Titel:
Vorbescheid für land- und forstwirtschaftliche Hofstelle im Außenbereich
Normenkette:
VwGO § 86 Abs. 1, Abs. 3
Leitsätze:
1. Im Grundsatz besteht keine Pflicht des Gerichts, den Beteiligten seine Auffassung jeweils vor dem Ergehen einer Entscheidung zu offenbaren, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat (§ 86 Abs. 2 VwGO). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Überraschungsentscheidung (verneint), Verstoß gegen gerichtliche Aufklärungspflicht (verneint), Vorbescheid, Außenbereich, landwirtschaftliche Hofstelle, Verfahrensmangel, Gewährung rechtlichen Gehörs, gerichtliche Hinweispflicht, Überraschungsentscheidung, gerichtliche Aufklärungspflicht, Beweisaufnahme
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 12.03.2024 – M 1 K 20.3252
Fundstelle:
BeckRS 2025, 5881
Tenor
I. Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 25.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Kläger begehren die Erteilung eines Vorbescheids für eine land- und forstwirtschaftliche Hofstelle auf einem im Außenbereich gelegenen Grundstück.
2
Das Landratsamt lehnte den Antrag ab. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Vorhaben sei nicht privilegiert. Es handle sich um einen Nebenerwerbsbetrieb, bei dessen Gründung eine besonders sorgfältige Prüfung der Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit geboten sei und nicht der Wunsch, im Außenbereich zu wohnen, im Vordergrund stehe. Hinreichende Angaben zur Eignung der aus landwirtschaftsfremden Berufen kommenden Kläger als Betriebsinhaber, die vermuten ließen, dass der Betrieb dauerhaft, ernsthaft und nachhaltig ausgeübt werden könne, fehlten. Die vorgelegten Belege für eine fachliche Sachkunde der Kläger genügten nicht, insbesondere beinhalte das Betriebskonzept mehrere Bestandteile – u.a. auch die Lebensmittelerzeugung –, für die die Kläger keine Sachkunde nachgewiesen hätten. Zudem könne angesichts des fortgeschrittenen Alters der Kläger nicht von der Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit des Betriebs ausgegangen werden. Glaubhafte und plausible Aussagen über die Hofnachfolge fehlten; die Kinder seien ebenfalls in landwirtschaftsfremden Berufen tätig. Daher sei auch die Wirtschaftlichkeitsberechnung des Betriebskonzepts mit einer Nutzungsdauer des Betriebsleiterwohnhauses von 50 Jahren als unrealistisch anzusehen. Darüber hinaus sei zweifelhaft, ob das Vorhaben auf einen auf Wirtschaftlichkeit und Gewinnerzielung angelegten Betrieb abziele. Im Ergebnis handle es sich bei dem Vorhaben nicht um ein im Außenbereich privilegiertes Vorhaben, sondern allenfalls um eine reine Hobbynutzung, der die konkrete Gefahr innewohne, dass das Konzept schon nach kurzer Zeit aufgegeben werden könnte und zunächst verdeckte private Wohnbauwünsche im Außenbereich in den Vordergrund treten könnten.
3
Mit ihrem Zulassungsantrag verfolgen die Kläger ihr Rechtsschutzziel weiter. Der Beklagte tritt dem Zulassungsantrag entgegen.
4
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakten Bezug genommen.
5
Der zulässige Antrag ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegen nicht vor bzw. werden nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
6
1.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
7
Soweit sinngemäß eine fehlerhafte Beweiswürdigung gerügt wird, liegt der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur vor, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder z.B. wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2017 – 1 ZB 14.68 – juris Rn. 5; B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 7 m.w.N.). Solche Fehler bei der Beweiswürdigung zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf. Das Verwaltungsgericht hat für die Frage der fachlichen Eignung der Kläger auf ihre bisherigen landwirtschaftsfremden Berufe abgestellt, die von ihnen vorgelegten Belege für Schulungen im landwirtschaftlichen Bereich herangezogen und sich dabei auf die Ausführungen des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gestützt, wonach weitere Grundlagenkenntnissen bei den Klägern als landwirtschaftsfremde Personen erforderlich seien. Im Rahmen einer Gesamtschau dieser Gesichtspunkte kam es nachvollziehbar zu der Annahme, dass gewichtige Zweifel an der Eignung der Kläger bestehen, die der Annahme eines ernsthaften und nachhaltigen Betriebs entgegenstehen. Dass es der Stellungnahme des Landesverbands der Bayerischen Schafhalter e.V. vom 26. April 2018 kein durchgreifendes Gewicht beigemessen hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden, insbesondere finden sich auch dort keine Belege für die fachlichen Kenntnisse der Kläger. Ausreichende fachliche Kenntnisse der Kläger zeigt auch das Zulassungsvorbringen nicht auf, sondern dies erschöpft sich im Wesentlichen in der Kritik an der Begründung des Verwaltungsgerichts. Dass das Verwaltungsgericht die Nachhaltigkeit des Betriebs angesichts des Alters der Kläger von 63 bzw. 64 Jahren bei der Neugründung einer landwirtschaftlichen Hofstelle kritisch hinterfragt, ist weder sachfremd noch willkürlich, sondern denklogisch. Mit dem Vortrag, etwaig fehlende fachliche Kenntnisse würden der Genehmigung nicht entgegenstehenden, da die Teilnahme von entsprechenden Kursen als Nebenbestimmung in Gestalt einer aufschiebenden Bedingung hätten angeordnet werden können, zeigen sie ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils auf. Dies kam bereits deshalb nicht in Betracht, da dies nicht das einzige Hindernis für die Erteilung des Vorbescheids war.
8
Soweit die Annahme des Verwaltungsgerichts gerügt wird, dass die Hofnachfolge, der angesichts des fortgeschrittenen Alters der Kläger eine besondere Bedeutung im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit des Betriebs zukommt, nicht gewährleistet ist, hat sich das Verwaltungsgericht auf die im behördlichen Verfahren getätigten Angaben der Kläger gestützt und diese als nicht ausreichend angesehen. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur fehlenden Eignung der Kläger sowie zur mangelnden Dauerhaftigkeit des Betriebs tragen die Entscheidung zur fehlenden Privilegierung des Vorhabens selbständig. Auf die von den Klägern vorgetragene Kritik an den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Wirtschaftlichkeit des Betriebs kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an. Bei der Kritik des Verwaltungsgerichts an den nicht eingestellten Kosten des Betriebsleiterwohnhauses in die Wirtschaftlichkeitsberechnung handelt es sich im Übrigen nicht um eine tatsächliche Würdigung, sondern um eine rechtliche Einordnung, die bereits nicht substantiiert angegriffen wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.1993 – 4 B 254.92 – juris).
9
2. Allein die unterschiedliche Bewertung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Kläger genügt nicht für die Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 1 ZB 20.260 – juris Rn. 13; B.v. 30.7.2018 – 9 ZB 16.1068 – juris Rn. 14).
10
3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen ebenfalls nicht vor.
11
Die Kläger rügen einen Gehörsverstoß des Verwaltungsgerichts dahingehend, dass die Frage der Eignung der Kläger sowie der Hofnachfolge weder im Verfahren noch im Termin erörtert worden sei und das Verwaltungsgericht im Wege der unzulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung die Klage ohne Beweiserhebung abgewiesen habe.
12
Die Hinweispflicht des § 86 Abs. 3 VwGO konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen (vgl. BVerwG, B.v. 29.1.2010 – 5 B 21.09 – juris Rn. 18). Ein hiergegen verstoßendes Verhalten des Gerichts läge aber nur vor, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hätte, mit welcher der unterlegene Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte. Ansonsten besteht im Grundsatz keine Pflicht des Gerichts, den Beteiligten seine Auffassung jeweils vor dem Ergehen einer Entscheidung zu offenbaren (vgl. BVerfG, B.v. 5.11.1986 – 1 BvR 706.85 – BVerfGE 74, 1), weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (vgl. BVerwG, B.v. 29.1.2010 a.a.O. m.w.N.; BayVGH, B.v. 15.2.2021 – 3 ZB 20.774 – juris Rn. 38). Hieran gemessen zeigt das Zulassungsvorbringen keinen Gehörsverstoß auf. Sowohl die Frage der fachlichen Eignung der Kläger als auch der Hofnachfolge war bereits Gegenstand der vorgelagerten Verwaltungsverfahren (vgl. Stellungnahme des AELF vom 6.5.2019 sowie Schreiben des Bay. Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 28.9.2019), sodass die hierauf gestützte Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht überraschend ist.
13
Auch der sinngemäß geltend gemachte Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht liegt nicht vor. Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO erfordert u.a. die Darlegung, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 7; B.v. 25.1.2005 – 9 B 38.04 – NVwZ 2005, 447). Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat (§ 86 Abs. 2 VwGO). Die Kläger haben ausweislich der Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts zu den gerügten Aufklärungsdefiziten keine Beweisanträge gestellt. Die Aufklärungsrüge dient aber nicht dazu, Versäumnisse Beteiligter, insbesondere das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2015 a.a.O.; B.v. 18.12.2006 – 4 BN 30.06 – NVwZ-RR 2007, 285; BayVGH, B.v. 7. 10.2024 – 1 ZB 23.838 – juris Rn. 11).
14
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
15
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
16
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).