Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 28.01.2025 – 203 StRR 10/25
Titel:

Voraussetzungen eines vollendeten Betrugs bei einem Vertrag über Zug-um-Zug-Leistung

Normenkette:
StGB § 73, § 73c, § 263
Leitsätze:
1. Für eine Verurteilung wegen vollendeten Betruges nach § 263 StGB genügt es auch in den Fällen der Vortäuschung von Zahlungsunwilligkeit und Zahlungsunfähigkeit nicht, eine Täuschung des Täters und einen darauf gründenden Vermögensschaden des Getäuschten festzustellen. Der Abschluss eines Kaufvertrages erfüllt die Voraussetzungen eines (Eingehungs-)Betrugs oder versuchten Betrugs noch nicht, wenn der durch Täuschung zustande gekommene Vertrag nur zu einer Zug-um-Zug-Leistung verpflichtet. (Rn. 8 – 10)
2. Nach § 73 Abs. 2 StGB ist die Einziehungsanordnung zwingend auf gezogene Nutzungen zu erstrecken. Nutzungen im Sinne von § 73 Abs. 2 StGB sind solche des bürgerlichen Rechts nach §§ 99, 100 BGB, also aus dem Sachbesitz oder der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit gezogene Gebrauchsvorteile. (Rn. 22)
Schlagworte:
Betrug, Eingehungbetrug, Zug-um-Zug-Leistung, Schaden, Vollendung, Einziehung, Nutzungen, Wertersatz
Vorinstanz:
LG Amberg, Urteil vom 11.10.2024 – 3 NBs 178 Js 2772/22
Fundstellen:
BeckRS 2025, 5085
FDStrafR 2025, 005085

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 11. Oktober 2024 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a. soweit der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt worden ist,
b. im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe,
c. im Ausspruch über die Einziehung, soweit eine Einziehung über den Betrag von 4160.- Euro hinaus angeordnet worden ist. Der Tenor der Einziehungsanordnung wird dahingehend berichtigt, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet wird.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

I.
1
Mit Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht – Schwandorf vom 4. März 2024 ist der Angeklagte wegen drei tatmehrheitlicher Fälle des Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahre und 6 Monaten verurteilt und die Einziehung „eines Geldbetrages“ in Höhe von 5740.- Euro angeordnet worden. In der Berufungsinstanz ist das Landgericht Amberg von der Wirksamkeit der Beschränkung der Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Amberg mit Urteil vom 11. Oktober 2024 die Gesamtfreiheitsstrafe auf 2 Jahre und 6 Monate ermäßigt und im übrigen die Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten begründet er mit der ausgeführten Sachrüge. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt die Verwerfung der Revision als unbegründet. Der Verteidiger hat mit Schreiben vom 11. Januar 2025 erwidert.
II.
2
Die Revision des Angeklagten ist zulässig und teilweise begründet.
3
1. Das Amtsgericht hat die nachfolgenden Feststellungen getroffen, auf die das Landgericht im angegriffenen Urteil im Wege der Bezugnahme verwiesen hat:
Fall 1: Am 3. Juli 2021 kaufte der Angeklagte unter Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit einen Autoanhänger zum Preis von 5400.- Euro, erhielt daraufhin die Fahrzeugdokumente und die Rechnung, leistete aber keine Zahlung. Der Anhänger wurde am 14. Juli 2021 auf die damalige Lebensgefährtin des Angeklagten zugelassen. Die Zulassung führte zu einer Wertminderung von 1000.- Euro.
Fall 2: Am 2. September 2021 kaufte der Angeklagte unter Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit einen Sessel zum Preis von 4690.- Euro, leistete aber nach der Lieferung keine Zahlung, woraufhin die Geschädigte den Sessel zurückholte. Der Geschädigten entstand ein Schaden in Höhe von mindestens 580.- Euro in Form der Wertminderung und der Rückholungskosten.
Fall 3: Im April oder Mai 2021 gab der Angeklagte unter Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit Garten-, Pflaster- und Schotterarbeiten am Wohnanwesen seiner Mutter in Auftrag und nahm dabei billigend in Kauf, die Vergütung schuldig zu bleiben. Den Rechnungsbetrag in Höhe von 4160.- Euro für die ausgeführten Arbeiten und das verbaute Material bezahlte er seiner vorgefassten Absicht nach nicht.
4
2. Im Fall 1 ist das Landgericht Amberg rechtsfehlerhaft von der Wirksamkeit der Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch gemäß § 318 StPO ausgegangen, ohne die unerlässlichen Feststellungen zum Tathergang und zum Vorstellungsbild des Angeklagten zu treffen.
5
a. Ob die Beschränkung einer Berufung wirksam ist, hat das Revisionsgericht aufgrund der Sachrüge von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 09. Februar 2023 – 203 StRR 497/22 –, juris Rn. 3; BayObLG, Beschluss vom 18. März 2021 – 202 StRR 19/21 –, juris Rn. 3).
6
b. Eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist zwar grundsätzlich zulässig. Die Regelung von § 318 Satz 1 StPO sieht vor, den Gestaltungswillen des Anfechtenden im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Sie erweist sich jedoch als unzulässig, wenn die dem Schuldspruch im angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so knapp sind, dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße bestimmen lassen und die erstinstanzlichen Feststellungen deshalb keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Berufungsgerichts sein können oder unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 3. Juni 2024 – 203 StRR 172/24 –, juris Rn. 4 m.w.N.).
7
c. Gemessen daran erweist sich die Beschränkung der Berufung im Fall 1 als unwirksam. Die Feststellungen der Tatrichterin sind zu lückenhaft, um den Schuldspruch des Betrugs zu tragen und die Nachprüfung des Strafausspruchs zu ermöglichen.
8
aa. Nach den knappen tatrichterlichen Feststellungen übergab die Verkäuferin dem Angeklagten nach dem Abschluss des Kaufvertrags über den PKW-Anhänger die Papiere und die Rechnung. Eine Übergabe des Anhängers lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Damit tragen die Feststellungen weder eine Verurteilung wegen vollendeten noch wegen versuchten Betruges.
9
bb. Für eine Verurteilung wegen vollendeten Betruges nach § 263 StGB genügt es auch in den Fällen der Vortäuschung von Zahlungsunwilligkeit und Zahlungsunfähigkeit nicht, eine Täuschung des Täters und einen darauf gründenden Vermögensschaden des Getäuschten festzustellen. Denn der Abschluss eines Kaufvertrages erfüllt die Voraussetzungen eines (Eingehungs-)Betrugs oder versuchten Betrugs noch nicht, wenn der durch Täuschung zustande gekommene Vertrag nur zur Zug-um-Zug-Leistung verpflichtet. In solchen Fällen liegt in dem Vertragsschluss regelmäßig noch keine schadensgleiche Vermögensgefährdung. Dem anderen Vertragspartner infolge Nichtdurchführung des Vertrages entstandene Vermögenseinbußen sind keine Vermögensschäden im Sinne von § 263 StGB, weil es insoweit an der erforderlichen Stoffgleichheit zwischen Schaden und angestrebten Vermögensvorteil fehlt. Auch eine Verurteilung wegen versuchten Betruges kommt nur dann in Betracht, wenn der Täter bei Vertragsschluss trotz der vertraglichen Gestaltung davon ausging, er werde die von dem Vertragspartner geschuldete Gegenleistung auch ohne Erbringung der eigenen Leistung erhalten (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2005 – 4 StR 539/04 –, juris Rn. 4 und 5; BGH, Urteil vom 18. September 1997 – 5 StR 331/97 –, juris Rn. 12; BGH, Beschluss vom 9. Dezember 1994 – 3 StR 433/94 –, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 17. März 2016 – 3 OLG 8 Ss 18/16 –, juris Rn. 6; Saliger in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 263 STGB Rn. 202; zum Grundstückskauf vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2018 – 3 StR 552/17 –, juris). Eine Vorleistungspflicht der Verkäuferin ist hier nicht festgestellt.
10
cc. Dass die Verkäuferin dem Angeklagten die Papiere übergab und eine Zulassung auf eine dritte Person ermöglichte, vermag diese Rechtslage nicht zu ändern. Die Besitz- und Eigentumsübertragung an einem Anhänger bestimmen sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Weder eine Übertragung des Besitzes nach § 854 BGB noch eine Übertragung des Eigentums nach §§ 929 ff. BGB lässt sich den Feststellungen entnehmen. Da es sich bei der Zulassungsbescheinigung Teil II nicht um ein Traditionspapier handelt, kann dessen Übertragung nicht an die Stelle der Übergabe des Anhängers selbst treten (vgl. Beckmann in Staudinger/Beckmann (2023), BGB, § 433 Rn. 119). Nachdem nicht festgestellt ist, dass der Anhänger dem Angeklagten übergeben wurde, vielmehr die Geschädigte über den Anhänger „letztlich …wieder verfügen“ konnte (Urteil S. 9), führte die Übergabe der Anhängerpapiere und der Zulassungsbescheinigung ebenso wenig zu einem Besitz- oder Eigentumswechsel wie ein Eintrag in die Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II (vgl. zu letzterem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 28. August 2015 – 1 A 5/15 –, juris). Mit der Überlassung der Fahrzeugpapiere und der Zulassungsbescheinigung hat der Angeklagte daher noch keine für die Annahme eines vollendeten Betrugs erforderliche unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den Anhänger und das fremde Vermögen erlangt. Dass es dem Angeklagten in seiner Vorstellung maßgeblich auf die Übergabe der Papiere angekommen wäre, ist den Urteilsausführungen nicht zu entnehmen.
11
dd. Da das Urteil keine Feststellungen darüber enthält, wie sich der Angeklagte eine Aushändigung des Anhängers ohne Bezahlung vorstellte, tragen die Feststellungen auch keine Verurteilung wegen eines versuchten Betrugs (BGH, Beschluss vom 9. Dezember 1994 – 3 StR 433/94 –, juris Rn. 2), so dass es auf die ebenfalls offene Rücktrittsfrage nicht mehr ankommt (vgl. auch OLG Bamberg a.a.O.).
12
3. Der Strafausspruch in den Fällen 2 und 3 hat Bestand.
13
a. Zwar ist die Vermögenssituation des Angeklagten zu den jeweiligen Tatzeitpunkten in den vom Landgericht Amberg in Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts Schwandorf gar nicht und in den Feststellungen des Landgerichts zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten nur lückenhaft dargestellt. Welche Einkünfte und Zuwendungen der Angeklagte im Tatzeitraum bezog und in welcher Höhe Verbindlichkeiten bestanden, ist offen. Der Senat kann den Feststellungen des Landgerichts unter Berücksichtigung der Einlassung des Angeklagten jedoch noch hinreichend entnehmen, dass dessen damaliger Schuldenstand und die damals geringen regelmäßigen Einnahmen eine Bezahlung des gekauften – hochpreisigen – Artikels und des vereinbarten Werklohns nicht zuließen und der Angeklagte dies im Fall 2 zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch wusste, im Fall 3 zumindest billigend in Kauf nahm, so dass sich die Berufungsbeschränkung insoweit als wirksam erweist.
14
b. Dass das Amtsgericht Schwandorf im Fall 2 den Betrugsschaden erneut rechtsfehlerhaft festgestellt hat, indem es nicht den Kaufpreis des gelieferten Sessels, sondern lediglich die Wertminderung nebst Rückholungskosten in Ansatz gebracht hat, beschwert den Angeklagten nicht. Der nach den Feststellungen tatsächlich eingetretene Betrugsschaden im Fall 2, der sich nach dem Wert des Sessels zum Zeitpunkt der Übergabe bestimmt, beträgt 4690.- Euro und liegt damit erheblich über dem vom Amtsgericht festgestellten Wert.
15
c. Im Fall 3 hat das Amtsgericht den Vermögensschaden auch bezüglich der Arbeitsleistung zutreffend festgestellt. Täuscht der Täter beim Abschluss eines Werkvertrags über seine Fähigkeit, die vereinbarte Vergütung zu zahlen, so gelten die allgemeinen Regeln über den Eingehungsbetrug. Der Vermögensschaden des Opfers ist bezüglich der Arbeitsleistung darin begründet, dass es nunmehr über seine Arbeitskraft nicht mehr frei zu eigenem Nutzen verfügen kann. Mit dem Abschluss eines Vertrages, der die Erbringung von Arbeiten gegen Vergütung zum Inhalt hat, wird die persönliche Arbeitsleistung zum Gegenstand einer vermögensrechtlichen Beziehung und damit zu einem Bestandteil des Vermögens des Verpflichteten. Stellt er seine Arbeitskraft ohne Aussicht auf vertragsgemäße Entlohnung zur Verfügung, so ist sein Vermögen um den Wert seiner Arbeitsleistung vermindert (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2001 – 4 StR 315/00 –, juris Rn. 6).
16
d. Die Annahme einer gewerbsmäßigen Begehungsweise in den Fällen 2 und 3 hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
17
aa. Gewerbsmäßiges Handeln liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch die wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Bereits die erste Tat reicht aus. Voraussetzung ist jedoch, dass der Täter eigennützig und nicht lediglich altruistisch motiviert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2007 – 5 StR 543/07 –, juris).
18
bb. Diese eigennützige Motivation ist nach den Feststellungen in beiden Fällen hinreichend belegt. Im Fall 2 lieferte und übergab der Geschädigte das gekaufte Objekt vorleistend an den Angeklagten. Der Vortrag der Revision, der Sessel sollte der damaligen Lebensgefährtin zu Gute kommen, ist urteilsfremd und in der Revision unbeachtlich. Eine Aufklärungsrüge hat der Angeklagte insoweit nicht erhoben. Im Fall 3 bewohnt der Angeklagte das Anwesen (Urteil S. 1 und 3), in dem er die Gartengestaltung vertragsgemäß ausführen ließ. Er hat somit als Mitbesitzer des Grundstücks (§ 866 BGB) einen eigenen unmittelbaren Vorteil erlangt.
19
4. Um die Frage der nachträglichen Gesamtstrafenbildung mit dem Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 16. April 2021 – 23 DS 52 Js 20952/20-, rechtskräftig seit diesem Tage, zutreffend beurteilen zu können, wird der neue Tatrichter noch die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Für die Anwendbarkeit von § 55 Abs. 1 S. 1 StGB müsste die neue Tat vor der früheren Verurteilung begangen worden sein. Nur Einzelstrafen für Taten, die bis zu diesem Zeitpunkt begangen waren, unterliegen nämlich der nachträglichen Gesamtstrafenbildung. Der Zeitpunkt der Tatbegehung bestimmt sich nach der Beendigung der im hiesigen Verfahren gegenständlichen Tat (st. Rspr., vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 55 Rn. 7 m.w.N.). Im angefochtenen Urteil wie auch im erstinstanzlichen Urteil fehlen bezüglich der Tat 3 Feststellungen zum Datum der Tatvollendung und der Tatbeendigung. Die erstinstanzlich im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellte Rechnung der BayWA vom 6. Juli 2021 spricht dafür, dass die verfahrensgegenständliche Tat nicht vor dem 16. April 2021 voll- und beendet wurde. Auf die entsprechenden Ausführungen in der Beweiswürdigung des Amtsgerichts hat das Landgericht in seinem Urteil jedoch nicht Bezug genommen. Läge die Tatbeendigung im Fall 3 nach der Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Heilbronn, wäre eine Konstellation, wie sie der vom Landgericht zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. September 2022 – 4 StR 321/22- zugrunde lag, nicht gegeben.
20
5. Die Entscheidung über die Einziehung von Wertersatz kann mangels zureichender Feststellungen über einen Betrag von 4160.- Euro hinaus keinen Bestand haben.
21
a. Im Fall 1 belegen die Feststellungen des Amtsgerichts keine Straftat. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass allein die Wertminderung infolge der Standzeit des Anhängers und der Zulassung keinen vom Täter erlangten Vorteil darstellen könnte, falls der Angeklagte den Anhänger zu keiner Zeit zur Verfügung hatte. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73 c S. 1 StGB knüpft an § 73 Abs. 1 StGB an und setzt voraus, dass der Täter durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt hat. Ein Vermögenswert ist aus der Tat erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann (BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623/17-, juris Rn. 8 m.w.N.). Verblieb der Anhänger bei der Verkäuferin, hätte der Angeklagte aus der Sache auch keine Nutzungen im Sinne von § 73 Abs. 2 StGB gezogen.
22
b. Im Fall 2 haben beide Tatrichter aus den Augen verloren, dass der Angeklagte aus der Betrugsstraftat einen körperlichen Gegenstand erlangt hat, der seinerseits grundsätzlich der Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB unterlag. „Durch“ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist nach anerkannter Rechtsprechung jeder Vermögenswert, der dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er seiner faktischen Verfügungsgewalt unterliegt. Da es sich bei dem Erlangen um einen tatsächlichen Vorgang handelt, kommt es auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse nicht an. Unerheblich ist es daher auch, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter eine durch die Tat gewonnene Verfügungsmacht später aufgibt (BGH, Urteil vom 7. März 2019 – 5 StR 569/18 –, juris Rn. 6; vgl. Lohse in: Leipziger Kommentar zum StGB, 14. Auflage 2024, § 73 StGB Rn. 28 m.w.N.; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 73 Rn. 26, 26d). Den auch insoweit nur rudimentären Urteilsfeststellungen entnimmt der Senat, dass der Angeklagte den Sessel in Gebrauch hatte und ihn zu einem unbekannten Zeitpunkt an den Verkäufer zurückgab. Damit war die Einziehung des Sessels nach § 73e Abs. 1 S. 1 StGB ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2018 – 2 StR 316/18 –, juris Rn. 9; NK-StGB/Saliger, 6. Aufl. 2023, StGB § 73e Rn. 17). Bezüglich einer vom Tatrichter angenommenen Wertminderung eröffnet § 73c S. 2 StGB die Möglichkeit der Anordnung der Wertersatzeinziehung neben der Originaleinziehung eines Gegenstands, wenn dessen Wert im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt (Saliger a.a.O. § 73c Rn. 14). Die Vorschrift umfasst auch den Fall, dass die erlangte Sache im Eigentum des Empfängers verblieben ist und – gleichviel aus welchen Gründen – nach der Erlangung eine Wertminderung erfahren hat (Borgel/Reichling in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 6. Auflage 2024, 3. Teil Vermögensabschöpfung C II 3. Anordnung neben der Einziehung Rn. 30; Lohse a.a.O. § 73c StGB Rn. 12; Heuchemer in BeckOK StGB, 63. Ed. 1.11.2024, StGB § 73c Rn. 8). Der ergänzenden Wertersatzeinziehung geht die Einziehung von Nutzungen nach § 73 Abs. 2 StGB vor (vgl. dazu Joecks/Meißner in MüKoStGB, 4. Aufl. 2020, StGB § 73c Rn. 10). Nach dieser Vorschrift ist die Einziehungsanordnung zwingend auf gezogene Nutzungen zu erstrecken. Nutzungen im Sinne von § 73 Abs. 2 StGB sind solche des bürgerlichen Rechts nach §§ 99, 100 BGB (Lohse a.a.O. § 73 Rn. 45; Saliger a.a.O. § 73 Rn. 67; Joecks/Meißner a.a.O. § 73 Rn. 41), also aus dem Sachbesitz oder der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit gezogene Gebrauchsvorteile (vgl. Staudinger/Stieper (2021) BGB § 100 Rn. 2). Insoweit fehlen tragfähige Feststellungen insbesondere zur Nutzungsdauer. Ein weiterer durchgreifender Rechtsfehler besteht im Fall 2 darin, dass das Amtsgericht und ihm folgend das Landgericht im Rahmen der Einziehungsentscheidung im Fall 2 auch die betragsmäßig nicht bezifferten Rückholungskosten in Ansatz gebracht hat. Es versteht sich von selbst, dass der Angeklagte die dem Verkäufer entstandenen Rückholungskosten nicht für oder durch die Tat erlangt hat, die Voraussetzungen von § 73c StGB insoweit nicht vorliegen und diese Kosten damit auch nicht der Einziehung unterliegen. Der neue Tatrichter wird neue Feststellungen zum Wert der Nutzungen treffen.
23
c. Der Tenor der Einziehungsentscheidung war dahin gehend zu korrigieren, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen ausdrücklich auszusprechen ist.