Titel:
Unterhaltsvorschussanspruch, Verweigerung der Mitwirkung, Anspruchsausschluss, Vorlage der Geburtsurkunde, Vorlage des Scheidungsurteils, Wohnanschrift des Kindsvaters, Übersetzung, Prozesskostenhilfe
Normenketten:
UVG § 1 Abs. 3
SGB I § 37 Abs. 1, § 60 Abs. 1, § 65, § 67 Abs. 1
Schlagworte:
Unterhaltsvorschussanspruch, Verweigerung der Mitwirkung, Anspruchsausschluss, Vorlage der Geburtsurkunde, Vorlage des Scheidungsurteils, Wohnanschrift des Kindsvaters, Übersetzung, Prozesskostenhilfe
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 10.02.2025 – Au 3 K 23.1573
Fundstelle:
BeckRS 2025, 5858
Tenor
Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung wird zurückgewiesen.
Gründe
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1. Die Klägerin, ukrainische Staatsangehörige, beansprucht mit ihrer Klage Unterhaltsvorschussleistungen für ihr am ... 2020 geborenes Kind M.. Die Beklagte hatte die Bewilligung mit Bescheid vom 15. Juni 2023 aufgrund fehlender Mitwirkung der Klägerin, die trotz mehrfacher Aufforderung die Geburtsurkunde von M., die Urkunde über die Scheidung der Ehe mit dem Kindsvater sowie die letzte bekannte Anschrift des Kindsvaters nicht übermittelt hatte, abgelehnt. Das daraufhin angestrengte Widerspruchsverfahren blieb erfolglos. Mit Beschluss vom 10. Februar 2025 lehnte das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren wegen fehlender Erfolgsaussichten der Klage ab. Hiergegen richtet sich nunmehr die Beschwerde der Klägerin, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat. Die im Beschwerdeschriftsatz vom 24. Februar 2025 angekündigte Beschwerdebegründung mit gesondertem Schriftsatz ist entgegen der Anforderung des Senats weder bis 13. März 2025, noch bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nachgereicht worden.
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2. Die zulässige Beschwerde erweist sich inhaltlich als unbegründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit nach § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die für zutreffend erachtete Begründung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses verwiesen. Ergänzend ist hierzu Folgendes anzumerken:
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2.1 Nach § 1 Abs. 3 UVG besteht ein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen dann nicht, wenn der in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bezeichnete Elternteil, also der Elternteil, bei dem das Kind, für das Unterhaltsvorschuss beansprucht wird, lebt, sich weigert, die Auskünfte, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen oder bei der Feststellung des Aufenthalts des anderen Elternteils mitzuwirken (vgl. hierzu Engel-Boland in BeckOK Sozialrecht, Stand 1.12.2024, § 1 UVG Rn. 91 f.; Schreier in jurisPK Sozialrecht-BT, Stand 20.11.2024, § 1 UVG Rn. 90 ff.; Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 116 ff.). § 1 Abs. 3 UVG wirkt insoweit als negatives Tatbestandsmerkmal, d.h. die Weigerung zur Auskunftserteilung schließt einen Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen aus (Engel-Boland in BeckOK Sozialrecht, Stand 1.12.2024, § 1 UVG Rn. 84; Schreier in jurisPK Sozialrecht-BT, Stand 20.11.2024, § 1 UVG Rn. 91, 93; Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 117). Zur erforderlichen Auskunftserteilung rechnet neben der Angabe der Adresse des Kindsvaters auch die Übermittlung von Nachweisen zu den unterhaltsvorschussrechtlichen Tatbestandsmerkmalen, so etwa die Vorlage einer Geburtsurkunde oder eines Scheidungsurteils (Schreier in jurisPK Sozialrecht-BT, Stand 20.11.2024, § 1 UVG Rn. 99). Der auskunftspflichtige Elternteil „verweigert“ die erforderliche Auskunftserteilung dann, wenn er bei ihm tatsächlich vorhandene Kenntnisse – wie etwa die Wohnanschrift des Kindsvaters – der Unterhaltsvorschussstelle nicht offenbart bzw. wenn er ihm vorliegende Dokumente nicht an die Unterhaltsvorschussstelle übermittelt (Schreier in jurisPK Sozialrecht-BT, Stand 20.11.2024, § 1 UVG Rn. 94). Bleibt der auskunftspflichtige Elternteil trotz mehrfacher Aufforderung durch die Unterhaltsvorschussstelle untätig, geht man von einer konkludenten Verweigerung der Auskunftserteilung aus (vgl. insoweit Engel-Boland in BeckOK Sozialrecht, Stand 1.12.2024, § 1 UVG Rn. 92; OVG Saarlouis, U.v. 23.4.2008 – 3 A 307/07 – BeckRS 2009, 32761). Verfügt demgegenüber die Unterhaltsvorschussstelle bereits über die erforderlichen Informationen, scheidet die Annahme einer „Verweigerung“ der Auskunftserteilung mit der Folge des Anspruchsausschlusses nach § 1 Abs. 3 UVG aus.
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2.2 Überdies erweist sich die Regelung der Mitwirkungsobliegenheiten in § 1 Abs. 3 UVG gegenüber der allgemeinen Regelung der Mitwirkungspflichten in §§ 60 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) nach § 37 Abs. 1 SGB I als vorrangig (Schreier in jurisPK Sozialrecht-BT, Stand 20.11.2024, § 1 UVG Rn. 100). Dies hat zur Konsequenz, dass insbesondere § 67 Abs. 1 SGB I nicht zur Anwendung kommt, wonach die Nachholung einer unterbliebenen Mitwirkungshandlung die Möglichkeit der nachträglichen Erbringung von Sozialleistungen eröffnet (Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 119; Schreier in jurisPK Sozialrecht-BT, Stand 20.11.2024, § 1 UVG Rn. 111; OVG Bautzen, U.v. 22.6.2010 – 5 D 33/10 – BeckRS 2010, 53046; VG Schleswig. U.v. 15.10.2024 – 15 A 75/21 – BeckRS 2024, 28909 Rn. 15). Demgegenüber finden die in § 65 Abs. 1 SGB I normierten Grenzen der erforderlichen Mitwirkung auch mit Blick auf die Mitwirkungsobliegenheiten des § 1 Abs. 3 UVG Anwendung (Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 120).
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2.3 Nachdem die Klägerin im vorliegenden Fall trotz mehrfacher Aufforderung durch die Unterhaltsvorschussstelle und entgegen den Angaben ihres Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren bislang weder die Geburtsurkunde ihrer Tochter noch ein Dokument über die Scheidung vom Kindsvater vorgelegt, noch die gegenwärtige oder zumindest die letzte bekannte Adresse des Kindsvaters angegeben hat, ferner keinerlei Erklärungen darüber abgegeben hat, weshalb ihr die Vorlage der geforderten Dokumente bzw. die Erteilung der erforderlichen Auskunft nicht möglich ist, muss jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einer Verweigerung der Auskunftserteilung im Sinne von § 1 Abs. 3 UVG ausgegangen werden mit der Folge, dass ein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen nicht besteht. Sollte die Klägerin im Zuge des weiteren verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die geforderten Dokumente vorlegen bzw. die geforderte Auskunft nach der letzten bekannten Wohnanschrift des Kindsvaters erteilen, würde dies dazu führen, dass der Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen frühestens ab diesem Zeitpunkt entsteht, nicht hingegen mit Wirkung für die Vergangenheit, d.h. ab Antragstellung, sofern die fehlende Mitwirkungshandlung nicht hinreichend entschuldigt wird.
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Was die von der Beklagten geforderte Übersetzung der Geburtsurkunde bzw. des Scheidungsurteils betrifft, weist der Senat darauf hin, dass diesbezüglich wohl § 65 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 SGB I Anwendung finden müsste, weil entweder die Kosten für die Erstellung einer Übersetzung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung stehen oder aber der Leistungsträger – hier die Beklagte – sich die erforderlichen Kenntnisse durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller bzw. der Leistungsberechtigte selbst verschaffen kann. Ob der Klägerin die Erfüllung der geforderten Mitwirkungspflichten auch aus einem anderen „wichtigen Grund“ im Sinne von § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I nicht zugemutet werden kann (vgl. hierzu etwa BayVGH, B.v. 5.6.2024 – 12 CS 24.834 – BeckRS 2024, 13839 Rn. 4), bedarf – jedenfalls derzeit – keiner Entscheidung, weil die Klägerin bislang keine Erklärung für die unterbliebene Auskunftserteilung bzw. Dokumentenvorlage abgegeben hat. Dem allein vorgelegten Angebot über die Erstellung einer Übersetzung der Geburtsurkunde bzw. des Scheidungsurteils kommt insoweit keine Entscheidungsrelevanz zu.
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Mangels nach prozesskostenhilferechtlichen Maßstäben erkennbarer Erfolgsaussichten der Klage war die vorliegende Beschwerde daher als unbegründet zurückzuweisen.
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3. Eine Kostenentscheidung war im vorliegenden Fall entbehrlich, da in Verfahren nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gem. § 188 Satz 2, 1 VwGO Gerichtskosten nicht erhoben und im Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren Auslagen nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet werden.
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Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.