Inhalt

VGH München, Beschluss v. 17.03.2025 – 19 CS 25.541
Titel:

Beschwerdeausschluss, Anordnung der Vorsprache bei Auslandsvertretung des Heimatstaats

Normenkette:
AsylG § 80
Schlagworte:
Beschwerdeausschluss, Anordnung der Vorsprache bei Auslandsvertretung des Heimatstaats
Vorinstanz:
VG Würzburg, Beschluss vom 14.03.2025 – W 7 S 25.370
Fundstelle:
BeckRS 2025, 5871

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Ziffer II. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2025, Az. W 7 S 25.370, wird geändert. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.250,00 € festgesetzt.

Gründe

1
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 26. Februar 2025 weiter. Mit diesem Bescheid wurde gegenüber dem Antragsteller angeordnet, dass er sich am 17. März 2025 um 11:00 Uhr im Bayerischen Landesamt für Maß und Gewicht, ... einzufinden habe, um dort seine Identität klären zu können (Ziffer 1 des Bescheids). Sollte er der Anordnung unter Ziffer 1 ohne hinreichenden Grund nicht Folge leisten, wurde ihm die zwangsweise Vorführung durch die Polizei bei der bezeichneten Auslandsvertretung angedroht (Ziffer 2). Die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 wurde angeordnet (Ziffer 3). Für den Bescheid wurden keine Kosten erhoben (Ziffer 4).
2
Die Beschwerde ist bereits unzulässig.
3
Nach § 80 AsylG in der seit 27. Februar 2024 geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 14 des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 (BGBl. I Nr. 54 vom 26.2.2024) können Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylgesetz und über Maßnahmen zum Vollzug der Abschiebungsandrohung (§ 34 AsylG) oder der Abschiebungsanordnung (§ 34a AsylG) nach dem Aufenthaltsgesetz vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 VwGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
4
Hier liegt die zweite Alternative der Bestimmung vor [„und über Maßnahmen zum Vollzug der Abschiebungsandrohung (§ 34 AsylG) oder der Abschiebungsanordnung (§ 34a AsylG) nach dem Aufenthaltsgesetz“].
5
Der Antragsteller ist aufgrund der unanfechtbar gewordenen Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. März 2017 (Az.: 5931206-225) vollziehbar ausreisepflichtig (§ 34 Abs. 1, § 38 Abs. 1 und § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Die Anordnung der Vorsprache bei der Auslandsvertretung bzw. einer Delegation des Heimatstaates zur Identitätsklärung dient der Beschaffung von Heimreisepapieren und soll damit die Durchsetzung der Ausreisepflicht ermöglichen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 1.8.2024, § 82 Rn. 74). Eine solche Anordnung fällt auch unter den Begriff der „Maßnahme“, welcher in § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG angesprochen ist. Die dort enthaltene Aufzählung ausländerrechtlicher Maßnahmen ist lediglich beispielhaft und folglich nicht abschließend (Hailbronner a.a.O., § 102 Rn. 2; Brinktrine in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.10.2024, § 82 AufenthG Rn. 9; Beiderbeck in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrationsrecht, Stand 1.1.2025, § 82 AufenthG Rn. 2).
6
Der Wortlaut des § 80 AsylG n.F. rechtfertigt also im vorliegenden Verfahren den Beschwerdeausschluss. In gesetzessystematischer Hinsicht steht kein entgegenstehender Anhalt entgegen. Aus der schriftlichen Begründung zur Neufassung des § 80 AsylG ergibt sich der Wille des Gesetzgebers, gesetzliche Regelungen, die Abschiebungsmaßnahmen verhindern oder zumindest erschweren, anzupassen und Rückführungen effektiver zu gestalten (vgl. BT-Drs. 20/9463 vom 24.11.2023, S. 1, 20).
7
Der Antragsteller, dem Gelegenheit gegeben worden war, sich zum Beschwerdeausschluss des § 80 AsylG n.F. zu äußern, hat dazu keine Stellungnahme abgegeben.
8
Zwar hat das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss über die Möglichkeit der Einlegung einer Beschwerde als zulässiges Rechtsmittel belehrt. Jedoch eröffnet eine unrichtige Rechtsmittelbelehrungden darin benannten Rechtsweg nicht bzw. ein an sich nicht gegebener Rechtsbehelf, über den fälschlicherweise belehrt worden ist, wird dadurch nicht zulässig (BeckOK VwGO/Kimmel VwGO § 58 Rn. 30; Eyermann, 16. Aufl. 2022, VwGO § 58 Rn. 31).
9
Die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts war zu ändern (vgl. hierzu Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 158 Rn. 24f.). Das Verwaltungsgericht hat die Verfahrenskosten gemäß § 154 Abs. 1 i.V.m. § 155 Abs. 4 VwGO hälftig geteilt, weil der Antragsgegner durch die unterbliebene Anhörung einen formell rechtswidrigen Bescheid erlassen habe, der erst im gerichtlichen Verfahren habe geheilt werden können, womit der Antragsgegner zumindest eine gewisse Veranlassung zur Einleitung des Rechtsstreits geliefert habe. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Zwar geht die Regelung des § 155 Abs. 4 VwGO als speziellere Vorschrift den sonstigen Kostenregelungen grundsätzlich vor und erfasst auch vorprozessuales Verhalten eines Verfahrensbeteiligten (vgl. BVerwG, B.v. 2.1.2025 – 2 A 8.24 – juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 155 Rn. 19 f. m.w.N.). Die Voraussetzungen des § 155 Abs. 4 VwGO liegen hier allerdings nicht vor. Es ist regelmäßig Sache des Klägers bzw. Antragstellers, vor Klageerhebung seine Erfolgsaussichten einzuschätzen. Er muss insbesondere einkalkulieren, dass Verfahrensfehler noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (u.a.) nach Maßgabe von Art. 45 Abs. 1 und 2 BayVwVfG geheilt werden oder nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich bleiben können und seine Klage deshalb gegebenenfalls nicht erfolgreich sein wird (BVerwG, B.v. 30.4.2010 – 9 B 42.10 – juris Rn. 7 zu § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG). Das Verwaltungsgericht geht selbst davon aus, dass der Anhörungsmangel gemäß Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich sei (vgl. Beschluss S. 9). Dies stellt der Antragsteller mit seinen Ausführungen in der Beschwerdebegründung, dass der Antragsgegner im angefochtenen Bescheid nicht darlege, weshalb die Vorsprache erforderlich sei, obwohl der Antragsteller seinen abgelaufenen Reisepass bereits vorgelegt habe, woraus sich die Unverhältnismäßigkeit der Anordnung der Vorsprache ergebe, nicht in Frage.
10
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.
11
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).