Titel:
Einkommensbestimmung bei der Bemessung des Kindesunterhalts
Normenkette:
BGB § 1601, § 1603 Abs. 1, Abs. 2, § 1606 Abs. 3 S. 2, § 1609 Nr. 1, § 1610 Abs. 1
Leitsätze:
1. Das Maß des zu gewährenden Unterhalts leitet sich bei minderjährigen Kindern bis zum Abschluss ihrer Ausbildung von den Eltern ab. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Unterhaltsverpflichtete ist gehalten, Steuervorteile, die er zumutbar erlangen kann, in Anspruch zu nehmen und die ihm günstigste Steuerklasse zu wählen, soweit keine erkennbaren Gründe für eine andere Wahl der Steuerklasse vorliegen. Für diese Umstände ist er darlegungs- und beweispflichtig. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei Auswahl einer ungünstigeren Steuerklasse ist die Verschiebung der Steuerbelastung durch einen tatrichterlich zu schätzenden Abschlag zu korrigieren. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
4. Betreut der Ehegatte ein weiteres Kind des Unterhaltspflichtigen und erhält Erziehungsgeld, können Betreuungskosten nicht in Ansatz gebracht werden. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
5. Lebt in der Wohnung nicht nur der Unterhaltspflichtige, sondern auch Kinder und gegebenenfalls eine neue Ehefrau oder Partnerin, erfolgt grundsätzlich nur eine anteilige Berücksichtigung der anfallenden Wohnkosten beim unterhaltspflichtigen Beteiligten. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
6. Verfügt der betreuende Elternteil etwa über das Dreifache der unterhaltsrelevanten Nettoeinkünfte des nicht betreuenden Elternteils, kann es der Billigkeit entsprechen, dass der betreuende Elternteil für den Barunterhalt des Kindes in voller Höhe allein aufkommt. (Rn. 88) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Steuerklassenwahl, Kindesunterhalt, ungünstige Steuerklasse, fiktiv, Unterhaltsmaß, Lebensstellung, Wohnvorteil, Einkommensgefälle, dreifach, betreuender Elternteil, Barunterhaltspflicht
Vorinstanz:
AG Miesbach, Endbeschluss vom 27.06.2024 – (K) 1 F 597/23
Fundstellen:
FamRZ 2025, 678
LSK 2025, 5709
BeckRS 2025, 5709
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Miesbach vom 27.06.2024 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1
Der Antragsgegner wendet sich mit der Beschwerde gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts Miesbach, die ihn zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet. Gegenständlich ist der laufende Kindesunterhalt ab 01.01.2024 sowie rückständiger Kindesunterhalt von September 2022 bis Dezember 2023.
2
Der Antragsgegner ist Vater der Kinder …, geb. … und …, geb. … Die Eltern sind rechtskräftig geschieden. Die Kinder leben bei ihrer Mutter. Die Mutter der Antragsteller 1) und 2) hat ein Einkommen von 4.100 € netto monatlich. Der Antragsgegner ist wieder verheiratet. Aus dieser zweiten Ehe sind zwei weitere Kinder, …, geb. … und …, geb. …, hervorgegangen. Die Ehefrau und Mutter dieser Kinder hat ein Nettoeinkommen von 885,40 €, davon nicht anrechenbares Elterngeld in Höhe von 300,00 €.
3
Die Beteiligten haben vor dem Notar … am 13.09.2018 unter der Urkunden-Nr. … unter Ziffer C den Kindesunterhalt für die beiden gemeinsamen Kinder im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung geregelt. Aufgrund Änderungen der Düsseldorfer Tabelle und aufgrund Änderungen der Einkommensverhältnisse des Antragsgegners sowie der Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder ist eine Neuregelung und Neutitulierung des Kindesunterhaltes für die Antragsteller notwendig geworden.
4
Der Antragsgegner lebt mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern in einer Immobilie … in …, die im Miteigentum der jetzigen Ehegatten steht. Der Wohnwert beträgt 2.700 €. Für Zins und Tilgung sowie Nebenkosten zahlte der Antragsgegner monatlich 3.221,97 €, ab März 2024 3.601,97 € (Finanzierungskosten 2.636,67 € ab März 2024 2.981,67 € zzgl. Wohngeld 585,00 €).
5
Der Antragsgegner bezog 2023 einen Bruttoarbeitslohn von 131.933,75 € und 2022 einen Bruttoarbeitslohn von 146.466 €. Sein Einkommen versteuerte er mit Steuerklasse IV. Dem Antragsgegner steht ein Firmenfahrzeug zur Verfügung, das er vollumfänglich privat nutzen kann. Aus den Gehaltsabrechnungen ist ersichtlich, dass der Antragsgegner einen geldwerten Vorteil ausgewiesen bekommt, 2022 in Höhe von 463,60 €, wobei dieser Betrag wieder abgezogen wird vom Nettoeinkommen und 2023 in Höhe von 510,40 €, wobei auch hier der Betrag wieder abgezogen wird. An sekundärer Altersvorsorge über die 18,6% hinaus zahlt der Antragsgegner wie folgt:
„- Sparvertrag 1.000,00 €
- Rentenversicherung BVV Zahlung 39,49 €
- Vers…1 Lebensversicherung (Risiko) 33,60 €
- Vers…2 Lebensversicherung (Risiko) Aktiengesellschaft 10,92 €
- Riester Versicherung Vers…3. 162,33 €
- Vers…4 Lebensversicherung 49,79 €
- Vers…5 Lebensversicherung … 11,45 € (Risiko) Gesamt: 1.307,58 €.“
6
Der Antragsgegner teilte mit E-Mail vom 15.08.2022 mit, für die Kinder aus erster Ehe 918 € (503,50 € für … u. 414,50 € für …) und 769 € während seiner Elternzeit (345,50 € für … und 423,50 € für …) an Kindesunterhalt monatlich zu zahlen. Er zahlte ab September 2022 bis Dezember 2022 für … 505,50 € und für … 414,50 €, ab Januar 2023 bis August 2023 zahlte er insgesamt 1.005 €. Im Juli 2023 war der Antragsgegner in Elternzeit und zahlte 840 €, ab September 2023 bis Dezember 2023 zahlte er für … 407 € und für … 333 €.
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Der Mindestunterhalt von 100% wurde im Verfahren vom Antragsgegner für beide Kinder im Termin vor dem Amtsgericht am 29.02.2024 anerkannt. Es erging insoweit am 11.03.2024 ein TeilAnerkenntnisbeschluss. Der Beschluss verpflichtet den Antragsgegner zur Zahlung des Mindestunterhalts ab 01.01.2024 in Höhe von 520,00 € nach Abzug des hälftigen Kindergeldes für … und in Höhe von 426,00 € für … Die Antragsteller vertreten die Auffassung, dass das Nettoeinkommen des Antragsgegners fiktiv mit Steuerklasse III. zu errechnen sei, da er verpflichtet sei, die für die Kinder günstigste Steuerklasse zu wählen. Aufwendungen des Antragsgegners über den Wohnwert hinaus seien nicht anzusetzen. Eine Zahlung für die Privatnutzung des PKW an den Arbeitgeber werde bestritten. Zumindest habe der Antragsgegner einen geldwerten Vorteil. Eine Korrektur des Selbstbehalts wegen hoher Wohnkosten komme nicht in Betracht. Die Antragsteller würden großzügig Zins- und Tilgungsleistungen berücksichtigen. Das Wohngeld könne nicht angesetzt werden. Es handle sich überwiegend um nicht umlegbare Nebenkosten. Unrichtigerweise bringe der Antragsgegner im Rahmen seiner Unterhaltsberechnung (Anlage AG 3) pauschale berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von 5% in Abzug. Dem Antragsgegner werde ein Firmen-Pkw mit allen bestehenden Nebenkosten, insbesondere Benzin/Strom, Versicherungen, Steuer, Inspektionen, Reparaturen etc zur Verfügung gestellt, so dass zusätzlich keine pauschalen berufsbedingten Aufwendungen entstehen würden und demzufolge auch nicht in Abzug gebracht werden könnten.
8
Die Antragsteller beantragten;
Unter Abänderung der notariellen Scheidungsvereinbarung des Notars … vom 13.09.2018 Urkunden Nummer … wird der Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin zu 1) 144% des Mindestunterhalts der Düsseldorfer Tabelle abzüglich hälftiges Kindergeld, derzeit 847 € abzüglich 125 €, damit 598 € monatlich ab Januar 2024 zu Händen der Kindesmutter zu bezahlen.
Unter Abänderung der notariellen Scheidungsvereinbarung des Notars … vom 13.09.2018 Urkunden Nummer … wird der Antragsgegner verpflichtet, an den Antragsteller zu 2) 144% des Mindestunterhalts der Düsseldorfer Tabelle abzüglich hälftiges Kindergeld, derzeit 723 € abzüglich 125 €, damit 598 € monatlich ab Januar 2024 zu Händen der Kindesmutter zu bezahlen
Der Antragsgegner wird verpflichtet, rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 6.679 € für die Antragstellerin zu 1) und den Antragsteller zu 2) zu Händen der Kindesmutter zu bezahlen.
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Der Antragsgegner erkannte den Mindestunterhalt ab 01.01.2024 an und beantragte im Übrigen Klageabweisung. Entsprechend erging am 11.03.2024 ein Teil-Anerkenntnisbeschluss.
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Er vertritt die Auffassung, dass er berechtigt sei, die für ihn günstigere Steuerklasse anzusetzen. Die Ausgaben für den selbstgenutzten Wohnraum seien angemessen und in vollem Umfang zu berücksichtigen. Die Finanzierungskosten würden monatlich 2.636,67 € betragen, ab März 2.981,67 €. Zusätzlich zahle er Wohngeld in Höhe von 585 €. Er habe ein Einkommen von durchschnittlich 5.165,56 € und zahle hiervon Wohnkosten in Höhe von 3.221,97 € bzw. 3.601,97 €. Wenn er davon Kindesunterhalt in Höhe von 722 € und 598 € zahlen müsse, habe er nur noch 598 € übrig. Das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen sei zu korrigieren, da der Antragsgegner monatlich 362 € für die Privatnutzung seines PKW zahle.
11
Mit Endbeschluss vom 27.06.2024 entschied das Amtsgericht Miesbach wie folgt:
„1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin …, geboren am …, zu Händen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters ab dem 01.01.2024 über den TeilAnerkenntnisbeschluss vom 29.02.2024 hinaus einen monatlichen, jeweils monatlich im Voraus fälligen Kindesunterhalt in Höhe von insgesamt 144% des jeweiligen Mindestunterhalts gemäß § 1612 a Abs. 1 BGB der jeweiligen Altersstufe, derzeit dritte Altersstufe, gemindert um das hälftige Kindergeld für ein erstes Kind, derzeit 125,00 €, damit derzeit 804,00 €, zu bezahlen.
2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller …, geboren am …, zu Händen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters ab dem 01.01.2024 über den TeilAnerkenntnisbeschluss vom 29.02.2024 hinaus einen monatlichen, jeweils monatlich im Voraus fälligen Kindesunterhalt in Höhe von insgesamt 144% des jeweiligen Mindestunterhalts gemäß § 1612 a Abs. 1 BGB der jeweiligen Altersstufe, derzeit zweite Altersstufe, gemindert um das hälftige Kindergeld für ein zweites Kind, derzeit 125,00 €, damit derzeit 669,00 €, zu bezahlen.
3. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragsteller zu Händen des gesetzlichen Vertreters rückständigen Kindesunterhalt für den Zeitraum vom 01.09.2022 bis 31.12.2023 in Höhe von 6.679,00 Euro zu bezahlen.“
12
Das Amtsgericht ging von folgenden Einkommensverhältnissen aus, errechnet auf der Basis einer fiktiven Steuerklasse III:
2023
Antragsgegner
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2022
Antragsgegner
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131.933,75 € brutto
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146.466,00 brutto
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LSt-Klasse 3: 88.013, 72 € : 12 = 7.334,48 €
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LSt.Klasse 3: 94.474,35 € : 12= 7.872,86 €
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abzgl. zusätzlicher Altersvorsorge über 18,6 % hinaus: 1.126,95 € Grundsätzlich wären 4% vom Bruttoeinkommen ansatzfähig.
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abzgl. zusätzlicher Altersvorsorge über 18,6% hinaus: 1.400,64 €
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zzgl. Wohnwert 2.700 €
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zzgl. Wohnwert 2.700 €
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Einkommen: 8.907,53 €
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Einkommen: 9.172,22 €
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abzgl. Schulden 2.700 €= 6.207,53 € Abzug Finanzierungskosten und Wohngeld bis zur Höhe des Wohnwertes
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abzgl. Schulden 2.700 €=6.472,22 € Abzug Finanzierungskosten und Wohngeld bis zur Höhe des Wohnwertes
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2. Ehefrau
|
2. Ehefrau
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885 € Erziehungsgeld, davon 300 € nicht anrechenbares Elterngeld Einkommen: 585,40 €
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885 € Erziehungsgeld, davon 300 € nicht anrechenbares Elterngeld Einkommen: 585,40 €
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Geschiedene Ehefrau
Einkommen: 4.100 €
|
Geschiedene Ehefrau
Einkommen: 4.100 €
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13
Damit ergab sich für den laufenden Unterhalt für … und … ab Januar 2024 ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 144% des Mindestunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle. Dies entspricht für … einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 804,00 € und für … in Höhe von 669,00 €. Für die Rückstände ab September 2022 bis Dezember 2023 ging das Amtsgericht ebenfalls von einem Unterhaltsanspruch der Antragsteller in der geltend gemachten Höhe aus.
14
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 01.08.2024.
15
Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass ein fiktiver Ansatz von Steuerklasse III ausscheide, weil der Antragsgegner gegenüber seiner Ehefrau die Steuerklasse III nicht durchsetzen könne, dies zwingend zu erheblichen Steuernachzahlungen führe, der Splittingvorteil nicht allein dem Antragsgegner zugute kommen dürfe, dies zur Überzahlung von Unterhalt führe und neue gerichtliche Auseinandersetzungen provoziere.
16
Auf das Einkommen des Antragsgegners in 2023 in Höhe von 131.933,75 € falle Lohnsteuer in Steuerklasse III in Höhe von 29.218 € an und in Steuerklasse IV in Höhe von 39.119 €. Unterstellt werde also ein Einkommen von knapp 10.000 € jährlich bzw. 825 € monatlich, welches tatsächlich nicht zur Verfügung stehe. Hätte er 2023 mit Steuerklasse III versteuert, hätte er 4.701 € nachzahlen müssen, allerdings erst in 2024, so dass er erst dann Herabsetzung im Wege der Abänderung verlangen könne. Dies müsse berücksichtigt werden.
17
Die 2. Ehefrau sei mit Lohnsteuerklasse III nicht einverstanden gewesen. Ihr Elterngeld errechne sich aus dem Nettoeinkommen. Steuerklasse V hätte ihr Einkommen reduziert und damit hätte sie dauerhaft ein niedrigeres Elterngeld bezogen. Grundsätzlich sei nicht nachzuvollziehen, warum die 2. Ehefrau des Antragsgegners ihren steuerlichen Freibetrag zur Verfügung stellen müsse, damit die Bemessungsgrundlage für Unterhalt für die Kinder aus erster Ehe des Antragsgegners erhöht werde. Sie könne verlangen, dass ihr Steuerfreibetrag nur ihrer Familie und nur ihren eigenen Kindern zugute komme. Sie müsse nicht mit einer erhöhten Besteuerung einverstanden sein, weil ihr Steuerfreibetrag schon bei der Versteuerung des Einkommens ihres Ehegatten berücksichtigt werde. Allenfalls käme eine Besteuerung mit Steuerklasse IV in Betracht.
18
Das Amtsgericht habe die hohen Wohnkosten des Antragsgegners nicht berücksichtigt und dem Antragsgegner keinen erhöhten Selbstbehalt wegen hoher Wohnkosten zugestanden.
19
Das Amtsgericht habe keine Entlastung des Antragsgegners von seiner gesteigerten Unterhaltsverpflichtung anerkannt, weil die Mutter der Antragsteller leistungsfähig für Kindesunterhalt sei. Die verschärfte Haftung eines Elternteils für ein minderjähriges Kind nach § 1603 Abs. 2 S. 1, 2 BGB greife nach § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB nicht ein, wenn ein anderer Unterhaltspflichtiger leistungsfähig sei. Das sei hier der Fall, da die Mutter der Antragsteller nach eigenen Angaben über ein Nettoeinkommen in Höhe von 4.100 € verfüge. Sie erfülle ihre Unterhaltspflicht durch Pflege und Erziehung, sei auf Grund ihres guten Einkommens aber auch ohne Gefährdung ihres eigenen Unterhalts leistungsfähig für Kindesunterhalt.
20
Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass vom Nettoeinkommen für die Privatnutzung monatliche Abzüge erfolgen Rate …, … private Nutzung …, die nicht berücksichtigt worden seien.
21
Die Kita-Kosten für … in Höhe von 305 € monatlich seien noch in Abzug zu bringen.
22
Der Antragsgegner habe den Mindestunterhalt immer bezahlt, so dass keine Rückstände bestünden.
23
Das Amtsgericht habe bei der Kostenentscheidung nicht berücksichtigt, dass die Antragsteller ihre Anträge von 144%% auf 152% des Mindestunterhalts erhöht hätten, aber zurückgenommen hätten. Es sei daher nicht sachgerecht, dem Antragsgegner alle Verfahrenskosten aufzuerlegen.
24
Der Antragsgegner beantragt,
I. Der Endbeschluss des AG Miesbach vom 27.06.2024 Az: 1 F 597/23 wird in Ziff. 1 und Ziff. 2 aufgehoben, soweit der Antragsgegner zu Unterhaltszahlungen verpflichtet wurde, die 100% des Mindestunterhalts gemäß § 1612 a Abs. 1 BGB übersteigen und für den übersteigenden Betrag wird der Antrag zurückgewiesen.
II. Der Endbeschluss des AG Miesbach vom 27.06.2024 Az: 1 F 597/23 wird in Ziff.3 aufgehoben und der Antrag auf Zahlung von rückständigem Kindesunterhalt zurückgewiesen.
25
Die Antragsteller 1) und 2) beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
26
Die Antragsteller sind der Auffassung, dass das Amtsgericht zu Recht festgestellt habe, dass der Antragsgegner unterhaltsrechtlich verpflichtet gewesen sei, die für die Familie günstige Steuerklasse III zu wählen, da das Einkommensgefälle zwischen ihm und der 2. Ehefrau beträchtlich sei. Steuerklasse III und V führe zudem zu Ersparnissen für die neue Familie. So habe die 2. Ehefrau dann einen Familienehegattenunterhalt von 1.276 €. Es komme daher nicht darauf an, ob sie zustimme, da sie keine Nachteile habe. Dass sie ein niedrigeres Elterngeld beziehen würde, werde bestritten, werde aber kompensiert. Aus den Verdienstabrechnungen der … für September ergebe sich, dass der Antragsgegner vom 20.09.2022 bis 19.10.2022 unbezahlte Elternzeit genommen habe. Sofern beide Elternteile zur Betreuung des Babys zur Verfügung stünden, könne dies nicht zu Lasten der übrigen Unterhaltsberechtigten gehen.
27
Die Berechnung des Antragsgegners sei fehlerhaft. Eine Nachzahlung von 4.701 € ergebe sich nicht. Aus der Lohnsteuerbescheinigung 2023 ergebe sich, dass beim Antragsgegner bereits Lohnsteuer in Höhe von 41.312,23 € einbehalten worden sei, so dass sich keine Nachzahlung ergebe. Für 2022 sei dem Einkommenssteuerbescheid zu entnehmen, dass der Antragsgegner ein Guthaben über 6.726,27 € erhalten habe, das einkommenserhöhend zu berücksichtigen sei.
28
Das Amtsgericht habe zu Recht weitere Wohnkosten nicht berücksichtigt, sondern die dem Antragsgegner zustehende sekundäre Altersvorsorge bis zur Höchstgrenze und die Zins- und Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnwerts. Der Antragsgegner könne sich darum bemühen, die Zins- und Tilgungsleistungen vorübergehend zu reduzieren oder seine Altersvorsorge vorübergehend auszusetzen.
29
Eine Ersatzhaftung der Mutter sei nicht nachvollziehbar. Sie habe kein dreifach höheres Nettoeinkommen als der Antragsgegner, zumal bei dem Nettoeinkommen von 4.100 € noch keinerlei Belastungen berücksichtigt worden seien.
30
Für die Privatnutzung sei kein geldwerter Vorteil angesetzt worden. Der Antragsgegner habe keine Kosten für Steuer, Versicherung, Reifen, Inspektion usw.
31
Die Kita-Kosten müssten bei der Ehefrau als Betreuungskosten berücksichtigt werden, nicht beim Antragsgegner.
32
Nach der neuesten Rechtsprechung des OLG München dürfte der Sparvertrag über 1.000,00 € nicht mehr als abzugsfähige Altersvorsorge berücksichtigt werden.
33
Ausgehend von der bestehenden Unterhaltsverpflichtung über 100% hinaus, seien die Rückstände zutreffend ermittelt.
34
Zu Recht habe das Amtsgericht dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auferlegt. Es habe in zutreffender Weise von dem ihm im Unterhaltsverfahren eingeräumten billigen Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten entschieden, § 243 FamFG.
35
Im Übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2024 Bezug genommen.
36
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig gem. §§ 58 ff. FamFG. In der Sache ist die Beschwerde unbegründet.
37
Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass für die Antragsteller 1) und 2) jeweils ein Anspruch auf Zahlung eines Kindesunterhalts in Höhe von 144% des Mindestunterhalts ab dem 01.01.2024 gegen den Antragsgegner besteht. Zudem bestehen Rückstände im Zeitraum vom 01.09.2022 bis 31.12.2023 in Höhe von insgesamt mindestens 6.679 €.
38
1. Grundsätzlich ergibt sich der Unterhaltsanspruch der noch minderjährigen Kinder aus erster Ehe auf § 1601 BGB. Sie sind gleichrangig zu behandeln mit den Kindern des Antragsgegners aus der zweiten Ehe, § 1609 Nr. 1 BGB und sind bedürftig im Sinne des § 1602 Abs. 1 BGB. Der Unterhaltsbedarf der neuen Ehefrau ist bei der Unterhaltsberechnung nicht zu berücksichtigen, da diese gegenüber den minderjährigen Kindern aus erster Ehe nachrangig ist. Der Antragsgegner hat den Mindestunterhalt für die Antragsteller 1) und 2) anerkannt. Insofern erging am 29.02.2024 ein TeilAnerkenntnisbeschluss. Darüber hinaus beruft er sich auf seine Leistungsunfähigkeit, § 1603 Abs. 1 BGB.
39
Nach § 1610 Abs. 1 BGB bemisst sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen, die sich bei minderjährigen Kindern bis zum Abschluss ihrer Ausbildung von den Eltern ableitet. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung beim Unterhalt minderjähriger Kinder auf die Lebensstellung beider Eltern an. Die Unterhaltspflicht ist aber auf den Betrag begrenzt, den der barunterhaltspflichtige Elternteil aufgrund des von ihm erzielten Einkommens zahlen muss (vgl. BGH, FamRZ 2022, 1366 Rn. 50; BGH, FamRZ 2021, 28 Rn. 14 und BGH, FamRZ 2017, 437 Rn. 24 f.).
1.1 Rückständiger Unterhalt 2022
40
Unstreitig hat der Antragsgegner in 2022 ein Bruttoeinkommen in Höhe von 146.466,00 € verdient. Das ergibt sich aus dem Einkommenssteuerbescheid für 2022, in welchem das Einkommen der zweiten Ehefrau geschwärzt wurde. Nicht ersichtlich ist, was der Antragsgegner an Steuern tatsächlich gezahlt hat. Auch insofern wurden die Zahlen geschwärzt. Er erhielt jedoch eine Rückerstattung von 6.726,27 €.
41
Die Ermittlung des Nettoeinkommens hat auf der Grundlage eines fiktiven Steuersatzes der Klasse III zu erfolgen. Die zweite Ehefrau des Antragsgegners hat lediglich Erziehungsgeld zur Verfügung in Höhe von 885,40 €, so dass ein deutliches Einkommensgefälle vorliegt. Insofern ist die Steuerklasse III die für den Antragsgegner günstigere Steuerklasse. Der Antragsgegner versteuerte jedoch sein Einkommen in Steuerklasse IV.
42
Grundsätzlich ist der Unterhaltsverpflichtete aus unterhaltsrechtlicher Sicht gehalten, Steuervorteile, die er zumutbar erlangen kann, auch in Anspruch zu nehmen und die ihm günstigste Steuerklasse zu wählen, soweit keine erkennbaren Gründe für eine andere Wahl der Steuerklasse vorliegen. Dies kann dann gegeben sein, wenn der Unterhaltsverpflichtete wieder verheiratet ist und seine neue Ehefrau ebenfalls berufstätig ist. Darlegungs- und beweispflichtig für solche Umstände ist der Unterhaltsschuldner. Entsprechend sind die Lohnsteuerklasse III / V zu wählen, wenn er im Vergleich zu seiner „leistungsunfähigen“ Ehefrau das deutlich höhere Einkommen erzielt. Zwar richtet sich der Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder grundsätzlich nach dem tatsächlichen Nettoeinkommen des Unterhaltsverpflichteten, da die Höhe des kindlichen Bedarfs sich aus der Lebensstellung der Eltern ableitet. Dazu gehört aber auch der mit der Wiederheirat verbundene Steuervorteil. Für die Eingruppierung nach der Düsseldorfer Tabelle ist deshalb grundsätzlich auch der mit der Wiederheirat verbundene Steuervorteil bestimmend, also das durch Ehegattensplitting erhöhte Einkommen des Barunterhaltspflichtigen. Die gegenüber minderjährigen Kindern bestehende gesteigerte Unterhaltspflicht (§ 1603 Abs. 2 BGB) verpflichtet, alle verfügbaren Mittel mit den Kindern zu teilen. Daher treffen den Unterhaltspflichtigen im Rahmen des Zumutbaren die Obliegenheiten, sich so zu verhalten, dass der Unterhaltsanspruch nicht zulasten des Berechtigten verändert wird. Gegenüber einem unterhaltsberechtigten minderjährigen Kind muss der Unterhaltsschuldner den Vorteil einsetzen, der sich aus der Wahl einer günstigeren Steuerklasse mit seiner neuen Ehefrau für ihn ergibt (OLG Nürnberg, FF 2015, 214; OLG Hamm, FamRZ 2000, 311).
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Bei Ansatz einer fiktiven Steuerklasse III ergibt sich für den Antragsgegner ein Nettoeinkommen von 94.474,35 € : 12 = 7.872,86 € monatlich netto. Dies wurde vom Antragsgegner nicht bestritten. Er ist jedoch der Auffassung, dass ein fiktiver Steuersatz nicht angenommen werden dürfe. Dem kann nicht gefolgt werden.
44
Bei Auswahl der ungünstigeren Steuerklasse ist dies Verschiebung der Steuerbelastung durch einen tatrichterlich zu schätzenden Abschlag zu korrigieren. Der BGH lehnt es allerdings als fehlerhaft ab, die Steuerlast der Ehegatten nach Steuerklasse IV bezogen auf ihr jeweiliges Einkommen umzurechnen, weil damit ein geringeres Familieneinkommen zugrunde gelegt wird, als es den Ehegatten bei Zusammenveranlagung tatsächlich zusteht. Dabei ist die von den Eheleuten nach der tatsächlich gewählten Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) auf Grundlage des Splitting-Verfahrens gemäß § 32a Abs. 5 EStG geschuldete Steuer anteilig bezogen auf ihr jeweiliges Einkommen unter zusätzlicher Berücksichtigung der steuerlichen Progression aufzuteilen. Dazu ist in Anlehnung an § 270 AO zunächst anhand der fiktiven Steuerlast bei einer Einzelveranlagung die Relation der individuellen Steuerlast zur gesamten Steuerlast und sodann anhand des entsprechenden Prozentsatzes die Steuerlast des Unterhaltspflichtigen am Maßstab der bei Zusammenveranlagung tatsächlich bestehenden Steuerschuld zu ermitteln. Hierdurch ist gewährleistet, dass das – nach Abzug der nach der konkreten Veranlagung anfallenden Steuerlast – verbleibende Einkommen insgesamt erfasst wird. Ferner wird so gewährleistet, dass die danach umzulegende Steuerlast nicht nur anteilig am Einkommen des Unterhaltspflichtigen bemessen wird, sondern dass zudem auch die Progression hinreichend Berücksichtigung finde.
45
Um eine solche Berechnung vornehmen zu können, müsste jedoch für 2022 der ungeschwärzte Steuerbescheid vorgelegt werden. Dies hat der Antragsgegner verweigert, so dass eine solche Berechnung nicht erfolgen kann. Die Ermittlung des Nettoeinkommens kann daher nur mit einer fiktiven Berechnung mit Steuerklasse III erfolgen.
46
Zugrunde zu legen ist daher ein Nettoeinkommen in 2022 in Höhe von 7.872,86 €. Das Amtsgericht hat folgende unstreitige Abzüge bzw. unstreitige Zurechnung eines Wohnvorteils vorgenommen:
abzgl. zusätzlicher Altersvorsorge über 18,6% hinaus: 1.400,64 €
|
zzgl. Wohnwert 2.700 €
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Einkommen: 9.172,22 €
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abzgl. Schulden 2.700 € = 6.472,22 € Abzug Finanzierungskosten und Wohngeld bis zur Höhe des Wohnwertes
|
47
Das für den Kindesunterhalt maßgebliche Einkommen beträgt daher 6.472,22 €.
48
Ein weiterer Abzug für die Nutzung des PKW erfolgt nicht, da dem Antragsgegner letztlich für die Privatnutzung ansonsten ein geldwerter Vorteil zuzurechnen wäre.
49
Da unklar ist, was der Antragsgegner tatsächlich an Steuern in 2022 gezahlt hat, kann auch nicht argumentiert werden, dass bei Steuerklasse III eine Nachzahlung hätte erfolgen müssen. Ein entsprechender Nachweis wurde nicht erbracht. Auf die Zurechnung einer Steuererstattung aus 2022 in Höhe von 6.726,27 € (bei Steuerklasse IV) kommt es letztlich nicht an. Diese bleibt unberücksichtigt.
50
Die Kinderbetreuungskosten für … kann der betreuende Elternteil geltend machen. Die zweite Ehefrau ist jedoch zuhause und erhält Erziehungsgeld, so dass Betreuungskosten nicht in Ansatz gebracht werden können.
51
Damit ist maßgebend das Nettoeinkommen des Antragsgegners in Höhe von 6.472,22 €.
52
Grundsätzlich ergäbe sich bei Einordnung in die Düsseldorfer Tabelle ausgehend vom Einkommen des Antragsgegners die Stufe 12. Zutreffend hat das Amtsgericht eine Herabstufung auf Stufe 10 vorgenommen, da im Jahr 2022 neben der zweiten Ehefrau noch 3 Kinder unterhaltsberechtigt sind: … 12 Jahre, … 9 Jahr und … unter 1 Jahr waren. Es ergibt sich somit bei Einordnung in die Düsseldorfer Tabelle ein Kindesunterhalt in Höhe von 160%. Das bedeutet für … ein Zahlbetrag von 743,50 € und für … von 618,50 €, für … von 524,50 €.
53
Nach Abzug des Kindesunterhalts für … und … in Höhe von 1.362 € verbleiben für die Familie des Antragsgegners 5.110,22 €. Auch unter Berücksichtigung des Unterhalts für die zweite Ehefrau und die Kinder aus zweiter Ehe wird der Selbstbehalt des Antragsgegners in Höhe von 1.510 € gewahrt. Zudem wäre der notwendige Selbstbehalt des Antragsgegners um 10% zu reduzieren, weil wegen des Zusammenlebens mit seiner neuen Ehefrau eine Kostenersparnis besteht.
54
Eine Erhöhung des Selbstbehalts wegen hoher Wohnkosten kommt nicht in Betracht. Hier ist zu berücksichtigen, dass die zu finanzierende Immobilie nicht nur den Wohnbedarf des Antragsgegners, sondern auch der zweiten Ehefrau und der gemeinsamen Kinder deckt. Lebt in der Wohnung nicht nur der Unterhaltspflichtige, sondern auch Kinder und ggf. eine neue Ehefrau oder Partnerin, erfolgt grundsätzlich nur eine anteilige Berücksichtigung der anfallenden Wohnkosten beim unterhaltspflichtigen Beteiligten (BGH, FamRZ 2021, 181; BGH, FamRZ 2016, 887 Rn. 19). Es könnte sich hier allenfalls die Frage stellen, ob dem Antragsgegner nicht der volle Wohnwert zugerechnet werden kann, da die 2. Ehefrau Miteigentümerin ist. Allerdings würde das im Ergebnis keine Rolle spielen, da dann die Finanzierungskosten auch nur bis zur Höhe des Wohnwertes angesetzt werden könnten und die Möglichkeiten der sekundären Altersvorsorge bereits ausgeschöpft sind. Dass der Selbstbehalt zu erhöhen wäre wegen hoher Kredite zur Hausfinanzierung sieht der Senat nicht. Der Antragsgegner hat nicht dargelegt, dass er den Versuch unternommen hat, seine Kreditverbindlichkeiten im Einvernehmen mit der Bank zu reduzieren. Zudem betreibt der Antragsgegner eine sehr hohe sekundäre Altersvorsorge, so dass er ausreichend Möglichkeiten hätte, seine monatlichen Belastungen zu reduzieren.
55
Es ergibt sich somit für … von September 2022 bis Dezember 2022 ein Unterhaltsanspruch von 618,50 € x 4 = 2.747 € Für … ergibt sich ein Unterhaltsanspruch von September 2022 bis Dezember 2022 von 743,50 € x 4 = 2.974 €.
56
Insgesamt ergibt sich ein Anspruch in Höhe von 5.448 €, gezahlt wurden 3.523 €, so dass ein Rückstand von 1.925 € verbleibt.
1.2 Rückständiger Unterhalt 2023
1.2.1 bei Steuerklasse III Unstreitig hat der Antragsgegner in 2023 ein Bruttoeinkommen in Höhe von 131.933,75 € verdient. Das ergibt sich aus dem Einkommenssteuerbescheid für 2023. Die zweite Ehefrau hatte Einkünfte in Höhe von 9.783 €. Der Steuerfreibetrag in 2023 betrug 10.908 €. Die Ehefrau hätte daher in 2023 bei Einzelveranlagung keine Steuern zahlen müssen. Der Splittingvorteil kommt daher allein dem Antragsgegner zugute. Die Ermittlung des Nettoeinkommens kann daher auf der Grundlage eines fiktiven Steuersatzes der Klasse III erfolgen.
57
Bei Ansatz einer fiktiven Steuerklasse III ergibt sich für den Antragsgegner ein Nettoeinkommen von 88.013,72 € :12= 7.334,48 € monatlich netto. Dies wurde vom Antragsgegner nicht bestritten. Zugrunde zu legen ist daher ein Nettoeinkommen in 2023 in Höhe von 7.334,48 €.
58
Das Amtsgericht hat folgende unstreitige Abzüge bzw. Zurechnung eines Wohnvorteils vorgenommen:
abzgl. zusätzlicher Altersvorsorge über 18,6 % hinaus: 1.126,95 € Grundsätzlich wären 4% vom Bruttoeinkommen ansatzfähig.
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zzgl. Wohnwert 2.700 €
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Einkommen: 8.907,53 €
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abzgl. Schulden 2.700 € = 6.207,53 € Abzug Finanzierungskosten und Wohngeld bis zur Höhe des Wohnwertes
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59
Das für den Kindesunterhalt maßgebliche Einkommen beträgt daher 6.207,53 €.
60
Die Berücksichtigung einer sich fiktiv ergebenden zu leistenden Nachzahlung in Höhe von 4.791,88 € bei Steuerklasse III kann nicht erfolgen, da insofern ein entsprechender Nachweis durch die vorgelegte Berechnung des Steuerberaters nicht substantiiert geführt ist. Die in der Berechnung enthaltenen Zahlen zum Einkommen, auch der zweiten Ehefrau, sind nicht näher erläutert oder belegt.
61
Von Januar 2023 bis August 2023 ergibt sich bei Einordnung in die Düsseldorfer Tabelle ausgehend vom Einkommen des Antragsgegners in Höhe von 6.207,53 € Stufe 12, aber es erfolgt wiederum eine Herabstufung durch das Amtsgericht auf Stufe 10, da im Jahr 2023 neben der zweiten Ehefrau 3 Kinder unterhaltsberechtigt sind … 12 Jahre, … 9 Jahre und … unter 1 Jahr waren.
62
Es besteht ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 160%. Somit ergibt sich für … ein Zahlbetrag von 816 € und für … 679 €, für … 575 €.
63
Nach Abzug des Kindesunterhalts für … und … in Höhe von 1.495 € verbleiben für die Familie des Antragsgegners 4.712,53 €. Auch unter Berücksichtigung des Unterhalts für die Kinder aus zweiter Ehe und für die zweite Ehefrau wird der Selbstbehalt des Antragsgegners in Höhe von 1.510 € gewahrt.
64
Von September 2023 bis Dezember 2023 ergibt sich bei Einordnung in die Düsseldorfer Tabelle ausgehend vom Einkommen des Antragsgegners in Höhe von 6.207,53 € Stufe 12, aber es erfolgt eine Herabstufung durch das Amtsgericht auf Stufe 9, da im Jahr 2023 neben der zweiten Ehefrau 4 Kinder unterhaltsberechtigt sind … 13 Jahre, … 10 Jahr und … 1 Jahr, … unter 1 Jahr waren.
65
Es besteht ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 152%. Somit ergibt sich für … ein Zahlbetrag von 769 € und für … 639 €, für … 540 € und für … 540 €.
66
Nach Abzug des Kindesunterhalts für … und … in Höhe von 1.408 € verbleiben für die Familie des Antragsgegners 4.799,53 €. Auch unter Berücksichtigung des Unterhalts für die zweite Ehefrau und die Kinder aus zweiter Ehe wird der Selbstbehalt des Antragsgegners in Höhe von 1.510 € gewahrt.
67
Es ergibt sich somit für … von Januar 2023 bis Dezember ein Unterhaltsanspruch von (679 € x 8) + (639 € x 4) = 7.988 €.
68
Für … ergibt sich ein Unterhaltsanspruch von Januar 2023 bis Dezember ein Unterhaltsanspruch von (816 € x 8) + (769 € x 4) = 10.404 €.
69
Insgesamt ergibt sich in 2023 ein Anspruch in Höhe von 18.392 €, gezahlt wurden 11.478 €, so dass ein Rückstand von 6.914 € verbleibt.
70
Der Rückstand beträgt für beide Kinder von September 2022 bis Dezember 2023 8.839 €. Die Antragsteller haben einen Rückstand von 6.679 € geltend gemacht, welcher auch zugesprochen wurde.
71
1.2.2 Kontrollberechnung bei Ansatz der Steuerklasse IV anhand der vorlegten Steuererklärung Eine hilfsweise Berechnung mit der vom Antragsgegner beanspruchten Ermittlung des Nettoeinkommens mit Lohnsteuerklasse IV ergibt, dass unter Berücksichtigung der tatsächlich errechneten Rückstände sich auch bei Lohnsteuerklasse IV kein Vorteil gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung ergeben würde.
72
Der im Termin vom 18.12.2024 vorgelegte Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2023 weist ein Bruttoeinkommen in Höhe von 131.933 € aus und es wird eine Rückerstattung in Höhe von 8.000,54 € ausgewiesen.
73
Es ergäbe sich folgendes Nettoeinkommen bei Lohnsteuerklasse IV (Abzüge gemäß Lohnsteuerbescheinigung 2023):
Bruttoarbeitslohn
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131.933,00 €
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abzgl. Rentenversicherung
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6.811,63 €
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abzgl. Arbeitslosenversicherung
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952,16 €
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abzgl. Krankenversicherung
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3.728,09 €
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abzgl.Pflegeversicherung
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1.418,54 €
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abzgl Lohnsteuer
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41.313 €
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abzgl Soli
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1.781,54 €
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Einkommen
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75.928,04 €
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zzgl. Rückerstattung
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8.000,54 €
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Nettoeinkommen
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83.928,04 € : 12 = 6.994 €
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abzgl. gewährter Altersvorsorge
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6.994 € – 1.126,95 = 5.767 €
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74
Bei Einordnung in die Düsseldorfer Tabelle würde sich unter Berücksichtigung der zweiten Ehefrau sowie der Kinder ein Unterhalt von Stufe 9 ergeben, statt 10 wie bei fiktiver Lohnsteuerklasse III im Zeitraum Januar 2023 bis August 2023. Rechnerisch würde das eine Differenz in Höhe von 40 € für … errechnen und 47 € für … . Dies wäre im Ergebnis von Januar 2023 bis August 2023 ein Differenzbetrag in Höhe von 696 €.
75
Im Zeitraum September 2023 bis Dezember 2023 würde sich eine Einordnung bei Stufe 8 ergeben statt 9. Dies wäre für … eine monatliche Differenz von 41 €, und für … von 47 €. Dies wäre im Ergebnis ein Differenzbetrag von September 2023 bis Dezember 2023 von 352 €. Insgesamt ergäbe sich eine Differenz von 1.048 €.
76
Das Amtsgericht hat den beantragten Rückstand von 6.679 € zugesprochen, tatsächlich lag jedoch ein Rückstand von 8.839 € vor, weshalb das Amtsgericht auf Seite 30 ausführt: „Es verbleibt ein Gesamtrückstand von mindestens der beantragten 6.679 €.“
77
Auch unter Berücksichtigung eines um 1.048 € geringeren Rückstandes verbleiben daher immer noch Rückstände in Höhe von 7.791 €, so dass der erstinstanzliche Beschluss, der von einem Rückstand in Höhe von 6.679 € ausgeht, nicht zu korrigieren wäre.
78
Damit spielt es auch keine Rolle, inwiefern sich der Vorteil aus dem Ehegattensplitting auf das Einkommen des Antragsgegners auswirken würde bei fiktiver Berechnung des Nettoeinkommens bei Steuerklasse III.
1.3 laufender Kindesunterhalt ab 01.01.2024
79
Prognostisch ist in 2024 das Einkommen des Antragsgegners aus 2023 zugrunde zu legen. Ein Steuerbescheid für 2024 kann noch nicht vorgelegt werden. Sofern der Antragsgegner sein Einkommen im Termin bis November mitteilte, ist dies nicht aussagekräftig, da im Dezember etwaige Boni, Weihnachtsgeld usw. ausgezahlt werden.
80
Bei einem prognostizierten Einkommen von 6.207,53 € ergibt sich bei Einordnung in die Düsseldorfer Tabelle ein Kindesunterhalt aus Stufe 12. Da neben der zweiten Ehefrau zwei weitere unterhaltsberechtigte Kinder vorhanden sind, erfolgt die Herabstufung auf Stufe 9 (152%).
81
Für … und … ergibt sich damit ab 01.01.2024 ein Unterhalt in Höhe von beantragten 144%, somit ein laufender Unterhalt in Höhe eines Zahlbetrages von 804 €. Für … ergibt sich ein Zahlbetrag in Höhe von 669 €.
82
Auch unter Zugrundelegung eines Einkommens nach Steuerklasse IV in Höhe von 5.767 € ergibt die Einordnung in der Düsseldorfer Tabelle einen laufenden Kindesunterhalt in Höhe von 144%. Das Einkommen von 5.767 € führt zur Einordnung in Stufe 11 und unter Berücksichtigung der zweiten Ehefrau und der Kinder zu Stufe 8. Dies entspricht 144%
83
1.4 Beteiligung der Mutter der Antragsteller 1) und 2) am Barunterhalt Eine Pflicht der Mutter der Antragsteller, sich am Barunterhalt für die Kinder zu beteiligen, sieht der Senat nicht.
84
Mit Beschluss vom 10.07.2013 verweist der BGH (BGH, FamRZ 2013, 1558 = NJW 2013, 2897) auf den rechtlichen Ausgangspunkt des § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB, wonach auch der betreuende Elternteil als weiterer unterhaltspflichtiger Verwandter in Betracht kommt, der dem Kind barunterhaltspflichtig ist, wenn der nicht betreuende und deshalb primär barunterhaltspflichtige Elternteil hierzu bei Beachtung seines angemessenen Selbstbehalts außerstande ist.
85
Die Regel der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) darf dabei aber nicht ins Leere laufen. Deshalb kommt dann, wenn der primär barunterhaltspflichtige Elternteil bei Zahlung des vollen Kindesunterhalts seinen angemessenen Selbstbehalt verteidigen kann, eine vollständige oder anteilige Haftung des betreuenden Elternteils für die Aufbringung des Barunterhalts nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht.
86
Ein solcher Ausnahmefall kann nicht schematisch, sondern nur im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung angemessen gewürdigt werden. Als berücksichtigungsfähige Kriterien gelten auf Seiten des nicht betreuenden Elternteils die Sicherung seines eigenen Unterhalts in neuer Lebensgemeinschaft, auf Seiten des betreuenden Elternteils die mit der Betreuung neben der Erwerbstätigkeit einhergehende zusätzliche Belastung, dessen Belastung mit weiteren, auch nachrangigen Unterhaltspflichten, ebenso der durch eine wirtschaftliche Besserstellung des betreuenden Elternteils erzeugte zusätzliche Barbedarf innerhalb der gehobenen Lebensverhältnisse.
87
Folgende Grenzen zeigt der BGH auf (BGH, FamRZ 2013, 1558 Rn. 29):
88
Verfügt der betreuende Elternteil etwa über das Dreifache der unterhaltsrelevanten Nettoeinkünfte des nicht betreuenden Elternteils, kann es der Billigkeit entsprechen, dass der betreuende Elternteil für den Barunterhalt des Kindes in voller Höhe allein aufkommt.
89
Unterhalb dieser Schwelle wird eine vollständige Enthaftung des nicht betreuenden Elternteils häufig ausscheiden. Zur Frage, in welchem Umfang der nicht betreuende Elternteil entlastet werden kann, kann rechnerisch auf den Verteilungsmaßstab der elterlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zurückgegriffen werden. Wird bei der Quotenberechnung der angemessene Selbstbehalt als Sockelbetrag abgezogen, müssen die so ermittelten Haftungsanteile in aller Regel zugunsten des betreuenden Elternteils wertend verändert werden.
90
Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB trägt der Unterhaltspflichtige, der geltend macht, er könne den Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten nicht ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Lebensbedarfs bestreiten (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 2017, 803).
91
Unter keiner steuerrechtlichen Einordnung des Bruttoeinkommens des Antragsgegners ergibt sich ein dreifach erhöhtes Einkommen der Mutter der Antragsteller in Höhe von 4.100 €. Eine Beteiligung am Barunterhalt kommt daher nicht in Betracht.
92
2. Die Kostenentscheidung aus erster Instanz ist nicht abzuändern. Die Kostenentscheidung in Unterhaltssachen erfolgt gem. § 243 FamFG nach billigem Ermessen. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Es trifft zwar zu, dass zunächst ein Unterhalt von 152% beantragt wurde. Der Antrag wurde jedoch umgehend zurückgenommen. Die Entscheidung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung auch der Dauer der Unterhaltsverpflichtung ermöglicht es, von einer reinen Entscheidung nach dem am Verfahrenswert orientierten Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen abzuweichen, um dem Dauercharakter der Unterhaltsverpflichtung Rechnung tragen zu können (BGH, FamRZ 2017, 816 Rn. 24). Die Entscheidung aus erster Instanz entspricht insofern billigem Ermessen.
93
Die Beschwerde ist daher in vollem Umfang zurückzuweisen.
94
Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht ebenfalls auf § 243 FamFG. Die Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg. Er hat daher die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):
Übergabe an die Geschäftsstelle am 15.01.2025.
…, JAng Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle