des Verfahrens in den Zeitpunkt der Bekanntmachung etwaige vorherige Mängel im Bebauungsplanverfahren nicht behoben werden konnten. Damit bestehen weiterhin die von der Antragsgegnerseite in der mündlichen Verhandlung selbst aufgeworfenen Zweifel an der Richtigkeit des dokumentierten Ausfertigungsdatums. Denn die Ausfertigung wurde nicht wiederholt. Ob ein falsches Ausfertigungsdatum ebenso wie eine ohne Datumsangabe unterzeichnete Satzungsurkunde einen beachtlichen Formfehler darstellt – § 214 Abs. 1 BauGB gilt nur für Verstöße gegen Anforderungen des BauGB – bedarf keiner abschließenden Entscheidung, denn der Bebauungsplan leidet zumindest an weiteren zu seiner Gesamtnichtigkeit führenden Fehlern.
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3. Der Bebauungsplan leidet jedenfalls an beachtlichen Ermittlungs- und Abwägungsmängeln. Die Antragsgegnerin hat die Belange, die für die Abwägung bedeutsam sind, unzureichend ermittelt und gegen das rechtsstaatlich fundierte Gebot der gerechten Abwägung verstoßen. Dieses verpflichtet die Gemeinde, die für die Planung bedeutsamen öffentlichen und privaten Belange (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB) sowie sie gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§ 1 Abs. 7 BauGB). Die Antragsgegnerin hat die Vorbelastung durch die von der … Straße ausgehenden Emissionen nicht ermittelt.
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a) § 1 Abs. 7 BauGB bestimmt, dass bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind; § 2 Abs. 3 BauGB ergänzt dieses materiell-rechtliche Abwägungsgebot um die Verfahrensanforderung (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB), dass die abwägungserheblichen Belange zu ermitteln und zu bewerten sind. Zu ermitteln und zu bewerten und gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2014 – 4 BN 38.13 – juris Rn. 6), wonach bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet (Abwägungsausfall) oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss (Abwägungsdefizit), wenn die Bedeutung dieser Belange verkannt wird (Abwägungsfehleinschätzung) oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität) (BVerwG, U.v. 12.12 1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301, 308 f.; U.v.5.5.2015 – 4 CN 4.14 – juris Rn. 14; stRspr). Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgeblich, § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Dementsprechend setzt eine Abwägung zuvorderst eine Zusammenstellung des relevanten Abwägungsmaterials voraus.
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b) Die Antragsgegnerin hat die für das ausgewiesene Wohngebiet bestehende Lärmvorbelastung unzureichend ermittelt; die Abwägung erweist sich aus diesem Grund defizitär.
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Aus den von der Landesbaudirektion Bayern (Zentralstelle Straßeninformationssysteme) veröffentlichten Daten ergibt sich für die für das Plangebiet relevante Zählstelle Nr. … an der … Straße für das Jahr 2021 eine durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) von 3664 Kfz/24 h, davon 161 Kfz/24 h Schwerverkehr. Die Landesbaudirektion gibt den Mittelungspegel (Lm[25]) (gemäß der für den Lärmschutz an Straßen maßgeblichen Richtlinien – RLS 90) mit 61,9 dB(A) tags und 53,6 dB(A) nachts an. Damit übersteigen sie um 6,9 dB(A) bzw. 8,6 dB(A) die gemäß DIN 18005 für allgemeine Wohngebiete geltenden Orientierungswerte von 55 dB(A) tags bzw. 45 dB(A) nachts und die für Mischgebiete geltenden Orientierungswerte von 60 dB(A) bzw. 55 dB(A) um 1,9 dB(A) bzw. 3,6 dB(A). Bei diesen schalltechnischen Orientierungswerten handelt es sich zwar nicht um rechtlich bindende Vorgaben, so dass sie lediglich als Orientierungshilfe im Rahmen sachgerechter Abwägung zur Bestimmung der zumutbaren Lärmbelastung herangezogen werden können und eine Abweichung durchaus möglich ist. Je weiter die Orientierungswerte der DIN 18005 überschritten werden, desto gewichtiger müssen allerdings die für die Planung sprechenden städtebaulichen Gründe sein und umso mehr hat die Gemeinde die baulichen und technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihr zu Gebote stehen, um diese Auswirkungen zu verhindern (BVerwG, U.v.22.3.2007 – 4 CN 2.06 – Rn. 15 m.w.N.). Daher sind hierfür entsprechende Abwägungsüberlegungen notwendig, in die auch mögliche Schutzmaßnahmen einzubeziehen sind. Daran fehlt es bereits. Denn die Antragsgegnerin hat keine Untersuchungen zur Schutzbedürftigkeit der Innen- und Außenwohnbereiche anstellen lassen oder sich sonst im Rahmen der Abwägung mit den nach Lage der Dinge in Betracht kommenden baulichen und technischen Möglichkeiten zum Schutz der Wohnbereiche befasst, die eine Überschreitung der Orientierungswerte auf das im Interesse der Erreichung des Planungsziels hinzunehmende Maß beschränken könnten.
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Aus dem Ermittlungsdefizit ergibt sich auch ein Bewertungsdefizit. Die Aufnahme des Hinweises in Buchstabe C Nr. 10 des Bebauungsplans, dass empfohlen werde, die Baukörper mit schallschutzoptimierten Grundrissen auszuführen und sich ab dem Erdgeschoss bei allen Wohngebäuden die Fenster der Schlafräume auf der von möglichen Lärmquellen abgewandten Seite orientieren sollen oder alternativ Schallschutzfenster eingebaut werden können, sind nicht geeignet, die durch Umsetzung des Bebauungsplans entstehenden Lärmkonflikte zu lösen. Es handelt sich bereits nicht um Festsetzungen, deren Umsetzung rechtlich durchsetzbar ist, sondern lediglich um unverbindliche Hinweise. Im Übrigen konnte mangels Untersuchung der Lärmwerte von der Antragsgegnerin nicht abgewogen werden, welche Immissionen selbst bei Umsetzung der – unverbindlichen – Hinweise noch auf die Wohnhäuser einwirken würden und ob diese Lärmschutzmaßnahmen von ihr für ausreichend oder weitere Maßnahmen zum Schutz der Bewohner für erforderlich erachtet würden oder von einer Wohnbebauung gänzlich abgesehen werde. Schon aus diesem Grund scheidet auch eine Verlagerung auf das Baugenehmigungsverfahren – sofern ein solches überhaupt durchgeführt werden muss (vgl. Art. 58 Abs. 1 Satz 1 BayBO: Genehmigungsfreistellung) – aus.
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c) Das Ermittlungsdefizit und das Bewertungsdefizit stellen eine beachtliche Verletzung der Verfahrens- und Formvorschriften gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB dar, der Verstoß gegen das Abwägungsgebot ist ebenso beachtlich gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB, da jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Planung ohne den Mangel im Abwägungsvorgang anders ausgefallen wäre (vgl. dazu BVerwG, U.v. 9.4.2008 – 4 CN 1/07 – juris Rn. 22). Bei hinreichender Ermittlung der bestehenden Vorbelastung des ausgewiesenen Wohngebiets mit Verkehrslärmimmissionen hätte sich die Antragsgegnerin in der Abwägung möglicherweise für Festsetzungen des (passiven) Schallschutzes entschieden.
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Diese Mängel sind zudem nicht nachträglich unbeachtlich geworden. Die Antragstellerin hat sie in ihrer Antragsbegründung vom 19. Dezember 2022, die der Antragsgegnerin noch am gleichen Tag durch das erkennende Gericht per EGVP zugestellt worden ist, und damit innerhalb eines Jahres seit (erster) Bekanntmachung des Bebauungsplans schriftlich gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 BauGB. Einer wiederholten Geltendmachung der Mängel nach erneuter Bekanntmachung des Bebauungsplans am 5. Februar 2025 bedurfte es nicht, da durch die erneute Bekanntmachung des inhaltlich unveränderten Plans keine neue Rügefrist eröffnet wurde (vgl. BVerwG B.v. 10.1.2017 – 4 BN 18/16 – juris Rn. 7 m.w.N.; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, September 2024, § 215 Rn. 39 ff.).
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4. Die festgestellten Abwägungsmängel führen zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans, da jedenfalls der Mangel hinsichtlich der Ermittlung der von der … Straße ausgehenden Lärmemissionen (vgl. unter 3 b) das Plangebiet WA 1- ebenso wie das Plangebiet WA 2-Gebiet betreffen.
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Auf die weiteren Rügen der Antragstellerin oder auf sonstige Unwirksamkeitsgründe kommt es daher nicht mehr an.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 709 Satz 1 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
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Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Nummer I der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB).