Inhalt

VGH München, Beschluss v. 19.03.2025 – 21 ZB 23.2357
Titel:

Keine Zulassung zur Prüfung für die Facharztbezeichnung mangels Anrechenbarkeit von Weiterbildungszeiten

Normenketten:
HKaG Art. 20 Abs. 5, Art. 27, Art. 29, Art. 31 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 3, Art. 33 Abs. 1 S. 2, S. 3
WBO 2013 § 1 S. 7, § 5 Abs. 3 S. 1, § 12 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 5, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
Leitsatz:
Ein Weiterbilder muss die Weiterbildung persönlich leiten und grundsätzlich ganztägig  an der Weiterbildungsstätte präsent sein. (Rn. 28 und 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufsrecht der Ärzte, Anrechnung von Weiterbildungszeiten und Zulassung zur Facharztprüfung, Verpflichtung des Weiterbilders, die Weiterbildung persönlich zu leiten und grundsätzlich ganztägig durchzuführen, Anrechnung, Arzt, Beweisantrag, ernstliche Zweifel, Klinik, Klinikum, Zulassung, Anerkennung Weiterbildungszeit, Berufungszulassung, Facharztprüfung, Verfahrensmangel, Vertrauensschutz, Weiterbildungsbefugnis, Abwesenheit, Vollzeit, Teilzeit, ganztägig, Delegation, Präsenz, Facharztbezeichnung, Weiterbildungszeit
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 26.10.2023 – M 27 K 21.6223
Fundstelle:
BeckRS 2025, 5895

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin begehrt Rechtsschutz hinsichtlich einer abgelehnten Anerkennung von Weiterbildungszeiten sowie die Zulassung zur Prüfung für die Facharztbezeichnung „Kinder- und Jugendmedizin“.
2
Der Klägerin wurde am 16. Juli 2012 die ärztliche Approbation erteilt. In der Folge war sie ab dem 1. April 2013 bis zum 30. Juni 2013 im Klinikum G, vom 1. Juli 2013 bis zum 30. April 2015 im Klinikum L und vom 1. Mai 2015 bis zum 31. März 2018 im Klinikum LH jeweils ganztägig und hauptberuflich als Assistenzärztin tätig.
3
Ihr Weiterbilder im Klinikum L, Dipl.-Med. R. (Weiterbilder), hatte am 27. Juni 2011 bei der Beklagten eine Weiterbildungsbefugnis als Weiterbilder an mehreren Weiterbildungsstätten beantragt und dabei angegeben, wöchentlich 42 Stunden in seiner Praxis und 13 Stunden in der Kinderabteilung des Klinikums L zu arbeiten. Ihm war daraufhin am 13. Februar 2012 von der Beklagten eine 24-monatige Weiterbildungsbefugnis für beide Weiterbildungsstätten erteilt worden. Diese Weiterbildungsbefugnis enthielt insbesondere die Nebenbestimmung, dass die Befugnis für Praxis und Klinikum gelte, jedoch sicherzustellen sei, dass die Weiterbildung von Assistenten an den beiden Weiterbildungsstätten ganztägig unter der persönlichen Anleitung des Weiterbilders erfolge. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Assistenzärzte über die festgesetzten Nebenbestimmungen in Kenntnis zu setzen seien. Mit Schreiben der Beklagten vom 7. Oktober 2013 wurde der Weiterbilder unter anderem darauf hingewiesen, dass sowohl die Weiterbildung in der Praxis als auch die stationäre Weiterbildung nur unter der fachlichen Leitung eines Weiterbilders erfolgen könne, der vor Ort sei.
4
Der Webseite der Beklagten war zu entnehmen, dass die Weiterbildungsbefugnis des Dipl.-Med. R. nur mit Nebenbestimmung gilt. Der Wortlaut der Nebenbestimmung war im „Meine BLÄK-Portal“ für alle in Bayern gemeldeten Ärzte abrufbar. Der vorgelegten Auflistung über die Weiterbildungsbefugnis ist zu entnehmen, dass eine Weiterbildungsbefugnis für den Weiterbilder in dessen Praxis und im Klinikum L besteht. Es ist ein Klammerzusatz angefügt mit „WBB gilt an beiden Standorten“. In der Spalte „Jahre der Weiterbildungsbefugnis“ ist eingetragen „2 *m. NB“.
5
Die Klägerin beantragte am 27. November 2019 bei der Beklagten die Anerkennung als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und legte unter anderem ein Weiterbildungszeugnis ihres Weiterbilders Dipl.-Med. R. vom 6. Juli 2016 für die Tätigkeit der Klägerin im Klinikum L vor, nach dem sie vom 1. Juli 2013 bis zum 30. April 2015 unter seiner Anleitung ganztägig und hauptberuflich als Assistenzärztin in der Kinder- und Jugendabteilung des Klinikums L tätig gewesen sei. Mit am 4. Mai 2020 nachgereichtem Schreiben bestätigte der Weiterbilder die ausschließliche Tätigkeit der Klägerin im Klinikum L.
6
Auf Nachfragen der Beklagten erklärte der Weiterbilder, dass die Klägerin zu keiner Zeit in der Praxis tätig gewesen sei. Er selbst sei tatsächlich deutlich mehr als die in seinem Antrag angegebenen 13 Stunden im Klinikum L anwesend gewesen; entsprechende Arbeitsverträge könne er nicht vorlegen. Er habe täglich zwischen 8 Uhr und 11 Uhr jeden einzelnen Patienten mit seinen Assistenten erörtert. Die Praxis sei nicht weit vom Klinikum entfernt und eine Anwesenheit binnen wenigen Minuten sei möglich gewesen. Jede stationäre Neuaufnahme sei zeitnah persönlich begutachtet und mit den Assistenten besprochen worden. Es habe eine tägliche Abendvisite gegeben. In der Zwischenzeit sei er telefonisch immer erreichbar gewesen. Seit 2014 sei er zudem freitags ganztägig in der Praxis vertreten worden und nur für die Klinik dagewesen.
7
Nach einer bei der Akte befindlichen E-Mail der Personalabteilung des Klinikums L vom 18. Juni 2019 stand der Weiterbilder mit 32,50%, also 13 Stunden wöchentlich zur Verfügung.
8
Dem Antrag der Klägerin wurde mit Bescheid vom 2. März 2021 nicht stattgegeben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass hinsichtlich der 22 im Klinikum L abgeleisteten Monate nur 7,48 Monate angerechnet werden könnten, sodass für die erforderliche 60-monatige Weiterbildung 14,52 Monate fehlten. Die Anrechnung entspreche dem Anteil von 13 Stunden pro Woche, die der Weiterbilder im Rahmen seines Antrags auf Weiterbildungsbefugnis als Tätigkeit im Klinikum L angegeben habe. Gegenläufige Nachweise seien trotz mehrmaliger Nachfrage nicht erbracht worden. Dagegen legte die Klägerin am 9. April 2021 Widerspruch ein
9
Nach Zurückweisung ihres Widerspruchs ließ die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht erheben und beantragte sinngemäß: I. Der Bescheid der Beklagten vom 2. März 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Oktober 2021 wird aufgehoben. II. Die Beklagte wird verpflichtet, die abgeleistete und nachgewiesene Weiterbildungszeit der Klägerin für die Facharztbezeichnung Kinder- und Jugendmedizin wie beantragt voll anzurechnen und die Klägerin zum Prüfungsgespräch zur Erlangung der Facharztbezeichnung Kinder- und Jugendmedizin zuzulassen.
10
Das Verwaltungsgericht München hat die Klage mit Urteil vom 26. Oktober 2023 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zulassung zur Facharztprüfung. Sie habe weder die Anforderungen an die Weiterbildung erfüllt, noch könne sich die Klägerin auf Vertrauensschutz oder auf eine Gleichbehandlung mit anderen Weiterbildungsassistenten berufen. Der Anspruch auf vollständige Anerkennung der Zeiten im Klinikum L bestehe nicht, denn die Anforderungen der Weiterbildungsordnung an die verantwortliche Leitung durch den Weiterbilder seien nicht erfüllt. Da die geforderten Weiterbildungszeiten noch nicht vollständig erbracht seien, bestehe auch kein Anspruch auf Zulassung zur Prüfung.
11
Die Klägerin hat gegen das am 20. November 2023 zugestellte Urteil am 20. Dezember 2023 die Zulassung der Berufung beantragt.
II.
12
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
13
Das von der Klägerin innerhalb der Begründungsfrist Dargelegte, auf dessen Prüfung der Senat nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO im Grunde beschränkt ist, rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegen nicht vor bzw. sind nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt.
14
1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
15
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn gegen dessen Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt wird, dass sich die gesicherte Möglichkeit der Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 und B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – jeweils juris). Solche ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht.
16
1.1 Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerin mangels voller Anrechenbarkeit ihrer Weiterbildung im Klinikum L keinen Anspruch auf Zulassung zur Facharztprüfung hat.
17
Eine Facharztbezeichnung nach Art. 27 des Heilberufe-Kammergesetzes (HKaG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 2002 (GVBl. S. 42, zuletzt geändert durch § 3 G. v. 24. Juli 2023 – GVBl S. 431), darf nach Art. 29 Abs. 1 HKaG führen, wer aufgrund des erfolgreichen Abschlusses der vorgeschriebenen Weiterbildung die entsprechende Anerkennung erhalten hat. Über den Antrag entscheidet die Landesärztekammer auf Grund des Ergebnisses einer Prüfung der vorgelegten Zeugnisse über den Inhalt, den Umfang und den Erfolg der nach abgeschlossenem Medizinstudium durchlaufenen Weiterbildung in dem gewählten Gebiet und eines Prüfungsgesprächs (Art. 33 Abs. 1 Satz 2 und 3 HKaG).
18
Nach § 12 Abs. 1 der auf Grundlage von Art. 35 HKaG erlassenen Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 in der Fassung der Beschlüsse des 71. Ärztetages vom 14. Oktober 2012, in Kraft getreten am 1. Januar 2013 (WBO 2013), die nach § 20 Abs. 5 Satz 1 und 3 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 16. Oktober 2021 in der Fassung der Beschlüsse des 81. Bayerischen Ärztetags am 16. Oktober 2022, in Kraft getreten am 1. Januar 2023 (WBO 2023) für die Weiterbildung der Klägerin maßgeblich ist, wird die Zulassung zur Prüfung erteilt, wenn die inhaltlichen und zeitlichen Anforderungen der Weiterbildungsordnung an den Erwerb der vorgeschriebenen Kompetenz erfüllt und die Nachweise einschließlich der Dokumentationen nach § 8 Abs. 3 WBO 2013 belegt sind. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht.
19
1.1.1 Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie im Hinblick auf ihre begehrte Anerkennung als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin – entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts – einen Anspruch auf eine vollständige Anerkennung ihrer Weiterbildungszeit im Klinikum L in der Zeit vom 1. Juli 2013 bis zum 30. April 2015 habe, da die Anforderungen der Weiterbildungsordnung an die verantwortliche Leitung durch ihren Weiterbilder Dipl.-Med. R. erfüllt worden seien. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts, dass eine Vollzeitpräsenz des verantwortlichen Weiterbilders erforderlich sei, gehe insgesamt fehl, sei zu eng sowie praxis- und realitätsfern. Eine Verpflichtung zur Vollzeitpräsenz bzw. ganztägigen Präsenz im Klinikum ergebe sich weder aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 1 WBO 2013 noch aus weiteren Vorschriften der Weiterbildungsordnung oder des Heilberufe-Kammergesetzes. Auch in der neuesten Fassung der Weiterbildungsordnung sei von einer Vollzeitpräsenz nicht die Rede. Würden in der Konsequenz sowohl Weiterbilder als auch Weiterzubildender ihre Präsenz in der Weiterbildungsstätte durchgängig dokumentieren, um im Nachhinein die Zeiten der gleichzeitigen Präsenz und somit anrechenbaren Weiterbildungszeit zu ermitteln, kämen beim Schichtdienst in einer Klinik nur wenige Wochenstunden gemeinsame Präsenz zustande. Weiterbildungsassistenten seien im Klinikalltag üblicherweise im Schichtdienst tätig. Die Nacht- und Wochenenddienste dürften nach dieser Interpretation genauso wenig wie Urlaube, Fortbildungen oder sonstige Abwesenheiten des Weiterbilders angerechnet werden. Eine Vollzeitbetreuung durch den Weiterbilder, die das Verwaltungsgericht im Umkehrschluss zur Vollzeitarbeit des Assistenzarztes ableiten wolle, dürfe auch nicht bedeuten, dass der Weiterbilder stets in der Klinik parallel zum Weiterbildungsassistenten vor Ort präsent sein müsse. Im Übrigen habe vorliegend eine Vollzeitbetreuung durch den Weiterbilder stattgefunden. Die notwendige Unterstützung bei Fragen, die Erreichbarkeit, Verfügbarkeit und sofortige Präsenz im Bedarfsfall seien bei Dipl.-Med. R. jederzeit gegeben gewesen.
20
Verantwortliche Leitung i.S.d. Art. 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 HKaG, § 1 Satz 7, § 5 Abs. 1 Satz 2 WBO 2013 müsse bedeuten, dass der Weiterbilder die Weiterbildung im Rahmen des vorgeschriebenen Zeitraums nach seinem fachlich pädagogischen Ermessen durchführen könne. Zudem sei das Erlernen der Selbständigkeit auch ein zentraler Bestandteil der Facharztausbildung. Unter persönlicher Leitung sei auch nicht zu verstehen, dass der zur Weiterbildung ermächtigte Arzt zwingend alle Aufgaben in eigener Person wahrnehmen müsse. Bei sorgfältiger Einweisung und sichergestellter Überwachung könne auch eine Delegation einzelner Aufgaben auf andere bewährte Ärzte in Betracht kommen. Im Weiterbildungszeitraum der Klägerin sei am Klinikum auch Facharzt S beschäftigt gewesen, der seit 2011 Stellvertreter des Dipl.-Med R. gewesen sei und in dieser Funktion auch die Weiterbildung der Assistenten sichergestellt habe. Darüberhinaus sei die Betreuung der Assistenten auch durch die Fachärzte W, St und L gewährleistet gewesen.
21
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass den Anforderungen an eine vollumfängliche, tatsächliche und rechtliche Anleitung nicht Genüge getan sei, weil wegen der tatsächlichen räumlichen Abwesenheit des Weiterbilders während eines erheblichen Teils der Arbeitszeit der Klägerin bei Rückfragen der Klägerin weitgehend ein lediglich einseitiger Kommunikationsweg bestanden habe, treffe nicht zu. Der Weiterbilder habe auch im Tagesverlauf regelmäßig über das Stationstelefon die Assistenten kontaktiert und sei bei Bedarf jederzeit innerhalb weniger Minuten auf der Klinikstation vor Ort gewesen. Aufgrund der räumlichen Nähe von Praxis und Klinik habe auch jederzeit ohne Eigeninitiative der Klägerin eine Kontrolle der Arbeitsschritte erfolgen können.
22
1.1.2 Dieses Vorbringen der Klägerin begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar und zutreffend dargelegt, von welchen Maßstäben einer ordnungsgemäßen Weiterbildung auszugehen ist (UA Rn. 32 f.), dass an diesen Maßstäben gemessen, die Weiterbildung der Klägerin im Klinikum L den Weiterbildungsanforderungen jedenfalls nicht vollumfänglich genügt und sich auch aus den konkreten Einzelumständen nichts anderes ergibt. Der Senat nimmt in vollem Umfang Bezug auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts (UA Rn. 32 bis 40).
23
Ergänzend wird ausgeführt:
24
Nach Art. 31 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HKaG wird die Weiterbildung in Gebieten und Teilgebieten unter verantwortlicher Leitung befugter Ärzte (sog. Weiterbilder) in einem Universitätszentrum, einer Universitätsklinik oder in einer hierzu von der zuständigen Behörde oder Stelle zugelassenen Einrichtung der ärztlichen Versorgung (Weiterbildungsstätten) durchgeführt. Die Weiterbildung erfolgt unter verantwortlicher Leitung befugter Ärzte (Weiterbilder) in praktischer Tätigkeit und theoretischer Unterweisung (§ 1 Satz 7 WBO 2013). Gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 WBO 2013 wird die Weiterbildung zum Erwerb einer Facharztbezeichnung unter verantwortlicher Leitung der vom Vorstand der Kammer befugten Ärzte in einer zugelassenen Weiterbildungseinrichtung durchgeführt. Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 1 HKaG ist der ermächtigte Arzt verpflichtet, die Weiterbildung entsprechend den Weiterbildungsbestimmungen des Heilberufe-Kammergesetzes sowie der Weiterbildungsordnung durchzuführen. Der befugte Arzt ist verpflichtet, die Weiterbildung persönlich zu leiten und grundsätzlich ganztägig durchzuführen sowie zeitlich und inhaltlich entsprechend der Weiterbildungsordnung zu gestalten und die Richtigkeit der Dokumentation der Weiterbildung eines in Weiterbildung befindlichen Arztes gemäß § 8 zu bestätigen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 WBO 2013).
25
Das Verwaltungsgericht hat zu den Anforderungen an die Weiterbildung unter verantwortlicher Leitung befugter Ärzte wie folgt ausgeführt (UA Rn. 33):
26
„Erforderlich für eine ordnungsgemäße Weiterbildung ist also eine zur hinreichenden Gewährleistung des Patientenschutzes genügende Ausbildung in verantwortlicher Leitung. Um diese Art der Anleitung zu erfüllen, muss der Weiterbilder die Tätigkeit des Weiterbildungsassistenten rechtlich und tatsächlich anleiten sowie zeitlich und inhaltlich gestalten (vgl. VG Hannover, U.v. 26.3.2014 – 5 A 824/13 – juris Rn. 27; OVG Saarland, U.v. 4.11.2011 – 3 A 163/10 – juris Rn. 77). Der Weiterbildungsassistent darf allerdings ein seinen Leistungen und seinem Weiterbildungsstand entsprechendes Maß an Selbständigkeit erhalten, um das Ziel der Weiterbildung zu erreichen (vgl. Scholz in: Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, MWBO § 4 Rn. 5). In diesem Rahmen müssen ihm auch Aufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen werden; er muss Verantwortung übernehmen (Art. 25 Abs. 2 UAbs. 2 Satz 3 RL 2005/36/EG). Jedoch ist für eine zielführende Weiterbildung auch die Möglichkeit einer Überwachung durch den Weiterbilder zu verlangen, also die Möglichkeit, Arbeitsschritte und Arbeitsergebnisse des Assistenzarztes zu kontrollieren (vgl. VG Hannover, U.v. 26.3.2014, a.a.O., Rn. 27). Um diese Möglichkeit zu gewährleisten, ist grundsätzlich eine Vollzeitpräsenz eines verantwortlichen Weiterbilders an der Weiterbildungsstätte erforderlich (vgl. so auch Scholz a.a.O., § 5 MWBO Rn. 9). Dafür spricht auch § 5 Abs. 3 Satz 4 WBO 2013, wonach dann, wenn ein befugter Arzt an mehr als einer Weiterbildungsstätte tätig ist, eine gemeinsame Befugnis mit einem weiteren befugten Arzt an jeder Weiterbildungsstätte erforderlich ist. Das Erfordernis der Vollzeitausbildung im Sinne der Berufsanerkennungsrichtlinie bedeutet nicht nur Vollzeitarbeit des Assistenzarztes, sondern fordert im Umkehrschluss grundsätzlich eine Vollzeitbetreuung durch den Weiterbilder“.
27
Die Klägerseite wendet unter Berufung auf das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 6. Juni 2024 (M 27 K 23.261 – juris) ein, dass dort von anderen Maßstäben ausgegangen worden sei. Dem liegt jedoch zugrunde, dass jeweils unterschiedliche sich inhaltlich unterscheidende Fassungen der Weiterbildungsordnung anzuwenden sind:
28
Eine mit § 5 Abs. 3 Satz 1 WBO 2013 identische Regelung enthielt erstmals die Weiterbildungsordnung für Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 in der Fassung der Beschlüsse des 69. Bayerischen Ärztetags vom 17. Oktober 2010, in Kraft getreten am 1. April 2011 (WBO 2011). Im Gegensatz dazu enthielt die Vorgängerregelung in der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 in der Fassung der Beschlüsse des 67. Bayerischen Ärztetages vom 11. Oktober 2009, in Kraft getreten am 1. Januar 2010 (WBO 2010) ein solches Erfordernis der grundsätzlich ganztägigen Durchführung noch nicht. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 WBO 2010 muss der Weiterbilder die Weiterbildung persönlich leiten und sie zeitlich und inhaltlich entsprechend dieser Weiterbildungsordnung gestalten.
29
Dem von der Klägerseite zitierten rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 6. Juni 2024 (M 27 K 23.261 – juris) lag die WBO 2004 in der Fassung von 2009 (WBO 2010) zugrunde, die das explizite Erfordernis der ganztägigen Durchführung der Weiterbildung noch nicht enthielt. Das Verwaltungsgericht München ging zur früheren Fassung der WBO davon aus, dass das Merkmal der persönlichen Leitung nicht als Erfordernis einer ständigen, ganztägigen Präsenz des Weiterbilders auszulegen ist und argumentiert zur früheren Fassung der WBO wie folgt (vgl. VG München, U.v. 6.6.2024 – M 27 K 23.261 – juris Rn. 44):
30
„Im Gegensatz zu der in den späteren Fassungen der WBO enthaltenen Regelung einer grundsätzlich ganztägigen Durchführung der Weiterbildung ist weder im HKaG noch in der WBO 2010 eine Aussage über Mindestanwesenheitszeiten des Weiterbilders an der Weiterbildungsstätte enthalten. Es ist lediglich festgelegt, dass der Weiterzubildende die Weiterbildung ganztägig und in hauptberuflicher Stellung abzuleisten hat, Art. 30 Abs. 4 Satz 1 HKaG. Für eine zielführende Weiterbildung ist hierbei die Möglichkeit einer Überwachung durch den Weiterbilder zu verlangen, also die Möglichkeit, Arbeitsschritte und Arbeitsergebnisse des Weiterzubildenden zu kontrollieren … Eine solche Überwachung und Kontrolle muss nach dem Wortlaut von § 5 Abs. 2 Satz 2 WBO 2010 im Gegensatz zu dem Wortlaut späterer Fassungen der WBO nicht zwingend durch eine ganztägige Präsenz des Weiterbilders an der Weiterbildungsstätte erfolgen, sondern kann zumindest teilweise auch durch telefonische Betreuung und Anforderung von Unterstützung im Bedarfsfall gewährleistet sein. Die Fassung des § 5 Abs. 2 Satz 2 WBO 2010 stellt insofern niedrigere Anforderungen an die Leitung der Weiterbildung als die in den späteren Fassungen enthaltene Vorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 1 WBO (vgl. zu den Anforderungen der späteren Fassungen des § 5 Abs. 3 Satz 1 WBO: VG München, U.v. 26.10.2023 a.a.O. Rn. 32 ff. m.w.N.).“
31
Der Passus „Der befugte Arzt ist verpflichtet, die Weiterbildung persönlich zu leiten und grundsätzlich ganztägig durchzuführen“, ist bereits in § 5 Abs. 3 der (Muster-) Weiterbildungsordnung 2003 in der Fassung vom 23.10.2015 (MWBO) enthalten. Die Ergänzung in § 5 Abs. 3 Satz 1 MWBO erfolgte u.a. als Folge der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern im Beschluss vom 14. Februar 2007 (1 M 1/07 – juris Rn. 7; MedR 2007, 349), worin ausgeführt war, dass ein zeitlicher Mindestumfang, den der befugte Arzt bei der Weiterbildung anzusetzen habe, in der Berufsordnung nicht geregelt sei (vgl. auch Scholz in Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, § 5 MWBO Rn. 9).
32
Inwieweit der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts München zur früheren Fassung der WBO zu folgen wäre, oder ob es sich bei der Aufnahme des Ganztägigkeitserfordernisses – wie die Beklagte meint – in der neueren Fassung der WBO lediglich um eine Klarstellung handelt, kann hier dahinstehen. Nunmehr jedenfalls ist in der vorliegend anzuwendenden Fassung der WBO 2013 eindeutig und unmissverständlich geregelt, in welchem zeitlichen Umfang – nämlich grundsätzlich ganztägig – der zur Weiterbildung befugte Arzt sich dieser Aufgabe zuzuwenden hat. Der bayerische Satzungsgeber hat sich durch die Aufnahme der betreffenden Regelung aus der (Muster-)Weiterbildungsordnung in die Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns klar dafür entschieden, dass die grundsätzlich ganztägige Präsenz des Weiterbilders an der Weiterbildungsstätte gewährleistet sein muss. Es oblag dem Satzungsermessen der Bayerischen Landesärztekammer eine entsprechende Regelung als Qualitätsanforderung für die Weiterbildung aufzunehmen bzw. insoweit eine Klarstellung vorzunehmen. In der von der Landesärztekammer erlassenen Weiterbildungsordnung sind insbesondere der Inhalt und die Mindestdauer der Weiterbildung zu regeln (Art. 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 HKaG). Der ermächtigte Arzt wiederum ist verpflichtet, die Weiterbildung entsprechend den Weiterbildungsbestimmungen des Heilberufe-Kammergesetzes sowie der Weiterbildungsordnung durchzuführen (Art. 31 Abs. 3 HKaG).
33
An diesen Maßstäben gemessen genügt die Weiterbildung der Klägerin im Klinikum L den Weiterbildungsanforderungen jedenfalls nicht vollumfänglich. Eine ganztägige Präsenz des Weiterbilders an der Weiterbildungsstätte Klinikum L war offenkundig nicht gegeben.
34
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sich auch aus den konkreten Einzelfallumständen nichts anderes ergibt, worauf der Senat Bezug nimmt (vgl. UA Rn. 37 bis 39). Die nur zeitweise mögliche persönliche Betreuung vormittags, bei der täglichen Abendvisite sowie ab 1. Januar 2014 freitags ganztägig – auch unter Berücksichtigung einer ständigen telefonischen Erreichbarkeit sowie der räumlichen Nähe zwischen der Praxis und dem Klinikum – genügt den Anforderungen an eine persönlich zu leitende und grundsätzlich ganztägig durchzuführende Weiterbildung nicht. Der Weiterbilder war für den überwiegenden Teil des Arbeitstages nicht am Klinikum und stand damit für die Klägerin als Weiterbilder nicht im geforderten zeitlichen Umfang zur Verfügung. Ist der weiterzubildende Arzt ganztägig und hauptberuflich an der Weiterbildungsstätte tätig, reicht es nicht aus, wenn der Weiterbilder nur stundenmäßig oder auf Abruf an dieser Stätte anwesend ist. Weiterbildung bedeutet eine so enge Zusammenarbeit, dass sich der Weiterbilder von dem Fortschritt der Weiterbildung höchstpersönlich überzeugen kann, um sich über das Maß der einzuräumenden Selbständigkeit und der notwendigen Überwachung überhaupt ein eigenes Bild machen zu können. Allein die ständige telefonische Erreichbarkeit begründet keine inhaltlich qualifizierte und strukturierte Weiterbildung im Sinne der Weiterbildungsordnung. Damit konnte Dipl.-Med. R. seinen umfassenden Weiterbildungsaufgaben nicht entsprechend den in der Weiterbildungsordnung geregelten Pflichten nachkommen. Er hat die persönliche Leitung der Weiterbildung zeitlich nicht entsprechend der Weiterbildungsordnung gestaltet. Eine persönliche Anwesenheit von etwa 13 Stunden wöchentlich (bzw. sogar bei einer hypothetischen Zugrundelegung der von der Klägerin errechneten etwa 20 bis 25 Stunden) und darüber hinaus lediglich telefonische Erreichbarkeit auch bei örtlicher Nähe der Weiterbildungsstätten entspricht nicht der Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 1 WBO 2013.
35
Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass wegen der zu leistenden Nacht- und Wochenenddienste, Urlaube, Fortbildungen o.ä. bei einer konstruierten Verpflichtung zur ständigen gleichzeitigen Präsenz von Weiterbilder und Weiterzubildenden in der Weiterbildungsstätte ohnehin lediglich wenige Wochenstunden als Weiterbildung anerkannt werden dürften, erschließt sich dem Senat nicht, wie sich diese Argumentation zugunsten der Klägerin auswirken könnte. Wenn der Weiterbilder nur etwa zu einem Drittel bzw. der Hälfte eines in Vollzeit am Klinikum tätigen Arztes vor Ort ist, verringert sich in Folge der benannten Umstände die gleichzeitige Präsenz im Klinikum ebenso noch weiter. Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht nicht von dem von der Klägerseite gezeichneten Bild einer Gegenüberstellung der tatsächlich dokumentierten Präsenzzeiten von Weiterbilder und Weiterzubildenden und einer entsprechenden durchgängigen Dokumentationspflicht ausgegangen, sondern hat den Begriff der „grundsätzlich ganztägig durchzuführenden Weiterbildung“ orientiert an dem Erfordernis der persönlichen Leitung und den in der Weiterbildungsordnung festgelegten Inhalten und qualitativen Anforderungen der Weiterbildung zutreffend ausgelegt (vgl. insbesondere UA Rn. 33). Auch bleibt anzumerken, dass die angeführten Nacht- und Wochenenddienste zwar im Rahmen der Anforderungen einer gründlichen und umfassenden Weiterbildung gem. § 4 Abs. 3 Satz 1 WBO 2013 einen integralen Bestandteil der Weiterbildung darstellen, diese Dienste jedoch gerade nicht als Weiterbildungszeit anerkannt werden. Dies folgt realitäts- und praxisnah daraus, dass während des Nacht-, Wochenend- bzw. Bereitschaftsdienstes in der Regel gerade keine strukturierte Weiterbildung im Sinne der Weiterbildungsordnung unter verantwortlicher Leitung befugter Ärzte stattfindet (vgl. VG Hannover, U.v. 21.1.2015 – 5 A 8219/14 – juris).
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1.1.3 Soweit die Klägerin darauf verweist, dass unter persönlicher Leitung nicht zu verstehen sei, dass der zur Weiterbildung ermächtigte Arzt zwingend alle Aufgaben in eigener Person wahrnehmen müsse, sondern bei sorgfältiger Einweisung und sichergestellter Überwachung auch eine Delegation einzelner Aufgaben auf andere bewährte Ärzte in Betracht kommen könne (VGH BW, U.v. 24.6.2014 – 9 S 1348/13 – juris Rn. 67) und vorliegend die Weiterbildung durch den Stellvertreter des Weiterbilders, Herrn S, und weitere Fachärzte gesichert gewesen sei, führt dies nicht weiter.
37
Ein zur Weiterbildung Befugter kann zwar grundsätzlich einzelne Teile der Weiterbildung delegieren, d.h. bewährte, ihm disziplinarisch nachgeordnete Oberärzte zur Anleitung und Überwachung der Assistenten heranziehen, wenn er diese genügend sorgfältig in die übertragenen Aufgaben einweist und die Überwachung sicherstellt (Scholz in: Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, MWBO § 5 Rn. 8). Vorliegend hat die Klägerin jedoch schon keine Delegation der Weiterbildungsaufgaben an andere Ärzte vorgetragen und nachgewiesen. Ausweislich des Weiterbildungszeugnisses wurde die Weiterbildung der Klägerin ausschließlich unter Anleitung des Dipl.-Med. R. absolviert. Zudem wurde in der Weiterbildungsbefugnis von Dipl.-Med. R. kein „Stellvertreter“ bzw. mitbefugter Weiterbilder benannt.
38
Ein Anspruch auf vollständige Anerkennung der Weiterbildung im Klinikum L und auf Zulassung zur Prüfung nach § 12 Abs. 1 WBO 2013 besteht somit nicht, da die nach Abschnitt B Nr. 14 WBO 2013 geforderte Weiterbildungszeit von 60 Monaten noch nicht erfüllt ist.
39
1.1.4 Die Klägerin macht weiter geltend, dass für den Fall, dass der Senat grds. von Vollzeitpräsenz des verantwortlichen Weiterbilders an der Weiterbildungsstätte ausgehen sollte, jedenfalls die tatsächlichen Vor-Ort-Zeiten des Weiterbilders Dipl.-Med. R. im Klinikum hätten berücksichtigt werden müssen und ggf. insoweit Beweis hätte erhoben werden müssen. Der Klägerin seien im Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis 30. April 2015 am Klinikum L, sollte eine volle Anrechnung nicht erfolgen, mindestens 12,6 bis 14,95 Monate Weiterbildungszeit anzurechnen und nicht lediglich die durch die Beklagte erfolgte Anrechnung von 7,48 Monate.
40
Dem ist zu entgegen, dass das Begehren der Klägerin – wie im Klageantrag formuliert – darauf gerichtet war, die Beklagte zu verpflichten, die abgeleistete und nachgewiesene Weiterbildungszeit der Klägerin für die Facharztbezeichnung Kinder- und Jugendmedizin wie beantragt voll anzurechnen und die Klägerin zum Prüfungsgespräch zur Erlangung der Facharztbezeichnung zuzulassen. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht über den gestellten Klageantrag – gerichtet auf die volle Anrechnung der Weiterbildungszeit und Zulassung zur Prüfung – entschieden. Klagegegenstand war nicht, ob über den anerkannten Umfang an Weiterbildungszeiten hinaus noch weitere Zeiten in jedenfalls bei weitem nicht zu einer Vollanerkennung führendem Umfang anerkannt werden können. Insoweit bedurfte es daher auch keiner weiteren Sachaufklärung oder Ausführungen.
41
1.1.5 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen auch nicht deshalb, weil das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, dass sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Der Senat nimmt ausdrücklich Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (vgl UA Rn. 43 bis 47, § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO) und sieht von einer weiteren Begründung ab. Der Vortrag der Klägerin geht insoweit nicht über ihren Vortrag in erster Instanz hinaus.
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2. Die Berufung ist auch nicht wegen der gerügten Verfahrensmängel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) in Gestalt eines Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags) und in Gestalt eines Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO zuzulassen. Diese wurden bereits nicht entsprechend den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt.
43
2.1 Die Klägerin wendet ein, das Verwaltungsgericht habe folgenden in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag fehlerhaft abgelehnt:
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„Zum Beweis dafür, dass die Weiterbildung der Klägerin im Zeitraum vom 01.07.2013 bis 30.04.2015 im Klinikum L…unter Leitung des Herrn Dipl.-Med R. ..den Vorgaben des § 5 Abs. 3 Satz 1 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayern vom 24.04.2004 in der Fassung der Beschlüsse vom 14.10.2012 vollumfänglich entsprach, d.h. die Weiterbildung persönlich geleitet und grundsätzlich ganztägig durchgeführt wurde sowie zeitlich und inhaltlich entsprechend der Weiterbildungsordnung ausgestaltet war, wird beantragt, Herrn Dipl Med R… als sachverständigen Zeugen zu vernehmen.“
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Ausweislich des Sitzungsprotokolls erging daraufhin folgender Beschluss der Kammer: „Der Beweisantrag wird abgelehnt.“ Zur Begründung wurde ausgeführt: „Gegenstand des Beweisantrags ist eine Auslegung des § 5 Abs. 3 Satz 1 der einschlägigen Weiterbildungsordnung durch den als sachverständigen Zeugen benannten Herrn Dipl.-Med. R…Die Auslegung dieser Vorschrift richtet sich jedoch nicht nach der Auffassung eines sachverständigen Zeugen, sondern nach der Rechtsauffassung der Kammer.“
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Nach Auffassung der Klägerin handele es sich vorliegend – entgegen der Begründung des Gerichts – nicht um die Auslegung einer Vorschrift, sondern um eine Tatsachenwürdigung. Bei der Frage, ob die Weiterbildung persönlich geleitet und grundsätzlich ganztägig durchgeführt worden sei sowie zeitlich und inhaltlich entsprechend der Weiterbildungsordnung ausgestaltet gewesen sei, handele es sich um ermittlungsbedürftige Tatsachen, die dem Beweis zugänglich seien. Bei einer Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dipl.-Med. R. hätte festgestellt werden können, dass die Weiterbildung in tatsächlicher Hinsicht den Anforderungen des § 5 Abs. 3 Satz 1 WBO 2013 entsprochen habe.
47
Ein Gehörsverstoß käme dann in Betracht, wenn das Gericht einen formell ordnungsgemäßen, prozessrechtlich beachtlichen Beweisantrag mit einer Begründung abgelehnt hätte, die im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, B.v. 30.1.1985 – 1 BvR 393/84 – juris; B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 670/91 – juris; BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 -- juris Rn. 10).
48
Die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags findet eine Stütze im Prozessrecht. Das Verwaltungsgericht hat den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag durch begründeten Beschluss vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung (§ 86 Abs. 2 VwGO) formell ordnungsgemäß und mit nicht zu beanstandender Begründung abgelehnt. Der Beweisantrag der Klägerin bezog sich nicht auf konkrete und individualisierte Tatsachen, sondern war auf die dem Gericht vorbehaltene und damit einer Beweiserhebung nicht zugängliche rechtliche Wertung – die Auslegung der Vorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 1 WBO 2013 – gerichtet (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 55).
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2.2 Soweit die Klägerin einen Verfahrensverstoß wegen der Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO darin sieht, dass das Verwaltungsgericht zur Ermittlung des Sachverhalts eine Zeugeneinvernahme des Weiterbilders hätte vornehmen müssen, um die konkreten Umstände der Weiterbildung der Klägerin zu ermitteln, kann hierdurch ein Verfahrensfehler nicht begründet werden.
50
Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren. Vielmehr ist darzulegen, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist. Hat ein anwaltlich vertretener Kläger im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht durch Stellung eines Beweisantrags auf die von ihm nunmehr beanstandete unterbliebene Sachaufklärung hingewirkt, kann eine Aufklärungsrüge keinen Erfolg haben (vgl. BVerwG, B.v. 13.1.2009 – 9 B 64.08 – juris Rn. 5), außer es wird dargelegt, aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne einen Beweisantrag hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2021 – 2 B 69.20 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 18.8.2022 – 10 ZB 22.1265 – juris Rn. 6).
51
Vorliegend fehlt es bereits an einem Beweisantrag gem. § 86 Abs. 2 VwGO, der auf weitere Aufklärung von konkret benannten Tatsachen gerichtet war. Es wurde auch nicht näher dargelegt, weshalb sich eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen, weshalb das Verwaltungsgericht deshalb von Amts wegen weitere Aufklärungsbemühungen hätte unternehmen müssen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Vornahme der entsprechenden Sachaufklärung getroffen worden wären.
52
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
53
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an Nr. 16.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004
54
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
55
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).