Titel:
Pflicht zur Abnahme der Vermögensauskunft trotz Ungewissheit über Existenz der Schuldnerin
Normenketten:
ZPO § 802c, § 802f
HGB § 138 Abs. 2
Leitsatz:
Der Umstand, dass die ursprüngliche Schuldnerin die H. S. GmbH & Co. KG, als aufgelöst gilt, da die einzige Komplementärin der KG wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht worden ist, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die als Titelschuldnerin ausgewiesene OHG nicht existent ist. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gerichtsvollzieher, Ablehnung, Vermögensauskunft, Kommanditgesellschaft, Aufösung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 5374
Tenor
Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, der Schuldnerin gemäß Antrag der Gläubigerin vom 12.11.2024 gemäß § 802 c ZPO die Vermögensauskunft abzunehmen.
Gründe
1
Die Erinnerung der Gläubigerin ist zulässig und begründet.
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Die Erinnerung ist zulässig.
3
Insbesondere ist die Erinnerung statthaft. Gemäß § 766 Abs. 2 ZPO steht dem Vollstreckungsgericht auch die Entscheidung zu, wenn ein Gerichtsvollzieher sich weigert, einen Vollstreckungsauftrag zu übernehmen oder eine Vollstreckungshandlung dem Auftrag gemäß auszuführen. Im vorliegenden Fall lehnte der Obergerichtsvollzieher L. die Vollstreckung mit der Begründung ab, dass zum einen die im Titel und Antrag genannte Schuldnerin nicht existent und darüber hinaus auch nicht ersichtlich sei, welche Vertretungsregelung in der (vermeintlichen) OHG gelten solle.
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Die Erinnerung ist auch begründet.
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Der Obergerichtsvollzieher L. hat der Schuldnerin die Vermögensauskunft nach §§ 802 c, 802 f ZPO abzunehmen.
6
Die allgemeinen Verstärkungsvoraussetzungen (Titel, Klausel, Zustellung) liegen vor. Insbesondere liegt dem Antrag der Gläubigerin auf Abnahme der Vermögensauskunft vom 12.11.2024 in Form des Vollstreckungsbescheids vom 25.09.2024 mit dem Aktenzeichen ...0-1-2 ein wirksamer Vollstreckungstitel gegen die Schuldnerin, die H. S. OHG, ..., ..., zugrunde.
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Die Gründe, auf die der zuständige Obergerichtsvollzieher seine Ablehnung hinsichtlich der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen, insbesondere der Abnahme der Vermögensauskunft, gestützt hat, greifen nach Auffassung des Gerichts nicht durch. Weder der Einwand des zuständigen Gerichtsvollziehers, die Schuldnerin existiere nicht, noch der Einwand, die Vertretungsbefugnisse innerhalb der Schuldnerin, d.h. der H. S. OHG, seien nicht klar, vermag die Ablehnung der Abnahme der Vermögensauskunft zu begründen.
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Der Einwand des Obergerichtsvollziehers L., die Schuldnerin sei nicht existent, verfängt vorliegend nicht.
9
Nach § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO müssen Schuldner und Gläubiger in dem Vollstreckungstitel namentlich bezeichnet sein. Mit dieser namentlichen Bezeichnung wird die Prüfung des Vollstreckungsorgans, dass Gläubiger und Schuldner als Parteien des Zwangsvollstreckungsverfahrens mit den Personen identisch sind, für und gegen die der durch den Titel vollstreckbar gestellte Anspruch durchzusetzen ist, sichergestellt (LG München II, Beschluss vom 23.03.2006, 6 T 1103/06, Juris, Rn. 10). Eine Vollstreckung ist (nur) gegen die Personen möglich, die im Titel als Schuldner ausgewiesen sind. Gegen andere Personen darf die Vollstreckung selbst dann nicht erfolgen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass diese nach materiellem Recht zu der nach dem Titel geschuldeten Handlung verpflichtet sind (Saenger, ZPO, 10. Aufl. 2023, § 750 ZPO, Rn. 3 m.w.N.; BGH NJW 22, 393 Rn 74; NJW-RR 21, 1146 Rn 31). Im vorliegenden Fall ergibt sich eindeutig aus dem zugrunde liegenden Vollstreckungstitel, dass die Schuldnerin des der Vollstreckung zugrunde liegenden Anspruchs die … OHG ist. Aus dem Vorbringen des Gerichtsvollziehers ergeben sich nach Auffassung des Gerichts auch keine Zweifel an der Identität des Titel- bzw. Vollstreckungsschuldners. Insbesondere zwingt der Umstand, dass die ursprüngliche Schuldnerin der gegenständlichen Forderungen, die H. S. GmbH & Co. KG, als aufgelöst gilt, da die einzige Komplementärin der KG, die … Verwaltungs-GmbH, wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht worden ist, nicht zu der Annahme, dass die … OHG nicht existent ist. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass sich eine KG auch wenn dies nicht ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag bestimmt wurde, dann in eine OHG umwandelt, wenn die Gesellschafter nicht unverzüglich einen neuen Komplementär aufnehmen oder die Liquidation nicht nachhaltig betreiben (BGH NJW 1979, 1705; OLG Rostock, 3 U 271/08; jeweils m.w.N.). Ob eine derartige Umwandlung in eine OHG im vorliegenden Fall tatsächlich stattgefunden hat, ist eine Frage des Erkenntnis- und nicht des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Im Zwangsvollstreckungsverfahren allein entscheidend ist, dass der Titel gegen die OHG als Schuldnerin gerichtet ist und dass keine begründeten Zweifel an der Identität des Titel- bzw. Vollstreckungsschuldners bestehen. Letztlich zwingt auch der Umstand, dass die OHG nicht im Handelsregister eingetragen ist, nicht zu der Annahme, dass die OHG nicht existent ist. Die Eintragung einer OHG im Handelsregister ist nicht konstitutiv.
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Auch der Einwand des Obergerichtsvollziehers L., das Vermögensauskunftsverfahren könne aufgrund der unklaren Vertretungsregelung innerhalb der vermeintlichen OHG nicht ordentlich durchgeführt werden, verfängt nicht. Zwar ist vorliegend tatsächlich nicht erkennbar, ob nun gemäß dem gesetzlichen Regelfall nach § 124 Abs. 1 ZPO jeder Gesellschafter zur Vertretung befugt ist oder ob gemäß § 124 Abs. 2 HGB im Gesellschaftsvertrag die gemeinsame Vertretung durch alle oder mehrere Gesellschafter vereinbart worden ist. Allerdings besteht die Möglichkeit – sofern die Gläubiger die Vertretungsverhältnisse nicht näher darlegen können bzw. sich die Vertretungsbefugnis nicht weiter aufklären lässt – im Zweifel von gemeinschaftlicher Vertretung aller Vertreter der OHG, die sich aus dem zugrunde liegenden Vollstreckungstitel ergeben, auszugehen und alle Gesellschafter zur Abgabe der Vermögensauskunft aufzufordern.
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Im Ergebnis war der Gerichtsvollzieher daher anzuweisen, der Schuldnerin gemäß dem Antrag der Gläubigerin vom 12.11.2024 die Vermögensauskunft abzunehmen.