Inhalt

VGH München, Beschluss v. 25.03.2025 – 22 A 23.40033
Titel:

Vorabentscheidung über sachliche Zuständigkeit – Klärschlammverbrennungsanlage

Normenketten:
VwGO § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, S. 2, § 83
GVG § 17a Abs. 3
Leitsatz:
Die Regelung des § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VwGO muss eine Bestimmung der erstinstanzlichen Zuständigkeit ohne Kenntnis der Einzelheiten des Betriebskonzepts des Anlagenbetreibers ermöglichen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Klärschlammverbrennungsanlage, sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs, jährliche Durchsatzleistung (effektive Leistung), mehrere Anlagenbestandteile, einheitliche Genehmigung, maximaler Genehmigungsumfang, Klärschlammverbrennungsanlage, immissionsschutzrechtliche Genehmigung, sachliche Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts/Verwaltungsgerichtshofs, Durchsatzleistung, Betriebskonzept
Fundstelle:
BeckRS 2025, 5894

Tenor

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist sachlich zuständig.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Klärschlammverbrennungsanlage.
2
Der Kläger erhob entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrungdes angefochtenen Bescheides des Beklagten vom 15. Juni 2023 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, bestritt aber dessen sachliche Zuständigkeit nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO. Er trägt vor, maßgeblich für die Bestimmung der jährlichen Durchsatzleistung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO sei die jährliche Durchsatzleistung der Anlage im Hinblick auf die verbrannte Menge an Klärschlamm. Dies sei nicht mit der Trockensubstanz gleichzusetzen, denn in der Klärschlammverbrennungsanlage werde keine reine Trockensubstanz verbrannt. Es würden aber in der Anlage nicht die als maximale Durchsatzleistung angegebenen 116.800 t/a Klärschlamm der Verbrennung zugeführt, denn die Anlage umfasse neben einer Anlage zur Verbrennung des konditionierten Klärschlamms auch Einrichtungen zur Lagerung und Trocknung des entwässerten Klärschlamms. Vor der Verbrennung werde der Klärschlamm also erst getrocknet, so dass ein gewisser Flüssigkeitsanteil und damit Masse verloren gehe. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO gelte aber nur für Anlagen zur Verbrennung oder thermischen Zersetzung von Abfällen, nicht auch für die Trocknung. Bei der in § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO in Bezug genommenen effektiven Leistung könne es sich nur um die Menge handeln, die verbrannt werde. Klärschlammverbrennungsanlagen, die ihren Klärschlamm extern trockneten, könnten nicht anders behandelt werden als Anlagen, die die Trocknung selbst vornähmen. Dies spreche dafür, für die Zuständigkeit nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO allein auf den Durchsatz des eigentlichen Verbrennungsprozesses abzustellen. Die Menge an vorgetrocknetem Klärschlamm, die der Verbrennung zugeführt werde, betrage hier maximal 71.316 t/a. Dies könne dem Genehmigungsbescheid entnommen werden, in dem auf S. 2 ein stündlicher Durchsatz von 8,8 MW und eine Trockensubstanz von 38% des Klärschlamms, der zur Feuerung gelange, genannt werde. Daraus ergebe sich eine Menge von 8,9 t/h bzw. bei 8.013 Betriebsstunden pro Jahr eine Menge von 71.316 t. Nach einem Gesetzentwurf aus dem Jahr 2006 (BT-Drs. 16/1345) habe die Einschränkung auf die jährliche Durchsatzleistung von mehr als 100.000 t zur Vermeidung von Abgrenzungsproblemen aus dem Gesetz gestrichen werden sollen; dazu sei es jedoch nicht gekommen, so dass das Abgrenzungsproblem bestehe und im oben genannten Sinne gelöst werden müsse.
3
Der Beklagte und die Beigeladene sind der Auffassung, der Verwaltungsgerichtshof sei erstinstanzlich zuständig. Maßgeblich sei die Durchsatzleistung, die mit dem nach der Genehmigung genehmigten Betrieb erreicht werden könne, und dies seien 116.800 t/a.
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Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme zu einem Beschluss nach § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG gegeben; der Kläger hat mit Schriftsatz vom 19. März 2025 davon Gebrauch gemacht.
5
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
6
Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet gemäß § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab durch Beschluss (§ 17a Abs. 4 Satz 1 GVG) über seine sachliche Zuständigkeit, weil der Kläger diese bestritten hat.
7
Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs ist nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 2 VwGO gegeben.
8
Für die Frage, ob die streitgegenständliche Klärschlammverbrennungsanlage eine jährliche Durchsatzleistung (effektive Leistung) von mehr als 100.000 t i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO hat, ist nach Auffassung des Senats maßgeblich auf den Inhalt des Genehmigungsbescheids der Regierung von Schwaben vom 15. Juni 2023 abzustellen. Nach dessen Tenor (A.I.b, S. 2) ist für die Anlage ein maximaler stündlicher Durchsatz von Klärschlamm von 14,6 t Originalsubstanz (nach der Fußnote zur Tabelle auf S. 2 offenbar entwässerter Klärschlamm mit einem Trockensubstanzanteil von 25%) pro Stunde bei 8.000 Betriebsstunden im Jahr gestattet; dies führt zu einer (erlaubten) jährlichen Durchsatzleistung von 116.800 t. Diese Durchsatzleistung bezieht sich nach dem Bescheid auf die gesamte aus mehreren Teilen (u.a. Trocknung und Verbrennung) bestehende Anlage; es wird nicht im Einzelnen aufgeführt, welche Masse der unmittelbar der Verbrennung zugeführte Klärschlamm hat oder haben darf. Maßgeblich für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit ist der Maximalumfang der Genehmigung (vgl. OVG NW, B.v. 27.11.2009 – 8 B 1549/09.AK – juris Rn. 28). Auch wenn § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO allein Anlagen zur Verbrennung, nicht aber zur Trocknung von Abfällen in den Blick nimmt, wäre es bei einer wie hier einheitlich für die gesamte Anlage erteilten Genehmigung sachfremd und würde es die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit erschweren, hinsichtlich der Durchsatzleistung - abweichend vom Bescheid – zwischen den einzelnen Anlagenbestandteilen zu differenzieren. Maßgeblich ist insofern der Regelungsgehalt des Bescheides, wie er im Tenor zum Ausdruck kommt. Aus dem in § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO verwendeten Begriff der effektiven Leistung folgt nichts Anderes. Auch ist hier nicht zu entscheiden, wie eine Klärschlammverbrennungsanlage ohne integrierte Trocknungsanlage zu behandeln wäre. Die Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO muss eine Bestimmung der erstinstanzlichen Zuständigkeit ohne Kenntnis der Einzelheiten des Betriebskonzepts des Anlagenbetreibers ermöglichen. Nur auf diese Weise lässt sich aus Sicht des Senats das vom Kläger unter Verweis auf den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 10. März 2006 (BT-Drs. 16/1345 S. 5 f.) angesprochene Abgrenzungsproblem sachgerecht lösen.
9
Auf die vom Kläger im Schriftsatz vom 19. März 2025 angestellte Berechnung der Menge des pro Jahr unmittelbar der Verbrennung zugeführten Klärschlamms, die sich aus S. 2 des Genehmigungsbescheids vom 15. Juni 2023 ergeben soll, kommt es daher nicht an.
10
Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs für die Entscheidung hinsichtlich der Nebenanlagen der Verbrennungsanlage ergibt sich jedenfalls aus § 48 Abs. 1 Satz 2 VwGO (vgl. OVG NW, B.v. 27.11.2009 – 8 B 1549/09.AK – juris Rn. 29 ff.).
11
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 83 Satz 2 VwGO).