Titel:
Folgenbeseitigungsanspruch
Normenketten:
EGBGB Art. 229 § 6
VwGO § 124
BGB § 94, § 95, § 199, § 1004
BayVwVfG § 38
Leitsätze:
1. Ein Folgenbeseitigungsanspruch analog § 1004 BGB verjährt nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften des BGB. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Sache iSd § 95 Abs. 1 S. 1 BGB nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden ist, ist der innere Wille des Einfügenden entscheidend, wenn er mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt im Einklang steht. Verbindet ein schuldrechtlich Berechtigter eine Sache mit dem ihm nicht gehörenden Grundstück, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er dabei nur in seinem eigenen Interesse handelt und nicht zugleich in der Absicht, die Sache nach Beendigung des Vertragsverhältnisses dem Grundstückseigentümer zufallen zu lassen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Folgenbeseitigungsanspruch gegenüber einer Gemeinde, ungesicherter Kanal zur Entwässerung des Nachbargrundstücks, Verjährung des Verlegungsanspruchs nach über 30 Jahren, wegen fortdauernder Eigentumsverletzung unverjährbarer Anspruch auf Stilllegung, Versorgungsleitungen als wesentliche Grundstücksbestandteile, Folgenbeseitigungsanspruch, Gemeinde, Kanal, ungesichert, Entwässerung, Nachbargrundstück, Verlegungsanspruch, Verjährung, unverjährbar, Versorgungsleitung, wesentlicher Bestandteil, Grundstück, ernstliche Zweifel, Scheinbestandteil, Zusicherung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 24.01.2023 – AN 1 K 20.2728
Fundstelle:
BeckRS 2025, 5854
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 24. Januar 2023 wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Klägerin war seit 4. März 1975 zusammen mit ihrem Ehemann Miteigentümerin des im Gemeindegebiet des Beklagten gelegenen Grundstücks Fl.-Nr. 105/8 der Gemarkung G. Als Alleinerbin des am 20. März 2024 verstorbenen Ehemanns ist sie nunmehr alleinige Eigentümerin des Grundstücks. In einen dort befindlichen Kontrollschacht (Revisionsschacht) wird außer dem Abwasser des klägerischen Grundstücks auch das des westlich angrenzenden Grundstücks Fl.-Nr. 106/16 der Beigeladenen eingeleitet. Gegen diese Einleitung richtet sich die zunächst vom Ehemann der Klägerin erhobene und nach dessen Tod von der Klägerin fortgeführte Klage.
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Da sich aufgrund einer Hanglage die Entwässerung des klägerischen Grundstücks und des Nachbargrundstücks schwierig gestaltete, gestattete der Eigentümer des nördlich gelegenen Grundstücks Fl.-Nr. 105/11 der damaligen Gemeinde G., die später in das Gebiet des Beklagten eingegliedert wurde, mit Schreiben vom 7. September 1974, einen Kanal an seiner Westgrenze in Richtung auf das klägerische Grundstück zu verlegen. Am 11. Juni 1975 sandte die Firma Z. dem Ehemann der Klägerin eine Rechnung über den „Hausanschluss Kanal“ mit dem Hinweis, dass die Hälfte des Betrags an die Gemeinde G. zu überweisen sei; die andere Hälfte entfalle auf den damaligen Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. 106/16. Nachdem der Ehemann der Klägerin diesbezüglich bei der Gemeinde G. vorgesprochen hatte, teilte diese ihm mit Schreiben vom 25. Juni 1975 mit, die Hausanschlussleitung sei von beiden Anschlussnehmern zu gleichen Teilen zu zahlen. Wenn der fragliche Teil des Hausanschlusses mit einer Länge von 11,50 m allein vom Nachbarn zu tragen sei, müsse auch der auf dem klägerischen Grundstück erstellte Revisionsschacht, der nur diesem Grundstück zugutekomme, von dessen Eigentümern allein bezahlt werden, da sich der Nachbar für sein Grundstück erst noch einen solchen Schacht erstellen lassen müsse.
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Anlässlich eines geplanten Verkaufs des Nachbargrundstücks Fl.-Nr. 106/16 gestatteten die Klägerin und ihr Ehemann aufgrund notarieller Vereinbarung vom 20. Juli 2017 im Rahmen einer Dienstbarkeit dem jeweiligen Eigentümer des genannten Grundstücks, einen Abwasserkanal in ihr Grundstück einzulegen, sich an den vorhandenen Kanal anzuschließen und das Abwasser dauernd und unentgeltlich durch die Abwasseranlage in den öffentlichen Abwasserkanal einzuleiten. In der Vereinbarung heißt es, der Verlauf des Abwasserkanals sei den Beteiligten in der Natur genau bekannt und in dem der Urkunde beigefügten Lageplan eingezeichnet.
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Am 14. Dezember 2020 ließ der Ehemann der Klägerin beim Verwaltungsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Beklagten als Rechtsnachfolger der Gemeinde G. zu verurteilen, den vom Grundstück Fl.-Nr. 106/16 der Gemarkung G. kommenden Abwasserkanal so zu verlegen, dass er nicht mehr in den Kontrollschacht auf dem Grundstück Fl.-Nr.105/8 der Gemarkung G. einleitet, hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, den Abwasserkanal stillzulegen, so dass er nicht mehr in den Kontrollschacht einleitet. Zur Begründung trug er vor, an der Planung und Verlegung des Kanals sei er nicht beteiligt gewesen. Eigentümer sei der Beklagte, wie sich auch aus einem Schreiben des Bürgermeisters der damaligen Gemeinde G. an das Landratsamt Erlangen-Höchstadt vom 1. Juli 1976 ergebe, wonach der Kanal ein Gemeindekanal sei. In dem an ihn gerichteten Schreiben vom 25. Juni 1975 habe ihm die Gemeinde G. zugesichert, dass über den Kontrollschacht auf seinem Grundstück keine Durchleitung des nachbarlichen Abwassers stattfinden dürfe, da der Schacht nur ihm zugutekommen solle. Einer Einleitung des Abwassers des Nachbargrundstücks habe er nie zugestimmt. Erst 2017 habe er erfahren, dass das Grundstück Fl.-Nr. 106/16 über sein Grundstück entwässere. Die Sohle seines Kontrollschachtes sei der am tiefsten gelegene Punkt der Grundstücksentwässerungsanlage; bei einem Rückstau seien massive Schäden zu befürchten. Eine Spiegelung des Kontrollschachts im Jahr 2019 habe ergeben, dass dort nicht nur der Abwasserkanal des Nachbarn ende, sondern auch das Niederschlagswasser des Nachbargrundstücks eingeleitet werde, wofür der Schacht baulich nicht ausgelegt sei. Aus der Vereinbarung zur Grunddienstbarkeit vom 20. Juli 2017 folge nicht das Recht, Abwasser und Niederschlagswasser in den Kontrollschacht einzuleiten. Hieraus ergebe sich ein gegen den Beklagten gerichteter Folgenbeseitigungsanspruch, da diesem als Eigentümer des Kanals die Verlegung rechtlich möglich sei. Die frühere Gemeinde G. habe die Entwässerungsanlage in Kommunalregie errichten lassen; sie habe den Auftrag für den damaligen Anschluss erteilt und sich die Kosten im Anschluss von den Grundstückseigentümern erstatten lassen. Der Anspruch sei nicht verjährt, da der rechtswidrige Zustand weiter fortdauere; zudem schließe die Zusicherung vom 25. Juni 1975 die Verjährung aus.
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Der Beklagte beantragte Klageabweisung und trug vor, dem Ehemann der Klägerin sei die Leitungsführung des Kanals von Anfang an bekannt gewesen sei. Seinem 1975 gestellten Antrag auf Erteilung einer Entwässerungsgenehmigung sei ein vom ihm unterschriebener Plan beigefügt gewesen, der die geplante Entwässerung des Grundstücks Fl.-Nr. 106/16 über das Grundstück des Klägers gezeigt habe. Es könne dahinstehen, wer den Auftrag zur Verlegung des Kanals erteilt habe, da allein das Satzungsrecht für die Frage der Eigentümerstellung entscheidend sei. Das Schreiben vom 25. Juni 1975 habe keinen Wechsel der Eigentümerstellung herbeigeführt. Es könne auch nicht als Zusicherung verstanden werden, sondern habe nur der Klärung der damals strittigen Frage gedient, wer für die Kosten des Kanalanschlusses aufzukommen habe. Der Kanal, der das Grundstück Fl.-Nr. 106/16 mit dem Revisionsschacht verbinde, sei nicht Eigentum der Gemeinde. Die Leitung sei als Kanalhausanschluss hergestellt worden; dafür spreche insbesondere, dass die Kosten von den Grundstückseigentümern zu tragen gewesen seien. Die frühere Gemeinde G. habe die Kanalleitungen nicht durch Widmung zum Teil der öffentlichen Entwässerungsanlage gemacht. Die dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. 106/16 eingeräumte Dienstbarkeit umfasse das Recht, das Abwasser in den Revisionsschacht auf dem klägerischen Grundstück zu leiten; der Schacht sei Teil der Abwasserkanalanlage. Aufgrund der fehlenden Eigentümerstellung bzw. Widmung sei es dem Beklagten nicht möglich, auf den Kanalverlauf einzuwirken. Für einen Folgenbeseitigungsanspruch fehle es zudem an einem rechtswidrigen Eingriff, da die Hausanschlussleitungen entsprechend dem damaligen Recht verlegt worden seien. Vorsorglich berufe sich der Beklagte auf die Verjährung des Folgenbeseitigungsanspruchs, da der Kanalanschluss ein einmaliges Ereignis darstelle und die Verjährung auch unabhängig von der Kenntnis eintrete.
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Mit Urteil vom 24. Januar 2023 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Ein Beseitigungs- bzw. Verlegungsanspruch setze voraus, dass das klägerische Grundstückseigentum infolge einer rechtswidrigen Verlegung des Kanals durch den Beklagten immer noch gestört werde; davon könne nicht ausgegangen werden. Zwar sei der Kanal wohl 1974/1975 im Auftrag der Gemeinde G. verlegt worden, wofür insbesondere die geforderte anteilige Zahlung der Kosten an die Gemeinde G. spreche. Es fänden sich jedoch keine Anzeichen dafür, dass die Verlegung rechtswidrig erfolgt sei. Vielmehr sei das Gericht überzeugt, dass das Kanalteilstück mit dem Willen des Ehemanns der Klägerin verlegt worden sei. Dieser habe den Bauantrag seines damaligen Nachbarn vom 30. März 1976 unterschrieben; Gleiches gelte für den dem Bauantrag beigefügten Entwässerungsplan, der die Entwässerung über den klägerischen Kontrollschacht vorsehe. Es sei daher davon auszugehen, dass dem Ehemann der Klägerin der tatsächliche Verlauf des Kanals bekannt und er mit der Leitungsführung einverstanden gewesen sei. Jedenfalls sei ein Anspruch auf Entfernung und Verlegung des streitbefangenen Kanalteilstücks verjährt. Vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 habe die regelmäßige Verjährung ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis des Betroffenen 30 Jahre betragen; sie habe mit Entstehung des Anspruchs zu laufen begonnen (§ 195 BGB a.F., § 198 BGB a.F.). Hier sei spätestens im Jahr 1975 von der Verlegung des streitbefangenen Kanalteilstücks im klägerischen Grundstück auszugehen. Da es nach § 198 BGB a.F. allein auf die Entstehung des Anspruchs angekommen sei, habe die Verjährung in diesem Jahr zu laufen begonnen. Unabhängig von der Frage, ob der Ehemann der Klägerin Kenntnis von den (aus Sicht des Gerichts nicht vorliegenden) anspruchsbegründenden Tatsachen gehabt habe, wäre im Jahr 2005 Verjährung eingetreten, da nach der Übergangsregel des Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 2 EGBGB die alte Frist gelte, wenn diese zwar insgesamt länger sei als die nach heutigem Recht geltende Frist, aber wegen des früheren Beginns des Verjährungslaufs früher ablaufe. Daran könne das Schreiben vom 25. Juni 1975 nichts ändern, das entgegen der Auffassung des Klägers nicht als „Zusicherung“ des Beklagten zu werten sei, da es zu einem etwaigen Beseitigungsanspruch der Klägerseite keine Aussage treffe. Es bestehe auch kein Anspruch auf Stilllegung des Kanalteilstücks. Der Anspruch scheitere daran, dass der Beklagte das Eigentum an den auf dem klägerischen Grundstück befindlichen Abwasserleitungen nicht störe. Die Abwasserleitung sei nicht Teil der kommunalen Abwasserbeseitigungsanlage. Ob dies der Fall sei, beurteile sich danach, ob der Kanal durch Widmungsakt der allgemeinen Benutzung zugänglich gemacht worden sei und im öffentlichen Interesse unterhalten werde; dies ergebe sich häufig nur aus einer Betrachtung der Gesamtumstände, ohne dass es auf die Eigentumsverhältnisse an den einzelnen Teilen der Anlage ankomme. Bei der konkreten Bestimmung des Umfangs einer gemeindlichen Entwässerungsanlage komme den Kanalbestandsplänen eine besondere Bedeutung zu, weil der Investitionsaufwand für die dort erfasste Anlage in die Kalkulation der Beiträge und Gebühren einbezogen und als Sonderbelastung den Grundstückseigentümern und Benutzern der Einrichtung auferlegt werden könne. Hiernach sei nicht von einer Widmung des strittigen Kanalstücks als Teil der öffentlichen Entwässerungsanlage auszugehen. Gemäß § 5 Abs. 2 der damals geltenden Entwässerungssatzung vom 9. August 1973 (EWS 1973) habe zur privaten Grundstücksentwässerungsanlage auch die Anschlussleitung gehört, also der Teil der Grundstücksentwässerungsanlage, der diese ab der Grundstücksgrenze mit einem in der öffentlichen Straße verlegten Kanal verbinde. Wenn sogar die im öffentlichen Grund liegenden Anschlussleitungen zur privaten Grundstücksentwässerungsanlage zählten, gelte im Umkehrschluss, dass die auf Privatgrund befindlichen Haus- und Grundstücksanschlüsse erst recht der privaten Grundstücksentwässerungsanlage zugehörig seien. Auch bei Hinterliegergrundstücken sei demnach davon auszugehen, dass sich die Widmung nur auf den im öffentlichen Grund befindlichen Kanal beziehe, da bereits die Anschlussleitungen der privaten Grundstücksentwässerungsanlage zuzurechnen seien. Dass davon auch die Gemeinde G. ausgegangen sei, zeige sich darin, dass sie den damaligen Eigentümern der betroffenen Grundstücke die Errichtung der Leitung in Rechnung gestellt habe. Wäre sie damals davon ausgegangen, dass es sich um einen Teil der öffentlichen Entwässerungsanlage handle, hätte sie die Baukosten gemäß § 27 Abs. 1 EWS 1973 über Herstellungsbeiträge finanziert. Nur bei Errichtung eines zur privaten Grundstücksentwässerungsanlage gehörenden Abwasserkanals sei gemäß § 21 EWS 1973 die direkte Umlegung der Baukosten auf den Grundstückseigentümer in Betracht gekommen. Dies werde bestätigt durch das Schreiben des damaligen Bürgermeisters der Gemeinde G. vom 25. Juni 1975, in dem das streitige Teilstück der Abwasserleitung als „Hausanschlussleitung“ bezeichnet werde. Der EWS 1973 (und den späteren Entwässerungssatzungen) sei keine Vorschrift zu entnehmen, die gemeinsame Grundstücksanschlüsse zwingend der öffentlichen Entwässerungsanlage zuordnen würde. In den Kanalbestandsplänen sei das streitbefangene Kanalstück nicht als Teil der öffentlichen Entwässerungsanlage ausgewiesen. Instandhaltungs- oder Reparaturarbeiten durch die Gemeinde seien ebenso wenig erfolgt wie eine Berücksichtigung im Haushalt. Das Gericht gehe davon aus, dass der Betrieb des Kanals allein dem privaten Interesse des Eigentümers des Nachbargrundstücks diene. Ob eine Leitung Teil der öffentlichen Entwässerungsanlage sei, bestimme sich allein danach, ob sie gewidmet worden sei; die Frage, wer sie gebaut habe, sei nicht entscheidend. Auch aufgrund des Schreibens des ehemaligen Bürgermeisters der Gemeinde G. vom 1. Juni 1976 sei nicht von einer Widmung auszugehen. Darin sei ausgeführt worden, dass es sich bei dem öffentlichen Abwasserkanal über die Grundstücke Fl.-Nr. 105/8 und 105/11 um einen Gemeindekanal handle, der mit Zustimmung der Eigentümer errichtet worden sei. Da sich die genauen Umstände des Schreibens nicht mehr rekonstruieren ließen, sei nicht feststellbar, ob der Bürgermeister die Auskunft mit oder ohne Zustimmung des Gemeinderates erteilt habe und ob diese irrtümlich fehlerhaft erfolgt sei. Im Ergebnis komme es hierauf jedoch nicht an, da das Schreiben vom 1. Juni 1976 nicht das streitbefangene Kanalstück betreffe. Nur ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass der Bürgermeister ohne entsprechenden Willen des Gemeinderates keine rechtswirksame Widmung hätte vornehmen können. Auch aus dem Schreiben des Bürgermeisters vom 25. Juni 1975 ergebe sich kein Anspruch in Bezug auf die Einleitung des vom Grundstück Fl.-Nr. 106/16 kommenden Abwassers in den Kontrollschacht auf dem klägerischen Grundstück, da das Schreiben nicht als „Zusicherung“ zu werten sei. Ihm sei kein rechtsverbindlicher Wille der Gemeinde zu entnehmen, dafür einzustehen, dass Störungen des auf dem Grundstück befindlichen Kontrollschachts unterlassen würden. Es sei wohl als Antwort der Gemeinde auf den Einwand zu verstehen, dass die Kosten für den vom Grundstück Fl.-Nr. 106/16 bis zu dem Kontrollschacht reichenden Abwasserkanal allein vom Eigentümer dieses Grundstücks zu tragen wären. Hierauf habe der Bürgermeister erwidert, dass beide Eigentümer die Kosten für den Anschluss jeweils zur Hälfte tragen müssten, da die Anschlussleitung der Entwässerung beider Grundstücke diene. Er habe gerade nicht zugesichert, dass der auf dem Grundstück des Ehemanns der Klägerin befindliche Kontrollschacht nur diesem zugute kommen solle; er habe vielmehr herausgestellt, dass dieser die Kosten des Kontrollschachts vollständig hätte übernehmen müssen, wenn der Schacht tatsächlich nur in seinem Interesse errichtet worden wäre. Dem Schreiben vom 25. Juni 1975 sei auch nicht zu entnehmen, dass die Gemeinde rechtlich für etwaige Störungen der Kanalanschlussleitung einzustehen beabsichtige.
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung.
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Der Beklagte tritt dem Antrag entgegen.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
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1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
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a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.).
12
aa) Die Klägerin trägt vor, die Herstellung der Grundstücksanschlüsse für die Grundstücke Fl.-Nrn. 105/8 und 106/16 sei durch die Gemeinde G. in Kommunalregie erfolgt. Die Klägerseite habe keine vertragliche Beziehung zu der damit betrauten Bauunternehmung gehabt. Der Ehemann der Klägerin habe seinerzeit annehmen müssen, dass der Grundstücksanschluss für das Nachbargrundstück Fl.-Nr. 106/16 über eine vom gemeinsamen Anschlusskanal abzweigende Abwasserleitung bis zum Kontrollschacht auf diesem Grundstück hergestellt worden sei. Der Voreigentümer des Nachbargrundstücks habe über den Verlauf der Anschlusskanäle eine Planskizze gefertigt, die auch Bestandteil der notariellen Urkunde vom 20. Juli 2017 geworden sei. Er sei als Architekt zweifellos befähigt gewesen, entsprechende Planskizzen über den Leitungsverlauf zu fertigen. Nach diesem Lageplan gebe es keine Verbindung zwischen dem Kontrollschacht auf dem Nachbargrundstück und dem Kontrollschacht auf dem klägerischen Grundstück. Auch auf dem Lageplan zur Entwässerungsplanung für das Nachbargrundstück aus dem Jahr 1976 sei nachrichtlich vermerkt, dass der von dort abgehende Anschlusskanal nicht über den Kontrollschacht auf dem klägerischen Grundstück verlaufen würde. Die Unterstellung des Gerichts, der Ehemann der Klägerin habe die Entwässerungsplanung seines Nachbarn unterschrieben, sei anhand der Unterlagen nicht nachvollziehbar. Die gemeinsame Nutzung eines einem Grundstück allein zugeordneten Kontrollschachts habe die damalige Entwässerungssatzung nicht vorgesehen. Da der in der Dienstbarkeit bestimmte Ausübungsbereich des Abwasserleitungsrechts mit dem tatsächlichen Leitungsverlauf nicht übereinstimme, sei die tatsächliche Leitungsführung in den Kontrollschacht auf dem klägerischen Grundstück rechtlich nicht gesichert. Das Verwaltungsgericht habe die Eigentumsverhältnisse bei den streitgegenständlichen Grundstücksanschlüssen bzw. Anschlusskanälen verkannt. Für den Anspruch auf Stilllegung komme es nicht darauf an, ob die Anschlussleitung Teil der kommunalen Abwasserbeseitigungsanlage sei. Unabhängig davon stehe sie grundsätzlich im Eigentum des kommunalen Einrichtungsträgers, wenn sie – wie hier – von ihm hergestellt worden oder das Eigentum aufgrund gesetzlicher, satzungsrechtlicher oder vertraglicher Regelungen auf ihn übergegangen sei. In Kommunalregie verlegte Hausanschlussleitungen stünden nach der Rechtsprechung selbst dort, wo sie durch fremde Grundstücke geführt würden, im Eigentum des Ver- oder Entsorgungsunternehmers. Die vom öffentlichen Hauptkanal in der Anliegerstraße abgehende und insoweit im Eigentum des Beklagten stehende Hausanschlussleitung (Grundstücksanschluss) ende hinsichtlich des klägerischen Grundstücks an dem dort befindlichen Kontrollschacht. Mit diesem beginne anschließend die dem Grundeigentümer gehörende Grundstücksentwässerungsanlage. Die Gemeinde G. habe auch den Grundstücksanschluss für das Nachbargrundstück Fl.-Nr. 106/16 hergestellt; auch dort beginne die dem Nachbarn gehörende Grundstücksentwässerungsanlage mit dem eigenen Kontrollschacht. Die Anschlussleitung zwischen beiden Kontrollschächten bleibe hingegen Teil des von der Gemeinde G. hergestellten Grundstücksanschlusses. Als Eigentümerin des Kontrollschachts auf ihrem Grundstück könne die Klägerin vom Beklagten beanspruchen, dass die vom Nachbargrundstück in den Kontrollschacht einmündende Anschlussleitung stillgelegt werde. Der Zufluss von Abwasser durch die im Eigentum des Beklagten stehende Anschlussleitung in den Kontrollschacht beeinträchtige das klägerische Eigentum. Es bestehe keine Verpflichtung, die Zuleitung von Abwasser in den Kontrollschacht zu dulden. Der Anschluss des Kanals in den Kontrollschacht habe schon der satzungsrechtlichen Bestimmung des § 20 Abs. 1 EWS 1973 widersprochen, wonach jedes Grundstück für sich gesondert und ohne Zusammenhang mit den Nachbargrundstücken zu entwässern sei. Ein Fall des § 20 Abs. 2 EWS 1973 habe mangels besonderer Verhältnisse nicht vorgelegen. Der Zuführung von fremdem Abwasser in den Kontrollschacht sei zu keiner Zeit zugestimmt worden. Auf der am 6. Mai 1976 entwässerungstechnisch geprüften Entwässerungsplanung für das Nachbargrundstück finde sich nicht die Unterschrift des Ehemanns der Klägerin.
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bb) Diese Ausführungen sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zu begründen.
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(1) Soweit die Klägerin mit ihrem Hauptantrag eine Verurteilung des Beklagten zur Verlegung des vom Grundstück Fl.-Nr. 106/16 zu dem Kontrollschacht auf ihrem Grundstück Fl.-Nr. 105/8 führenden Abwasserkanals begehrt, kann die Klage schon deshalb keinen Erfolg haben, weil ein diesbezüglicher Folgenbeseitigungsanspruch, falls er bestehen würde, mittlerweile jedenfalls verjährt wäre.
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Die Verjährung eines solchen Anspruchs, der auf eine analoge Anwendung des § 1004 BGB gestützt ist (BayVGH, U.v. 24.7.2000 – 4 B 99.2063 – BayVBl 2001, 115), bemisst sich gemäß ständiger Rechtsprechung des Senats nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BayVGH, U.v. 9.11.2006 – 4 B 05.2013 – BayVBl 2007, 307/308 m.w.N.) Vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zum 1. Januar 2002 (G.v. 26.11.2001, BGBl I S. 3138) galt gemäß § 195 BGB a.F. eine kenntnisunabhängige Verjährungsfrist von 30 Jahren, die gemäß § 199 Abs. 1 Nr.1 BGB a.F. mit der Entstehung des Beseitigungsanspruchs begann (BayVGH, a.a.O., S. 308). Nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden zwar nunmehr grundsätzlich die Verjährungsvorschriften in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung auf die an diesem Tag bereits bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung, so dass nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB von einer erst an diesem Tag neu beginnenden kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist von zehn Jahren gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 BGB n.F. auszugehen wäre. Nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 2 EGBGB erfolgt aber keine Neuberechnung dieser kürzeren Frist vom 1. Januar 2002 an, sondern ist die Verjährung bereits mit dem Ablauf der bis zu diesem Tag geltenden Frist vollendet, wenn diese Frist früher abläuft als die in der Neufassung des Gesetzes bestimmte Frist.
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Letzteres war hier der Fall. Der streitgegenständliche Folgenbeseitigungsanspruch, der auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands gerichtet ist, wäre bereits mit Abschluss der Bauarbeiten im Jahr 1975 entstanden, wenn in der Herstellung des vom Nachbargrundstück zum Kontrollschacht auf dem Grundstück der Klägerin verlaufenden Kanalteilstücks entsprechend ihrem Vorbringen ein der damaligen Gemeinde G. – und damit dem Beklagten als deren Rechtsnachfolger – zurechenbares rechtswidriges hoheitliches Handeln zu sehen wäre. Die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F., die zum 1. Januar 1976 begonnen hätte (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F.), wäre danach bereits Ende des Jahres 2005 abgelaufen, so dass der erst am 14. Dezember 2020 erhobenen Klage keine verjährungshemmende Wirkung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB mehr zukommen konnte. Da ein etwaiger Anspruch auf Folgenbeseitigung auch dann bereits verjährt gewesen wäre, wenn der Klägerin und ihrem Ehemann entsprechend ihrem Sachvortrag der genaue Verlauf der Kanalleitung erst durch die im Jahr 2017 erfolgte Kamerabefahrung bekannt geworden sein sollte, kommt es insoweit nicht auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage an, ob ihnen der Leitungsverlauf bereits zu einem früheren Zeitpunkt bekannt war oder zumindest hätte bekannt sein müssen.
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(2) Der Hilfsantrag auf Verurteilung des Beklagten zur Stilllegung des vom Grundstück Fl.-Nr. 106/16 in den Kontrollschacht führenden Abwasserkanals, also auf Unterbindung der weiteren Zuführung von Schmutz- und Niederschlagswasser von diesem Grundstück, kann ebenfalls keinen Erfolg haben. Insoweit muss sich die Klägerin zwar nicht den Verjährungseinwand entgegengehalten lassen, da sie sich gegen eine laut ihrem Vortrag rechtswidrige Inanspruchnahme ihres Kontrollschachts und damit gegen ein Dauerverhalten wendet, mit dem sie ihr Eigentum als fortlaufend verletzt ansieht; der daraus abgeleitete Anspruch auf Unterlassung kann nicht verjähren, solange der Eingriff andauert (vgl. BayVGH, U.v. 29.11.2013 – 4 B 13.1166 – BayVBl 2014, 607 Rn. 33 m.w.N.). Der in entsprechender Anwendung des § 1004 Abs. 1 BGB auf das Eigentum am Grundstück bzw. an dem Kontrollschacht gestützte Anspruch auf Stilllegung kann jedoch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, jedenfalls nicht gegenüber dem Beklagten geltend gemacht werden, da dieser keine Einleitung in den Kontrollschacht vornimmt.
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(a) Für die Frage, wem die Einleitung des Schmutz- und Niederschlagswassers in den Kontrollschacht auf dem Grundstück Fl.-Nr. 105/8 rechtlich zuzurechnen ist, kommt es in erster Linie darauf an, ob es sich bei dem ca. 11 m langen, von der Grenze des Nachbargrundstücks Fl.-Nr. 106/16 bis zu dem Schacht reichenden Teilstück des Abwasserkanals um einen zur kommunalen Entwässerungseinrichtung gehörenden Teil des öffentlichen Kanalnetzes oder lediglich um das Teilstück einer privaten Grundstücksentwässerungsanlage handelt.
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Ersteres kann hier, wie das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung überzeugend dargelegt hat, nach den Gesamtumständen ausgeschlossen werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der betreffende Leitungsstrang, der – vom Sammelkanal in der Straße aus betrachtet – vollständig auf einem Hinterliegergrundstück und sogar noch jenseits eines privaten Kontrollschachts liegt, von der früheren Gemeinde G. oder vom Beklagten in irgendeiner Form zum Bestandteil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung gewidmet worden wäre mit der Konsequenz, dass für den Unterhalt statt eines privaten Grundeigentümers die Kommune zuständig wäre. Das von der Klägerseite zitierte Schreiben des damaligen Bürgermeisters der Gemeinde G. vom 1. Juni 1976 an das Landratsamt Erlangen-Höchstadt, wonach der über die Fl. Nrn. 105/8 und 105/11 verlaufende „öffentliche Abwasserkanal“ ein „Gemeindekanal“ sei, steht dem nicht entgegen. Es ist bereits unklar, ob mit dem dort beschriebenen Abwasserkanal nur das von der Straße zum klägerischen Kontrollschacht führende Teilstück gemeint war oder auch das hier streitige weitere Teilstück in Richtung auf das (nicht erwähnte) Nachbargrundstück Fl.-Nr. 106/16. Selbst wenn Letzteres anzunehmen wäre, könnte aber einer solchen verwaltungsinternen Zuschreibung, die wohl auf einer Fehlvorstellung des damaligen Bürgermeisters beruht hätte, mangels Erkennbarkeit für Außenstehende nicht die Wirkung einer konkludenten Widmung beigemessen werden.
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Die Gemeinde G. und der Beklagte als ihr Rechtsnachfolger haben jedenfalls das betreffende Teilstück innerhalb des klägerischen Grundstücks auch in der Folgezeit weder in ihre Kanalbestandspläne aufgenommen noch auf andere Weise als Teil ihrer öffentlichen Einrichtung behandelt. In Anbetracht der damaligen Regelung des § 5 Abs. 2 EWS 1973, wonach zur privaten Grundstücksentwässerungsanlage sogar noch die Anschlussstücke der Abwasserleitung zwischen der Grundstücksgrenze und dem in der öffentlichen Straße befindlichen Kanal gehörten, bestand für den gemeindlichen Einrichtungsbetreiber schon aus Gründen der Gleichbehandlung mit anderen Anschlussnehmern kein Anlass, eine so weit in Privatgrundstücke hineinreichende Abwasserleitung in eigene Regie zu übernehmen und damit den Eigentümern der beiden begünstigten Grundstücke die Unterhaltslast abzunehmen. Dass mit der im Auftrag der Gemeinde G. erfolgten Herstellung eines Leitungsstrangs, der von der öffentlichen Straße über das Grundstück Fl.-Nr. 105/11 bis zu den beiden dahinter liegenden Grundstücken Fl.-Nrn. 105/8 und 106/16 reichte, keine Erweiterung des gemeindlichen Kanalnetzes erfolgen sollte, folgt auch aus der Rechnung der Bauunternehmung Z. vom 11. Juni 1975 und dem dazu ergangenen Schreiben der Gemeinde G. vom 25. Juni 1975, in denen jeweils von einem „Hausanschluss“ bzw. einer „Hausanschlussleitung“ die Rede ist.
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Ob die von der Baufirma damals hergestellte Verbindung der vom Grundstück Fl.-Nr. 106/16 abgehenden Hausanschlussleitung mit dem Kontrollschacht auf dem klägerischen Grundstück von dem zuvor erteilten Auftrag der Gemeinde G. gedeckt war und ob diese Leitungsführung dem Ehemann der Klägerin bereits damals hätte auffallen müssen, lässt sich aus heutiger Sicht nicht mehr eindeutig feststellen. Wie das zeitnah ergangene Schreiben des Bürgermeisters vom 25. Juni 1975 zeigt, bestand jedenfalls bei der Gemeinde G. die Vorstellung, dass der bisher errichtete Schacht allein für das klägerische Grundstück bestimmt war und dass für das Nachbargrundstück im Falle einer Bebauung noch ein eigener Kontrollschacht errichtet werden musste. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts deuten auch die vom Beklagten vorgelegten, teilweise im Nachhinein handschriftlich ergänzten Planunterlagen zumindest nicht zweifelsfrei darauf hin, dass der Ehemann der Klägerin damals einen Plan vorgelegt oder unterschrieben hätte, aus dem die Zuführung des Abwassers vom Nachbargrundstück in den eigenen Kontrollschacht erkennbar war. Der mit seiner Unterschrift beim Landratsamt zu seinem eigenen Bauvorhaben eingereichte Lageplan eines Architekten vom 9. April 1975 zeigte zwar einen vom Nachbargrundstück senkrecht auf seinen Hausanschluss und einen dort angedeuteten Kontrollschacht hinführenden Pfeil. Ob der Schacht zum damaligen Zeitpunkt überhaupt schon hergestellt war, ist jedoch unklar, da die Baumaßnahme erst zwei Monate später abgerechnet wurde. Der vom Erwerber des Nachbargrundstücks im Folgejahr für dessen Bauvorhaben eingereichte Lageplan, der eindeutig eine direkte Zuleitung des Abwassers in den klägerischen Kontrollschacht zeigt, weist keine Unterschrift des Ehemanns der Klägerin auf. Auch die vom selben Bauherrn für das Grundstück Fl.-Nr. 106/16 vorgelegten detaillierten Entwässerungspläne, die einen Anschluss an den bestehenden Revisionsschacht auf der Fl.-Nr. 105/8 ausdrücklich vorsahen und vom Landratsamt am 6. Mai 1976 entwässerungstechnisch geprüft wurden, wurden dem Ehemann der Klägerin ersichtlich nicht zur Unterschrift vorgelegt. Weshalb anstelle dieses tatsächlichen Leitungsverlaufs, der dem Eigentümer des Nachbargrundstücks zumindest damals offenkundig bekannt war, bei dem 2017 abgeschlossenen notariellen Vertrag über die Grunddienstbarkeit eine handschriftlich gefertigte Planzeichnung mit einem eindeutig unzutreffenden, in einem 30°-Winkel nach Nordosten abknickenden Leitungsverlauf als „den Beteiligten in der Natur genau bekannt“ zugrunde gelegt wurde, erschließt sich hiernach nicht.
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Auf die Frage, wer für den zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich genehmigten Anschluss der Abwasserleitung an den Kontrollschacht auf dem klägerischen Grundstück verantwortlich war, kommt es aber im vorliegenden Klageverfahren nicht an. Selbst wenn die damalige Gemeinde G. entgegen der Bekundung ihres Bürgermeisters im Schreiben vom 25. Juni 1975 die Anbindung beider Grundstücke an den neu errichteten Schacht bei der Baufirma in Auftrag gegeben hätte, könnte dies nichts daran ändern, dass es sich dabei um die Herstellung von Hausanschlüssen und nicht um eine Erweiterung der gemeindlichen Entwässerungseinrichtung handeln würde. Dass auch Baumaßnahmen, mit denen Teile privater Grundstücksentwässerungsanlagen geschaffen wurden, nach damaliger Praxis zunächst in Kommunalregie erfolgten und dann gegenüber den begünstigten Grundstückseigentümern einzeln abgerechnet wurden, zeigt die seinerzeit geltende Vorschrift des § 21 EWS 1973, wonach die Anschlussleitungen durch die Gemeinde auf Kosten der Verpflichteten hergestellt wurden.
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(b) Der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Stilllegung des in den Kontrollschacht führenden Abwasserkanals kann auch nicht darauf gestützt werden, dass der Beklagte Eigentümer dieses Teilstücks sei und infolge dieser zivilrechtlichen Rechtsstellung dafür verantwortlich gemacht werden könne, dass das vom Nachbargrundstück stammende Hausabwasser und Niederschlagswasser fortlaufend ohne Erlaubnis in den Kontrollschacht auf dem klägerischen Grundstück eingeleitet werde.
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Schon die Prämisse, wonach der betreffende Abschnitt des Kanals dem Beklagten gehöre, trifft ersichtlich nicht zu. Die bloße Tatsache, dass die Herstellung der Hausanschlüsse seinerzeit von der Gemeinde G. in Auftrag gegeben wurde, führte noch nicht dazu, dass die in den Privatgrundstücken errichteten Bauwerke in das Eigentum der Gemeinde als Auftraggeberin übergegangen wären. Eine solche Rechtsfolge hätte den damals geltenden Vorschriften widersprochen. Die in § 12 EWS 1973 normierte Verpflichtung der Grundstückseigentümer zur Schaffung und Unterhaltung einer den anerkannten Regeln der Abwassertechnik entsprechenden Grundstücksentwässerungsanlage einschließlich eines Revisionsschachts (§ 12 EWS 1973) setzte voraus, dass die betreffenden Anlagenteile den jeweiligen Grundstückseigentümern gehörten. Dass hiervon im vorliegenden Fall abgewichen werden sollte, ist nicht ersichtlich. Die Klägerin geht in ihrem Vorbringen auch selbst davon aus, dass sie Eigentümerin des auf ihrem Grundstück errichteten Kontrollschachts geworden ist. Für den von dort zum Nachbargrundstück führenden Teil der Kanalleitung muss daher das Gleiche gelten.
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Das hier gefundene Ergebnis entspricht auch der sachenrechtlichen Zuordnung auf der Grundlage der §§ 93 ff. BGB. Danach gehören die zur Herstellung eines Gebäudes eingefügten Leitungen, die das Gebäude mit einem öffentlichen Leitungsnetz verbinden, gemäß § 94 Abs. 2 BGB grundsätzlich als wesentliche Bestandteile des Grundstücks dem jeweiligen Grundstückseigentümer; als solche stehen sie, wenn das Gebäude wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist, im Eigentum des Grundstückseigentümers (BGH, U.v. 13.7.2018 – V ZR 308/17 – NJW-RR 2019, 78 Rn. 24). Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn eine Leitung gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB nur zu einem vorübergehenden Zweck oder in Ausübung eines (dinglichen, vgl. Stresemann in Münchener Kommentar zum BGB, 10. Auflage 2025, § 95 Rn. 23 m.w.N) Rechts an einem fremden Grundstück mit dem Grundstück verbunden worden ist; es handelt sich dann um einen Scheinbestandteil des Grundstücks. Im vorliegenden Fall liegt aber kein solcher Ausnahmefall vor. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Sache i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden ist, ist der innere Wille des Einfügenden entscheidend, wenn er mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt im Einklang steht. Verbindet ein schuldrechtlich Berechtigter eine Sache mit dem ihm nicht gehörenden Grundstück, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er dabei nur in seinem eigenen Interesse handelt und nicht zugleich in der Absicht, die Sache nach Beendigung des Vertragsverhältnisses dem Grundstückseigentümer zufallen zu lassen (BayVGH, B.v. 12.2.2025 – 4 B 24.1148 – juris Rn. 14 m.w.N.). Der früheren Gemeinde G. stand aber weder nach ihrer Entwässerungssatzung noch auf Grund eines Vertrags ein Recht zur Verlegung der Abwasserleitung auf dem klägerischen Grundstück zu. Eine schuldrechtliche Gestattung, wie sie der Eigentümer des nördlich angrenzenden Grundstücks Fl.-Nr. 105/11 der Gemeinde am 7. September 1974 erteilt hat, liegt hinsichtlich des klägerischen Grundstücks gerade nicht vor. Auch die Gesamtumstände der Verlegung lassen nicht den Schluss zu, dass die von der Baufirma damals hergestellte Verbindung der vom Grundstück Fl.-Nr. 106/16 abgehenden Hausanschlussleitung mit dem Kontrollschacht auf dem klägerischen Grundstück dem inneren Willen des Beklagten entsprach. Dingliche Rechte im Sinn von § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB bestanden und bestehen hinsichtlich der konkreten Leitungstrassierung unstreitig nicht. Es bleibt daher bei dem allgemeinen Grundsatz, dass die in einem Grundstück zur Ver- und Entsorgung eines Gebäudes dauerhaft verlegten Leitungen dem jeweiligen Grundstückseigentümer gehören. Welche zivilrechtlichen Folgen sich daraus im Verhältnis der Klägerin zu den beigeladenen heutigen Eigentümern des Nachbargrundstücks Fl.-Nr. 106/16 ergeben, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Klärung.
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(c) Für den geltend gemachten Anspruch auf Stilllegung des Kanals kann sich die Klägerin auch nicht auf die Aussage des Bürgermeisters der früheren Gemeinde G. im Schreiben vom 25. Juni 1975 berufen, wonach der auf ihrem Grundstück gelegene Revisionsschacht nur ihr zugutekomme. Um eine Zusicherung im Rechtssinne, wie sie nunmehr in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG normiert ist, handelt es sich schon deshalb nicht, weil die genannte Feststellung ersichtlich nicht auf den Erlass oder das Unterlassen eines bestimmten Verwaltungsakts abzielte. Nach dem Wortlaut und dem Kontext der Aussage kann aber darin auch keine auf die Setzung einer sonstigen Rechtsfolge gerichtete Zusage gesehen werden, die einen Anspruch des Erklärungsempfängers auf ein bestimmtes Verhalten des Beklagten begründen würde. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, sollten mit der genannten Bemerkung nur die Einwände des Ehemanns der Klägerin hinsichtlich der Kostenteilung entkräftet werden; für eine damit verbunden rechtsverbindliche Selbstverpflichtung der Gemeinde G., das alleinige Nutzungsrecht an dem Schacht gegenüber dem Eigentümer des Nachbargrundstücks durchzusetzen, bestehen keine Anhaltspunkte.
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b) Die vorliegende Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die – ohnehin nur für die Beurteilung des Hilfsantrags relevanten – zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse hinsichtlich des streitgegenständlichen Teilstücks der Abwasserleitung ergeben sich, wie dargelegt, ohne weiteres aus den gesetzlichen Vorschriften der §§ 93 ff. BGB. Dass in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten die für Grundstücksanschlüsse geltenden Rechtsvorschriften in Gestalt der jeweiligen Entwässerungssatzung der Gemeinde G. und nunmehr des Beklagten mehrfach geändert wurden, wirkt sich auf die rechtliche Beurteilung der vorliegenden Klage nicht aus, da es dafür nur auf die zum Errichtungszeitpunkt geltende Fassung der EWS 1973 ankommt. Der wohl schon damals eher ungewöhnliche Umstand, dass in gemeindlicher Regie eine gemeinsame Hausanschlussleitung für zwei Hinterliegergrundstücke hergestellt wurde, spricht für sich genommen noch nicht für einen erhöhten Schwierigkeitsgrad bei der tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilung des Falles. Von vornherein nicht entscheidungserheblich ist der Umstand, dass bei der Grunddienstbarkeitsbestellung im Jahr 2017 von einem den tatsächlichen Verhältnissen widersprechenden Leitungsverlauf ausgegangen wurde.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).