Inhalt

VG München, Beschluss v. 17.03.2025 – M 30 K 25.769
Titel:

Verweisung, ordentlicher Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet

Normenketten:
GVG § 17a
EGGVG § 23 ff.
StPO § 171
StPO § 172
Schlagworte:
Verweisung, ordentlicher Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4943

Tenor

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Der Rechtsstreit wird an das Bayerische Oberste Landesgericht verwiesen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vorbehalten.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung zu einer Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft M. I.
2
Am 3. November 2024 stellte der Kläger „Strafanzeige wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Wider den Gedanken der Völkerverständigung“ bei der Polizeiinspektion … (T-R ), welche dort unter dem Aktenzeichen BY … geführt wurde.
3
Mit Verfügung vom 22. Januar 2025 sah die Staatsanwaltschaft M. I von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gem. § 152 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) ab. Begründet wurde diese Verfügung damit, dass ein Ermittlungsverfahren wegen verfolgbarer Straftaten nur dann einzuleiten sei, wenn hierfür zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorlägen. Diese müssten es nach den kriminalistischen Erfahrungen als möglich erscheinen lassen, dass eine verfolgbare Straftat vorliege, was jedoch in dem konkreten Sachverhalt nicht der Fall sei. Ein etwaiges strafbares Verhalten sei unter keinem Gesichtspunkt erkennbar. Der Inhalt der Einstellungsverfügung vom 22. Januar 2025 wurde dem Kläger mit Schreiben der Staatsanwaltschaft M. I vom 27. Januar 2025 mitgeteilt, wobei keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war.
4
Mit Schreiben vom 3. Februar 2025 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben.
5
Der Kläger beantragt,
1.
Bei Verfügungen der Staatsanwaltschaft M. I an den Kläger muss eine rechtsgültige Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt werden.
2.
Bei Verfügungen der Staatsanwaltschaft M. I muss, wenn es den Vorschriften entspricht, eine rechtsgültige Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt werden.
6
Zur Begründung der Klage führt der Kläger aus, er habe in der Vergangenheit bereits zum wiederholten Male Verfügungen der Staatsanwaltschaft M. I z.T. mit, z.T. ohne Rechtsbehelfsbelehrung bekommen. Er habe diese Vorgehensweise bereits bei der Generalstaatsanwaltschaft mit Beschwerden gerügt. Bezüglich des vorliegenden Sachverhalts sei dem Kläger bei einer persönlichen Vorsprache bei der Rechtspflegestelle beim Amtsgericht München mitgeteilt worden, dass die Nichtbeifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung zu der Verfügung vom 27. Januar 2025 fehlerhaft sei.
7
Mit Schreiben des Gerichts vom 12. Februar 2025 wurde den Beteiligten mitgeteilt, dass zur Beantwortung der Frage, ob eine Rechtsbehelfsbelehrungder Einstellungsverfügung der Staatanwaltschaft beizufügen ist, die Regelungen der StPO und der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) ausschlaggebend sind. Es wurde Gelegenheit gegeben bis zum 7. März 2025 zur fehlenden Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs Stellung zu nehmen. Eine Rückmeldung erfolgte weder von dem Kläger noch von dem Beklagten.
8
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte zu dem Verfahren M 30 K 25.769 Bezug genommen.
II.
9
Nach § 173 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ist die Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs festzustellen und der Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten an das zuständige Bayerische Oberste Landesgericht zu verweisen.
10
Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
11
Der Kläger wendet sich vorliegend im Kern gegen Maßnahmen der Staatsanwaltschaft M. I in Zusammenhang mit der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens. Eine diesbezügliche Aufsichtsbeschwerde, Dienstaufsichtsbeschwerde oder Gegenvorstellung, welche dem Petitionsrecht aus Art. 17 GG unterfallen, hat der Kläger nicht zum Streitgegenstand gemacht (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2021 – 5 C 21.1640 – juris).
12
Strafprozessuale Entscheidungen der Staatsanwaltschaft können jedoch nicht von den Verwaltungsgerichten geprüft werden (BVerwG, B.v. 16.12.1958 – BVerwG VII B 41/58 – NJW 1959, 448; VG Augsburg, B.v. 9.2.2009 – Au 5 E 09.135 – Juris; VG München, B.v. 22.8.2011 – M 17 K 11.2019 – beck-online). Über die Rechtmäßigkeit von Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten u.a. auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen werden, entscheiden auf Antrag die ordentlichen Gerichte, § 23 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG). Danach ist für Maßnahmen der Staatsanwaltschaft auf dem Gebiet der Strafrechtspflege, insbesondere auch für Prozesshandlungen der Staatsanwaltschaft, der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2015 – 5 C 15.2518 – juris; str.). Soweit die Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) spezielle Vorschriften enthalten, etwa in §§ 171 Abs. 1 Satz 2, 172 StPO in Bezug auf ein sog. Klageerzwingungsverfahren, gehen diese Regelungen den allgemeinen Vorschriften der §§ 23 ff. EGGVG vor, § 23 Abs. 3 EGGVG.
13
Es handelt sich vorliegend um einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG, da das Begehren des Klägers ausweislich des Wortlauts seiner Anträge nicht als Beschwerde des Verletzten im Rahmen eines Klageerzwingungsverfahrens gem. § 172 StPO verstanden werden kann.
14
Der Rechtsstreit war daher von Amts wegen an das zuständige Bayerische Oberste Landesgericht zu verweisen, da eine Verweisung an das Oberlandesgericht München gem. § 172 Abs. 4 StPO damit nicht in Betracht kommt.
15
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 12 Nr. 3 des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes (AGGVG) i.V.m § 25 Abs. 2 EGGVG, Art. 1 des Gesetzes über die Organisation der ordentlichen Gerichte im Freistaat Bayern (Gerichtsorganisationsgesetz – GerOrgG).
16
Es obliegt dem Bayerischen Obersten Landesgericht darüber zu entscheiden, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage vorliegen (vgl. BayObLG, B.v. 14.5.2024 – 203 VAs 106/24 – beck-online). Dies betrifft insbesondere auch die Frage der Statthaftigkeit eines Antrags nach § 23 EGGVG, da § 172 StPO grundsätzlich eine Möglichkeit bietet, gegen eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vorzugehen, der Kläger aber diesen Weg gerade nicht bestreitet (s.o.).
17
Die Entscheidung über die Kosten bleibt gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG der Schlussentscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vorbehalten.