Inhalt

FG München, Urteil v. 08.01.2025 – 4 K 24/22
Titel:

Berechnung des Verwaltungsvermögens im Rahmen der Verbundsvermögensaufstellung

Normenketten:
ErbStG § 13a Abs. 4, § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis Nr. 4
BewG § 97, § 151
Schlagwort:
Schenkungsteuer
Fundstellen:
UVR 2025, 140
EFG 2025, 386
ErbStB 2025, 153
StEd 2025, 69
ZEV 2025, 205
LSK 2025, 503
BeckRS 2025, 503

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

I.
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, wie (für Zwecke der Schenkungsteuer) die gemeinen Werte der Finanzmittel und die jungen Finanzmittel (im Sinne des § 13b Abs. 4 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes -ErbStG-) im Rahmen einer Anteilsübertragung zu bewerten sind.
2
Die Klägerin zu 1.) ist eine (mit Gesellschaftsvertrag vom 2.5.2017 errichtete) vermögensverwaltende Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG mit Sitz in A (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts A – AG A – unter HRA …, vgl. Handelsregisterauszug vom 20.2.2024). Die Gesellschafter der Klägerin zu 1.) sind einerseits als Komplementärin die C GmbH und andererseits als Kommanditisten die Klägerin zu 2.) (mit einer bezahlten Kommanditeinlage i.H. von 100,00 €) sowie die D GmbH (mit einer bezahlten Kommanditeinlage i.H. von 9.900,00 €). Die C GmbH ist nicht am Vermögen der Klägerin zu 1.) beteiligt. Mithin sind die Klägerin zu 2.) mit 1% und die D GmbH mit 99% am Vermögen der Klägerin zu 1.) beteiligt. Alleiniger Geschäftsführer der Klägerin zu 2.) sowie der C GmbH und der D GmbH ist der Kläger zu 4.). Die Klägerin zu 2.), eine GmbH, mit Sitz in A hat ein Stammkapital von 25.500 € (und ist eingetragen im Handelsregister des AG A unter HRB …, vgl. Handelsregisterauszug vom 20.2.2024).
3
Nachdem der Kläger zu 4.) (aufgrund Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 2.) vom 18.7.2017 sowie des Einbringungsvertrags mit der Klägerin zu 2.) vom 18.7.2017 zu Gunsten der Klägerin zu 2.) zunächst eine Einlage in Höhe von 30 Mio. € (Gutschrift auf dem Konto – ... – bei der X-Bank am 19.7.2017) geleistet hatte, erbrachte die Klägerin zu 2.) zu Gunsten der Klägerin zu 1.) eine Einlage in Höhe von 30 Mio. € (Gutschrift auf dem Konto – ... – bei der X-Bank am 21.7.2017, vgl. Kontoauszug der X-Bank vom 24.8.2017).
4
Diese Einlage der Klägerin zu 2.) in Höhe von 30 Mio. € wurde auf ein bei der Klägerin zu 1.) geführtes personengebundenes Rücklagenkonto II verbucht (vgl. Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 1.) vom 28.07.2017 und Einbringungsvertrag zwischen der Klägerin zu 1. und 2.) vom 24.7.2017).
5
Am 31.7.2017 führte die Klägerin zu 1.) folgende Kapitalkonten für die Klägerin zu 2.):

Kapitalkonto I

100,00 €

Personengebundenes Rücklagenkonto II

30.000.000,00 €

Verlustvortragskonto III

0,00 €

Darlehenskonto IV

0,00 €

6
Mit notariellem Schenkungs- und Abtretungsvertrag vom 31.7.2017 (UrkNr. …/2017 des Notars Y) übertrug der Kläger zu 4.) an seine drei Kinder, unter anderem an die Klägerin zu 3.), schenkweise jeweils 1/3 seiner Beteiligung an der Klägerin zu 2). Nach der o.g. Übertragung vom 31.7.2017 besaßen die Klägerin zu 3.) sowie deren zwei Geschwister (Herr A.B. und Herr C.D.) jeweils einen Geschäftsanteil (an der Klägerin zu 2.) i.H. von jeweils 8.500 €.
7
Ausgehend von der Aufforderung durch das (zu diesem Zeitpunkt zuständige) Finanzamt -FAA an die C GmbH (als geschäftsführende Komplementärin der Klägerin zu 1.), gemäß § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) eine Feststellungserklärung i.S. des § 151 BewG einzureichen, ging am 5.10.2018 eine entsprechende Feststellungserklärung ein, auf welche wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird.
8
Am 20.4.2020 erließ das FA A – bezogen auf den Bewertungsstichtag 31.7.2017 für Zwecke der Schenkungsteuer -einen -an die Kläger zu 1.) bis 4.) gerichteten, inhaltlich gleich lautenden, mit dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) versehenen – Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen (§ 97 BewG) nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG, die Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel, der jungen Finanzmittel, des Verwaltungsvermögens nach § 13 b Abs. 4 Nrn. 1-4 ErbStG, des jungen Verwaltungsvermögens und der Schulden (§ 13b Abs. 10 ErbStG), der Anzahl der Beschäftigten und der Ausgangslohnsumme nach § 13a Abs. 4 ErbStG; hierbei wurde der Wert des Anteils am Betriebsvermögen (§ 97 BewG) nach § 151 Abs. 1 Satz Nr. 2 BewG i.H. von 30.010.000 €, die Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel i.H. von 0 €, die Summe der gemeinen Werte der jungen Finanzmittel i.H. von 30.010.000 €, die Summe des Verwaltungsvermögens nach § 13 b Abs. 4 Nrn. 1-4 ErbStG i.H. von 0 € und die Summe der gemeinen Werte des jungen Verwaltungsvermögens i.H. von 0 € festgestellt.
9
Ausgehend vom Änderungsantrag der Kläger (im Schriftsatz vom 23.6.2020) erließ das FA M am 27.7.2020, am 11.9.2020 und am 8.10.2020 an die Kläger zu 1.) bis 4.) gerichtete, inhaltlich gleichlautende, nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide.
10
In den streitgegenständlichen Bescheiden vom 8.10.2020 traf das FA A u.a. folgende Feststellungen:

Wert des Anteils am Betriebsvermögen

30.000.100 €

Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel

30.000.100 €

Summe der gemeinen Werte der jungen Finanzmittel

30.000.100 €

Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens

0 €

Summe der gemeinen Werte des jungen Verwaltungsvermögens

0 €

11
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die streitgegenständlichen Bescheide vom 8.10.2020 samt Anlagen verwiesen.
12
Die Kläger legten gegen die Feststellungsbescheide vom 8.10.2020 (mit Schriftsatz vom 9.11.2020) Einsprüche ein, die sie wie folgt begründeten: Die Summen der Finanzmittel und der jungen Finanzmittel hätten nach der in § 13b Abs. 9 S. 2 ErbStG verankerten Verbundvermögensaufstellung im Hinblick auf die 1%ige Beteiligung der Klägerin zu 2.) (= Obergesellschaft) am Kommanditkapital (Festkapital) der Klägerin zu 1.) (= Untergesellschaft) richtigerweise jeweils mit 300.100 € statt mit 30.000.100 € festgestellt werden müssen. So hätten die ermittelten Summen der Finanzmittel und der jungen Finanzmittel jeweils entsprechend der quotalen (1%) und nicht entsprechend der wertmäßigen Beteiligung der Klägerin zu 2.) am Kommanditkapital der Klägerin zu 1.) festgestellt werden müssen.
13
Mit Einspruchsentscheidung vom 3.12.2021 wies das FA A die Einsprüche gegen den Feststellungsbescheid vom 8.10.2020 als unbegründet zurück. Das FA A vertrat hierbei im Wesentlichen die Auffassung, dass im Streitfall begünstigtes und nicht begünstigtes Vermögen unabhängig von der Wahl der Gesellschaftsstruktur wertmäßig zuzurechnen sei.
14
Hiergegen richtet sich die am 4.1.2022 bei Gericht eingegangene Klage, die im Wesentlichen wie folgt begründet wird: Der Gesetzeswortlaut des § 13b Abs. 9 Satz 1 ErbStG sei eindeutig. Die Auffassung der Finanzverwaltung sei ergebnisorientiert. Die Zurechnung von Verwaltungsvermögen bzw. Finanzmitteln auf Grundlage der Erbschaftsteuerrichtlinien (ErbStR) 2019 und der koordinierten Ländererlasse vom 11.02.2021 erfolge willkürlich und habe nichts mehr mit dem Gesetzeswortlaut von § 13b Abs. 9 ErbStG zu tun. Eine Zurechnung von Verwaltungsvermögen und Finanzmitteln bei Beteiligungen in einer Verbundvermögensaufstellung nach § 13b Abs. 9 S. 1 ErbStG sei allein nach der quotalen Beteiligung an der Personengesellschaft zu beurteilen.
15
Die Kläger beantragen,
Die Bescheide der Beklagten vom 08.10.2020 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Summen der gemeinen Werte der Finanzmittel, der jungen Finanzmittel, des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG und des jungen Verwaltungsvermögens und der Schulden nach § 13b Abs. 10 ErbStG jeweils für Zwecke der Schenkungsteuer auf den Bewertungsstichtag 31.07.2017, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.12.2021, werden in Bezug auf die festgesetzte Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel und der jungen Finanzmittel in Höhe von jeweils 30.000.100,00 € abgeändert und auf jeweils 300.100,00 € neu festgesetzt. Hilfsweise für den Fall der Klageabweisung wird beantragt, die Revision wird zugelassen.
16
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen und hilfsweise die Revision zu zulassen.
17
Das FA trägt zur Klageerwiderung ergänzend zur Einspruchsentscheidung im Wesentlichen sinngemäß Folgendes vor: Ein konkreter und mit § 97 Abs. 1a BewG vergleichbarer Aufteilungsmaßstab lasse sich zwar aus § 13b Abs. 9 Satz 1 ErbStG nicht ableiten. Jedoch ergebe sich aus den ErbStR ein Aufteilungsmaßstab. Auch verstoße der in der R E 13b.12 Abs. 4 Satz 2, R E 13b.23 Abs. 9 Satz 3 und 7, R E 13b.27 Satz 4 ErbStR enthaltene Aufteilungsmaßstab nicht gegen die Grenzen einer Auslegung des § 13b ErbStG. Unter Berücksichtigung der Regelungsabsicht der Norm – der Begünstigung des unternehmerischen Produktivvermögens unter Ausschluss des unmittelbar oder mittelbar vorhandenen, der Vermögensverwaltung zuzurechnenden Vermögens – sei die Aufteilung und Zurechnung nach dem Wert, entsprechend der wertmäßigen Berücksichtigung der Beteiligung, zutreffend. So werde eine Beteiligung an einer Tochtergesellschaft im Wert der übergeordneten Gesellschaft sowohl im vereinfachten Ertragswertverfahren als auch im Substanzwertverfahren mit ihrem gemeinen Wert berücksichtigt. Da die Beteiligung mit ihrem gemeinen Wert Gegenstand der Verschonung sei, müsse auch im Rahmen der Prüfung der Höhe des verschonungswürdigen Vermögens ihr Wert von Bedeutung sein.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten wird nach § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Behördenakten sowie die Gerichtsakte nebst Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 8.1.2024 Bezug genommen Durch Beschluss vom 19.11.2024 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 FGO).

Entscheidungsgründe

II.
19
Die zulässige Klage ist unbegründet und hat keinen Erfolg.
20
1.) Das FA Z ist Beklagter dieses Verfahrens.
21
Die Steuer-Zuständigkeitsverordnung für die bayerischen Finanzämter (ZustVSt) wurde zum 1.11.2023 angepasst. Hierbei wurde die bisherige Zuständigkeit des Finanzamts A für die gesonderten Feststellungen nach § 151 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 BewG, § 13a Absatz 4 und 9a und § 13b Absatz 10 ErbStG (§ 13a Absatz 1a und § 13b Absatz 2a ErbStG a.F.) an das FA Z übertragen. Für das streitgegenständliche Verfahren, für das bisher das FA A zuständig war, hat damit durch einen Organisationsakt ein Zuständigkeitswechsel stattgefunden, der zu einem gesetzlichen Beklagtenwechsel geführt hat. Ein solcher stellt weder eine Änderung des Streitgegenstandes noch eine Klageänderung dar. Der neue Beklagte rückt in das Verfahren ein, ohne dass entsprechende Erklärungen der Beteiligten erforderlich sind und ohne dass eine Klageänderung vorliegt (vgl. bspw. Urteile des Bundesfinanzhofs -BFHvom 11.4.2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl. II 2013, 1037 und vom 14.3.2024 V R 51/20, juris; BFH-Beschlüsse vom 20.12.2004 VI S 7/03, BFHE 209, 1, BStBl II 2005, 573 und vom 2.4.2014 I B 21/13, juris; Gräber/Herbert, FGO, 9. Auflage, § 63 Rn. 21).
22
2.) Die Klage ist zulässig, da fristgerecht erhoben (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO); so ist der gegen den Feststellungsbescheid vom 8.10.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.12.2021 gerichtete Klageschriftschatz am 4.1.2022 bei Gericht eingegangen.
23
3.) Die Klage ist jedoch unbegründet.
24
a) Die streitgegenständlichen Bescheide vom 8.10.2020 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Summen der gemeinen Werte der Finanzmittel, der jungen Finanzmittel, des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG und des jungen Verwaltungsvermögens und der Schulden nach § 13b Abs. 10 ErbStG jeweils für Zwecke der Schenkungsteuer auf den Bewertungsstichtag 31.07.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.12.2021 sind rechtmäßig und die Kläger werden hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
25
b) Der Beklagte hat nach Auffassung des Gerichts zu Recht in den streitgegenständlichen Bescheiden vom 8.10.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.12.2021 die Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel und der jungen Finanzmittel in Höhe von jeweils 30.000.100 € festgestellt; dies ergibt sich aus den nachfolgenden Erwägungen:
26
aa) Das für die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit örtlich zuständige Finanzamt im Sinne des § 152 Nr. 1 bis 3 BewG stellt u.a. die Summen der gemeinen Werte der Finanzmittel im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 ErbStG und der jungen Finanzmittel im Sinne des Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 gesondert fest, wenn und soweit diese Werte für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind (vgl. § 13b Abs. 10 Satz 1 ErbStG). Dies gilt entsprechend, wenn nur ein Anteil am Betriebsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 1 Nr. 2 übertragen wird (vgl. § 13b Abs. 10 Satz 2 ErbStG). Die Entscheidung, ob die Werte von Bedeutung sind, trifft das für die Festsetzung der Erbschaftsteuer oder für die Feststellung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 BewG zuständige Finanzamt. (vgl. § 13b Abs. 10 Satz 3 ErbStG).
27
bb) Nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gehören zum begünstigungsfähigen Vermögen inländisches Betriebsvermögen (§§ 95 bis 97 Abs. 1 Satz 1 BewG) u.a. beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs oder Teilbetriebs und einer Beteiligung an einer Gesellschaft im Sinne des § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 BewG.
28
cc) Nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 ErbStG gehören zum Verwaltungsvermögen der gemeine Wert des nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden verbleibenden Bestands an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen (Finanzmittel), soweit er 15 Prozent des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens des Betriebs oder der Gesellschaft übersteigt. Der gemeine Wert der Finanzmittel ist um den positiven Saldo der eingelegten und der entnommenen Finanzmittel zu verringern, welche dem Betrieb im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) weniger als zwei Jahre zuzurechnen waren (junge Finanzmittel); junge Finanzmittel sind Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 ErbStG). Voraussetzung für die Anwendung des Prozentsatzes von 15 Prozent nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 ErbStG ist, dass das nach Absatz 1 begünstigungsfähige Vermögen des Betriebs oder der nachgeordneten Gesellschaften nach seinem Hauptzweck einer Tätigkeit im Sinne des § 13 Absatz 1, des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, des § 18 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dient.
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dd) Gehören zum begünstigungsfähigen Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 1 Nrn. 2 und 3 unmittelbar oder mittelbar Beteiligungen an Personengesellschaften oder Beteiligungen an entsprechenden Gesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Ausland oder unmittelbar oder mittelbar Anteile an Kapitalgesellschaften oder Anteile an entsprechenden Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Ausland, sind bei der Anwendung der Absätze 2 bis 8 anstelle der Beteiligungen oder Anteile die gemeinen Werte der diesen Gesellschaften zuzurechnenden Vermögensgegenstände nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5 mit dem Anteil einzubeziehen, zu dem die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung besteht (§ 13b Abs. 9 Satz 1 ErbStG). Die unmittelbar oder mittelbar gehaltenen Finanzmittel, die Vermögensgegenstände des Verwaltungsvermögens im Sinne des Absatzes 4 Nummer 1 bis 4 sowie die Schulden sind jeweils zusammenzufassen (Verbundvermögensaufstellung); junge Finanzmittel und junges Verwaltungsvermögen sind gesondert aufzuführen (§ 13b Abs. 9 Satz 2 ErbStG).
30
ee) Ausgehend von den o.g. Grundsätzen gilt im Streitfall Folgendes:
31
(1) Da der Kläger zu 4.) mit notariellem Schenkungs- und Abtretungsvertrag vom 31.7.2017 (s.o.) an seine drei Kinder, unter anderem an die Klägerin zu 3.), schenkweise jeweils 1/3 seiner Beteiligung an der Klägerin zu 2). übertragen hatte, hatte die Klägerin durch den Erwerb eines Gesellschaftsanteils an der Klägerin zu 2). mittelbar auch einen Anteil an der Klägerin zu 1.) als Untergesellschaft erworben.
32
(2) Die Klägerin zu 1.) als Untergesellschaft war vermögensverwaltend (bzw. gewerblich geprägt) i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, da ausschließlich Kapitalgesellschaften persönlich haften und zur Geschäftsführung befugt sind (C GmbH).
33
(3) Mithin war der (mittelbare) Erwerb der Beteiligung an der Klägerin zu 1.) durch die Klägerin zu 3.) von § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG erfasst (vgl. § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 BewG).
34
(4) Damit waren zum Bewertungsstichtag 31.7.2017 (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) neben dem Wert des Anteils am Betriebsvermögen (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG) auch die gemeinen Werte der Finanzmittel im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 ErbStG und der jungen Finanzmittel im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 ErbStG gesondert festzustellen (vgl. § 13b Abs. 10 Sätze 1 und 2 ErbStG)
35
(5) Weil die Kläger zu 1.) bis 4.) am Feststellungsverfahren nach § 154 Abs. 1 Satz 1 BewG beteiligt waren, erfolgte zutreffender Weise nach § 154 Abs. 1 Satz 2 BewG i.V.m. § 179 Abs. 2 Satz 2 AO eine gesonderte und einheitliche Feststellung.
36
(6) Der Wert des Anteils (der Klägerin zu 2.) am Betriebsvermögen der Klägerin zu 1.) beträgt – zwischen den Beteiligten unstreitig – 30.000.100 € und setzt sich (nach § 97 Abs. 1a Nr. 1a BewG) aus dem Kapitalkonto der Klägerin zu 2.) zusammen (Kapitalkonto I/Kommanditeinlage i.H. von 100,00 € und personengebundenes Rücklagenkonto II i.H. von 30.000.000,00 €.
37
(7) Die gemeinen Werte der Finanzmittel im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 ErbStG und der jungen Finanzmittel im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 ErbStG betragen – wie im streitgegenständlichen Feststellungsbescheid festgestellt – jeweils 30.000.100 €; die im Rahmen der Verbundvermögensaufstellung (§ 13b Abs. 9 ErbStG) vorgenommene Berechnung ist nicht zu beanstanden.
- Der Gesetzeswortlauf des § 13b Abs. 9 Satz 1 ErbStG („mit dem Anteil einzubeziehen, zu dem die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung besteht“) ist nach Auffassung des Gerichts dahingehend auszulegen, dass das Verwaltungsvermögen (und damit auch die Finanzmittel i.S. des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG) aus dem Gesamthandsvermögen dem Gesellschafter nach dem Wert der Beteiligung des Gesellschafters am Gesamthandsvermögen zum gemeinen Wert des Gesamthandsvermögens (§ 97 Absatz 1a Nummer 1 BewG) der Gesellschaft zuzurechnen ist (vgl. auch die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 11.2.2021, BStBl I 2021, 355 sowie die Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 R E 13b.12 Abs. 4 Satz 2, R E 13b.23 Abs. 9 Satz 3 und 7, R E 13b.27 Satz 4 ErbStR; so wohl auch Stalleiken in: von Oertzen/Loose/Stalleiken, ErbStG, 3. Auflage 2024, § 13b ErbStG Rn. 252; Esskandari in: Stenger/Loose, BewG/ErbStG/GrStG, 171. Lieferung, 8/024, § 13b ErbStG Rn. 236 ff.). Wegen der konkreten Berechnung wird auf die entsprechenden Ausführungen in der streitgegenständlichen Einspruchsentscheidung verwiesen.
- Diese Auslegung ergibt sich aus dem Gesetzeszweck, wonach unter Ausschluss des unmittelbar oder mittelbar vorhandenen, der Vermögensverwaltung zuzurechnenden Vermögens nur Produktiv-Vermögen nach §§ 13a, 13b ErbStG verschont werden soll und Gestaltungen entsprechend der sog. „Cash-GmbH“ unterbunden werden sollten (vgl. BT-Drucks. 18/5923, Seite 17). Ferner war Ziel der Neuregelung des § 13b Abs. 9 ErbStG, jeden Unterschied zu vermeiden, ob der Erwerber einen Anteil unmittelbar oder mittelbar hält und auf welcher Beteiligungsebene sich ein jeweils anzusetzendes Wirtschaftsgut befindet (Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, 69. EL September 2024, § 13b ErbStG Rn. 408 m.w.N.). Daher erscheint es folgerichtig, dass für die Aufteilung des gemeinen Werts der Beteiligung an einer Personengesellschaft einerseits und der gemeinen Werte des (jungen) Verwaltungsvermögens, der (jungen) Finanzmittel und der Schulden andererseits jeweils der gleiche Aufteilungsmaßstab herangezogen wird. So hat das beklagte FA zu Recht auf Wertungswidersprüche (im Rahmen des 90%-Tests des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG; vgl. hierzu auch BFH-Urteil v. 13.9.2023 II R 49/21, BFHE 282, 313 BStBl II 2024, 566) hingewiesen bei unterschiedlicher (quotaler) Berechnung von Betriebs- und Verwaltungsvermögen (vgl. Schriftsätze vom 23.2.2022 und vom 23.4.2024).
- Den von den Klägern angeführten Argumenten (vgl. Schriftsätze vom 4.1.2022 und vom 14.3.2024), wonach im Rahmen der Berechnung des § 13b Abs. 9 ErbStG im Streitfall auf die 1%ige (kapitalmäßige) Beteiligung der Klägerin zu 2.) an der Klägerin zu 1.) abzustellen ist (vgl. hierzu Köninger ZEV 2017, 365, 368), vermag das Gericht mithin nicht zu folgen.
38
c) Sonstige Einwendungen gegen die streitgegenständlichen Bescheide vom 8.10.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.12.2021 sind von den Klägern nicht erhoben worden und für den erkennenden Senat auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Feststellung des Werts nach § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BewG nicht Gegenstand des Klageverfahrens. Insbesondere ist ein näheres Eingehen auf § 42 AO (vgl. hierzu Schriftsatz des beklagten FA vom 23.4.2024) nicht geboten.
39
4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
40
5.) Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2 FGO zugelassen, da die entschiedene Frage höchstrichterlich noch nicht geklärt ist und im Übrigen im Schrifttum umstritten ist (vgl. Reich DStR 2019, 145; Korezkij DStR 2021, 906; Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Auflage 2021, § 13b Rn. 102 ff).