Inhalt

VGH München, Beschluss v. 19.03.2025 – 11 ZB 24.1336
Titel:

Ausnahmegenehmigung zum Parken eines Fahrzeugs - Ergänzung der Kostenentscheidung im Berufungszulassungsverfahren um die Erstattung der außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen

Normenkette:
VwGO § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 1, Abs. 3
Leitsätze:
1. Es entspricht regelmäßig der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen auch im Zulassungsverfahren für erstattungsfähig zu erklären, wenn er als Adressat eines begünstigenden Verwaltungsakts von seinen prozessualen Beteiligungsrechten Gebrauch gemacht hat, jedenfalls, wenn er zur Antragstellung und/oder Äußerung aufgefordert worden ist oder hierzu, etwa nach Zustellung der Begründung eines Zulassungsantrags, Anlass hatte oder wenn er das Verfahren durch eigenen Tatsachen- oder Rechtsvortrag wesentlich gefördert hat. (Rn. 8 und 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn dem Beigeladenen im Zulassungsverfahren nicht gem. § 154 Abs. 3 VwGO Gerichtskosten und Aufwendungen des Klägers oder Beklagten auferlegt werden können, geht er ein finanzielles Risiko ein, wenn er sich an diesem Verfahren beteiligt, das dem Vertretungszwang unterliegt. Denn bei Ablehnung des Zulassungsantrags hat er die im Zulassungsverfahren entstandene Vergütung seines Rechtsanwalts zu tragen, die ebenfalls zu den Kosten gehört und dann nicht einem Berufungsverfahren vorbehalten ist. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ergänzung einer Kostenentscheidung, Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen im Verfahren auf Zulassung der Berufung, Billigkeit, Antrag des Beigeladenen, Kostenrisiko, Verfahrensgebühr, Förderung des Verfahrens
Vorinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 25.02.2025 – 11 ZB 24.1336
VG Würzburg, Urteil vom 14.06.2024 – W 6 K 23.1551
Fundstellen:
BayVBl 2025, 465
BeckRS 2025, 5856
LSK 2025, 5856

Tenor

Ziffer II im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Februar 2025 erhält folgende Fassung:
„Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.“

Gründe

I.
1
Die Beigeladene begehrt die Ergänzung einer Kostenentscheidung in einem ablehnenden Beschluss im Berufungszulassungsverfahren mit dem Ziel der Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten.
2
Mit Urteil vom 14. Juni 2024 wies das Verwaltungsgericht Würzburg die Klage des Klägers ab, mit der er die Feststellung der Nichtigkeit einer der Beigeladenen erteilten verkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung von einem Parkverbot verfolgte. Mit Beschluss vom 25. Februar 2025 hat der Senat den hiergegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt und dem Kläger die Kosten des Zulassungsverfahrens auferlegt.
3
Mit Schreiben vom 27. Februar 2025 beantragte die Beigeladene, diese Entscheidung gemäß §§ 122, 120 VwGO um einen Erstattungsausspruch zu ergänzen. Als notwendig Beigeladene habe sie in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen, und sich damit in das Kostenrisiko für das gesamte Verfahren begeben. Ihr sei deshalb in erster Instanz ein Erstattungsanspruch gemäß § 162 Abs. 3 VwGO zugesprochen worden. Es bedürfe keines ausdrücklichen erneuten Antrags auf Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung, der im Schriftsatz vom 29. August 2024 aber auch enthalten gewesen sei. Der Beigeladenen seien auch Kosten entstanden. Äußere sich ein anwaltlich vertretener Beigeladener im Zulassungsverfahren, falle die Verfahrensgebühr nach VV-Nr. 3200 an, unabhängig davon, ob die Berufung nachfolgend zugelassen werde oder nicht.
4
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beigeladene ihre Kosten selbst zu tragen habe. Im Rahmen der „Nichtzulassungsbeschwerde“ sei sie keinem Kostenrisiko ausgesetzt gewesen. Die Kosten wären auch bei Zulassung der Berufung Teil der Kosten des Berufungsverfahrens gewesen. Soweit die Beigeladene Stellung genommen habe, sei dies nicht zwingend erforderlich gewesen. Ihre außergerichtlichen Kosten seien nach obergerichtlicher Rechtsprechung in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen.
5
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
6
Der Antrag der Beigeladenen ist zulässig und begründet.
7
Der Ergänzungsantrag ist innerhalb der gesetzlichen Zweiwochenfrist gestellt worden und statthaft (§ 122 Abs. 1, § 120 Abs. 1, 2 VwGO), weil die im ablehnenden Beschluss über die Zulassung der Berufung zu treffende Kostenentscheidung (§ 161 Abs. 1 VwGO) versehentlich unvollständig geblieben ist. Nach § 162 Abs. 1 VwGO gehören zu den Verfahrenskosten neben den Gerichtskosten die Aufwendungen der Beteiligten, also auch Aufwendungen der Beigeladenen (vgl. § 162 Abs. 3, § 63 Nr. 3 VwGO).
8
Nach § 162 Abs. 3 VwGO sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen entspricht regelmäßig der Billigkeit, wenn der Beigeladene einen Sachantrag gestellt hat und damit wegen § 154 Abs. 3 VwGO ein Kostenrisiko eingegangen ist oder wenn er das Verfahren durch eigenen Tatsachen- oder Rechtsvortrag wesentlich gefördert hat (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 162 Rn. 41; Kunze in BeckOK VwGO, Stand 1.1.2025, § 162 Rn. 95 f.; Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 162 Rn. 134 ff.; BVerwG, B.v. 15.2.2018 – 2 VR 2.16 – DVBl 2018, 601 Rn. 4; B.v. 3.9.2013 – 8 KSt 2.13 (8 B 7.13) – BeckRS 2013, 56083 Rn. 3; B.v. 17.1.2019 – 6 B 137.18 – juris Rn. 13 m.w.N.; U.v. 27.12.1978 – I C 49.74 – Buchholz 310 § 120 VwGO Nr. 1 = juris Rn. 5 f.; BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 1 B 15.251 – juris Rn. 6; B.v. 4.9.2006 – 26 ZB 04.524 – juris Rn. 4).
9
Der Gewährung eines Erstattungsanspruchs steht nicht entgegen, dass die Rechtsprechung zum Teil davon ausgeht, der Beigeladene gehe im Verfahren der Zulassung der Berufung durch die Stellung eines Abweisungsantrags kein Kostenrisiko ein, bzw. eine Erstattungspflicht seiner außergerichtlichen Kosten regelmäßig ablehnt (zum Meinungsstand s. Kunze in BeckOK VwGO, § 162 Rn. 96, 97.1). Auch wenn dem Beigeladenen im Zulassungsverfahren nicht gemäß § 154 Abs. 3 VwGO Gerichtskosten und Aufwendungen des Klägers oder Beklagten auferlegt werden können, geht er ein finanzielles Risiko ein, wenn er sich an diesem Verfahren beteiligt, das dem Vertretungszwang (§ 67 Abs. 4 VwGO) unterliegt. Denn bei Ablehnung des Zulassungsantrags hat er die im Zulassungsverfahren entstandene Vergütung seines Rechtsanwalts zu tragen, die nach § 162 Abs. 1 VwGO ebenfalls zu den Kosten gehört und dann nicht einem Berufungsverfahren vorbehalten ist. Nach § 16 Nr. 11 RVG sind das „Rechtsmittelverfahren“ und das Verfahren über die Zulassung des Rechtsmittels dieselbe Angelegenheit und gemäß VV Vorb. 3.2 Abs. 1 RVG bei vom Rechtsmittelgericht zu entscheidenden Zulassungen VV 3200 ff. RVG anzuwenden (Müller-Rabe in Gerold/ Schmidt, RVG, 26. Aufl. 2023, § 16 Rn. 157; RVG VV Vorb. 3.2 Rn. 6, 8). Damit verdient ein Rechtsanwalt für die Tätigkeit im Zulassungsverfahren die 1,6-fache Verfahrensgebühr nach VV 3200 (v. Seltmann in BeckOK RVG, Stand 1.9.2021, § 16 Rn. 28).
10
Es entspricht regelmäßig der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, wenn er wie hier als Adressat eines begünstigenden Verwaltungsakts von seinen prozessualen Beteiligungsrechten Gebrauch gemacht hat, jedenfalls, wenn er zur Antragstellung und/oder Äußerung aufgefordert worden ist oder hierzu, etwa nach Zustellung der Begründung des Zulassungsantrags, Anlass hatte (HessVGH, B.v. 20.3.2018 – 3 A 2514/16.Z – NVwZ-RR 2018, 639 Rn. 25; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 162 Rn. 41; Kunze in BeckOK VwGO, § 162 Rn. 97.1; vgl. aus der jüngeren Rspr: BayVGH, B.v. 3.2.2025 – 9 ZB 24.266 – juris Rn. 43; B.v. 27.1.2025 – 12 ZB 22.2221 – juris Rn. 31; B.v. 14.1.2025 – 15 ZB 24.782 – juris Rn. 24; B.v. 7.1.2025 – 1 ZB 24.1154 – juris Rn. 16; aA BayVGH, B.v. 7.10.2017 – 8 ZB 15.2664 – ZfB 2018, 33 Rn. 24; B.v. 9.1.2024 – 2 ZB 22.1186 – juris Rn. 6).
11
Davon ist vorliegend auszugehen. Dabei kann offenbleiben, ob die Beigeladene im Verfahren auf Zulassung der Berufung einen Antrag gestellt hat. Denn jedenfalls hat sie mit dem ausführlichen Tatsachen- und Rechtsvortrag ihres Bevollmächtigten im Schriftsatz vom 2. September 2024 das Verfahren wesentlich gefördert. Nach Eingang der Begründung des Zulassungsantrags vom 27. August 2024 hatte sie auch Anlass, zum Vortrag des Klägers Stellung zu nehmen und das erstinstanzliche Urteil und damit den sie begünstigenden Verwaltungsakt zu verteidigen, den der Kläger zu Unrecht angegriffen hat.
12
Eine Kostenentscheidung für das Ergänzungsverfahren ist nicht veranlasst, weil zusätzliche Kosten nicht entstanden sind (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 6 RVG, § 35 GKG; Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 120 Rn. 8).
13
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 158 Abs. 1, § 152 Abs. 1 VwGO).