Titel:
Einstweilige Anordnung, Stellenbesetzung, Anlassbeurteilung, Wesentliche Verschlechterung, Begründungsmangel
Normenketten:
VwGO § 123
GG Art. 33 Abs. 2
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung, Stellenbesetzung, Anlassbeurteilung, Wesentliche Verschlechterung, Begründungsmangel
Fundstelle:
BeckRS 2025, 5482
Tenor
I. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Stelle „Fachbereichsleitung Betriebssteuerung (m/w/d)“ mit dem Beigeladenen zu besetzen, solange über die Bewerbung des Antragstellers keine neue Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts getroffen worden ist.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 17.992,54 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens.
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Die Antragsgegnerin schrieb acht Stellen mit der Bezeichnung „Fachbereichsleitung Betriebssteuerung (m/w/d)“ intern aus. Auf diese Ausschreibung bewarben sich unter anderem der Antragsteller sowie der Beigeladene.
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Der 1975 geborene Antragsteller steht als Fachbereichsleiter Logistik im Amt eines Brandoberinspektors (Besoldungsgruppe A 10) im Dienste der Antragsgegnerin. In der periodischen dienstlichen Beurteilung vom 1. Januar 2019 erzielte der Antragsteller im Beurteilungszeitraum 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2018 im Statusamt A 9 das Gesamturteil „Übertrifft die Anforderungen in herausragender Weise“ (erste von fünf Bewertungsstufen). In der periodischen Beurteilung vom 1. Januar 2022 im Beurteilungszeitraum 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2021 im Statusamt A 9+Z erzielte der Antragsteller das Gesamturteil „Übertrifft die Anforderungen in herausragender Weise“ (erste von fünf Bewertungsstufen). Er wurde zum 1. Januar 2023 in das Statusamt A 10 befördert. Die Antragsgegnerin erstellte für ihn eine Anlassbeurteilung. In der Anlassbeurteilung vom 11. Oktober 2024 im Beurteilungszeitraum 1. Januar 2022 bis 30. April 2024 erzielte dieser im Statusamt A 10 das Gesamturteil „Erfüllt die Anforderungen in vollem Umfang“ (dritte von fünf Bewertungsstufen).
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Der 1979 geborene Beigeladene steht als Fachbereichsleitung Logistik im Amt eines Brandoberinspektors (Besoldungsgruppe A 10) in den Diensten der Antragsgegnerin. In seiner periodischen dienstlichen Beurteilung vom 22. November 2022 erzielte er im Statusamt A 9 im Beurteilungszeitraum 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2021 das Gesamturteil „Übertrifft deutlich die Anforderungen“ (zweite von fünf Bewertungsstufen). Der Beigeladene wurde zum 1. April 2022 in das Statusamt A 10 befördert. Die Antragsgegnerin erstellte für ihn eine Anlassbeurteilung. In der Anlassbeurteilung vom 3. September 2024 erzielte er im Statusamt A 10 im Beurteilungszeitraum 1. Januar 2022 bis 28. April 2024 das Gesamturteil „Übertrifft deutlich die Anforderungen“ (zweite von fünf Bewertungsstufen).
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Mit nicht datiertem Auswahlvermerk (Bl. 25 ff. der Behördenakte) schlug die Antragsgegnerin vor, eine der ausgeschriebenen Stellen mit dem Beigeladenen sowie sieben weitere Stellen mit anderen Bewerbern zu besetzen. Die Besetzung der weiteren Stellen ist Gegenstand getrennter Stellenbesetzungsverfahren (M 5 E 25.520; M 5 E 25.527; M 5 E 25.528; M 5 E 25.530; M 5 E 25.531; M 5 E 25.532; M 5 E 25.533).
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Mit 25 Bewerbern führte die Antragsgegnerin einen Leistungsvergleich durch (siehe tabellarische Übersicht, Anlage 2, Bl. 33 der Behördenakte). 21 dieser Bewerber wurden zu Auswahlgesprächen eingeladen (siehe tabellarische Übersicht, Anlage 3, Bl. 35 der Behördenakte). Für den Beigeladenen ist vermerkt (Anlage 2, Bl. 33 der Behördenakte), dass er mit dem in der Anlassbeurteilung (Beurteilungszeitraum 1.1.2022 bis 28.4.2024) erzielten Gesamturteil „Übertrifft deutlich die Anforderungen (2 von 5)“ 40 Punkte erzielt habe und zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werde. Ein Ausgleich bezogen auf die geforderten Kompetenzen des Anforderungsprofils sei nicht möglich. In Bezug auf den Antragsteller heißt es, dass er mit seiner Anlassbeurteilung (Beurteilungszeitraum 1.1.2022 bis 30.4.2024) und dem enthaltenen Gesamtprädikat „Erfüllt die Anforderungen in vollem Umfang (3 von 5)“ 30 Punkte erhalten habe und nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei. Ein Ausgleich bezogen auf die geforderten Kompetenzen des Anforderungsprofils sei nicht möglich.
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Mit E-Mail vom 7. Januar 2025 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass die Auswahl auf eine Person gefallen sei, die das Anforderungsprofil der Stelle noch besser erfülle.
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Mit Schreiben vom 14. Januar 2025, zugegangen am 16. Januar 2025, teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass beabsichtigt sei, die Stellen zwei Wochen nach Zugang dieses Schreibens mit den acht ausgewählten Bewerbern zu besetzen.
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Mit Schriftsatz vom 27. Januar 2025, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Antragstellerpartei den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch lägen vor. Die Anlassbeurteilung enthalte eine erhebliche Verschlechterung, die in der dienstlichen Beurteilung nicht nachvollziehbar begründet worden sei.
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Die Antragstellerpartei hat beantragt,
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Der Antragsgegnerin (korrekt anstelle: dem Antragsgegner) wird im Wege der einstweiligen Anordnung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung – vorläufig untersagt, die Stelle „Fachbereichsleitung Betriebssteuerung (m/w/d)“ zu besetzen, solange über die Bewerbung des Antragstellers keine neue Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts getroffen worden ist.
12
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
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Der Antrag wird abgelehnt.
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Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, dass die Verschlechterung des Gesamtprädikats um zwei Punkte in der Anlassbeurteilung des Antragstellers im Vergleich zur Vorbeurteilung keiner Begründung bedürfe. Denn aus der Beurteilung gehe hervor, dass die Beurteilung eine höhere Besoldungsgruppe betroffen habe. Hieraus folge, dass ein strengerer Maßstab anzulegen gewesen sei. Dies bedürfe keiner gesonderten Begründung. Für den Antragsteller sowie für den Beigeladenen sei jeweils gem. Kap. III, Ziffer 6 der Beurteilungsrichtlinien eine Anlassbeurteilung zu erstellen gewesen, da sie zum 1. Januar 2023 bzw. zum 1. April 2022 befördert worden seien.
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Mit Beschluss vom 3. Februar 2025 wurde der ausgewählte Bewerber zum Verfahren beigeladen. Dieser hat weder einen Antrag gestellt noch sich sonst zum Verfahren geäußert.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der zulässige Antrag ist begründet.
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1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, d.h. ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerpartei hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
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2. Der Anordnungsgrund in Form der besonderen Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Anordnung ist gegeben. Das Auswahlverfahren für die streitgegenständliche Stelle ist grundsätzlich abgeschlossen. Eine Ernennung des Beigeladenen steht unmittelbar bevor. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers als übergangener Bewerber lässt sich nur vor der Ernennung des ausgewählten Konkurrenten mittels einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO effektiv sichern, da sich der um eine Stellenauswahl geführte Rechtsstreit mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle erledigt (vgl. BVerfG, B.v. 29.6.2003 – 2 BvR 311/03 – NVwZ 2004, 95). Nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – NVwZ 2011, 358) ist mit der endgültigen anderweitigen Besetzung einer Stelle das Besetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen mit der Folge, dass dem Begehren des Antragstellers, die Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten vorzunehmen, nicht mehr entsprochen werden könnte, weil der Dienstherr die Ernennung des Beigeladenen in der Regel nicht mehr rückgängig machen könnte.
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3. Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
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a) Der Antragsteller hat einen Bewerbungsverfahrensanspruch, das heißt einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG), Art. 94 Abs. 2 Satz 2 Verfassung für den Freistaat Bayern (BV) normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746, juris; B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194, juris; BVerwG, U.v. 17.8.2005 – 2 C 36.04 – juris). Bei der Auswahl unter mehreren Bewerbern für eine solche Stelle gilt es daher, den dafür „bestgeeigneten“ Bewerber ausfindig zu machen. Naturgemäß ist bei dieser Prognose auf die Leistungsanforderungen des konkret zu besetzenden Dienstpostens abzustellen, wobei der Dienstherr im Rahmen seines organisatorischen Ermessens bestimmt, welche besonderen Eignungsvoraussetzungen der künftige Amtsinhaber mitbringen muss (Anforderungsprofil) und welchen Gesichtspunkten innerhalb von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung das größere Gewicht zukommen soll (VG München, B.v. 28.8.2006 – M 5 E 06.2324 – juris Rn. 22). Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Kandidaten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Der Bewerber hat daher einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Auswahl (BVerwG, U.v. 25.8.1988 – 2 C 28/85 – juris; BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565, juris; VG München, B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris).
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Aus der Verletzung dieses Anspruches folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Einstellung oder Beförderung. Vielmehr ist es im Hinblick auf den Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichts, den besser geeigneten Bewerber zu bestimmen und eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerbung vorzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 5.1.2012 – 7 CE 11.1432 – juris). Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746, juris). Aufgrund der Verfahrensabhängigkeit des sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden subjektiven Rechts und der Garantie von Art. 19 Abs. 4 GG sind die Verwaltungsgerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten gehalten, den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes im Eilverfahren besonders Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, B.v. 29.7.2003 – 2 BvR 311/03 – BayVBl 2004, 17, juris).
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Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bewerbern um eine Beförderungsstelle sind in erster Linie auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu stützen, denn sie bilden den gegenwärtigen bzw. zeitnah zurückliegenden Stand ab und können somit am besten als Grundlage für die Prognose dafür dienen, welcher der Konkurrenten die Anforderungen der zu besetzenden Stelle voraussichtlich am besten erfüllen wird (BVerwG, B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3/11 – NVwZ-RR 2012, 71; vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B.v. 18.6.2012 – 3 CE 12.675 – BayVBl 2013, 335, juris; VG München, B.v. 26.10.2012 – M 5 E 12.3882 – juris; B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris).
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Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist (BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 21). Bei einem Vergleich der ausgewiesenen Gesamturteile sind etwaige nach dem Beurteilungssystem vorgesehene „Binnendifferenzierungen“ innerhalb einer Note oder Notenstufe mit zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 17.2.2003 – 2 C 16.02 – juris Rn. 13; OVG NW, B.v. 1.8.2011 – 1 B 186/11 – juris Rn. 11).
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Einwendungen gegen die Beurteilung können unmittelbar in einem Bewerbungsverfahren als auch in einem gegebenenfalls sich daran anschließenden Konkurrentenstreitverfahren geltend gemacht werden (vgl. BayVGH, B.v. 28.2.2014 – 3 CE 14.32 – juris Rn. 25; BVerwG, U.v. 18.4.2002 – 2 C 19/01 – juris Rn. 15). Erweist sich eine Beurteilung, die Grundlage eines Vergleichs zwischen den Bewerbern um ein Beförderungsamt ist, als fehlerhaft, hat das Gericht den Dienstherrn zu verpflichten, bis zu einer erneuten Auswahlentscheidung den Dienstposten nicht mit dem Beigeladenen zu besetzen, wenn das Ergebnis des Auswahlverfahrens auf der fehlerhaften Grundlage beruhen kann. Dementsprechend ist die – mögliche – Fehlerhaftigkeit einer Beurteilung bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu beachten, wenn sie Einfluss auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens haben kann (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.2004 – 2 VR 3/03 – juris Rn. 11). Dabei ist nicht nur die dem Leistungsvergleich zugrundeliegende dienstliche Beurteilung des unterlegenen Bewerbers zu überprüfen, sondern auch die des ausgewählten Konkurrenten. Der im Auswahlverfahren unterlegene Mitbewerber hat einen grundsätzlichen Anspruch darauf, dass die für die Auswahlentscheidung maßgebliche dienstliche Beurteilung des ausgewählten Konkurrenten – ebenso wie eine als fehlerhaft angesehene eigene Beurteilung – einer inzidenten rechtlichen Überprüfung unterzogen wird. Ansonsten wäre der Rechtsschutz des unterlegenen Bewerbers in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise erschwert und eine effektive Kontrolle darüber nicht gewährleistet, ob das Auswahlverfahren den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprochen hat (vgl. BVerfG, B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – ZBR 2008, 164, juris Rn. 13; BVerwG, U.v. 21.8.2003 – 2 C 14/02 – BVerwGE 118, 370, juris Rn. 23; OVG Magdeburg, B.v. 18.8.2011 – 1 M 65/11 – ZBR 2012, 106, juris Rn. 8; OVG Greifswald, B.v. 2.9.2009 – 2 M 97/09- juris Rn. 12; OVG Münster, B.v. 6.5.2008 – 1 B 1786/07 – juris Rn. 45; vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 1.12.2015 – 3 CE 15.1947 – juris Rn. 28 f.).
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b) Die Pflicht zur Begründung einer dienstlichen Beurteilung folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) sowie aus der Funktion der dienstlichen Beurteilung, eine tragfähige Grundlage für eine an den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG orientierte Auswahlentscheidung zu vermitteln (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2017 – 2 C 21.16 – BVerwGE 157, 366, juris Rn. 62; U.v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – BVerwGE 153, 48, juris Rn. 12). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat die Begründung des Gesamturteils schon in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen (BVerwG, U.v. 7.10.2023 – 2 A 7/22 – BVerwGE 180, 292, juris Rn. 32). Sie ist materieller Bestandteil der dienstlichen Beurteilung selbst und kann nicht erst im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden (BVerwG, B.v. 21.12.2016 – 2 VR 1.16 – juris Rn. 41 und U.v. 2.3.2017 – 2 C 51.16 – juris Rn. 16 ff.).
27
Eine konkrete Begründung bereits in der Regelbeurteilung ist insbesondere dann geboten, wenn das Gesamturteil der aktuellen Regelbeurteilung wesentlich von dem Gesamturteil der vorhergehenden Regelbeurteilung abweicht (BVerwG, B.v. 21.12.2016 – 2 VR 1.16 – juris Rn. 33; U.v. 9.9.2021 – 2 A 3.20 – juris Rn. 35; VGH BW, B.v. 27.1.2021 – 4 S 2364/20 – juris Rn. 11). Nur auf diese Weise ist die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und kann das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden (BVerwG, U.v. 12.10.2023 – 2 A 7/22 – juris Rn. 34).
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In der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Leistungssprung oder Leistungsabfall in einer nachfolgenden dienstlichen Beurteilung zu begründen und ggf. zu plausibilisieren ist (siehe nur BVerwG, B.v. 7.1.2021 – 2 VR 4/20 – NVwZ 2021, 1551, juris Rn. 40 f. m.w.N.; OVG RhPf, B.v. 2.7.2014 – 10 B 10320/14 – NVwZ-RR 2014, 809 Rn. 16 ff.; OVG NW, B.v. 28.1.2020 – 6 B 1120/19 – DÖD 2020, 185 Rn. 105 ff.).
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Dabei gilt bei Anlassbeurteilungen in einem Regelbeurteilungssystem, dass je kürzer der betrachtete Zeitraum seit der letzten Regelbeurteilung ist und je größer der einem Bewerber nunmehr attestierte Bewertungsunterschied ausfällt, den Beurteiler desto mehr die Pflicht trifft, einen solchen Leistungssprung oder -abfall zu begründen und ggf. zu plausibilisieren (vgl. BVerwG, B.v. 7.1.2021 – 2 VR 4/20 – juris Rn. 40; U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – BVerwGE 165, 305 Rn. 41; B.v. 22.11.2012 – 2 VR 5.12 – BVerwGE 145, 112 Rn. 30; B.v. 2.7.2020 – 2 A 6.19 – ZBR 2020, 346, juris Rn. 11).
30
Ob in einer dienstlichen Beurteilung ein besonders begründungsbedürftiger Leistungssprung anzunehmen ist, bestimmt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls. Mit einzubeziehen ist insbesondere der Umfang der attestierten Leistungssteigerung und die Dauer des Beurteilungszeitraums (vgl. BVerwG, B.v. 7.1.2021 – 2 VR 4/20 – NVwZ 2021, 1551, juris Rn. 40 ff.). Regelmäßig kommt der in einer vorangegangenen Regelbeurteilung enthaltenen Aussage zum seinerzeit bestehenden Leistungs- und Befähigungsstand eine längere Aktualität in dem Sinne zu, dass – insbesondere bei gleichbleibendem Dienstposten und Statusamt – ein deutlicher Leistungssprung oder Leistungsabfall die Ausnahme ist und einer umso mehr in die Tiefe gehenden Begründung sowie gegebenenfalls Plausibilisierung bedarf, je kürzer der Beurteilungszeitraum und je größer der Notensprung ist (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – BVerwGE 165, 305, juris Rn. 41; B.v. 22.11.2012 – 2 VR 5.12 – BVerwGE 145, 112, juris Rn. 30 [jew. zu Bewertungsunterschieden zwischen Regel- und Anlassbeurteilung]; VGH BW, B.v. 17.3.2020 – 4 S 54/20 – juris Rn. 21).
31
Das Erfordernis, verbale Hinweise oder Erläuterungen in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen hat der Gesetzgeber für diejenigen Einzelmerkmale vorgesehen, deren Bewertung sich gegenüber der letzten periodischen Beurteilung wesentlich verschlechtert hat oder bei denen sich die Bewertung auf bestimmte Vorkommnisse gründet (Art. 59 Abs. 1 Satz 5 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen – Leistungslaufbahngesetz / LlbG). Die für die Bildung des Gesamturteils wesentlichen Gründe sind in den ergänzenden Bemerkungen darzulegen (Art. 59 Abs. 2 Satz 2 LlbG).
32
Eine nähere Konkretisierung, ab wann von einer wesentlichen Verschlechterung auszugehen ist, nimmt der Gesetzgeber nicht vor. Auch die Gesetzesbegründung zum „Neuen Dienstrecht“ enthält keinen Hinweis darauf, ab wann von einer wesentlichen Verschlechterung auszugehen ist (LT-Drs. 16/3200, S. 561 f.). Dementsprechend hat das Gericht den Begriff der Wesentlichkeit vor dem Hintergrund auch der aktuellen höchstgerichtlichen Rechtsprechung auszulegen.
33
4. Nach diesen Grundsätzen leidet die Auswahlentscheidung an einem Rechtsfehler. Die zum Leistungsvergleich herangezogene Anlassbeurteilung des Antragstellers vom 11. Oktober 2024 stellt keine rechtlich taugliche Vergleichsgrundlage für die streitgegenständliche Auswahlentscheidung dar. Denn der Dienstherr hat den gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Bewertungsspielraum bei der Erstellung der dienstlichen Beurteilung dadurch überschritten, dass er ein im Vergleich zur vorhergehenden periodischen dienstlichen Beurteilung wesentlich schlechteres Gesamtprädikat vergeben hat, ohne dies in der Beurteilung nach den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Vorgaben hinreichend zu begründen.
34
a) Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle von Beurteilungen beschränkt sich auf die Prüfung, ob und inwieweit der Beurteiler einen unrichtigen und unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, ob er den gesetzlichen Rahmen oder anzuwendende Begriffe verkannt hat, ob er allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat oder ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten ist (vgl. BVerwG, U.v. 21.3.2007 – 2 C 2/06 – juris; BayVGH, B.v. 11.3.2013 – 3 ZB 10.602 – juris; B.v. 1.12.2015 – 3 CE 15.1947 – juris Rn. 27).
35
Diesen Bewertungsspielraum hat der Dienstherr überschritten, indem er den Antragsteller in der Anlassbeurteilung vom 11. Oktober 2024 wesentlich schlechter bewertet hat als in der vorangegangenen periodischen dienstlichen Beurteilung vom 1. Januar 2022, ohne diesen Leistungsabfall in der Beurteilung entsprechend der in der Rechtsprechung entwickelten Vorgaben zu begründen.
36
Während der Antragsteller in seiner periodischen dienstlichen Beurteilung vom 1. Januar 2022 (Beurteilungszeitraum: 1.1.2019 bis 31.12.2021) im Statusamt A 9 + Z das Beste der fünf vergebbaren Gesamturteile (vgl. Kap. III, Ziff. 2, S. 79 der Beurteilungsrichtlinien der Antragsgegnerin [Dienstliche Beurteilung bei der Landeshauptstadt München, Stand: November 2023, im Folgenden: Beurteilungsrichtlinien]) erhielt, erzielt er in der nachfolgenden Anlassbeurteilung vom 11. Oktober 2024 nach einer Beförderung in das Statusamt A 10 zum 1. Januar 2023 das drittbeste von fünf vergebbaren Gesamturteilen.
37
Bei dieser Absenkung handelt es sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, darunter des Umfangs der attestierten Leistungssteigerung und der Dauer des Beurteilungszeitraums, nicht nur um eine auf Rüge hin zu plausibilisierende Leistungsverschlechterung, sondern um einen massiven Leistungsabfall, der gesondert zu begründen ist (vgl. BVerwG, B.v. 7.1.2021 – 2 VR 4/20 – NVwZ 2021, 1551, juris Rn. 40 ff.). In einem fünfstufigen Bewertungssystem stellt sich – verglichen beispielsweise mit einem 16-stufigen Bewertungssystem – bereits eine Verschlechterung um eine Bewertungsstufe als relativ gravierend dar. Eine wesentliche Verschlechterung wird in einem 16-Punkte-Beurteilungssystem angenommen ab einer Veränderung der Einzelmerkmale um mindestens drei Punkte (vgl. Abschnitt 3, Ziff. 6.2.3, Sätze 3 bis 5 der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 13. Juli 2009, FMBl. S. 190, im Folgenden: VV-BeamtR). Übertragen auf das einschlägige fünfstufige Bewertungssystem ist eine Verschlechterung um zwei Bewertungsstufen wesentlich. Bei einer Herabstufung um zwei von fünf Notenstufen kann nicht mehr von einer (lediglich marginalen) Leistungsverschlechterung die Rede sein.
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Dies wird auch durch die Beschreibung der fünf Gesamturteile in den Beurteilungsrichtlinien der Antragsgegnerin (S. 110 der Beurteilungsrichtlinien) deutlich. Hiernach handelt es sich beim ersten Gesamturteil „Übertrifft die Anforderungen in herausragender Weise“ um eine Bewertung, die eine Höchstleistung kennzeichnet, bei der die mit dem Arbeitsplatz verbundenen Anforderungen bestmöglich übertroffen werden. Dieses Prädikat wird nur an eine Spitzenkraft vergeben, die hohes Potenzial auch für ggf. sich ändernde Aufgabenfelder besitzt. Dieses Gesamtprädikat einer Spitzenkraft erhielt der Antragsteller noch in seiner periodischen dienstlichen Beurteilung vom 1. Januar 2022. In der nachfolgenden Anlassbeurteilung vom 11. Oktober 2024, die einen Beurteilungszeitraum von 28 Monaten abdeckt, wovon 16 Monate auf die Zeit im höheren Statusamt entfallen, wurde das dritte Gesamturteil „erfüllt die Anforderungen in vollem Umfang“ vergeben, das ausweislich der Beurteilungsrichtlinien eine „Normalleistung“ zum Ausdruck bringt. Aus dieser Beurteilung lässt sich jedoch nicht entnehmen, wieso der Antragsteller, der in der Vorbeurteilung noch das Spitzenprädikat erhalten hat, nun lediglich durchschnittlich zu bewerten gewesen sein soll. Der Wechsel der Beurteilung von einer Höchstleistung zu einer Normalleistung ist nicht nachvollziehbar.
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Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass regelmäßig der in der vorangegangenen Regelbeurteilung enthaltenen Aussage zum seinerzeit bestehenden Leistungs- und Befähigungsstand eine längere Aktualität in dem Sinne zukommt, dass – insbesondere bei gleichbleibendem Dienstposten und Statusamt – ein deutlicher Leistungssprung oder Leistungsabfall die Ausnahme ist und einer umso mehr in die Tiefe gehenden Begründung sowie gegebenenfalls Plausibilisierung bedarf, je kürzer der Beurteilungszeitraum und je größer der Notensprung ist (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – BVerwGE 165, 305, juris Rn. 41; B.v. 22.11.2012 – 2 VR 5.12 – BVerwGE 145, 112, juris Rn. 30; VGH BW, B.v. 17.3.2020 – 4 S 54/20 – juris Rn. 21).
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Es handelt sich – wie bereits dargestellt – um einen nicht unwesentlichen Punktesprung. Dabei ist vorliegend zwar zu berücksichtigen, dass beim Antragsteller das Statusamt nicht gleichgeblieben ist, sondern er zum 1. Januar 2023 und damit während des Beurteilungszeitraums der Anlassbeurteilung befördert worden ist. Allerdings ist der Dienstposten als Fachbereichsleiter Logistik, den der Antragsteller seit 1. Juli 2021 innehat, – soweit aus den Akten ersichtlich – gleichgeblieben, sodass keine neue Aufgabenwahrnehmung eingetreten sein dürfte. Außerdem ist der Beurteilungszeitraum der Anlassbeurteilung (28 Monate) um acht Monate kürzer als der der vorangegangenen periodischen dienstlichen Beurteilung (36 Monate). Unter diesen Umständen bedarf eine derartige Herabstufung einer Begründung, weil nur so das neue, in erheblichem Ausmaß verschlechterte Gesamturteil vom betroffenen Beamten nachvollzogen werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.2016 – 2 VR 1.16 – BVerwGE 157, 168, juris Rn. 33).
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Es wäre durchaus möglich gewesen, verbale Bemerkungen zu einer wesentlichen Verschlechterung in der Bemerkungsspalte der Anlassbeurteilung aufzunehmen. Damit im Einklang sehen die Beurteilungsrichtlinien der Antragsgegnerin in Kap. III, Ziff. 8.3.1 (S. 90 ff.) vor, dass verbale Bemerkungen in der Bemerkungsspalte immer zulässig sind und bei den jeweiligen Kompetenzen vorzunehmen sind, deren Bewertung sich gegenüber der letzten periodischen Beurteilung wesentlich verschlechtert hat. Solche verbalen Bemerkungen zur Verschlechterung finden sich in der Anlassbeurteilung nicht.
42
Sofern die Antragsgegnerin darauf verweist, dass eine Begründung für die Verschlechterung des Gesamtprädikats um zwei Punkte nicht habe erfolgen müssen, da aus der Beurteilung hervorgehe, dass diese in einer höheren Besoldungsgruppe erfolgt sei, womit ein strengerer Maßstab anzulegen gewesen sei, so verfängt dies nicht.
43
Zwar ist es richtig, dass die Rechtsprechung für den Fall einer Beförderung während des Beurteilungszeitraums eine sog. Regelabsenkung für zulässig erachtet hat. Dies hat den Hintergrund, dass der allgemeine Erfahrungssatz besteht, wonach mit einem höheren Statusamt die Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben verbunden ist, die im allgemeinen gegenüber einem niedrigeren Statusamt gesteigerte Anforderungen beinhalten und mit einem größeren Maß an Verantwortung verbunden sind (vgl. BVerfG, B.v. 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 – juris Rn. 59; BayVGH, U.v. 20.8.2020 – 6 B 18.2657 – juris Rn. 22; OVG RP, B.v. 12.9.2000 – 10 A 11056/00 – juris; OVG NW, B.v. 4.8.2010 – 6 B 603/10 – juris Rn. 7 ff.; NdsOVG, U.v. 9.2.2010 – 5 LB 497/07 – juris Rn. 11). Hieraus folgt, dass eine Absenkung der Leistungsbeurteilung gegenüber einer vorherigen Beurteilung im Fall einer Beförderung grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Ein Automatismus, der stets zu einer Regelabsenkung führt, ist hierdurch gleichwohl nicht zulässig (ThürOVG, B.v. 30.5.2012 – 2 EO 890/11 – juris Rn. 31; VG Bayreuth, GB v. 18.4.2023 – B 5 K 22.138 – juris Rn. 26).
44
Daneben geht die Rechtsprechung zum Vergleich von dienstlichen Beurteilungen im Rahmen einer Stellenbesetzung regelmäßig davon aus, dass die Einschätzung des Dienstherrn, dass die im höheren Statusamt erzielte, um einen Punkt niedrigere Gesamtbewertung eines Bewerbers in etwa gleichwertig ist mit der um einen Punkt besseren, dafür im niedrigeren Statusamt erzielten Gesamtbewertung eines anderen Bewerbers, von der dem Dienstherrn zukommenden Einschätzungsprärogative gedeckt ist (vgl. BayVGH, B.v. 1.2.2008 – 3 CE 07.3227 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 10.11.2015 – 3 CE 15.2044 – juris Rn. 31; B.v. 28.5.2010 – 3 CE 10.748 – juris Rn. 62).
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Aus diesen Grundsätzen kann abgeleitet werden, dass eine Beförderung im Beurteilungszeitraum – bei konstanter Leistung des Beamten – in der Regel zu einem Abfall der Punktewerte in den Einzelmerkmalen sowie im Gesamturteil führen kann. Die aus der Beförderung folgende Konsequenz, dass der Vergleich anhand einer stärkeren Vergleichsgruppe vorgenommen wird, wird regelmäßig eine Begründung dafür sein, dass der Beamte sich im Vergleich zur Vorbeurteilung im niedrigeren Statusamt in den Einzelmerkmalen sowie im Gesamturteil verschlechtert hat. Zu berücksichtigen sind jedoch stets die Umstände des Einzelfalles (BVerfG, B.v. 17.2.2017 – 2 BvR 1558/16 – juris Rn. 21). Dementsprechend kann eine Beförderung im Beurteilungszeitraum in der Regel ein nachvollziehbares Begründungselement für eine Verschlechterung darstellen.
46
Allerdings ist in der Anlassbeurteilung des Antragstellers eine derartige Begründung, die auf die im höheren Statusamt vorliegenden gesteigerten Anforderungen verweist, nicht vorhanden und kann, da sie materieller Bestandteil der dienstlichen Beurteilung zu sein hat, auch nicht erst im Klageverfahren nachgeschoben werden (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.2016 – 2 VR 1.16 – juris Rn. 41 und U.v. 2.3.2017 – 2 C 51.16 – juris Rn. 16 ff.).
47
Darüber hinaus trägt der bloße Hinweis der Antragsgegnerin, wonach der Antragsteller infolge seiner Beförderung erstmals an einer starken Vergleichsgruppe zu messen sei, eine wesentliche Verschlechterung nicht (vgl. BVerwG, U.v. 12.10.2023 – 2 A 7/22 – juris Rn. 43). Je höher der Bewertungsunterschied ausfällt, desto weniger ist es nachvollziehbar, dass eine Leistungsabsenkung „nur“ auf der Beförderung beruht und desto eher ist es für die Nachvollziehbarkeit erforderlich, dass mehrere Begründungselemente vorliegen, die die Absenkung begründen. Eine derartige Begründung findet sich in der Anlassbeurteilung des Antragstellers nicht.
48
b) Eine Auswahl des Antragstellers erscheint insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieser in seiner vorhergehenden periodischen dienstlichen Beurteilung ein um zwei Punkte besseres Gesamtprädikat als in der Anlassbeurteilung erzielt hat, ernstlich möglich (vgl. hierzu nur: BVerfG, B.v. 21.12.2016 – 2 VR 1.16 – BVerwGE 157, 168, juris Rn. 43; BayVGH, B.v. 8.1.2018 – 3 CE 17.2188 – juris Rn. 1 f.). Es ist nicht vorhersehbar, ob und wenn ja mit welchen Bewertungen eine neue Anlassbeurteilung für den Antragsteller erstellt werden wird.
49
c) Da der Eilantrag bereits aus diesem Grund Erfolg hat, kommt es auf die übrigen von der Antragstellerseite vorgetragenen Gesichtspunkte nicht entscheidungserheblich an.
50
Es ist äußerst zweifelhaft, ob für den Antragsteller und den Beigeladenen Anlassbeurteilungen überhaupt zu erstellen waren. Anlassbeurteilungen sind im Regelbeurteilungssystem grundsätzlich restriktiv zu handhaben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann Bedarf für eine Aktualisierung der Beurteilungsgrundlage insbesondere dann entstehen, wenn der Beamte nach dem Stichtag der letzten (regulären oder aktualisierten) periodischen Beurteilung wesentlich andere Aufgaben (qualitatives Element) während eines erheblichen Zeitraums (zeitliches Element) wahrgenommen hat (BVerwG, B.v. 2.7.2020 – 2 A 6.19 – juris Rn. 12; U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 38, 41 ff., 49 ff.; BayVGH, B.v. 6.3.2024 – 3 CE 23.2302 – juris Rn. 8). Inwieweit diese Elemente bei den beiden Bewerbern erfüllt sind, ist höchst fraglich. Eine nicht erforderliche Anlassbeurteilung darf nicht für einen Leistungsvergleich herangezogen werden (BVerwG, B.v. 2.7.2020, a.a.o., juris Rn. 12; B.v. 7.1.2021 – 2 VR 4/20 – ZBR 2021, 342, juris Rn. 45; BayVGH, B.v. 16.11.2022 – 3 CE 22.1887 – NVwZ-RR 2023, 333, juris Rn. 16).
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5. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten unter Billigkeitsgesichtspunkten selbst, da er sich mangels Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
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6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 bis 4 Gerichtskostengesetz (GKG) – ein Viertel der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen. Das ergibt bei der im Streit stehenden Stelle der Besoldungsgruppe A 11 Stufe 10 einen Betrag von 17.992,54 EUR (hier: 71.970,16 EUR / 4).