Inhalt

OLG München, Endurteil v. 26.02.2025 – 27 U 1463/24 Bau e
Titel:

Sicherungsbegehren des Unternehmers - Verbrauchereigenschaft einer Bauherrengemeinschaft

Normenkette:
BGB § 13, § 14, § 631 Abs. 1, § 648, § 650f Abs. 1, Abs. 6
Leitsätze:
1. Eine aus mehreren Familienmitgliedern bestehende GbR, die als Bauherrengemeinschaft zum Zwecke der Vermietung ein Mehrfamilienhaus mit 30 Wohneinheiten und Tiefgarage zu einer Vergütung von 5,5 Mio. EUR errichten lässt, ist nicht als Verbraucher iSds § 650f Abs. 6 BGB zu qualifizieren. (Rn. 28 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Kündigung des Bauvertrages steht dem Verlangen auf Gestellung einer Bauhandwerkersicherung nicht entgegen, sondern führt lediglich zu einer Absenkung des Sicherungsanspruches auf die Kündigungsvergütung. (Rn. 81) (redaktioneller Leitsatz)
3. Etwaige Mängel des Bauwerks können im Sicherungsprozess nach § 650f BGB nur berücksichtigt werden, wenn sie unstreitig sind. Eine Beweisaufnahme zur Anspruchshöhe findet nicht statt. (Rn. 83 und 92) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bauhandwerkersicherung, Verbraucherbauvertrag, Kündigung, Bauherrengemeinschaft, private Vermögensverwaltung, Vermietung, Mehrfamilienhaus, Kündigungsvergütung, Darlegung, Mängel
Vorinstanz:
LG Memmingen, Urteil vom 22.03.2024 – 33 O 941/23
Fundstelle:
BeckRS 2025, 5219

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 22.03.2024, Az. 33 O 941/23, teilweise abgeändert und in den Ziffern 1 und 6 wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, zu Gunsten der Klägerin für das Bauvorhaben auf dem Flurstück …, 30 Wohneinheiten nebst Tiefgarage, gemäß dem Werkvertrag vom 30.12.2020 Sicherheit nach § 650 f BGB in Höhe von 1.628.379,80 € zu leisten, wobei die Wahl des Sicherungsmittels nach § 650 f Abs. 2 BGB in das Ermessen der Beklagten gestellt wird.
6. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 40% und die Beklagten als Gesamtschuldner 60% zu tragen.
2. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 25% und die Beklagten als Gesamtschuldner 75% zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung in der Hauptsache durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.790.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. Die Vollstreckung wegen der Kostenentscheidung darf jede Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin nimmt die Beklagten aus einem Bauvertrag gem. § 650 f BGB auf Leistung einer Bauhandwerkersicherung sowie auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Anspruch.
2
Die Beklagten begehren zwischenfeststellungswiderklagend die Feststellung, dass es sich bei dem Bauvertrag um einen Verbraucherbauvertrag handelt sowie, dass die vom vormaligen anwaltlichen Beklagtenvertreter (Kanzlei …) mit Schreiben vom 16.05.2023 erteilte Zusage einer Bauhandwerkersicherheit (vgl. Anlage K 6) gem. § 138 BGB nichtig gewesen sei. Zudem begehren die Beklagten widerklagend die Feststellung, dass das Vertragsverhältnis wirksam durch außerordentliche Kündigung der Beklagten beendet wurde, sowie die Feststellung, dass die Beklagten sich nicht in Verzug mit zwei Abschlagszahlungen befinden würden.
3
Die Parteien schlossen unter dem Datum vom 30.12.2020 einen Bauwerkvertrag (Anlage K 1), in welchem sich die Klägerin verpflichtete, ein Mehrfamilienhaus mit 30 Wohneinheiten und Tiefgarage mit 45 Stellplätzen zu errichten. Die Beklagte zu 2, die neben dem Gesellschafter … (Beklagter zu 1) verklagt wird, ist Bauherrin und eine GbR, die aus den Familienmitgliedern Vater, Mutter und zwei Söhnen zum Zwecke der Vermögensverwaltung besteht. Der vereinbarte Werklohn beträgt – vor etwaigen Nachträgen u.Ä. – 5.575.007,20 € und wurde gem. § 3 Abs. 1 S. 1 des Bauwerkvertrages als Festpreis vereinbart. Die Klägerin hat ihre Leistung zu großen Teilen erbracht. Im Zuge der Vertragsabwicklung kam es insbesondere wegen der geforderten Sicherheitsleistung zu Unstimmigkeiten. Mit Schreiben vom 09.08.2023 kündigten die Beklagten deshalb den streitgegenständlichen Vertrag (Anlage B 13).
4
Unter Berücksichtigung der beklagtenseits erbrachten Zahlungen i.H.v. 3.118.226,92 Mio. € berechnete die Klägerin die Höhe der zu leistenden Sicherheit auf 2.735.678,31 € (offener Werklohn i.H.v. 2.486.980,28 € zzgl. 10%).
5
Das Landgericht hat dem Sicherungsverlangen in Höhe von 2.167.095,70 € teilweise stattgegeben und die Zwischenfeststellungwiderklage sowie die Widerklage der Beklagtenseite abgewiesen. Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass der klägerische Anspruch auf § 650 f BGB beruhe. Die Frage der Abnahme könne dahinstehen, da eine Bauhandwerkersicherung auch nach Abnahme verlangt werden könne. Der Ausschlussgrund in § 650 f Abs. 6 BGB greife nicht, da kein Verbraucherbauvertrag vorliege. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Verbraucherbauvertrages trage der Besteller, hier die Beklagten. Die Beklagten seien eine Bauherrengemeinschaft, die Vermögensverwaltung betreibe. In der Zusammenschau der Gesamtumstände, insbesondere der Größe des vorliegenden Objekts (30 einzelne Wohneinheiten mit Tiefgaragenstellplätzen), und dem bereits bestehenden und zu verwaltenden vermieteten Immobilienbesitz der Beklagten (16-Wohneinheiten-Objekt, weiteres 3-Wohneinheiten-Objekt, Finanzierung mit 100% Fremdmitteln, …) sei von einem unternehmerischen Handeln mit dem Erfordernis eines planmäßigen Geschäftsbetriebs auszugehen. § 650 f BGB sei daher einschlägig. Auf die mit Schreiben vom 16.05.2023 vom vormaligen anwaltlichen Vertreter der Beklagten erfolgte „Bestätigung“/“Anerkenntnis“ einer Verpflichtung der Beklagtenseite zur Stellung einer Sicherheit (Anlage K 6) komme es daher nicht mehr entscheidend an. Gleiches gelte für die vertragliche Vereinbarung in § 5 Abs. 2 des Bauvertrages, in der die Parteien die Erbringung einer Sicherheit vor Baubeginn vereinbart haben. Da die entsprechende Sicherung nicht vertragskonform erbracht worden sei, sei keine Erfüllung eingetreten, womit § 650 f BGB weiterhin einschlägig bleibe. Hinsichtlich der Berechnung der Sicherheit habe die Klägerin – u.a. durch Rückgriff auf Feststellungen eines Privatsachverständigen (Anlage K 12, K 13) – schlüssig vorgetragen. Aufgrund der Natur des Sicherungsanspruches habe eine Beweisaufnahme zur Anspruchshöhe nicht stattzufinden. Eine Treuwidrigkeit oder ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Klägerseite sei nicht erkennbar. Soweit die Beklagtenseite Baumängel rüge, dürften diese nicht in den Prozess betreffend das Sicherungsverlangen nach § 650 f BGB vorverlagert werden.
6
Die Zwischenfeststellungswiderklage sei unbegründet, da ein Verbraucherbauvertrag nicht vorliege und die behaupteten Voraussetzungen des § 138 BGB bezüglich der Zusage des ursprünglichen anwaltlichen Vertreters der Beklagten hinsichtlich der Stellung einer Sicherheit nicht vorlägen.
7
Die Feststellungswiderklage (Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 09.08.2023 und fehlender Verzug hinsichtlich der 5. und 6. Rate), sei unzulässig und zum Teil auch unbegründet. Hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung fehle es bereits am Feststellungsinteresse. Konkreter Vortrag dazu, dass die Beklagten etwaige Gegenansprüche (für eine Leistungsklage) nicht berechnen könnten, sei nicht ersichtlich. Im Übrigen sei auch die außerordentliche Kündigung durch die Beklagtenseite nicht wirksam erklärt worden. Die von der Beklagtenseite ursprünglich auf den 31.08.2023 gesetzte Frist zur Wiederaufnahme der Arbeiten durch die Klägerin sei nachträglich und einseitig durch die Beklagten geändert und auf den 01.08.2023 vorverlegt worden.
8
Hinsichtlich der beiden Abschlagsrechnungen könnten einzelne, sich aus einem Rechtsverhältnis ergebende Rechte und Pflichten Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht aber bloß Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, reine Tatsachen oder etwa die Wirksamkeit von Willenserklärungen oder die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens. Der Schuldnerverzug sei bloßes Element eines Rechtsverhältnisses und damit nicht feststellungsfähig.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen und die ausführliche Tatbestandsdarstellung im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
10
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die mit Schriftsatz vom 27.06.2024 (Bl. 7 d. BerA) beantragen,
das angefochtene Urteil des Landgerichts Memmingen vom 22.03.2024, Az. 33 O 941/23, abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen, und im Übrigen entsprechend den erstinstanzlichen Schlussanträgen der Beklagten und Widerkläger zu erkennen.
11
Hilfsweise wird beantragt,
das angefochtene Urteil des Landgerichts Memmingen vom 22.03.2024, Az. 33 O 941/23, aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Memmingen zurückzuverweisen.
12
Zur Begründung ihres Rechtsmittels tragen die Beklagten im Wesentlichen vor, dass eine Überraschungsentscheidung vorliege und das Erstgericht seine Hinweispflicht verletzt habe. In der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2023 habe das Erstgericht darauf hingewiesen, dass es derzeit von der Verbrauchereigenschaft der Beklagten ausgehe. Der Hinweis sei zwar nicht im Protokoll enthalten, habe aber gleichwohl einen entsprechenden Vertrauenstatbestand bei der Beklagtenseite erzeugt. Von diesem Hinweis sei das Erstgericht im Endurteil abgerückt und habe die Verbrauchereigenschaft einfach verneint.
13
Zudem habe das Erstgericht den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Angebotene Beweise zur Verbrauchereigenschaft, insbesondere Sachverständigenbeweis, eine Einvernahme des Steuerberaters der Beklagten, Augenschein sowie eine Parteieinvernahme der Beklagtenseite, seien nicht erhoben worden.
14
Weiter habe sich das Erstgericht unzureichend mit dem Regelungsgehalt des § 650 f BGB auseinandergesetzt. Ausweislich der Gesetzesmaterialien habe der Gesetzgeber gewollt, dass auch die private Vermögensbildung und -verwaltung privilegiert sei. Solche Bauherren seien von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung befreit. Der entsprechende Beklagtenvortrag im Schriftsatz vom 14.02.2024 sei zwar nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt, enthalte jedoch rechtliche Ausführungen, die stets zu beachten seien.
15
Im Zusammenhang mit der Prüfung eines etwaigen Sicherungsanspruches der Klägerin aus § 5 Abs. 2 des Werkvertrages (Anlage K 1) habe das Erstgericht die Anlage K 6 einschließlich Anlagen und die dort enthaltene Finanzierungsbestätigung der kreditgebenden Bank fehlerhaft interpretiert. Es liege eine Auszahlungsbestätigung vor, womit die vertragliche (Sicherungs-)Vereinbarung erfüllt worden sei.
16
Ein klägerischer Anspruch aufgrund anwaltlicher Zusage/Anerkenntnisses vom 16.05.2023 (Anlage K 6) durch den vorherigen Bevollmächtigten der Beklagten liege ebenfalls nicht vor.
17
Auch in Bezug auf die Höhe des Sicherungsverlangens sei das Urteil rechtsfehlerhaft. Es sei zwar zutreffend, dass eine Beweisaufnahme zur Anspruchshöhe im Sicherungsprozess grundsätzlich nicht stattzufinden habe. Notwendig bleibe jedoch eine schlüssige Darstellung der notwendigen Sicherheit. Vorliegend sei keine Urkalkulation vorgelegt worden. Die klägerseits verwendete Aufgliederung sei zu grob und daher nicht prüfbar. Die erfolgte rein prozentuale Darstellung des Bautenstands sei unzureichend und in der dargebotenen Form nicht schlüssig. Da den beklagtenseits erhobenen Einwendungen nicht mittels Sachverständigengutachtens nachgegangen worden sei, liege auch insoweit ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör vor.
18
Das klägerische Sicherungsbegehren bleibe in Anbetracht der Vielzahl der Mängel auch treuwidrig. Der Ausgangspunkt des Erstgerichts, dass Mängel grundsätzlich nicht in die Abwägung, ob eine Sicherheitsleistung zu erfolgen hat, einzustellen sind, sei zutreffend. Allerdings gebe es auch Ausnahmen, wenn grobe und erhebliche Mängel vorliegen. So sei bereits erstinstanzlich unter Beweisantritt vorgetragen worden, dass das Gebäude zu tief gebaut worden sei. Weitere Mängel seien vorgetragen und durch (Privat-)Gutachten belegt worden (Anlagen B 5 und B 9). Zwischenzeitlich seien zusätzliche Mängel durch weitere – nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz konsultierte – Privatsachverständige festgestellt worden (Anlagen BK 2 und 3). Aufgrund des Hinweises des Gerichts, dass von einer Verbrauchereigenschaft ausgegangen werde, und des „Näherrückens des Verkündungstermins“ seien diese Gutachten erstinstanzlich nicht früher vorgelegt worden.
19
Die Zwischenfeststellungswiderklage der Beklagten sei unzutreffend abgewiesen worden. Zum einen liege ein Verbraucherbauvertrag vor. Zum anderen sei die anwaltliche Zusage/das Anerkenntnis vom 16.05.2023 (Anlage K 6) durch den vorherigen Bevollmächtigten der Beklagten, dass ein Sicherungsanspruch der Klägerin bestehe, gemäß § 138 BGB nichtig. Folglich bestehe auch ein Feststellungsinteresse der Beklagten.
20
Auch die Abweisung der Feststellungswiderklage (Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung sowie Nichtbestehen des Beklagtenverzugs mit der 5. und 6. Rate) sei rechtsfehlerhaft erfolgt. Die Feststellungswiderklage sei tatsächlich zulässig und auch begründet. Das Erstgericht habe auch hier seine Hinweispflicht aus § 139 ZPO verletzt. Wären Hinweise erteilt worden, hätte die Beklagtenseite sich insbesondere weiter zum Feststellungsinteresse eingelassen. Insbesondere hätten die Beklagten dann darauf abgestellt, dass die Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses mit der aufwändigen Berechnung von Schadenspositionen in Anbetracht der Vielzahl an Baumängeln verbunden gewesen wäre. Die Wertung des Erstgerichts, dass die Widerklage zum Ziel habe, eine Beweisaufnahme zu „erzwingen“ und dadurch die Durchsetzung des Anspruchs nach § 650 f BGB zu verhindern, treffe nicht zu. Es liege insoweit auch eine Überraschungsentscheidung vor. Soweit das Erstgericht die gesetzte Frist zur Wiederaufnahme der Arbeiten thematisiert, werde zudem verkannt, dass tatsächlich von Anbeginn an eine Frist auf den 01.08.2023 gesetzt worden sei. Es liege lediglich ein Schreibversehen vor. Dem sei die Klägerin weder rechtzeitig noch ausdrücklich entgegengetreten. Auch die Angemessenheit der Frist sei klägerseits nicht bestritten worden.
21
Auch der Widerklageantrag bezüglich der Abschlagsrechnungen Nummer 5 und 6 sei zulässig und begründet. Die Klägerin habe sich eines entsprechenden Anspruchs aus Verzug berühmt, sodass ein entsprechendes Feststellungsinteresse bestehe.
22
Wegen des weiteren Vortrags in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung im Schriftsatz vom 27.06.2024 sowie auf den Schriftsatz vom 15.01.2025 Bezug genommen.
23
Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren (Bl. 64 f. d. BerA):
1. Die Berufung ist kostenpflichtig zurückzuweisen.
2. a. Das Urteil des Landgerichtes Memmingen bleibt aufrechterhalten.
b. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, zu Gunsten der Klägerin für das Bauvorhaben auf dem Flst. …, 30 Wohneinheiten nebst Tiefgarage gemäß dem Werkplan vom 30.12.2020 Sicherheit nach § 650f in Höhe von 2.167.095,70 € zu leisten, wobei die Wahl des Sicherungstitels nach § 650f Abs. 2 BGB in das Ermessen der Beklagten gestellt wird.
3. Die Beklagten werden verurteilt, vorgerichtliche Anwaltskosten an die Klägerin in Höhe von 3.178,35 € zu bezahlen.
4. Die Zwischenfeststellungswiderklage wird abgewiesen.
5. Die Widerklage wird abgewiesen.
24
Die Klägerin verteidigt das Ersturteil, das unter keinem Gesichtspunkt eine Überraschungsentscheidung darstelle. Das Erstgericht habe auch keinen Vertrauenstatbestand für die Beklagten und deren behauptete Verbrauchereigenschaft geschaffen. Die Rechtsfrage wurde in der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2023 eingehend erörtert, ohne dass sich das Gericht festgelegt habe. Es sei darauf hingewiesen worden, dass die Frage der Verbrauchereigenschaft einer rechtlichen Wertung unterliege. In der mündlichen Verhandlung habe das Gericht nicht die Rechtsauffassung geäußert, dass die Verbrauchereigenschaft der Beklagten vorläge. Lediglich die Frage der Beweislast wurde erörtert, ohne dass sich das Gericht hinsichtlich der Verbrauchereigenschaft festgelegt habe. Ein Überraschungsurteil liege auch deshalb fern, weil sich die Beklagtenseite im Schriftsatz vom 08.12.2023 mit allen relevanten Gesichtspunkten hinsichtlich der Frage der Verbrauchereigenschaft (Widerrufsbelehrung, Kreditverträge, Stellungnahme Steuerberater, Fremdfinanzierung, …) beschäftigt habe. Auch die Rügen zu übergegangenen Beweisangeboten würden ins Leere laufe. Ob die Verwaltung der streitgegenständlichen Immobilie einen geschäftsmäßigen Betrieb erfordere oder nicht, sei nicht durch Sachverständigenbeweis zu klären, sondern betreffe eine Rechtsfrage, die das Gericht auf der Grundlage des Parteivortrages zu entscheiden habe. Insoweit gehe auch das Beweisangebot der Beklagtenseite auf Vernehmung von deren Steuerberater zu dessen subjektiver rechtlicher Einschätzung ins Leere. Hinsichtlich der Höhe des Sicherungsverlangens habe die Klägerin mittels Privatgutachtens (u.a. Anlage K 8) substantiiert und ausreichend vorgetragen. Der beklagtenseits mehrfach erwähnte Fertigstellungsgrad spiele lediglich eine sekundäre Rolle. Das Erstgericht habe zudem zutreffend die Wirksamkeit der beklagtenseits erklärten außerordentlichen Kündigung infrage gestellt und den klägerischen Vortrag als schlüssig erachtet. Der Einwand der Beklagten, dass keine Urkalkulation vorgelegt worden sei, gehe ins Leere. Insoweit sei auf die Anlage K 12 hinzuweisen. Auch der wiederholende Hinweis der Beklagtenseite auf eine Treuwidrigkeit des Sicherungsverlangens bzw. ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen angeblicher Mängel gehe ins Leere. In Einklang mit der gesetzlichen Normierung habe das Erstgericht ausgeführt, dass diese auf das Sicherungsverlangen keine Auswirkungen haben. Unbeschadet hiervon seien die Mängel nicht erheblich (Gebäudehöhe/Tiefgaragenabfahrt, Duplex-Parker). Dem klägerischen Sicherungsverlangen war daher entsprechend der erstinstanzlichen Entscheidung stattzugeben, da der ausstehende Werklohn der Klägerin ausweislich des Entwurfes einer Schlussrechnung, die noch nicht fällig gestellt worden sei, mehr als 2,8 Millionen € betrage.
25
Wegen des weiteren Vortrags der Klägerin in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungserwiderung im Schriftsatz vom 19.08.2024 sowie den Vortrag im Schriftsatz vom 16.01.2025 Bezug genommen.
26
Der Senat hat am 22.01.2025 mündlich verhandelt. Auf das Terminsprotokoll sowie die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
II.
27
Die Berufung der Beklagtenseite ist zulässig, hat aber in der Sache lediglich hinsichtlich der Höhe der gem. § 650 f BGB zu leistenden Sicherheit Erfolg. Hinsichtlich der beklagtenseits erhobenen Zwischenfeststellungswiderklagen (s.u. B) und Feststellungswiderklagen (s.u. C.) hat die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts Memmingen hingegen vollumfänglich Bestand. Im Einzelnen:
A. Klägerisches Sicherungsverlangen
1. Anwendbarkeit des § 650f BGB – kein Verbraucherbauvertrag von Verbrauchern
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a) Ein Bauvertrag im Sinne der Vorschrift liegt mit dem Bauwerkvertrag vom 30.12.2000 (Anlage K1) vor. Vertraglich vereinbart wurde die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 30 Wohneinheiten und Tiefgarage zum Festpreis i.H.v. 5.575.007,20 €.
29
b) Die Auftraggeberin, die Bauherrengemeinschaft … GbR, handelte dabei auch unternehmerisch und nicht als Verbraucherin. Das in § 650 f Abs. 6 BGB enthaltene Verbraucherprivileg ist nicht einschlägig. § 650 f BGB ist durch das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts geschaffen worden und auf alle Schuldverhältnisse anzuwenden, die nach dem 1.1.2018 entstehen (Art. 229 § 39 EGBGB). Anders als die Vorgängervorschrift § 648a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 aF BGB knüpft die Privilegierung nicht mehr am Vorliegen eines Einfamilienhauses an. Nach der Neuregelung ist es auch möglich, dass ein Mehrfamilienhaus vom Verbraucherprivileg erfasst wird. Dies war dem Gesetzgeber sehr wohl auch bewusst, wie die Gesetzesmaterialien zeigen, vgl. dazu Begr. RegE zum Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, BT-Drs. 18/8486, S. 58 f. (mit Hervorhebungen durch den hier erkennenden Senat):
Bisher fanden die Vorschriften zur Bauhandwerkersicherung keine Anwendung, wenn der Besteller eine natürliche Person war, der Bauarbeiten zur Herstellung oder Instandsetzung eines Einfamilienhauses mit oder ohne Einliegerwohnung ausführen ließ.
Die Neufassung knüpft an die Definition des Verbraucherbauvertrags und des Bauträgervertrags in § 650h BGB-E und § 650t BGB-E an und schafft damit für die Praxis mehr Klarheit und Rechtsicherheit hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Vorschrift, insbesondere wird klargestellt, dass auch der von einem Verbraucher geschlossene Bauträgervertrag von der Vorschrift erfasst ist. Durch die Änderung erfährt die Vorschrift eine geringfügige Ausweitung des Anwendungsbereichs gegenüber dem bisherigen § 648a Absatz 6 Nummer 2: Künftig sind auch Verträge eines Verbrauchers über den Bau eines Mehrfamilienhauses vom Verbraucherprivileg erfasst. Auch für diese Verträge gelten die Argumente, die für das Verbraucherprivileg sprechen. Die finanzielle Situation des Verbrauchers wird vor und während der Realisierung des Bauprojekts in der Regel durch die finanzierende Bank ausreichend geprüft. Kommt es nach dem Ende der Bauphase zu einer Einschränkung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bestellers, so betrifft dies in aller Regel die Ansprüche, die die finanzierende Bank gegen den Besteller hat. Probleme bei der Begleichung der Vergütungsansprüche des Unternehmers entstehen nur dann, wenn sich die Kosten für das Bauprojekt durch unvorhergesehene Ereignisse wesentlich erhöhen und sich dadurch die für das Bauprojekt vorgesehene Finanzierung als nicht ausreichend erweist. Dabei handelt es jedoch um Ausnahmefälle, für die eine gesetzliche Regelung nicht erforderlich ist.
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Die Erwägungen zeigen, dass ein Mehrfamilienhaus von der Privilegierung erfasst sein kann, aber nicht muss. § 650 f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB ist nach wie vor als Ausnahme vom gesetzlichen Regelfall anzusehen, dass Sicherheit zu leisten ist. Es ist zudem der Besteller, der die Tatsachen dafür darlegen und beweisen muss, dass er zum Kreis der privilegierten Besteller gehört (BeckOGK/Mundt, 1.10.2024, BGB § 650f Rn. 243-245). Nach Sinn und Zweck der Vorschrift beschränkt sich die Privilegierung überdies auf Fälle, bei denen die finanzielle Entwicklung des Baugeschehens in den Händen des Bestellers (und des von ihm eingeschalteten Finanzierungsinstituts) bleibt, vgl. MüKoBGB/Busche, 9. Aufl. 2023, BGB § 650f Rn. 11. Zudem ist stets erforderlich, dass der Bauherr und Besteller als Verbraucher im zivilrechtlichen Sinne gehandelt hat.
31
Vorliegend haben die Beklagten jedoch gerade nicht als Verbraucher (§ 13 BGB), sondern unternehmerisch (§ 14 BGB) gehandelt.
32
Dabei ist nicht die subjektive Bewertung oder der innere Wille der Handelnden maßgeblich, sondern der durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts, in die erforderlichenfalls die Begleitumstände einzubeziehen sind, vgl. Grüneberg-Ellenberger, BGB, 84. Aufl. 2025, § 13 Rn. 4. Entscheidend ist die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts bei Vertragsschluss, vgl. BGH NJW 2021, 2281 Rn. 75 sowie NJW 2018, 146 Rn. 41 mwN und NJW 2018, 150 Rn. 31.
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Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 20.2.2018 – XI ZR 445/17, NJW 2018, 1812 Rn. 21 f., zur Thematik Verbraucher-/Unternehmerdarlehen überzeugend herausgearbeitet, dass auch bei der Verwaltung eigener Immobilien eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt, wenn hierfür ein planmäßiger Geschäftsbetrieb erforderlich ist.
34
In der fraglichen Entscheidung wird (mit Hervorhebung durch den hier erkennenden Senat) wie folgt ausgeführt:
„Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Verwaltung eigenen Vermögens grundsätzlich keine gewerbliche Tätigkeit (Senat, BGHZ 149, 80 [86] = NJW 2002, 368 und NJOZ 2012, 887 = WM 2011, 548 Rn. 25). Zur Verwaltung eigenen Vermögens gehört generell auch der Erwerb oder die Verwaltung einer Immobilie (Senat, NJW 2002, 368). Die Aufnahme von Fremdmitteln kann insbesondere beim Immobilienerwerb der ordnungsgemäßen Verwaltung zugeordnet werden und lässt daher nicht zwangsläufig auf ein Gewerbe schließen. Das ausschlaggebende Kriterium für die Abgrenzung der privaten von einer berufsmäßigen Vermögensverwaltung ist vielmehr der Umfang der mit ihr verbundenen Geschäfte. Erfordern diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation, so liegt eine gewerbliche Betätigung vor (Senat, NJW 2002, 368).
Die Höhe der verwalteten Werte oder des Kreditbetrags ist dabei nicht maßgeblich. Handelt es sich um die Vermietung oder Verpachtung von Immobilien, so ist dementsprechend nicht deren Größe entscheidend, sondern Umfang, Komplexität und Anzahl der damit verbundenen Vorgänge. Ein ausgedehntes oder sehr wertvolles Objekt an eine geringe Anzahl von Personen zu vermieten, hält sich daher grundsätzlich im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung. Dagegen spricht die Ausrichtung auf eine Vielzahl gleichartiger Geschäfte für ein professionelles Vorgehen. Ob der mit der Vermögensverwaltung verbundene organisatorische und zeitliche Aufwand danach insgesamt das Bild eines planmäßigen Geschäftsbetriebs vermittelt, bleibt eine im Einzelfall zu beurteilende Frage (Senat, BGHZ 149, 80 [86 f.] = NJW 2002, 368).“
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Von diesen Grundsätzen ausgehend ist der Senat davon überzeugt, dass die Beklagten unternehmerisch handelten.
36
Das Handeln der Beklagten als GbR schließt dabei die Verbrauchereigenschaft nicht grundsätzlich aus (vgl. zutreffend BGH, Urteil vom 23. 10. 2001 – XI ZR 63/01, NJW 2002, 368).
37
Die anzustellende Einzelfallbetrachtung, insbesondere der Umfang, die Komplexität des Bauprojektes, das nach Erstellung an einzelne Mieter vermietet werden sollte und zum Teil auch schon wurde, die umfassende Finanzierung über Fremdmittel sowie die bei Lichte besehen kontinuierliche Fortentwicklung des namhaften Immobilienbesitzes der Familienmitglieder der Bauherrengemeinschaft, belegt jedoch unternehmerisches Handeln.
38
Die Überzeugungsbildung des Senates ergibt sich aus einer Auswertung des unstreitigen Parteivortrages bzgl. des Bauvorhabens, den vorliegenden Vertragsunterlagen und insbesondere den Erkenntnissen aus der mehrstündigen Parteianhörung im Termin vom 22. Januar 2025, in dem sämtliche Familienmitglieder und Gesellschafter der Bauherrengemeinschaft informatorisch angehört wurden. Im Einzelnen:
aa) Umfang und Komplexität des Bauvorhabens
39
Einleitend ist in Rechnung zu stellen, dass das Bauvorhaben weder technisch noch mit Blick auf den Umfang einfach gelagert war. Mit 30 Wohneinheiten und 45 Tiefgaragenstellplätzen sowie einer Gesamtwohnfläche von rund 2200 m² (vgl. Anlage K 2) war der Umfang beträchtlich und musste individualisiert für das entsprechende Grundstück geplant werden. Sowohl das Genehmigungsverfahren als auch die Eingabeplanung wurden beklagtenseits unter Hinzuziehung eines Architekten geleistet. Die nunmehr Sicherheit begehrende Klägerin konnte als Auftragnehmerin daher weder in technischer noch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht auf frühere Musterbauvorhaben zurückgreifen.
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Auch die Finanzierung des Objektes, für die Darlehensbeträge in Millionenhöhe aufgenommen und namhafte Grundschulden i.H.v. 6.200.000,00 € eingetragen werden mussten (vgl. Anlage B 2 Raiffeisenbank Biberach, Anlage BK 1 Grundbuchauszug), bedeutete einen erheblichen Aufwand, zumal dieser ausweislich der informatorischen Anhörung der Beklagten von den elterlichen Mitgliedern der Bauherrengemeinschaft allein und ohne professionelle betriebswirtschaftliche Begleitung geleistet werden musste.
41
Die Komplexität und erhebliche Bedeutung des Vorhabens wird auch dadurch verdeutlicht, dass sich die Beklagtenseite ausweislich der Angaben des Gesellschafters … bereits bei der Vertragsgestaltung anwaltlich beraten ließ. Nach einem weiteren Anwaltswechsel zur Kanzlei …, deren „Anerkenntnis“ einer Verpflichtung zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung im Prozess streitig ist, und einem nochmaligen Anwaltswechsel im gerichtlichen Verfahren ist festzustellen, dass sich zwischenzeitlich auf Beklagtenseite bereits drei Rechtsanwälte mit der Angelegenheit befassen mussten, was eine Komplexität des Vorhabens nur unterstreicht.
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Das Vorhaben war und ist auch in technischer Hinsicht anspruchsvoll, was nicht zuletzt der eingehende Streit über die Vermessungsthematik (Gebäude liegt 30 cm zu tief) belegt und im Zuge der informatorischen Anhörung auch in Bezug auf die Anlagen K 27 (Kosten Vermessungsfehler) und Anlagen B 7 und B8 (vgl. hierzu auch S. 43 der Berufungsbegründung) erörtert wurde. Für die möglicherweise gar nicht nutzbaren Duplex-Parker in der Tiefgarage (vgl. hierzu auch S. 44 der Berufungsbegründung) gilt nichts anderes.
43
In diesem Zusammenhang ist weiter zu sehen, dass das Objekt auch umfassend zu bemustern war. Die Einschätzung der Beklagtenseite, dass dies keinen Aufwand bedeutete und mehr oder weniger nach übersandten Unterlagen zu Hause gemacht werden konnte, teilt der Senat nicht. Zum einen liegt es nicht nahe und ist so auch nicht vorgetragen, dass alle Wohnungen gleich ausgestattet wurden. Nach der Lebenserfahrung – bestätigt durch die Aufstellung Teil A und B der Anlage K 12 – ist vielmehr davon auszugehen, dass sich die Wohnungen zumindest hinsichtlich der Wohnfläche unterscheiden. Die Bemusterung hat daher individuelle Vorgaben zu berücksichtigen und bedeutet bei 30 Wohnungen einen nicht unerheblichen Aufwand. Der Senat geht dabei ausdrücklich nicht davon aus, dass er von der Beklagtenseite mit der Unwahrheit bedient wurde. Nach der ausführlichen informatorischen Anhörung liegt vielmehr nahe, dass es sich bei den GbR Mitgliedern um ausgesprochen fleißige Immobilieneigentümer handelt, die ihren Immobilienbesitz mit größtem Engagement pflegen und hierfür tatsächlich auch mehr Aufwand investieren, als ihnen möglicherweise subjektiv bewusst ist. So musste der Gesellschafter … auf konkreten Vorhalt eingestehen, dass die Bemusterung gerade nicht nur von zu Hause aus mittels Muster, Katalogen o.Ä. erfolgte, sondern dass sehr wohl konkrete Bemusterungstermine bei Handwerkern stattfanden.
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Ein Bauvorhaben der vorliegenden Größenordnung von 30 Wohneinheiten erfordert auch eine professionelle Baubegleitung und ein Mängelmanagement. Soweit die Beklagtenseite vorträgt, dass ein solches nicht vorgenommen wurde bzw. die Eltern der Familie, Herr … und Frau …, dies einfach nebenbei mit erledigten, überzeugt dies nicht. Baubegleitender Klärungsbedarf sowie etwaige Mängel bei der Bauausführung sind bei Vorhaben derartiger Größenordnung nichts Außergewöhnliches, sondern die Regel.
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Nichts anderes gilt für die Thematik der Beauftragung von Nachträgen u.Ä., wobei der Senat auch hier zur Vermeidung von Wiederholungen und nur beispielhaft auf die – auch im Termin erörterte – umfangreiche Korrespondenz der Parteien zur Thematik Lichtkuppel, Dachfenster, Sanitärcontainer (vgl. angehängte Unterlagen zur Anlage K 27) Bezug nimmt. Soweit es um die Problematik Mängel und deren Komplexität geht, kann auf die von beiden Parteien erholten umfangreichen und diametral widersprechenden Einschätzungen von privaten Sachverständigen Bezug genommen werden. Der beklagtenseits nunmehr im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung reklamierte Mängelbeseitigungsaufwand bewegt sich im siebenstelligen Millionenbereich. Derartige Schwierigkeiten sind bei Vorhaben der streitgegenständlichen Größe freilich keine Seltenheit und können bei einzelnen Beteiligten Fragen von wirtschaftlich existenzieller Bedeutung aufwerfen. Genau diese sollen aber mit dem Sicherungsanspruch gem. § 650 f BGB abgemildert werden. Die in § 650 f Abs. 6 BGB enthaltene Privilegierung für Verbraucherbauverträge befreit den Besteller von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung, ist jedoch nach Sinn und Zweck auf Bauverträge beschränkt, bei denen die finanzielle Entwicklung des Baugeschehens in den Händen des Bestellers verbleibt (vgl. dazu bereits einleitend unter 1 b). Dieser Gesichtspunkte trifft aber – wie der Bauverlauf und die entstandenen Unstimmigkeiten zeigen – auf das inmitten stehende umfangreiche und komplexe Vorhaben gerade nicht zu.
46
Sofern beklagtenseits bewusst bzw. im Vertrauen auf die Klägerin auf eine ausreichende Baubegleitung und ein Mängelmanagement verzichtet worden sein sollte, ändert dies nichts an der Tatsache, dass ein solches Handeln angezeigt wäre. Die Frage des Erfordernisses eines planmäßigen Geschäftsbetriebes erfordert eine objektive Betrachtung (vgl. dazu bereits oben einleitend unter 1 b). Der subjektive innere Wille, als Verbraucher zu agieren und entsprechende verbraucherschützende Normen in Anspruch nehmen zu wollen, hilft für sich genommen nicht weiter (s.o.). Insoweit können auch mögliche (subjektive) Versäumnisse bei der Bauabwicklung und- betreuung auf Seiten des Auftraggebers nicht dazu führen, in rechtlicher Hinsicht die Verbrauchereigenschaft zu begründen und das Erfordernis eines planmäßigen Geschäftsbetriebes in Abrede zu stellen.
bb) Aufwand bei anschließend geplanten Verwaltung/Vermietung
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In die Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind auch die mit dem Bauvorhaben verbundenen Geschäfte. Die Behauptung der Beklagtenseite, dass keine gewinnbringende Veräußerung der Immobilien geplant war und auch nicht sei, sondern nur deren „nicht aufwendige“ Vermietung, hilft in doppelter Hinsicht nicht weiter.
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Zum einen kommt es auf die Absicht einer Gewinnerzielung grundsätzlich nicht an (Grüneberg-Ellenberger, a.a.O., § 14 Rn. 2 m.w. Rechtsprechungsnachweisen).
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Zum anderen folgt der Senat der Bewertung der Beklagtenseite in der Sache nicht. Die Neuvermietung und fortlaufende Verwaltung eines 30 Wohneinheiten umfassenden und erst neu herzustellenden Objektes erfordert einen erheblichen Verwaltungsaufwand. Dies gilt auch und gerade dann, wenn diese – wie vorgetragen – in Eigenregie ohne professionelle Hausverwaltung vorgenommen wird. Der Vortrag der Beklagtenseite hierzu überzeugt nicht und bleibt eher pauschal dahingehend, dass ein Standardmietvertrag verwendet werde und einmal monatlich die Zahlungseingänge in einer Excel-Tabelle abgehakt werden (so auch in der informatorischen Anhörung im Termin vom 22.01.2025). Der Senat teilt diese Einschätzung nicht. Schon der Ausgangspunkt der Beklagtenseite, dass die GbR aus vier natürlichen Personen bestehe und sich die Arbeit daher auf „viele Schultern verteile“ (so ausdrücklich im Schriftsatz der Beklagtenseite vom 08.12.2023, dort S. 8, Bl. 49 d.A. erster Instanz sowie wiederholend auf Seite 18 der Berufungsbegründung), kann nicht gefolgt werden. Die informatorische Anhörung hat das Gegenteil ergeben. Beide Söhne, sowohl Herr … als auch Herr …, haben – für den Senat glaubhaft – bekundet, dass sie mit dem fraglichen Bauvorhaben allenfalls „formal etwas zu tun hatten“ und bei Bedarf Unterschriften geleistet hätten. Herr … hat glaubhaft geschildert, dass er nicht zuletzt wegen anderweitiger Beschäftigung (Studium, Vollzeitstelle) „wenn es hochkomme“ zweimal mit seinem Vater auf der Baustelle war, um zu lernen, „wie das so läuft“. Bei dieser Sachlage liegt es fern, einen signifikant deutlich geringfügigeren Verwaltungsaufwand aufgrund arbeitsteiligen Vorgehens mehrerer/vieler Gesellschafter anzunehmen. Das Gegenteil ist der Fall. Aufgrund der in der informatorischen Anhörung gewonnenen Erkenntnisse ist vielmehr davon auszugehen, dass sämtlicher Verwaltungsaufwand auch und gerade im Zusammenhang mit der Vermietung und Verwaltung des streitgegenständlichen Objektes – neben den weiteren vermieteten Bestandsobjekten (zwei Wohnungen in einem 3-Familienhaus sowie ein 16-Wohneinheitenobjekt) – allein auf den Schultern der Gesellschafter … sowie … lastete. Deren – naturgemäß eher subjektiv geprägten – Darstellung, wonach die Wohnungsvermietung und -verwaltung sehr einfach gewesen sei und sich letztlich auf die Kontrolle der regelmäßig eingehenden Mietzahlung beschränkt habe, überzeugt nicht. Im Einzelnen:
Wohnungsvergabe
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Insoweit bedarf es grundsätzlich einer Markt-/Wettbewerbsteilnahme (anders und wenig überzeugend S. 10 der Berufungsbegründung), in dem die Vermietungsobjekte angeboten werden. Ein Ausnahmefall dahingehend, dass die Wohnungen nur im Bekanntenkreis und/oder an Familienmitglieder vergeben werden, liegt nicht vor. Im Gegenteil. Der Gesellschafter … hat in seiner informatorischen Anhörung angegeben, dass die fraglichen Wohnungen – wie im Übrigen auch die bereits gehaltenen Bestandsimmobilien – im Internet sowie früher auch in Zeitungen inseriert wurden. Herr … hat zudem eingeräumt, dass – mit Blick auf den aktuellen Immobilienmarkt wenig erstaunlich – stets mehrere Bewerbungen eingingen, die dann gesichtet und geeignete Mieter ausgewählt werden mussten. Mit entsprechenden Mietinteressenten wurden – was die informatorische Anhörung der Gesellschafter bestätigte – auch Wohnungsbesichtigungen durchgeführt. Dieser Aufwand fällt nicht nur bei der erstmaligen Wohnungsvergabe, sondern auch bei in der Praxis durchaus vorkommenden Mieterwechseln statt.
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Die streitgegenständliche Immobilie umfasst zudem 30 Wohneinheiten und ist folglich gerade kein einzelnes, „sehr wertvolles Objekt, das an nur eine geringe Anzahl von Personen im Rahmen privater Vermögensverwaltung vermietet wird“ (vgl. hierzu bereits den einleitenden Rechtsprechungshinweis unter II A 1 b).
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Soweit die Beklagtenpartei vorträgt, „nur langfristig vermieten zu wollen“, hilft dies nicht weiter. Zum einen bleibt der Vortrag pauschal und lässt offen, was konkret unter Langfristigkeit zu verstehen ist. Zum anderen ist zu sehen, dass das Kündigungsrecht der Mieter auch beklagtenseits nicht grundsätzlich ausschließbar ist. Dass Mieterwechsel auch bei den Bestandsimmobilien der Beklagtenpartei vorkommen können und schon vorgekommen sind, haben die Beklagten im Zuge der informatorischen Anhörung selbst eingeräumt.
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Der Senat teilt auch insoweit die Einschätzung des Erstgerichts auf Seite 10 im Endurteil, wonach die Beklagten bei der Vermietung „planvoll am Wohnungsmarkt“ auftreten müssen. Soweit die Berufungsbegründung auf Seite 17 die Verwendung der Begriffe „Anzahl der Vermittlungsobjekte“ rügt, sind keine Rechtsfehler erkennbar. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich zwanglos, dass damit die nicht unerhebliche Zahl von 30 Wohnungen als „Vermietungsobjekte“ gemeint ist.
Laufende Betreuung
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Es ist senatsbekannt, dass bei Immobilien mit 30 Wohneinheiten (ebenso wie bei dem weiteren Immobilienbestand von weiteren 18 vermieteten Wohnungen) laufende Betreuungsarbeiten anfallen. Dies beginnt mit Kleinreparaturen, die auch und gerade in einem nach Beklagtenvortrag erheblich mangelhaften Neubau anfallen können. Für die bereits im Bestand gehaltenen Immobilien, die älteren Baujahrs sind, gilt – erst recht – nichts anderes. Sowohl für die 16-Wohneinheiten-Immobilie als auch das streitgegenständliche Objekt ist – ausweislich der Angaben des Gesellschafters … – ein professioneller Hausmeisterservice engagiert.
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Auch die Kontrolle der Zahlungseingänge einschließlich der Mahnung etwaiger säumiger Mieter erschöpft sich bei einem Immobilienbestand von letztlich fast 50 Wohnungen nicht in einem einfachen nur wenige Minuten dauernden Blick auf den Kontostand beim Online-Banking und „Abhaken in einer Excel-Liste“. Die Mieteinkünfte waren auch nicht völlig unbedeutend. Im Zuge der informatorischen Anhörung bekundete der Gesellschafter …, dass allein im streitgegenständlichen Objekt eine Monatsmiete von 13 € pro Quadratmeter erzielt werden konnte, was bei einer Wohnfläche von deutlich mehr als 2.000 m² eine monatlich zu verwaltende Summe von weit mehr als 20.000 € entspricht. Dabei kann auch im vorliegenden Sachverhalt angesichts der am freien Markt rekrutierten Mieter nicht ausgeschlossen werden, dass Säumnis und etwaige Mahnungserfordernisse eintreten. Hinsichtlich der Verwaltung des Immobilienbestands arbeitet die Beklagtenseite zudem mit mehreren Banken zusammen, wobei nicht nur die laufenden Mietzahlungen, sondern auch die Kaution verwaltet wird.
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Auch die Nebenkostenabrechnung verursacht bekanntlich nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand, der zudem von Jahr zu Jahr variiert. Auf die allseits bekannten aktuellen Gesetzesänderungen (vgl. nur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und Umlagefähigkeit von Kabelgebühren, aktuelle Grundsteuerreform, Kohlendioxidkostenaufteilungsgesetz, …) kann Bezug genommen werden.
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Soweit der Gesellschafter … im Rahmen seiner informatorischen Anhörung den Aufwand als überschaubar darstellte und die Berufungsbegründung auf Seite 15 eher pauschal ausführt, dass die Verwaltung der bislang gehaltenen 18 Wohnungen im Monat nicht mehr als 30 Minuten bis 1 Stunde und sämtliche Nebenkostenabrechnungen (für 18 Wohnungen) im gesamten Jahr lediglich 5-6 Stunden Zeitaufwand verursachen, überzeugt dies den Senat nicht. Gleiches gilt für die auf Seite 16 der Berufungsbegründung enthaltene Einschätzung, dass die streitgegenständlichen zusätzlichen 30 Wohnungen mit einem Zeitaufwand von nicht mehr als 2-3 Stunden im Monat verwaltet werden könnten. Auch hier geht der Senat davon aus, dass die Einschätzung der Beklagtenseite prozessbedingt zu optimistisch sind bzw. subjektiv schlichtweg falsch eingeschätzt wird (vgl. dazu bereits oben Bemusterungstermine, die doch stattgefunden haben).
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Nimmt man daher das konkrete Bauvorhaben hinsichtlich dessen Dimension, Planungs- und Überwachungserfordernissen sowie dessen von Anfang an beabsichtigte spätere Vermietung an Interessenten am Markt in den Blick, so erfordert das Vorhaben und die mit ihm verbundenen Geschäfte (insb. Finanzierung, Vermietung, Unterhaltung/Instandsetzungsmaßnahmen) bei objektiver Betrachtung einen planmäßigen und organisierten Geschäftsbetrieb. Das beklagtenseits ins Werk gesetzte Vorhaben ist daher unternehmerischem Handeln zuzurechnen.
cc) Fremdfinanzierung – keine private Vermögensverwaltung
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Diese Bewertung wird dadurch bestärkt, wenn man – wie es das Erstgericht auf Seite 11 im Ersturteil zutreffend getan hat – die Finanzierung in den Blick nimmt. Das streitgegenständliche Bauvorhaben wurde zu 100% fremdfinanziert. Schon vor diesem Hintergrund greift der Beklagteneinwand, dass es sich lediglich um eine private Vermögensverwaltung handelt (wiederholend und zuletzt im Schriftsatz vom 15.01.2025, dort S. 5 f.), viel zu kurz. Die Anlage von eigenem Vermögen/Geld in Mietshäusern erfüllt grundsätzlich nicht den Unternehmensbegriff (Grüneberg-Ellenberger, a.a.O., § 14 Rn. 2 m.w.N.). Eine solche klassisch dem Verbraucherhandeln zuzurechnende private Vermögensverwaltung liegt jedoch gerade nicht vor, da praktisch kein zu verwaltendes Beklagtenvermögen vorlag, sondern das gesamte Bauvorhaben komplett kreditfinanziert wurde. Die entsprechende vollständige Fremdfinanzierung wird beklagtenseits nicht infrage gestellt, sondern durch die Vorlage des aktuellen Grundbuchauszugs und den dort eingetragenen Grundschulden belegt. Die informatorische Anhörung hat dies ebenfalls bestätigt. Der Gesellschafter … berichtete in diesem Zusammenhang zudem, dass die Gesellschaft nicht in der Lage sei, derzeit größere Zahlungen zu leisten. Erst kürzlich habe man für eine Bank bei dem 16-Wohneinheiten-Objekt eine weitere Grundschuld in Höhe von 1 Million eintragen müssen. Die Darlehen sowohl für das 16-Wohneinheiten-Objekt wie auch für alle anderen Objekte, die die Familie besitze, seien alle noch offen.
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Bei diesen finanziellen Rahmenbedingungen liegt eine Verwaltung von eigenem privaten Vermögen nicht nahe. Die stets risikobehaftete vollständige Fremdfinanzierung derartig großer Projekte belegt vielmehr, dass die Beteiligten bereit sind, unternehmerisches Risiko zu tragen (laufende, nicht dinglich gesicherte Mieterträge; aber auch mögliche Wertsteigerung des Immobilienbesitzes,…).
dd) Planmäßiger Ausbau des Immobilienvermögens
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Für ein unternehmerisches Handeln spricht weiter auch die Tatsache, dass die Familienmitglieder der hier handelnden GbR ihr Immobilienvermögen über Jahre hinweg sukzessive ausgebaut und erweitert haben. Dabei wird erkennbar, dass sich nicht nur die Größe der erworbenen Objekte stetig steigerte, sondern auch die von den Gesellschaftern zu erbringenden Leistungen quantitativ und qualitativ zunahmen. Der Gesellschafter … berichtete im Rahmen seiner informatorischen Anhörung eindrucksvoll den Aufbau des Immobilienvermögens der Familie über die letzten 20 Jahre hinweg:
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So wurde im Jahre 2004 zunächst (nur) ein Dreifamilienhaus erworben, in dem die elterlichen Gesellschafter sowie ein Sohn bis heute eine Wohnung bewohnen und zwei Wohnungen vermieten.
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Im Jahre 2008 ergab sich die Möglichkeit, ein 8-Familienhaus mit einem 1/8-Anteil an einem Grundstück ohne Baulandqualität zu erwerben.
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Im Jahre 2011 wurde dann das zum vorgenannten Grundstück benachbarte 8 Familienhaus – ebenfalls mit einem 1/8-Anteil an einem Grundstück ohne Baulandqualität – hinzuerworben.
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Nachdem sich schließlich in den folgenden Jahren die zwei 1/8-Anteile zu Bauland entwickelt hatten, rief die Beklagtenseite das streitgegenständliche Bauvorhaben auf diesem Grundstück ins Leben, wobei sich das 30 Wohneinheiten umfassende Projekt nicht mehr auf den Erwerb eines Bestandsgebäudes, sondern dessen komplette Neuerrichtung und anschließende Vermietung bezogen hat.
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Auch dieses über zwei Jahrzehnte hinweg an den Tag gelegte Verhalten der Beklagtenseite belegt in Zusammenschau mit der vollständigen Fremdfinanzierung und den damit eingegangenen wirtschaftlichen Risiken, die dem Immobilienmarkt immanent sind, dass spätestens mit dem Beginn des streitgegenständlichen Objektes unternehmerisches Handeln der Beklagtenseite anzunehmen ist.
ee) Gegenargumentation der Beklagtenseite
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Die vom Senat anhand des konkreten Bauvorhabens einschließlich der damit verbundenen Geschäfte vorgenommene Einzelfallbetrachtung und Bejahung unternehmerischen Handelns wird durch die Gegenargumente der Beklagtenseite nicht erschüttert.
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aaa) Soweit die Berufungsbegründung (dort S. 10) ausführt sowie der Gesellschafter … im Zuge seiner informatorischen Anhörung vorträgt, dass er die erforderlichen Tätigkeiten neben seiner Vollzeittätigkeit mit einer 40 Stundenwoche als Zeichner bei einem Ingenieur-Beruf verrichte, bleibt dies unbehilflich. Auch nebenberufliche Tätigkeiten können als unternehmerisch im Rechtssinne zu qualifizieren sein (Grüneberg-Ellenberger, a.a.O., § 14 Rn. 2).
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bbb) Soweit die Beklagtenseite zur Unternehmer-/Verbrauchereigenschaft Sachverständigenbeweis anbietet, bleibt dies unbehelflich. Insoweit handelt es sich um eine Rechtsfrage, die das Gericht anhand der konkreten objektiven Umstände des Einzelfalls zu beantworten hat. Folglich helfen auch die subjektiven Einschätzungen des steuerlichen Beraters der Beklagtenseite vom 25.07.2023 (Anlage B 3) sowie weitgehend wiederholend mit Datum vom 17.01.2025 (Anlage BK 6 im Termin übergeben) nicht weiter. Die in den Schreiben angesprochene steuerliche Behandlung der Einkünfte als VuV und nicht aus Gewerbebetrieb nimmt der Senat zur Kenntnis, entbindet diesen jedoch nicht von der selbstständigen Prüfung des zivilrechtlichen Verbraucher-/Unternehmerbegriffs. Vor diesem Hintergrund bedurfte es auch keiner Einvernahme des als Zeugen angebotenen steuerlichen Beklagtenberaters, da keine konkreten streitentscheidenden Tatsachen ersichtlich sind, zu denen der Zeuge berichten könnte. Lediglich aus Gründen der Vollständigkeit ist anzumerken, dass der Hinweis des steuerlichen Beraters in seiner Stellungnahme auf die Entscheidung VIII ZR 243/13 den Beklagten in der Sache nicht weiterhilft. Im Gegenteil. Weder die der Entscheidung zugrunde liegende Personenmehrheit (Wohnungseigentümergemeinschaft) noch das inmitten stehende Rechtsgeschäft (Energielieferungsvertrag zur Deckung des eigenen Bedarfs, private Vermögensverwaltung, fehlende Gewerblichkeit) sind mit dem vorliegend inmitten stehenden großen Immobilienprojekt ansatzweise vergleichbar.
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Der Einholung eines – beklagtenseits mehrfach angebotenen – Augenscheins (in der Wohnung der Beklagten?), um den Beklagtenvortrag zu verifizieren, dass kein eigenes Arbeitszimmer vorhanden ist und die Beklagten zur Objektverwaltung ihren privaten PC verwenden, bedarf es nicht, da dieser Sachvortrag als wahr unterstellt werden kann, die anzustellende Gesamtbetrachtung durch den Senat aber nicht ändert.
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Letztere basiert auf dem eigenen schriftsätzlichen Vortrag der Beklagtenseite, dem unstreitigen Tatsachenvortrag beider Parteien und vor allem den Erkenntnissen aus der mehrstündigen informatorischen Anhörung aller Beklagten und belegt zur Überzeugung des Senats unternehmerisches Handeln.
72
ccc) Soweit die Berufungsbegründung eine unzulässige Überraschungsentscheidung und unterbliebene gerichtliche Hinweise – insbesondere zur Frage der Verbrauchereigenschaft – rügt, bleibt auch dies unbehelflich. Eine Überraschungsentscheidung liegt schon deshalb fern, da die Thematik der Verbrauchereigenschaft in erster Instanz eingehend vorterminlich mit Schriftsätzen aufbereitet und diskutiert wurde. Der Hinweis der Berufungsbegründung (dort S. 6) auf eine behauptete Einschätzung des Erstrichters im Termin vom 15.12.2023 (gemeint ist wohl der 12.12.2023, vgl. Bl. 81 d. Erstakte), wonach „derzeit von der Verbrauchereigenschaft der Beklagten ausgegangen werde“, geht ins Leere. Zum einen findet sich ein solcher Hinweis im Terminsprotokoll nicht, §§ 139 Abs. 4, 165 ZPO. Zum anderen konnte hierdurch kein Vertrauen auf Beklagtenseite entstehen, da schon die vermeintlich gefallene Formulierung “derzeit“ verdeutlicht, dass es sich allenfalls um eine vorläufige Einschätzung des Erstgerichts handeln kann und der von der Berufung reklamierte Vertrauenstatbestand nicht entstehen konnte.
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Soweit die Berufung unterbliebene Hinweise gem. § 139 ZPO rügt, bleibt auch dies unbehelflich. Rügt die Berufung die Verletzung der richterlichen Hinweispflicht, so muss angegeben werden, was konkret bei rechtzeitigem Hinweis vorgetragen worden wäre und dass dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung geführt hätte (vgl. auch Thomas/Putzo, ZPO, 45. Auflage 2024, § 520 Rn. 22 m.w.N.). Insoweit liegt ein berufungsrechtlich relevanter Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht, auf der die Erstentscheidung beruhen könnte, nicht vor. Der Hinweis auf S. 14 der Berufungsbegründung, dass die Beklagten „weitere Beweise anbieten hätten können“, bleibt von vornherein unbehelflich, da weder derartige Beweismittel noch deren erwartetes konkretes Ergebnis benannt werden. Soweit wiederholend „auf die genannten Beweisangebote verwiesen wird“ (S. 14 der Berufungsbegründung oben), teilt der Senat – auch und gerade im Lichte des gesamten Berufungsvortrages – die Einschätzung des Erstgerichts, dass die Beklagten nicht als Verbraucher, sondern unternehmerisch handelten (s.o.). Hinsichtlich der von der Klägerin erteilten Widerrufsbelehrung (Anlage B 1 sowie S. 7 der Berufungsbegründung und S. 7 f. im Schriftsatz vom 15.01.2025) sowie ein von den Beklagten erlangtes „Immobiliar-Verbraucherdarlehen“ (Anlage B 2 sowie S. 8 und 25 f. der Berufungsbegründung) hat das Erstgericht auf Seite 11 f. bereits das Notwendige bemerkt. Die Frage der Verbrauchereigenschaft ist eine Rechtsfrage, die vom Gericht im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung objektiv zu klären und nicht von subjektiven Bewertungen einer Vertragspartei oder gar Dritten (hier u.a. ein Bankinstitut) abhängig ist. Dies gilt auch und gerade dann, wenn es sich wie bei der Klägerin um einen juristischen Laien handelt, der die Widerrufsbelehrung möglicherweise nur vorsorglich, versehentlich oder schlichtweg in Unkenntnis deren Rechtsfolgen erteilt hat. Eine konstitutive Begründung der Verbrauchereigenschaft der Beklagtenseite ist damit jedenfalls nicht verbunden.
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ddd) Soweit auf Seite 20 ff. der Berufungsbegründung eine unzureichende Darstellung obergerichtlicher Rechtsprechung durch das Erstgericht moniert wird (u.a. OLG Hamm, planmäßiger Geschäftsbetrieb bei Vermietung von 23 Wohn- und 2 Gewerbeeinheiten), hilft dies nicht weiter. Die Bezugnahme auf obergerichtliche Rechtsprechung verdeutlicht lediglich das Bemühen des Erstgerichts um eine möglichst umfassende Rechtsfindung. Ein substanzieller Begründungsmangel ist damit jedoch nicht verbunden, da das Erstgericht auf den S. 9 ff. im Ersturteil eigenständig subsumiert und das Erfordernis eines planmäßigen Geschäftsbetriebes begründet hat. Das gefundene Ergebnis hält – wie oben gezeigt – berufungsrechtlicher Überprüfung stand.
75
eee) Soweit die Berufungsbegründung auf S. 34 ff. ausführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Bauhandwerkersicherheit aufgrund der Vereinbarungen § 5 Abs. 2 des Bauwerkvertrages habe, geht dies in mehrfacher Hinsicht fehl.
76
Zum einen hat das Erstgericht einen solchen (vertraglichen) Anspruch gerade nicht bejaht, sondern offengelassen, vgl. S. 13 des Ersturteils. Der klägerische Anspruch wurde auf den in § 650 f BGB gesetzlich normierten Sicherungsanspruch gestützt. Dieser ist vertraglich grundsätzlich nicht abdingbar, § 650 f Abs. 7 BGB. Zusätzliche Sicherungsvereinbarungen sind möglich, lassen § 650 f BGB jedoch unberührt, vgl. näher Grüneberg-Retzlaff, a.a.O., § 650 f Rn. 22.
77
Zum anderen überzeugt der Berufungsvortrag, wonach die Beklagten die vertraglich vereinbarte Sicherheit geleistet hätten, auch nicht. Im Gegenteil. Der Senat schließt sich der erstinstanzlichen Bewertung auf Seite 13 f. im Ersturteil an und sieht eine der kumulativen Voraussetzungen als nicht gegeben an. Es fehlt an einer vertraglich geforderten Auszahlungsvereinbarung. Der auf Seite 35 der Berufungsbegründung erfolgte Verweis auf Anlage K 6 vom 15.06.2021 (gemeint ist wohl 15.10.2021) greift zu kurz, da es sich hierbei gerade um keine Auszahlungsvereinbarung zwischen Bank und Bauträger bzw. Generalunternehmer handelt, sondern nur um eine Finanzierungsbestätigung gegenüber den Beklagten. Vor diesem Hintergrund scheidet auch eine etwaige „Erfüllungswirkung“ wegen vertraglich geforderter und gestellter Sicherheit bzgl. des in § 650 f BGB vorgesehenen Sicherungsanspruches von vornherein aus.
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fff) Unbehelflich bleiben auch die knappen Ausführungen auf S. 36 der Berufungsbegründung, wonach sich aus der Zusage des ursprünglichen Beklagtenvertreters (Kanzlei …), eine Sicherheit stellen zu wollen, kein Anspruch ableiten lasse.
79
Das Erstgericht stützt – ebenso wie der Senat – den Sicherungsanspruch nicht auf diese anwaltliche Zusage, sondern auf die in § 650 f BGB enthaltene gesetzliche Regelung.
80
c) Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass dem Erstgericht keine berufungsrechtlich relevanten Fehler bei der Subsumtion des § 650 f BGB unterlaufen sind, nach einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls ein unternehmerisches Handeln der Beklagtenseite vorliegt und ein Anspruch auf Bauhandwerkersicherung besteht, ohne dass es einer Beweislastentscheidung bedurft hätte (s.o. Darlegungs- und Beweislast für die Privilegierung gem. § 650 f Abs. 6 BGB träfe Beklagtenseite).
2. Höhe der Sicherheit
81
a) Gem. § 650 f Abs. 1 S. 1 BGB kann der Unternehmer vom Besteller Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, die mit 10 Prozent des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind, verlangen. Maßgeblich ist also die vereinbarte Vergütung, die sich beim Pauschalpreisvertrag direkt aus dem Vertrag ergibt, vgl. Grüneberg-Retzlaff, a.a.O., § 650 f Rn. 7 m.w.N.. Eine Kündigung des Vertrages führt zu einer Absenkung des Sicherungsanspruches auf die Kündigungsvergütung (Grüneberg-Retzlaff, a.a.O., § 650 f Rn. 7), steht dem Sicherungsverlangen aber nicht im Wege. Der Bundesgerichtshof hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 06.03.2014, VII ZR 349/12, herausgearbeitet, dass der Unternehmer die ihm nach einer Kündigung zustehende Vergütung schlüssig darzulegen hat und wie folgt ausgeführt:
82
Es trifft zu, dass nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes dem Unternehmer eine Sicherheit zu gewähren ist, die ihren Zweck nicht verfehlt, ihn vor dem Ausfall des Bestellers zu schützen. Deshalb kann ein den Rechtsstreit über die Stellung einer Sicherheit verzögernder Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen der Berechnung des Vergütungsanspruchs nicht zugelassen werden. Andererseits besteht kein Grund, den Unternehmer aus seiner Verpflichtung zu entlassen, die Höhe der ihm nach der Kündigung auf der Grundlage der getroffenen Vereinbarung zustehenden Vergütung schlüssig darzulegen (NJW 2014, 2186 Rn. 19, beck-online).
83
Die Anforderungen an einen schlüssigen Sachvortrag zur Höhe eines durchzusetzenden Anspruchs – nicht zu dem Grunde, der voll bewiesen werden muss – sind im Vergleich zur Werklohnklage herabgesetzt; denn dafür reicht jeder Tatsachenvortrag, der – seine Richtigkeit unterstellt – geeignet ist, den Klageantrag sachlich zu rechtfertigen, so zutreffend OLG Frankfurt, Urt. vom 08.07.2025 – 29 U 100/22 mit Verweis auf Joussen: Teilurteil zum Sicherungsanspruch nach § 650f BGB, NZBau 2021, 655. Streit über die Höhe der Sicherheit ist im Sicherungsprozess nicht durch Beweisaufnahme zu klären, vgl. Grüneberg-Retzlaff, a.a.O., § 650 f Rn. 13.
84
b) Im Lichte dieser rechtlichen Vorgaben hat die Klägerin im vorliegenden Prozess ausreichend und schlüssig zur Höhe ihres Sicherungsanspruches vorgetragen. Dies gilt insbesondere durch die Vorlage des Sachverständigengutachtens Sattler (Anlage K 12), den begleitenden schriftsätzlichen Vortrag sowie die Fortschreibung der Schlussrechnung im Entwurf, zuletzt Anlage K 27, die auch eingehend mit den Parteien im Rahmen des mündlichen Termins vom 22.01.2025 erörtert wurde.
85
aa) Die Beklagtenseite hat sich bis zuletzt mehr pauschal auf die Rüge der fehlenden Schlüssigkeit und Prüfbarkeit sowie unsubstantiiertes Bestreiten zurückgezogen und eine unzulässige Orientierung der Klägerseite allein am Leistungsstand von 82,01% vorgebracht. Dies geht in mehrfacher Hinsicht ins Leere.
86
Zum einen ist zu sehen, dass sich die umfassende tabellarische Darstellung der Anlage K 12 keineswegs darin erschöpft, einen bestimmten prozentualen Bautenstand festzustellen und den entsprechenden prozentualen Anteil des vereinbarten Pauschalpreises von rund 5,57 Millionen € einzufordern. Im Gegenteil.
87
Die zusammenfassende Übersicht unterteilt die Leistungen in vier Gruppen von Gewerken: Rohbau (Bauwerk), Bauwerk (Technik), Außenanlagen und Baunebenkosten. Die fraglichen Gewerke sind in insgesamt mehr als 30 (Unter-)Gewerke bzw. Einzelleistungen unterteilt. Jede dieser Leistungen ist mit einer Ursprungsbewertung hinterlegt, die den vertraglich vereinbarten Pauschalpreis übersichtlich aufgegliedert. Dabei ist der erwartete Gewinn/das Wagnis mit 10% gesondert ausgewiesen. Gleiches gilt für die Positionen der geltend gemachten Nachträge.
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Zum anderen ist zu sehen, dass sich die Feststellungen des Privatsachverständigen auch keineswegs auf die Erstellung der fraglichen Tabelle beschränkte. Im Gegenteil. Die fragliche Anlage umfasst insgesamt mehr als 30 Seiten und listet unter Teil A und B sämtliche aus Klägersicht noch ausstehenden Arbeiten hinsichtlich der individuellen Wohneinheiten auf. Mit dieser Vorgehensweise hat die Klägerin übersichtlich und ausreichend die aus ihrer Sicht erbrachten und nicht erbrachten Leistungen dargelegt.
89
Nimmt man hinzu, dass ausweislich des Ergebnisses der informatorischen Anhörung der Beklagten mehrere Mitglieder der Bauherrengemeinschaft – einschließlich anwaltlicher Begleitung – bei der fraglichen Baustellenbegehung durch den Sachverständigen S. anwesend waren, durfte sich die Beklagtenseite nicht darauf beschränken, den klägerischen Vortrag als unschlüssig und die verwendete Aufgliederung als „zu grob“ zu rügen sowie die Summen mit Nichtwissen zu bestreiten (vgl. die Berufungsbegründung vom 27.06.2024, dort insb. S. 39, sowie die erstinstanzlichen Schriftsätze vom 08.12.2023 und 11.12.2023). Das mehrfach wiederholte einfachen Anbieten von Sachverständigenbeweis, dass ein Bautenstand von 82,01% nicht erreicht worden sei, reicht nicht, um dem schlüssigen Klägervortrag entgegenzutreten. Dies gilt auch und gerade im Lichte des klägerischen Bemühens, den Schlussrechnungsentwurf fortlaufend fortzuschreiben. Auf die – auch im Senatstermin erörtere – Anlage K 27 kann Bezug genommen werden.
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bb) Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin Anspruch auf Sicherheit in folgender Höhe:
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Zu den in Anlage K 12 ausgewiesenen 4.572.189,45 € sind die – ausweislich der informatorischen Anhörung unstreitigen – Positionen Lichtkuppel (15.065,40 €) sowie zusätzliche WCs (16.179,95 €) hinzuzusetzen. Anderes gilt hinsichtlich der Nachtragspositionen Tektur sowie Mehrpreis Wohnfläche. Schlüssiger Klägervortrag ist hierzu ist aus Sicht des Senats nicht ersichtlich. Eine Vergütungspflicht für eine im Zuge der Bauausführung entstehende größere Wohnfläche ist zwar im Angebot (vgl. Anlage K 2 am Ende) vertraglich angelegt. Gleichwohl ist völlig unklar, wann genau, aufgrund welcher konkreten Bauänderung (durch wen, wann angeordnet?) sich eine Mehrwohnfläche ergeben hat. Vergleichbar dürftig bleibt auch der Klägervortrag zur Position „WC-Container aufgrund Coronaverordnung“ der Anlage K 27. Trotz Sichtung des entsprechenden Schriftverkehrs zwischen den Parteien, der zum Teil der Anlage K beigefügt war, blieb Grund und Umfang einer etwaigen Vergütungspflicht durch die Beklagten im Dunkeln. Gleiches gilt für die weiteren in Anlage K 27 enthaltenen Nachtrags-/Schadenspositionen (bspw. im Zusammenhang mit der Vermessungsproblematik), den bestellten und gefertigten Gegenständen, den Lagerkosten sowie vermeintlichen Ansprüchen von Handwerkern wegen der Kündigung. Die fraglichen Positionen waren unzureichend mit schriftsätzlichem Vortrag unterlegt und erschöpften sich über weite Strecken in schlagwortartiger Benennung von Begrifflichkeiten wie beispielsweise Teuerungszuschläge, verlängerte Baubetreuung usw..
92
c) Soweit die Beklagtenseite Mängel rügt, können diese nur berücksichtigt werden, als diese unstreitig sind, § 650 f Abs. 1 S. 4 BGB, d.h. i.H.v. 4.862,50 € (s.o.). Das Vorhandensein etwaiger weiterer Mängel, die die Beklagtenseite unter Vorlage diverser Privatgutachten behauptet (vgl. u.a. S. 45 f. der Berufungsbegründung vom 27.06.2024), werden im Rahmen des Werklohnprozesses zu prüfen sein. Aufgrund der eindeutigen gesetzgeberischen Wertung ist eine Klärung im hiesigen Prozess auch nicht ausnahmsweise möglich, da dies den Sicherungsprozess verzögern würde. Die Grenze rechtsmissbräuchlichen und/oder treuwidrigen Verhaltens (§ 242 BGB) sieht der Senat unter keinem Gesichtspunkt erreicht, zumal die Mängelbehauptungen hoch umstritten sind, wie beispielsweise die vermeintlich fehlerhafte Einmessung des Gebäudes zeigt, bei der bereits die Beauftragung der Vermessung in Streit steht. Nichts anderes gilt für die Problematik der Duplex-Parker, bei der die Frage der Planungsverantwortlichkeit streitig bleibt.
93
d) Der zu sichernde Vergütungsanspruch beträgt damit
4.572.189,45 €
zzgl. 15.065,40 € (Lichtkuppel)
zzgl. 16.179,95 € (zusätzliche WCs)
abzgl. 4.862,50 € (unstreitige Mängel) abzgl. 3.118.226,92 € (geleistete Zahlungen)
1.480.345,30 € zzgl. 10%
1.628.379,80 €
3. Kein Ausschluss/keine Erfüllung des Sicherungsanspruches aufgrund vertraglicher Vereinbarung
94
Die Parteien haben in § 5 Abs. 2 des Bauwerkvertrages (zusätzlich) die Erbringung einer Sicherheit vor Baubeginn vereinbart, die aber den Anspruch aus § 650 f BGB nicht zu Fall bringen kann. Die in diesem Zusammenhang auf Seite 34 ff. der Berufungsbegründung vom 27.06.2024 erfolgten Berufungsangriffe gegen das Ersturteil überzeugen nicht.
95
a) Zum einen teilt der Senat die Auffassung des Erstgerichts, dass die entsprechende (vertraglich vereinbarte) Sicherheit beklagtenseits schon nicht erbracht wurde. Ausweislich des Wortlauts der vertraglichen Regelung wird nicht nur eine Finanzierungsbestätigung, sondern auch eine Auszahlungsvereinbarung zwischen Bank und Bauträger/Generalübernehmer verlangt. Eine solche Auszahlungsvereinbarung ist jedoch nicht ersichtlich und insbesondere nicht in der beklagtenseits als Anlage K 6 vorgelegten bloßen Finanzierungsbestätigung zu sehen. Folglich kann von vornherein keine „Erfüllungswirkung“ bzgl. § 650 f BGB eintreten. Auf Seite 13 f. des Ersturteils wird Bezug genommen. Eine Erfüllungswirkung o.Ä. scheidet aus.
96
b) Zum anderen ist zu sehen, dass die §§ 650 f Abs. 1-5 BGB unabdingbares Recht darstellen, § 651 f Abs. 7 BGB. Der Unternehmer kann daher auf sein Sicherungsrecht weder in AGB noch durch Individualvereinbarung, weder im Vertrag selbst noch nachträglich verzichten, vgl. Grüneberg-Retzlaff, a.a.O., § 650 f Rn. 22. Die Stellung einer zusätzlich vereinbarten vertraglichen Sicherheit lässt daher den auf der gesetzlichen Regelung des § 650 f Abs. 1 Satz 1 BGB beruhenden Sicherungsanspruch nicht einfach ohne weiteres untergehen.
97
Vor diesem Hintergrund konnte es das Erstgericht auch dahinstehen lassen, wie die Zusage des ursprünglichen Beklagtenvertreters im Schreiben vom 16.05.2023 Anlage K 6. („Diesbezüglich teilen wir mit, dass unsere Mandantschaft den Ihrer Partei zustehenden Anspruch auf Stellung einer Sicherheit gemäß § 650 f BGB anerkennt und auch bereit ist, eine entsprechende Sicherheit zu stellen.“) zu bewerten ist.
98
Der Anspruch aus § 650 f Abs. 1 BGB ist jedenfalls bislang nicht erfüllt und damit auch nicht untergegangen bzw. erloschen.
4. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
99
Hinsichtlich der begehrten und zuzusprechenden außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 16 und 19 im Ersturteil Bezug genommen werden. Eine Kürzung der Rechtsverfolgungskosten entsprechend der betragsmäßigen Herabsetzung des Sicherungsanspruches war nicht veranlasst, da die klägerseits (lediglich) eingeforderten 3.178,35 € auch bei Ansatz einer 0,65 Geschäftsgebühr gem. RVG VV 2300 zzgl. 20,00 € Auslagenpauschale und 19% USt. bzgl. der reduzierten Sicherungshöhe beansprucht werden können, § 308 Abs. 1 ZPO.
B.
Zwischenfeststellungswiderklagen der Beklagten
100
Die erstinstanzliche Entscheidung hat auch insoweit Bestand.
101
1. Soweit die Beklagte die Feststellung begehren, dass ein Verbraucherbauvertrag vorliege, wäre dieses Klagebegehren – wie unter II A 1 Ziffer gezeigt – jedenfalls unbegründet.
102
2. Gleiches gilt für die begehrte Feststellung, dass die Zusage der Kanzlei … vom 16.05.2023, eine Bauhandwerkersicherheit zu stellen (Anlage K 6), sittenwidrig und gemäß § 138 BGB nichtig gewesen sei. Der Senat teilt die Einschätzung des Erstgerichts, dass der Beklagtenvortrag hierzu unzureichend ist. Soweit in der Berufungsbegründung (dort S. 47 f.) auf den erstinstanzlichen Vortrag im Schriftsatz vom 08.12.2023 Bezug genommen, bleibt auch dies unbehelflich. Weder aus dem in Bezug genommenen Schriftsatz noch dem knappen Berufungsvortrag ergeben sich greifbare Anhaltspunkte für ein sittenwidriges Handeln des ursprünglichen Beklagtenvertreters. Im Gegenteil. Die umfangreichen Ausführungen des Senats im vorliegenden Urteil zeigt, dass die Frage Verbraucher-/Unternehmereigenschaft und die damit verbundene Verpflichtung zur Sicherheitsleistung gemäß § 650 f BGB eingehender rechtlicher Prüfung bedarf. Sofern ein anwaltlicher Vertreter bei dieser Prüfung zum selben Ergebnis wie das Erstgericht und der erkennende Senat kommt sowie mit der Klägerseite über die Höhe der Sicherheit verhandelt, stellt dies kein sittenwidriges Handeln, sondern (lediglich) Rechtsanwendung dar, die ein Rechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege vornimmt. Greifbare Anhaltspunkte für ein sittenwidriges anwaltliches Handeln sowie eine Unvereinbarkeit des Handelns mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung (so S. 47 der Berufungsbegründung vom 27.06.2024) sind nicht erkennbar. Ein tauglicher Berufungsangriff gegen das Ersturteil kann so – unbeschadet der Tatsache, dass das Erstgericht den Sicherungsanspruch nicht auf das anwaltliche Anerkenntnis/die Zusage im Schreiben vom 16.05.2023 gestützt hat (s.o.) – nicht geführt werden.
C. Feststellungswiderklagen
103
Auch insoweit bleibt die Berufung ohne Erfolg.
104
1. Soweit es um das Feststellungsbegehren hinsichtlich der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der Beklagtenseite vom 09.08.2023 geht, teilt der Senat die Einschätzung des Erstgerichts. Die entsprechende Widerklage ist mangels Feststellungsinteresses bereits nicht zulässig, ebenso auch in der Sache unbegründet.
105
a) Das Erstgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagtenseite bereits sachverständig beraten war und etwaige Ansprüche in Zusammenhang mit und infolge der außerordentlichen Kündigung beziffern hätte können. Ein echtes Feststellungsinteresse – etwa zur Beseitigung einer Unsicherheit – wurde weder erstinstanzlich noch im Berufungsrechtszug vorgetragen, obwohl im Ersturteil (dort S. 17) unter Bezugnahme auf höchstrichterliche Rechtsprechung herausgearbeitet wurde, dass ein bloßes einfaches Klärungsinteresse nicht ausreicht. Der Berufungsvortrag beschränkt sich bei Lichte besehen darauf, neuerlich einen Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht zu monieren, ohne jedoch substantiierte Einwendungen gegen die gerichtliche Begründung zu liefern und klarzustellen, was bei einem begehrten Hinweis vorgetragen worden wäre (s.o.). Es bleibt weitgehend im Dunkeln, welche konkreten Zwecke die Beklagten mit einer etwaig festgestellten Unwirksamkeit der Kündigung verfolgen. Die pauschale Bezugnahme auf „aufwendige Berechnungen der Schadenspositionen“ (S. 48 der Berufungsbegründung) bleibt unbehelflich. Die Bezugnahme auf die Feststellungen diverser Privatgutachter der Beklagtenseite, die die Schadenspositionen und vermeintlichen Mängelbeseitigungskosten betragsmäßig konkret dargelegt hätten, belegt vielmehr, dass eine „Schadensbezifferung“ sehr wohl möglich war und ist.
106
Soweit die Berufung ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Frage einer etwaigen Fortführung des Bauvorhabens durch Drittunternehmer erwähnt, geht dies in doppelter Hinsicht ins Leere. Zum einen bleibt der Vortrag in der Sache unsubstantiiert. Zum anderen ist zu sehen, dass sich die beklagtenseits thematisierte Frage jedenfalls aktuell wohl überhaupt nicht mehr stellt. Ausweislich der informatorischen Anhörung der Beklagten wurde das Bauvorhaben zwischenzeitlich bereits weitgehend mit Drittunternehmern fertiggestellt und ist zum überwiegenden Teil bereits mit Mietern bezogen. Ein Feststellungsinteresse kann daher auch unter diesem Blickwinkel nicht (mehr) begründet werden. Gleiches gilt für den Berufungsvortag, dass die Klägerseite die Wirksamkeit der Kündigung bestritten habe. Das bloße Bestreiten der Wirksamkeit eines einseitigen Rechtsgeschäfts begründet für sich genommen noch nicht ein gesetzlich notwendiges Feststellungsinteresse für eine – weitere Kosten auslösende – (Wider) Klage.
107
b) Soweit das Erstgericht kumulativ die Widerklage auch wegen fehlender Begründetheit abgewiesen hat, begegnet auch dies keinen Bedenken.
108
aa) Der Berufungsvortrag hinsichtlich vermeintlich vertragsuntreuen Verhaltens der Beklagten geht schon deshalb ins Leere, weil das Gericht dies ausweislich Seite 17 der Entscheidungsgründe ausdrücklich offengelassen hat („bedarf letztlich keine Klärung“).
109
bb) Der Vortrag, dass bei der beklagtenseits erfolgten Fristsetzung für die Wiederaufnahme der Arbeiten ein Schreibversehen unterlaufen und unbestritten geblieben sei, dass der 01.08.2023 gewollt war, bleibt schon deshalb unbehelflich, weil das Erstgericht (auch) eine (unterstellte) Fristsetzung bis zu diesem Datum als zu kurz ansah. Insoweit liegt auch eine Überraschungsentscheidung fern. Die Frage, ob die Kündigung mit Fristsetzung rechtswirksam erfolgte, wurde erstinstanzlich zwischen den Parteien erörtert und stand zur Entscheidung an. Soweit das Erstgericht die Frist als zu kurz und drei Wochen als angemessen ansah, vermag der Senat dies nicht zu beanstanden. Nicht zuletzt der umfangreiche Beklagtenvortrag einschließlich der Vielzahl der gerügten Mängel sowie die zwischen den Parteien geführte Diskussion hinsichtlich der Verpflichtung, Sicherheit zu leisten, verdeutlicht, dass eine beklagtenseits eingeforderte Wiederaufnahme der Arbeiten binnen Tagen den Gesamtumständen des Bauvorhabens nicht gerecht wurde.
110
Soweit auf S. 51 der Berufungsbegründung vorgetragen wird, dass die klägerseits mit Schreiben vom 28.07.2023 (Anlage BK 5) erbetene Fristverlängerung verdeutliche, dass die auf den 01.08.2023 gesetzte Frist zur Wiederaufnahme akzeptiert worden sei, geht dies in doppelter Hinsicht ins Leere. Erstens enthält das Schreiben keine konkrete Bezugnahme auf eine Frist am 01.08.2023. Zweitens kommt einer Bitte um Fristverlängerung insbesondere im anwaltlichen Schriftverkehr keine konstitutive Wirkung zu, sondern verdeutlicht vielmehr gerade, dass die erbetene Handlung nicht vorgenommen werden kann und wird, weil die vom Gegner gesetzte Frist zu knapp bemessen ist. Genau dies kommt in der beklagtenseits vorgelegten Anlage BK 5 auch zum Ausdruck, wenn eine vorherige Besprechung mit der Mandantschaft für notwendig erklärt wird.
111
Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Angemessenheit der Frist ist vorliegend kein Raum, da einerseits von den Beklagten weder ausreichender Tatsachenvortrag als Anknüpfungspunkt gebracht wird und andererseits es sich um eine richterlich zu entscheidende Rechtsfrage handelt. Abgesehen davon fehlt es in jedem Fall an einem Feststellungsinteresse (s.o.), womit die Abweisung der Feststellungswiderklage rechtsfehlerfrei erfolgte.
112
2. Gleiches gilt für die Abweisung der Feststellungswiderklage, dass sich die Beklagten mit der Zahlung der 5. und 6. Abschlagsrate nicht in Verzug befunden hätten.
113
Der Berufungsvortrag auf S. 54 f. der Berufungsbegründungsschrift begnügt sich bei Lichte besehen mit der Rüge eines Verstoßes gegen die richterliche Hinweispflicht, ohne auszuführen, was bei einem etwaigen Hinweis (wozu genau wird welcher Hinweis erwartet?) vorgetragen worden wäre. Abgesehen davon lässt die Berufungsschrift jede konkrete Auseinandersetzung mit den rechtlichen Ausführungen des Erstgerichts auf Seite 18 des Ersturteils und die dortige Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vermissen. Taugliche Berufungsangriffe gegen die erstinstanzlichen Ausführungen im Ersturteil, denen sich der Senat insoweit anschließt, können so nicht geführt werden.
114
Vor diesem Hintergrund war das Ersturteil (lediglich) hinsichtlich der Höhe der zu leistenden Sicherheit sowie in der Konsequenz auch im Kostenpunkt abzuändern.
III.
115
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, wobei der Senat hinsichtlich der Kostenquotelung wie auch das Erstgericht gem. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG von der fehlenden Streitwerterhöhung der Zwischenfeststellungs- und Widerklagen ausgeht.
116
2. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Bei der Ermittlung der Höhe der auszusprechenden Sicherheitsleistung für die Hauptleistung nach § 711 ZPO ist zu berücksichtigen, dass sie den Schaden abdecken soll, den der Gläubiger dadurch erleiden kann, dass er nicht sogleich die Zwangsvollstreckung betreiben kann (OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.02.2022 – 21 U 67/21). Dabei ist regelmäßig in Betracht zu ziehen, dass der Gläubiger infolge des Vollstreckungsaufschubs ganz ausfallen kann, so dass die titulierte Forderung einschließlich Nebenforderungen und Kosten sowie ein darüber hinausgehender Verzögerungsschaden für die Höhe der Sicherheitsleistung zu berücksichtigen sind (OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.02.2022 – 21 U 67/21 mit Verweis MK-Götz, ZPO, 6. Aufl., § 711, Rn. 3). Dem entsprechend hält der erkennende Senat die Sicherheitsleistung mit einem Betrag von 110% des Sicherheitsanspruchs für erforderlich aber auch ausreichend bemessen.
IV.
117
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Es handelt sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob die Beklagtenseite im vorliegenden Fall als Verbraucher oder unternehmerisch handelte. Diese Frage war einzelfallbezogen vom Senat unter Abwägung aller Umstände des Sachverhalts auf der Basis der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu beantworten und wirft keine grundsätzlichen neuen Fragestellungen auf.