Inhalt

VGH München, Beschluss v. 27.03.2025 – 9 ZB 23.1956
Titel:

Erfolglose Nachbarklage eines Denkmaleigentümers

Normenketten:
BayBO Art. 6 Abs. 1 S. 3, Art. 28 Abs. 6, Art. 63 Abs. 1 S. 1
BayDSchG Art. 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2, Abs. 3
BGB § 242
GG Art. 14 Abs. 1
Leitsätze:
1. Nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann sich ein Nachbar gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht mit Erfolg auf die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück nicht dieser Vorschrift entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu – gemessen am Schutzzweck der Vorschrift – schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen führen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Derjenige, der selbst an die Grenze gebaut hat, muss – vorbehaltlich anderslautender planungsrechtlicher Festsetzungen oder Vorschriften – einen entsprechenden Grenzanbau seines Nachbarn grundsätzlich dulden. Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt und automatisch in dem Sinne, dass ein Zubauen eines in einer Grenzwand vorhandenen Nachbarfensters stets und in jedem Fall mit dem Rücksichtnahmegebot vereinbar wäre. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Jedes Bauvorhaben hat grundsätzlich seine Belichtung und Belüftung auf dem eigenen Grundstück sicherzustellen und kann dafür nicht Nachbargrundstücke in der Weise in Anspruch nehmen, indem diese verpflichtet werden, die Grenzwand von Bebauung freizuhalten. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
4. Art. 6 Abs. 2 S. 2 BayDSchG hat drittschützende Wirkung für den Nachbarn als Eigentümer eines Denkmals, weil auch der Eigentümer eines geschützten Kulturdenkmals durch die Errichtung eines benachbarten Vorhabens in der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verletzt sein kann. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage, Grenzbebauung, Gebot der Rücksichtnahme, Brandschutz, Erhebliche Beeinträchtigung eines Denkmals, erhebliche Beeinträchtigung eines Denkmals, Treu und Glauben, Belichtung und Belüftung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 27.06.2023 – W 4 K 20.1097
Fundstelle:
BeckRS 2025, 5882

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. Juni 2023 – W 4 K 20.1097 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung zur Erhöhung des Pultdaches des südlichen Anbaus des angrenzenden Bestandsgebäudes und zum Umbau zweier Fenster.
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Er ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung P* … Das Grundstück ist mit einer als Einzeldenkmal eingetragenen, sogenannten alten Lateinschule bebaut, deren westliche Außenwand auf der alten Stadtmauer aufbauend an der westlichen Grundstücksgrenze oder in unmittelbarer Nähe hierzu steht. In dieser Außenmauer befinden sich im ersten und zweiten Obergeschoss (die Geschosse über der Stadtmauer) insgesamt 12 (Doppel-)Fenster. Westlich grenzt das Grundstück der Beigeladenen zu 1 an (FlNr. **), das mit einem Wohnhaus bebaut ist, das im Erdgeschoss unmittelbar an die Stadtmauer angebaut ist, während im ersten und im zweiten Obergeschoss nur einzelne Räume an die südlichen und nördlichen Ränder der Westwand der Lateinschule angrenzen. Die beiden Grundstücke befinden sich im unbeplanten Innenbereich und gehören zur Altstadt von P* …, einem denkmalschutzrechtlichen Ensemble. Die südliche Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1 ragt im zweiten Obergeschoss (= Dachgeschoss) in die Fensterfläche des südlichen Doppelfensters der Lateinschule hinein. Für diese Bebauung wurde bereits eine Baugenehmigung im Jahr 1978 erteilt, allerdings weicht die tatsächliche Bebauung hinsichtlich der Höhe des Pultdaches und der Fenster von der Genehmigung ab.
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Das folgende Bild zeigt die Westansicht der Lateinschule (Ortseinsicht vom 4.10.2016; Foto aus GA S. 63):
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Auf Antrag der Beigeladenen zu 1 genehmigte der Beklagte mit Bescheid vom 15. Juli 2020 in der Nr. 2 (Nr. 1 betrifft die Aufhebung einer früheren Baugenehmigung) die beantragte Fassaden- und Dachänderung nach Maßgabe von Bauvorlagen, in die die tatsächlich vorgenommene Erhöhung des Pultdaches des südlichen Anbaus eingetragen war. Von der bauordnungsrechtlichen Vorschrift des Art. 28 Abs. 6 BayBO wurde in Nr. 3 des Bescheids zudem gemäß Art. 63 BayBO eine Abweichung erteilt hinsichtlich des Einbaus zweier Fenster in die nördliche Außenwand des südlichen Anbaus im ersten und zweiten Obergeschosses des Gebäudes der Beigeladenen zu 1 (bei gleichzeitigem Rückbau der vorhandenen Fenster).
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Das folgende Bild zeigt die bereits errichtete und nunmehr genehmigte Höhe des Pultdaches (Ortseinsicht vom 4.10.2016; Foto aus GA S. 63):
6
Die Klage des Klägers gegen Nr. 2 und Nr. 3 des Bescheids vom 15. Juli 2020 wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Juni 2023 ab. Die streitgegenständliche Baugenehmigung verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die erteilte Baugenehmigung verstoße nicht gegen nachbarschützende Vorschriften, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen seien. Die Baugenehmigung sei auch in nachbarrechtlicher Hinsicht hinreichend bestimmt. Aus den genehmigten Planunterlagen habe der Kläger entnehmen können, ob und in welchem Umfang er betroffen sei. Sowohl die genehmigten Fenster, die im Plan rot eingezeichnet seien, als auch die rot eingezeichnete Erhöhung des Pultdaches von einer Traufhöhe von 6,51 m auf 6,95 m seien eindeutig erkennbar. Der südliche Gebäudeanbau sei bereits mit (bestandskräftigem) Bescheid des Beklagten vom 7. März 1978 als Teil eines Wohnhauses und zwar im Obergeschoss als Essensraum und im Giebelgeschoss als Bad genehmigt worden. Bereits die damalige Genehmigung hätte – bei genehmigungskonformer Ausführung – dazu geführt, dass das Dach des südlichen Anbaus Teile des südlichen Fensters im zweiten Obergeschoss der Lateinschule verdeckt hätte. Es liege kein Verstoß gegen Abstandsflächenrecht vor, da gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO keine Abstandsflächen erforderlich seien, wenn, wie hier, nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden dürfe, weil eine grenzständige Bebauung in der Altstadt von P* …, zu der die Grundstücke des Klägers und der Beigeladenen zu 1 zählten, zulässig sei.
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Auch eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots liege nicht vor. Das Gebot der Rücksichtnahme gebe dem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung von Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahre und städtebaulich vorgegeben sei, sei regelmäßig als zumutbar hinzunehmen. Von einem „Einmauern“ oder „Erdrücken“ des klägerischen Gebäudes durch das genehmigte Bauvorhaben könne nicht gesprochen werden. In historischen Altstädten, in denen – wie hier – eine (teilweise) geschlossene Bauweise der Regelfall sei, werde den Grundstückseigentümern mehr Abstriche hinsichtlich der Licht- und Luftverhältnisse abverlangt. Das Gebäude mit dem genehmigten (erhöhten) Pultdach sei nicht höher als die alte Lateinschule auf dem Grundstück des Klägers, sondern niedriger. Allein der Umstand, dass mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung das Pultdach, das an die Lateinschule angrenze, erhöht werden dürfe, mit der Folge, dass ein Fenster der Lateinschule teilweise verschattet werde, sei für sich genommen in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nicht unzumutbar, sondern in historischen Altstädten der Regelfall. Auch die genehmigten Abweichungen hinsichtlich der Fenster seien rechtlich nicht zu beanstanden.
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Der Beklagte habe die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO mit Blick auf den Regelungszweck des Art. 28 Abs. 6 BayBO, der Sicherung des Brandschutzes, zu Recht als erfüllt angesehen. Die beiden betroffenen Fenster seien als F 90 Brandschutzfenster genehmigt worden, also mit der zum maßgeblichen Zeitpunkt höchsten Feuerbeständigkeit. Hinsichtlich des Fensters im ersten Obergeschoss, bei dem das bisherige Fenster bereits Bestandsschutz aufgrund der Baugenehmigung vom 7. März 1978 habe, werde die Situation in Sachen Brandschutz deutlich verbessert, da das Fenster verkleinert und weiter von der Lateinschule weggelegt werde. Auch das Fenster im Dachgeschoss sei als F 90 Brandschutzfenster genehmigt und immerhin noch 1,7 m von der Westwand der Lateinschule entfernt. Soweit der Kläger im Hinblick auf diese genehmigten Fenster seinerseits erhöhte Brandschutzanforderungen für die Lateinschule befürchte, seien diese noch nicht abzusehen, da die zukünftige Nutzung der Lateinschule noch offen sei. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass die Lateinschule selbst unmittelbar auf der Grundstücksgrenze oder jedenfalls in unmittelbarer Nähe hiervon errichtet worden sei.
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Schließlich liege auch kein Verstoß gegen drittschützende denkmalschutzrechtliche Vorgaben vor. Das genehmigte Bauvorhaben beeinträchtige die Denkmalwürdigkeit des Anwesens des Klägers nicht erheblich, auch wenn durch die Anhebung des Pultdachs eine Verdeckung einer Fensterhälfte eines Doppelfensters der Lateinschule einhergehe. Der dahinterliegende Raum könne aufgrund des weiteren Doppelfensters noch sinnvoll genutzt werden. Eine andere rechtliche Bewertung lasse sich auch nicht den Aussagen des Landesamts für Denkmalpflege entnehmen. In historischen Altstädten wie P* … sei eine dichte, grenzständige Bebauung üblich und gerade auch ein Wesensmerkmal. Zudem gelte es zu beachten, dass der Lateinschule vor allem eine historische und volkskundliche Bedeutung zukomme. Im Hinblick auf die kulturhistorische Bedeutung sei festzustellen, dass die westliche Außenwand der Lateinschule nicht in Fachwerkbauweise errichtet worden sei.
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Gegen das Urteil richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Urteil des Verwaltungsgerichts sowie auf die Gerichts- und Behördenakten im streitgegenständlichen und den vorausgehenden Verfahren, deren Akten bereits vom Verwaltungsgericht beigezogen wurden, verwiesen.
II.
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1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 3 und 5 VwGO sind nicht ausreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), liegen jedenfalls nicht vor.
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a) Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
14
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 = juris Rn. 17 m.w.N.).
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Der umfangreiche klägerische Vortrag vermag insgesamt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zu Recht entschieden, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung Rechte des Klägers nicht verletzt. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts verwiesen (vgl. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
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Zum Zulassungsvorbringen führt der Senat ergänzend Folgendes aus:
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aa) Der Kläger trägt vor, ihm, seinen Rechtsvorgängern und seinen Bevollmächtigten sei der Anhang zum streitgegenständlichen Bescheid vom 15. Juli 2020 mit den darin erteilten Auflagen, Erlaubnissen, Genehmigungen und Abweichungen nicht übermittelt worden; daher sei der Bescheid aus nachbarrechtlicher Hinsicht unbestimmt, da der Nachbar seine mögliche Rechtsverletzung nicht erkennen könne. Hierzu hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (UA S. 12) bereits ausgeführt, dass der komplette Bescheid dem Bevollmächtigten der Rechtsvorgängerin des Klägers im Verfahren Az. W 4 K 19.1155 zusammen mit dem Schriftsatz des Landratsamts Kitzingen vom 15. Juli 2020, mit dem der Bescheid einschließlich Anhang vorgelegt worden sei, übermittelt worden sei. Das entspricht auch der Verfügung des Verwaltungsgerichts in dieser Gerichtsakte, mit der die Zustellung des Schriftsatzes mit allen Anlagen angeordnet wurde. Wenn die damaligen Bevollmächtigten der Rechtsvorgängerin des Klägers die Anlagen tatsächlich nicht erhalten haben sollten, hätten sie das monieren können und müssen. Es ist davon auszugehen, dass sie jederzeit den Bescheid mit den dazugehörigen Anlagen sowohl von der Baugenehmigungsbehörde als auch vom Verwaltungsgericht erhalten hätten. Jedenfalls haben die früheren Bevollmächtigten des Klägers, wie mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2022 vorgetragen, umfassend Akteneinsicht genommen. Der Inhalt des Bescheids ist der Klägerseite daher bekannt. Im Übrigen führt eine mangelhafte Zustellung eines Baugenehmigungsbescheids an den Nachbarn nicht zur Nichtigkeit dieses Bescheids wegen Unbestimmtheit, da die Bestimmtheit des Bescheids sich aus dem Bescheid an den Bauherrn ergibt.
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bb) Der Kläger will weiter eine Unbestimmtheit der streitgegenständlichen Baugenehmigung daraus ableiten, dass aus den genehmigten Planunterlagen die geplante Erhöhung des Pultdaches nicht erkennbar sei. Hierzu hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (UA S. 12) ausgeführt, dass aus den Planunterlagen (Schnitt C-C) die Erhöhung des Pultdaches von einer Traufhöhe von 6,51 m auf 6,95 m in roter Farbe dargestellt und daher eindeutig erkennbar sei. Dass unter dem Schnitt C-C sowohl vermerkt ist „Ansicht Osten Bestand Bauantrag 2011“ und „Ansicht Osten Planung 2018“ steht der Bestimmtheit der beantragten und genehmigten Erhöhung des Pultdaches nicht entgegen. Bei diesem Schnitt sind die geplanten Veränderungen in Rot dargestellt. Es ist daher klar ersichtlich, mit welcher Traufhöhe das Pultdach genehmigt ist.
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Davon abgesehen hat sich die Beigeladene zu 1 in dem Vergleich mit der Rechtsvorgängerin des Klägers vom 2. August 2018 im Verfahren Az. W 4 K 17.744 dazu verpflichtet, einen Bauantrag mit dem Inhalt einzureichen, dass die derzeit noch nicht genehmigte Aufstockung um ca. 50 cm genehmigt wird. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid wird daher hinsichtlich der Erhöhung des Pultdaches genau das genehmigt, was tatsächlich schon seit mindestens 1978 vorhanden ist. Daraus kann der Kläger auch erkennen, in welcher Weise er durch die Baugenehmigung belastet ist.
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cc) Der Kläger meint weiter, das Verwaltungsgericht habe die Genehmigung der Pultdacherhöhung mit Bescheid vom 7. März 1978 falsch interpretiert. Es sei damals kein Pultdach genehmigt worden, das das südliche Fenster der Lateinschule bereits teilweise verdeckt hätte. Das Verwaltungsgericht entnehme das fälschlicherweise daraus, dass es annehme, die dort genehmigte Traufhöhe beziehe sich nicht auf die Oberkante der Dachhaut, sondern auf die Oberkante der Dachsparren, so dass bereits damals ein höheres Pultdach genehmigt gewesen sei.
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Auch dieser Vortrag ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts zu begründen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Baugenehmigung ist nicht entscheidungserheblich, in welcher Höhe das Pultdach bereits 1978 genehmigt wurde, wie bereits das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung ausführte (UA S. 13). Mit dem streitgegenständlichen Baugenehmigungsbescheid wurde jedenfalls ein Pultdach mit einer Traufhöhe von 6,96 m (vom Verwaltungsgericht wurden 6,95 m angenommen) genehmigt. Ob das 1978 genehmigte Pultdach bereits Teile des Doppelfensters der Lateinschule verdeckt hätte oder nicht, ist nicht entscheidungserheblich. Durch die Genehmigung einer Traufhohe des Anbaus von 6,96 m ist der Anbau in seiner ganzen Höhe genehmigt. In diesem Rechtsstreit ist nur die Frage zu klären, ob die streitgegenständliche Baugenehmigung Rechte des Klägers verletzt.
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Die Baugenehmigung ist auch nicht, wie der Kläger meint, unbestimmt, weil sie „de facto einen Bestand mitgenehmigt“ habe, der nie genehmigt gewesen sei und der nach den eingereichten Plänen auch nicht zur Genehmigung gestanden habe. Denn der Bauantrag hatte gerade den Sinn, ein bereits errichtetes Bauwerk, das nicht genehmigt war, in vollem Umfang zu genehmigen.
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dd) Der Baugenehmigungsbescheid ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht deshalb rechtswidrig, weil, wie er vorträgt, die Beigeladene zu 1 die Abweichungen von den brandschutzrechtlichen Vorschriften bezüglich des Umbaus der beiden Fenster nicht beantragt habe. Wie bereits ausgeführt, hat sich die Beigeladene zu 1 im Vergleich vom 2. August 2018 verpflichtet, einen Bauantrag zu stellen, mit dem sie auch den Rückbau der bereits damals bestehenden Fenster zu Brandschutzfenstern zur Genehmigung stellt. Einen entsprechenden Genehmigungsantrag hat die Beigeladene zu 1 gestellt. Es war offensichtlich, dass, da der Abstand des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBO nicht gewahrt ist, hierfür eine Abweichung erteilt werden muss. Im Übrigen verletzt eine erteilte Abweichung den Nachbarn nicht deshalb in seinen Rechten, weil sie vom Bauherrn nicht beantragt worden war.
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Die erteilten Abweichungen hinsichtlich der beiden Fenster verletzen keine Rechte des Klägers. Dies gilt unabhängig davon, in welchem Umfang im ersten Obergeschoss des Anbaus der Beigeladenen zu 1 bereits 1978 ein Fenster genehmigt worden ist. Das Verwaltungsgericht weist in seinem Urteil (UA S. 19) allerdings zu Recht darauf hin, dass die (bestandskräftige) Baugenehmigung vom 7. März 1978 auch ein Fenster im ersten Obergeschoss umfasst, sodass seine Auffassung, dass sich durch den Einbau von Brandschutzfenstern die brandschutzrechtliche Situation verbessert, richtig ist. Die Baugenehmigungsbehörde und das Verwaltungsgericht haben mit dem Einbau von Brandschutzfenstern F 90 die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO mit Blick auf den Regelungszweck des Art. 28 Abs. 6 BayBO, die Sicherung des Brandschutzes, als erfüllt angesehen. Dem tritt der Kläger nicht substantiiert entgegen. Er befürchtet vielmehr, dass bei einer Aufnahme einer Nutzung der Lateinschule diese selbst erhöhten brandschutzrechtlichen Anforderungen ausgesetzt ist. Damit kann der Kläger jedoch keine Rechtsverletzung als Nachbar geltend machen. Vielmehr muss sein Gebäude die brandschutzrechtlichen Vorschriften einhalten. Er kann nicht verlangen, dass die Bebauung von Nachbargrundstücken wegen der Fenster in der Grenzwand seiner Lateinschule einen Abstand von 5 m einhält. Etwaige diesbezügliche Erschwernisse für die Lateinschule bei Aufnahme einer Nutzung gehen daher nicht auf den Einbau von Brandschutzfenstern im streitgegenständlichen Anbau der Beigeladenen zu 1 zurück. Ob und inwieweit es bei einer Nutzungsaufnahme der Lateinschule zu brandschutzrechtlichen Auflagen kommen wird, ist offen. Bereits das Landesamt für Denkmalschutz (E-Mail des Oberkonservators vom 24.6.2022, Bl. 198 der GA) hat sich insoweit jedoch bereits für eine „denkmalverträgliche Kompensation (z.B. Festverglasung Brandschutzfensters etc.)“ aufgeschlossen gezeigt. Dass nunmehr im genehmigten Raum unterhalb des Pultdaches anstatt des bisherigen Bades ein Schlafzimmer vorgesehen ist, ist entgegen der Auffassung des Klägers für die Frage der Rechtmäßigkeit der Erteilung der Abweichung unbeachtlich, da beides Aufenthaltsräume sind.
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Es kann offenbleiben, ob das streitgegenständliche Bauvorhaben, wie der Kläger vorträgt, einer weiteren Abweichung von den brandschutzrechtlichen Vorschriften im Hinblick darauf bedurft hätte, dass der streitgegenständliche Gebäudeteil einen hölzernen Dachüberstand aufweist. Dafür spricht, dass gemäß Art. 28 Abs. 5 Satz 1 und 2 BayBO Brand- und Trennwände über die Dachhaut zu ziehen sind, soweit es sich nicht um Gebäude der Gebäudeklassen 1 bis 3 handelt (vgl. auch Art. 28 Abs. 6 i.V.m. Art. 2 Abs. 3 Nr. 4 BayBO). Hierzu hat jedoch bereits das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (UA S. 18) darauf hingewiesen, dass die Bauaufsichtsbehörde nach dem Prüfprogramm des Art. 59 BayBO nur beantragte Abweichungen im Sinne des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO zu prüfen hat. Daher ist eine diesbezügliche Abweichung auch nicht Gegenstand der streitgegenständlichen Baugenehmigung (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2017 – 15 ZB 17.600 – juris Rn. 7). Das Fehlen einer diesbezüglichen Abweichung kann den Kläger daher auch nicht in seinen Rechten verletzen. Ob der Kläger insoweit einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten hat, muss er zunächst mit der Bauaufsichtsbehörde klären. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Lateinschule, die mit der Westwand an der Grundstücksgrenze oder nahe hierzu steht und 12 Doppelfenster in der Grenzwand aufweist, selbst über einen Dachüberstand verfügt und die Wand, die schon wegen der Fenster ohnehin keine Brandwand ist, auch nicht über die Dachhaut gezogen ist.
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ee) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass in der Altstadt von P* … weitgehend geschlossene Bebauung vorherrscht, dass also die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet sind (vgl. § 22 Abs. 3 BauNVO). Darüber hinaus ergibt sich aus den vorliegenden Lageplänen, die vom Bayern-Atlas bestätigt werden, dass in der Altstadt von P* … auch im rückwärtigen Bereich häufig Gebäude aneinandergebaut sind. Dahinstehen kann, ob gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO bereits aus planungsrechtlichen Gründen keine Abstandsflächen erforderlich sind. Im Ergebnis hat das Verwaltungsgericht jedenfalls zu Recht entschieden, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben nicht gegen Abstandsflächenvorschriften verstößt. Nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann sich ein Nachbar gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht mit Erfolg auf die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück nicht dieser Vorschrift entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu – gemessen am Schutzzweck der Vorschrift – schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen führen (vgl. BayVGH, U.v. 4.2.2011 – 1 BV 08.131 – juris).Wer sein Gebäude mit einer Außenwand selbst an die Grundstücksgrenze baut oder die Grundstückssituation so gestaltet, dass sein Gebäude an der Grundstücksgrenze steht, muss hinnehmen, dass es den Grundstücksnachbarn erlaubt ist, selbst an die Grundstücksgrenze zu bauen. Dies gilt baurechtlich unabhängig davon, ob in der Grenzwand Fenster sind oder nicht.
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ff) Die streitgegenständliche Baugenehmigung für die Erhöhung des Pultdachs und des Umbaus der beiden Fenster verletzt auch nicht das Gebot der Rücksichtnahme. Auch insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts (UA S. 14 bis 17) verwiesen werden. Wie ausgeführt, darf der Nachbar bei einer Grenzbebauung des Nachbargrundstücks im rückwärtigen Bereich grundsätzlich an die Grenzwand des Nachbargebäudes anbauen, unabhängig davon, ob dadurch Fenster zugebaut werden. Denn derjenige, der selbst an die Grenze gebaut hat, muss – vorbehaltlich anderslautender planungsrechtlicher Festsetzungen oder Vorschriften – einen entsprechenden Grenzanbau seines Nachbarn grundsätzlich dulden (vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2012 – 9 CS 12.1945 – juris Rn. 20; B.v. 24.4.2015 – 9 ZB 12.1318 – juris Rn. 7). Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt und automatisch in dem Sinne, dass ein Zubauen eines in einer Grenzwand vorhandenen Nachbarfensters stets und in jedem Fall mit dem Rücksichtnahmegebot vereinbar wäre. Vielmehr bedarf es stets einer Abwägung der konkreten Interessen des Bauherrn einerseits und des betroffenen Nachbarn andererseits (VGH BW, U.v. 27.6.1989 – 8 S 2033/88 – juris Rn. 24).
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Der streitgegenständliche Anbau der Beigeladenen ist – vorbehaltlich denkmalschutzrechtlicher Erwägungen – nicht rücksichtslos. Hinsichtlich des Ausmaßes des Bauvorhabens erweist sich das deutlich kleinere Vorhaben der Beigeladenen zu 1 gegenüber dem Kläger nicht als rücksichtslos. Das gilt auch im Hinblick auf die Verdeckung der Hälfte eines Doppelfensters an dem Gebäude des Klägers. Die Bebauung auf dem Baugrundstück der Beigeladenen zu 1 grenzt nur in geringem Umfang an die westliche Außenwand des Gebäudes des Klägers an und verdeckt nur eine Fensterhälfte von insgesamt 12 vorhandenen Doppelfenstern. Jedes Bauvorhaben hat grundsätzlich seine Belichtung und Belüftung auf dem eigenen Grundstück sicherzustellen und kann dafür nicht Nachbargrundstücke in der Weise in Anspruch nehmen, indem diese verpflichtet werden, die Grenzwand von Bebauung freizuhalten. Das gilt unabhängig davon, welche Nutzung des Grenzgebäudes zulässig oder vorgesehen ist. Von einem genehmigten Wohnraum ist angesichts der Übernahme des Anwesens durch den Kläger und der Aufgabe der Wohnnutzung durch die Rechtsvorgängerin des Klägers wohl nicht mehr auszugehen. Im Übrigen sind die Räume auch für eine Wohnnutzung ausreichend belichtet. Welche Nutzung die Lateinschule des Klägers künftig haben wird, ist nach wie vor offen. Wie die in den Gerichtsverfahren gefertigten und auch vom früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers im Verwaltungsgerichtsverfahren vorgelegten Bilder zeigen (z.B. Bl. 130 der GA), ist der Raum hinter dem teilweise verdeckten Fenster auch für einen Aufenthaltsraum aufgrund der rechten Fensterfläche und des weiter vorhandenen Doppelfensters ausreichend belichtet. Der weitere geringfügige Anbau an die Grenzmauer der Lateinschule im Norden verdeckt ohnehin keine Fenster.
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gg) Der Senat teilt auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die Baugenehmigung nicht gegen drittschützende denkmalschutzrechtliche Vorgaben verstößt. Die Feststellungswirkung der Baugenehmigung umfasst auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO i.V.m. Art. 6 Abs. 3 BayDSchG. Der Kläger kann sich deshalb grundsätzlich auch auf die Verletzung von denkmalschutzrechtlichen Normen berufen, soweit sie drittschützend sind. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG bedarf der Erlaubnis, wer in der Nähe von Baudenkmälern Anlagen errichten, verändern oder beseitigen will, wenn sich dies auf Bestand oder Erscheinungsbild eines der Baudenkmäler auswirken kann. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG kann in diesem Fall die Erlaubnis versagt werden, soweit das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbilds oder der künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals führen würde und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Es ist anerkannt, dass diese Vorschrift drittschützende Wirkung für den Nachbarn als Eigentümer eines Denkmals hat, weil auch der Eigentümer eines geschützten Kulturdenkmals durch die Errichtung eines benachbarten Vorhabens in der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verletzt sein kann (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 4 C 3.08 – NVwZ 2009, 1231). Das ist, wie das Verwaltungsgericht erkannt hat, aber nur dann der Fall, wenn das genehmigte Vorhaben die Denkmalwürdigkeit des Anwesens des Nachbarn erheblich beeinträchtigt (vgl. BayVGH, U.v. 24.1.2013 – 2 BV 11.1631 – juris; vgl. auch B.v. 19.4.2017 – 9 CS 17.195 – juris).
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Eine erhebliche Beeinträchtigung der denkmalgeschützten Lateinschule des Klägers durch die streitgegenständliche Baugenehmigung für die Erhöhung des Pultdachs liegt auch nach Auffassung des Senats nicht vor. Die durch die Anhebung des Pultdachs einhergehende Verdeckung einer Fensterhälfte eines Doppelfensters der Lateinschule beeinträchtigt die Denkmalwürdigkeit des Gebäudes des Klägers jedenfalls nicht erheblich. Die in den Akten enthaltenen Lichtbilder vom betroffenen Innenraum der Lateinschule (z.B. Bl. 130 der GA) zeigen, dass der Anbau der Beigeladenen zu 1 und das vorgezogene Pultdach die Sicht aus dem Fenster zwar beeinträchtigen, den Raum jedoch nicht derart verdunkeln, dass seine Nutzung als Aufenthaltsraum nicht mehr möglich wäre. Schließlich wird der Raum noch durch die rechte Fensterhälfte des Doppelfensters und einem weiteren Doppelfenster belichtet. Aber auch durch die linke Fensterhälfte, vor der der Anbau gebaut ist, erhält der Raum noch Licht von der Seite. Insgesamt zeigen die in den Verfahren gefertigten Bilder, dass der Blick von diesem Raum der Lateinschule nach außen beeinträchtigt ist. Von einer erheblichen Beeinträchtigung der Denkmalwürdigkeit des Gebäudes ist jedoch nicht auszugehen. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht auch darauf hin, dass der Lateinschule vor allem eine historische und volkskundliche Bedeutung zukommt (vgl. E-Mail des Oberkonservators vom 11.3.2016, Bl. 197 der GA). Diese Belange werden durch die Pultdacherhöhung nicht tangiert. Auch wenn der Blick aus einer Fensterhälfte getrübt ist, so wird doch durch die Anordnung der Fenster und der Sitznischen die frühere Bedeutung der Räume als Schulräume mit Belichtung nach Westen ausreichend deutlich. Dass der Blick aus dem Fenster eines Denkmals, das an der Grundstücksgrenze oder in unmittelbarer Nähe hierzu steht, stets unbeeinträchtigt bleibt und insoweit alle Nachbargrundstücke in ihrer Bebauung zurückstehen müssen, kann in Anbetracht des grenzständigen Baus des Denkmals nicht verlangt werden, auch wenn der Blick von Innen nach Außen auch zum Schutzumfang eines Denkmals gehören kann (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2013 – 22 B 12.1741 – juris Rn. 24 ff.). Soweit der Lateinschule auch eine gewisse kunsthistorische Bedeutung zukommt, betrifft dies insbesondere die Fachwerkbauweise und die Fassadengestaltung (vgl. Stellungnahme der Kunsthistorikerin W* …, Bl. 242 ff. der GA). Diese Bedeutung stützt sich jedoch vor allem auf die Ostfassade der Lateinschule. Die Westfassade, die hier durch den Anbau und das Pultdach betroffen ist, ist nach den unwidersprochenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts schon nicht in Fachwerkbauweise errichtet. Die Ansicht des Denkmals wird, wie auch der Oberkonservator in seiner E-Mail vom 24. Juni 2022 ausgeführt hat, durch die Pultdacherhöhung nicht weiter beeinträchtigt, da der Bereich vom öffentlichen Raum ohnehin faktisch nicht einsehbar sei. Unrichtig ist auch die Auffassung des Klägers, wonach die historische Fensteranordnung aus der Renaissancezeit in der Westwand der Lateinschule durch das Pultdach nicht mehr ablesbar sei. Alle Fenster sind in ihrer Anordnung, wie die Bilder zeigen, durchaus erkennbar. Dass, wie vom Kläger behauptet, die Sichtnischen im Innern der Fenster beeinträchtigt seien, ist nicht erkennbar. Der Raumeindruck des Schulraums mit der Besonderheit der Belichtung durch Tageslicht wird zwar, wie vom Kläger durch die als Anlage K4 übermittelte Stellungnahme von Frau Dr. H* … vom 27. Februar 2024 vorgetragen, beeinträchtigt, jedoch nicht in erheblicher Weise. Das Konzept des Raumes mit der Belichtung durch Tageslicht ist aufgrund der großen Fensternischen noch erkennbar. Auch handelt es sich nur um einen von mehreren vorhandenen Schulräumen. Im Übrigen ist eine Schulhausnutzung nicht mehr zu erwarten.
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Insgesamt ist der Senat daher der Auffassung, dass die Bebauung des Grundstücks der Beigeladenen zu 1 durch den nur geringfügigen Anbau an die Lateinschule auch denkmalschutzrechtlich die erforderliche Rücksicht nimmt, zumal auch der Beigeladenen zu 1 als Grundstückseigentümerin das Grundrecht auf Eigentum gemäß Art. 14 Abs. 1 GG zukommt.
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Soweit der Kläger bemängelt, dass sich das Verwaltungsgericht niemals ein eigenes Bild von der Situation in der Lateinschule gemacht habe, ist dies unrichtig, da das Gericht bereits im Verfahren Az. W K 17.744, in dem der Vergleich vom 18. Juli 2018 mit der Rechtsvorgängerin des Klägers, der Beigeladenen zu 3, geschlossen wurde, einen Augenschein durchgeführt hat (vgl. Niederschrift vom 18.7.2018, Bl. 122 ff. dieser GA). Schon damals war das Bauvorhaben bereits errichtet, die Situation also gut zu beurteilen; es wurden Bilder gefertigt.
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b) Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
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Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2 m.w.N.; B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – BayVBl 2016, 104 Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 4.6.2018 – 14 ZB 17.390 – juris Rn. 14 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer fristgerecht (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.).
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aa) Der Kläger meint, es sei die Frage grundsätzlich bedeutsam, „ob und inwiefern in der Bewertung ein Vorhaben das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt, auch andere Gebäudeteile, die auf demselben Grundstück liegen und mit dem streitgegenständlichen Vorhaben zusammenwirken, einzubeziehen sind“. Der Kläger erläutert hierzu, die Lateinschule werde durch „weitere auf dem Grundstück der Beigeladenen aufstehende Gebäude eingemauert“.
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Die gestellte Frage bezieht sich auf das Gebot der Rücksichtnahme. Hinsichtlich dieses Gebots können jedoch keine allgemeinen Grundsätze aufgestellt werden. Die Einhaltung dieses Gebots ist stets eine Frage der Würdigung des konkreten Einzelfalls. Im Übrigen ist die Frage hier auch nicht entscheidungserheblich, da von einem Einmauern des Gebäudes des Klägers offensichtlich keine Rede sein kann. Der weitere Anbau an der Nordecke der Lateinschule ist nur äußerst geringfügig und verdeckt im Übrigen auch kein Fenster der Lateinschule.
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bb) Der Kläger hält weiter die Frage für grundsätzlich bedeutsam, „ob auch Auswirkungen eines Vorhabens in der Nachbarschaft, die nicht unmittelbar, sondern erst im Falle einer Nutzungsänderung oder sonstiger Baumaßnahmen am betreffenden Denkmal durch an diese Maßnahmen zu stellende beeinträchtigende baurechtliche Anforderungen an das Gebäude zu Tage treten, als erhebliche Beeinträchtigung der Denkmalwürdigkeit gewertet werden können.“
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Hintergrund dieser Frage ist offenbar, dass der Kläger im Falle einer Nutzungsaufnahme der Lateinschule brandschutzrechtliche Auflagen aufgrund des genehmigten Bauvorhabens der Beigeladenen zu 1 befürchtet. Solche etwaigen Auflagen werden jedoch nicht durch die streitgegenständliche Baugenehmigung hervorgerufen, sondern durch die Situierung der Lateinschule an der Grundstücksgrenze oder in unmittelbarer Nähe davon. Ob und welche Auflagen oder Abweichungen von brandschutzrechtlichen Vorschriften für ein an der Grundstücksgrenze stehendes Denkmal möglich sind, hängt von der Nutzung ab, die hier ohnehin noch offen ist, und von den Gegebenheiten des Einzelfalles. Dies lässt sich nicht nach abstrakten Rechtsätzen bestimmen. Sie kann daher insbesondere im Hinblick auf die maßgebliche Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung eines Denkmals vorliegt, nicht grundsätzlich geklärt werden.
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c) Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, auf dem das Urteil beruhen kann – hier wegen der gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 138 Nr. 3 VwGO – zuzulassen.
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Der Kläger meint, ihm sei nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Er habe mit Schriftsatz vom 8. September 2023 Akteneinsicht beantragt; diese sei jedoch erst gewährt worden, nachdem das Urteil des Verwaltungsgerichts am 6. Oktober 2023 zugestellt worden sei. Er habe somit keine Möglichkeit gehabt, sich gewissenhaft in das Verfahren einzuarbeiten und eine Stellungnahme vor der Urteilszustellung abzugeben. Das Verwaltungsgericht habe ihn daher vor vollendete Tatsachen gestellt. Er habe daher in keiner Weise mehr das Verfahren zugunsten des Klägers beeinflussen können.
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Dieser Vortrag geht ins Leere. Das Verwaltungsgericht hat am 27. Juni 2023 die mündliche Verhandlung durchgeführt, das Urteil noch am selben Tag gefällt und den Entscheidungstenor bei der Geschäftsstelle des Gerichts niedergelegt. Damit stand das Urteil fest und weiterer Vortrag der Beteiligten konnte nicht mehr berücksichtigt werden. Zwischen Niederlegung des Urteilstenors und Zustellung der endgültigen Urteilsgründe muss daher kein rechtliches Gehör mehr gewährt werden. Dass der Tenor des Urteils bei der Geschäftsstelle abgerufen werden kann, wurde den früheren Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 7. August 2023 mitgeteilt. Im Übrigen ergibt sich bereits kraft Gesetzes, dass das Urteil, soweit es nicht verkündet wird, innerhalb von zwei Wochen der Geschäftsstelle zu übergeben ist (vgl. § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO).
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladenen sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert haben, entspricht es der Billigkeit gemäß § 162 Abs. 3 VwGO, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei hier die untere Grenze des Rahmens anzusetzen ist.
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4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).