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VG München, Urteil v. 20.02.2025 – M 27 K 23.4079
Titel:

Staatsangehörigkeitsrecht, Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises, Kostenentscheidung, Unzulässige Klage, Anforderungen an die Schriftform, Klageerhebung per einfacher E-Mail mit eingescannter Unterschrift, Ausdruck des elektronisch übermittelten Dokuments bei Gericht

Normenketten:
VwGO § 74
VwGO § 81
VwGO § 55a
StAG § 30
Schlagworte:
Staatsangehörigkeitsrecht, Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises, Kostenentscheidung, Unzulässige Klage, Anforderungen an die Schriftform, Klageerhebung per einfacher E-Mail mit eingescannter Unterschrift, Ausdruck des elektronisch übermittelten Dokuments bei Gericht
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4942

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Kostenentscheidung eines Bescheids, mit dem die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises abgelehnt worden ist.
2
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und im Besitz eines Personalausweises mit Gültigkeit bis zum … … … Der Kläger beantragte am … … … beim … … (Landratsamt) die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Mit Schreiben des Landratsamts vom … … … wurde er zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags angehört. Hierzu nahm der Kläger mit E-Mail vom 3. Juli 2023 Stellung.
3
Mit Bescheid vom 3. Juli 2023, laut Postzustellungsurkunde zugestellt am 8. Juli 2023, lehnte das Landratsamt den Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises vom … … … ab (Nr. 1), legte dem Kläger die Kosten des Verfahrens auf (Nr. 2) und setzte eine Gebühr in Höhe von 18,75 EUR sowie Auslagen in Höhe von 3,07 EUR fest. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, ein Staatsangehörigkeitsausweis werde grundsätzlich dann benötigt, wenn die deutsche Staatsangehörigkeit zweifelhaft sei oder ein urkundlicher Nachweis über deren Bestehen von einer deutschen oder ausländischen öffentlichen Stelle verlangt werde. Ansonsten werde die deutsche Staatsangehörigkeit in der Regel mit einem gültigen Personalausweis oder Reisepass glaubhaft gemacht, denn die Erteilung eines solchen Ausweisdokuments setze voraus, dass das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit nachgewiesen ist. Für den Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit sei es somit ausreichend, wenn der Kläger gültige Ausweisdokumente beantrage. Da das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit im Fall des Klägers offensichtlich von niemanden angezweifelt werde, sei die Antragstellung missbräuchlich und dem Antrag würde ein fehlendes Sachbescheidungsinteresse entgegenstehen. Die Kostenentscheidung beruhe auf § 38 Abs. 1 StAG i.V.m. § 3a Nr. 2 StAGebV i.V.m. § 15 Abs. 2 VwKostG.
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Mit Schreiben vom 28. Juli 2023 wandte sich der Kläger zunächst an das Landratsamt und bat im Fall der Nichtaufhebung der Nr. 2 des Bescheids vom 3. Juli 2023, „das Rechtsmittel an das Bayerische Verwaltungsgericht München zur Fristwahrung weiterzuleiten“. Mit E-Mail vom 1. August 2023 wies das Landratsamt auf die in der Rechtsbehelfsbelehrungdes Bescheids aufgeführten Formerfordernisse für Rechtsbehelfe hin und teilte mit, dass eine Weiterleitung des Schreibens an das Gericht nicht erfolge.
5
Der Kläger hat am 2. August 2023 per einfacher E-Mail einen Scan einer unterschriebenen Klageschrift übermittelt. Nach Hinweis auf die Formunwirksamkeit durch gerichtliche E-Mail vom 16. August 2023 hat er am 17. August 2023 per Telefax Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und sinngemäß beantragt,
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Ziff. 2 des Bescheids vom 3. Juli 2023 aufzuheben.
7
Zur Begründung wird mit Schriftsätzen vom 3. August, 16. August sowie 20. Oktober 2023 im Wesentlichen vorgetragen, die Kostenauferlegung sei zumindest unbillig. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Bestehens seiner deutschen Staatsangehörigkeit. Sein Reisepass und Personalausweis würden keinen Beweis darstellen. Außerdem weist der Kläger auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs hin, in dem dieser ausdrücklich festgelegt habe, dass die vom Kläger verwendete Einreichungsform – der Anhang eines im Original unterschiebenen Schriftstückes an eine E-Mail – dann ein „eingereichtes Schriftstück“ sei, sobald dieses im Gericht ausgedruckt ist. Ausdrücklich auf diese Entscheidung hinweisend und ohne rechtliche Notwendigkeit reiche er den Klageschriftsatz nochmals per Telefax ein.
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Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23. August 2023 die Behördenakten in elektronischer Form vorgelegt und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
10
Zur Begründung wird auf die Behördenakten und den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.
11
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten hierauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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1. Die Klage ist bereits unzulässig, da sie nicht fristgemäß erhoben worden ist.
15
1.1 Die Versagungsgegenklage muss innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden (§ 74 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, Abs. 2 VwGO). Die Klage ist innerhalb der Klagefrist bei dem Gericht schriftlich zu erheben (§ 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Fehlende Schriftlichkeit der Klage führt zu deren Unzulässigkeit. Die Möglichkeit, den Mangel zu heilen, besteht nur während des Laufs der Klagefrist (vgl. Hoppe in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 81 Rn. 16).
16
Das Schriftformerfordernis soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muss feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, B.v. 30.4.1979 – GmS-OGB 1/78 – juris Rn. 31). Eine einfache E-Mail wahrt die Schriftform nicht, da sie nicht handschriftlich unterzeichnet ist (vgl. OVG Hamburg, B.v. 15.7.2024 – 5 So 50/24 – juris Rn. 8 m.w.N.).
17
Auch die Übermittlung einer prozessualen Erklärung in einer an eine einfache E-Mail angehängten Datei wahrt die Schriftform nicht, auch wenn diese eine eingescannte Unterschrift enthält. Zwar geht der Bundesgerichtshof im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 130 Nr. 6, 130a ZPO davon aus, dass eine im Original eigenhändig unterzeichnetes Schriftstück, das eingescannt und im Anhang einer elektronischen Nachricht als PDF-Datei übermittelt wird, dann in schriftlicher Form bei Gericht eingereicht ist, sobald bei dem Gericht ein Ausdruck der den vollständigen Schriftsatz enthaltenden PDF-Datei vorliegt (vgl. BGH, B.v. 4.2.2020 – X ZB 11/18 – juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 – XII ZB 8/19 -juris Rn. 12). Dem ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren und das Formerfordernis des § 81 VwGO jedoch nicht zu folgen.
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§ 81 Abs. 1 VwGO regelt, in welcher Form eine Klage erhoben werden kann. Eine elektronische Übermittlung ist zwar zulässig, allerdings nur, wenn die Anforderungen des § 55a Abs. 2 bis 6 VwGO eingehalten werden. Gemäß § 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO muss ein elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Sichere Übermittlungswege sind nur die in § 55a Abs. 4 Satz 1 VwGO Genannten. Die einfache E-Mail gehört nicht dazu. Diese Regelungen gelten allgemein und unabhängig davon, ob einer E-Mail ein Scan einer unterzeichneten Klageschrift beigefügt wird. Denn wenn ein Absender zur Übermittlung einer Prozesserklärung oder eines verfahrensbestimmenden Schriftsatzes als prozessualen Weg die elektronische Übermittlung eines Dokuments wählt, sind für die Beurteilung der Formrichtigkeit allein die hierfür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen maßgebend. § 55a VwGO ist seinem Sinn und Zweck nach als abschließende Regelung aller Fallgestaltungen elektronischer Kommunikation anzusehen und sieht ausdrücklich vor, dass elektronisch übermittelte Dokumente – wozu auch Scans gehören – nur bei Einhaltung besonderer Sicherheitsanforderungen einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen. Für eine Rechtsfortbildung, wie sie mit dem Ziel der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes durch die – den Begriff der Schriftform erweiternde – Rechtsprechung zum Telefax und Computerfax erfolgt ist, besteht wegen der mittlerweile geschaffenen gesetzlichen Regelungen weder ein Bedürfnis noch Raum. Den besonderen Risiken der digitalen Form im Hinblick auf die Veränderbarkeit und die Urheberschaft von Dokumenten, denen der Gesetzgeber begegnen will, kann ein Ausdruck nicht in gleicher Weise Rechnung tragen, wie eine Signatur (vgl. OVG Hamburg, B.v. 15.7.2024 – 5 So 50/24 – juris Rn. 8 f. m.w.N.; VG Gera, B.v. 12.9.2018 – 2 E 1480/18 Ge – juris Rn. 6; Hoppe in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 81 Rn. 11a; BSG, U.v. 12.10.2016 – B 4 AS 1/16 R – juris Rn. 16 ff. zur gleichlautenden Vorschrift des § 65a SGG).
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Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zudem im Hinblick auf eine erhebliche Rechtsunsicherheit entgegenzuhalten, dass es für einen bestimmenden Schriftsatz nicht darauf ankommen kann, wie sich das Gericht bei Eingang einer Klage per einfacher E-Mail verhält, insbesondere, ob es eine E-Mail ausdruckt und zu den Akten nimmt oder das betreffenden Gericht die Prozessakten – wie ab dem 1. Januar 2026 zwingend (§ 55b Abs. 1a VwGO) – bereits elektronisch führt und ein Ausdruck daher nicht mehr erfolgt (vgl. VG Gera, B.v. 12.9.2018 – 2 E 1480/18 Ge – juris Rn. 6; Hoppe in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 81 Rn. 11a; Ulrich in: Schoch/Schneider, VwGO, 46. EL August 2024, § 55a Rn. 28). Bei einer Übermittlung per Telefax hat der Empfänger hingegen keinen Einfluss auf den Ausdruck und somit die Verschriftlichung des übermittelten Dokuments, da ein solcher nach Übermittlung auf Veranlassung des Absenders regelmäßig erfolgt (vgl. zum Telefax und Computerfax: Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, B.v. 5.4.2000 – GmS-OGB 1/98 – juris Rn. 12 ff., 15 ff.; zum „Funkfax“: BVerwG, B.v. 30.3.2006 – 8 B 8/06 – juris). Vom Formerfordernis des § 55a VwGO kann auch nicht ausnahmsweise abgesehen werden, selbst wenn sich aus einer E-Mail oder begleitenden Umständen die Urheberschaft und der Wille, das elektronische Dokument in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergibt (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.2012 – 8 C 18/11 – juris Rn. 17).
20
Zweifel an der Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrungim streitgegenständlichen Bescheid bestehen nicht, sodass die Klagefrist vorliegend nach § 58 Abs. 1, § 74 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, Abs. 2 VwGO nach ordnungsgemäßer Ersatzzustellung des streitgegenständlichen Bescheids am 8. Juli 2023 (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VwZVG i.V.m. § 180 Satz 1 und 2 ZPO) am 9. Juli 2023 um 0:00 Uhr zu laufen begann und am Dienstag, den 8. August 2023, um 24:00 Uhr endete (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).
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Das Schriftformerfordernis wird durch die Übermittlung der Klageschrift per einfacher E-Mail am 2. August 2023, die die Voraussetzungen des § 55a VwGO nicht erfüllt, mithin auch nicht dadurch gewahrt, dass der E-Mail eine unterzeichnete und eingescannte Klageschrift angefügt war, die das Gericht zu einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt ausgedruckt und zur Akte genommen hat. Auf die Unwirksamkeit des von ihm gewählten Übermittlungsweges ist der Kläger auch in der dem streitgegenständlichen Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung und nochmals mit E-Mail des Landratsamtes vom 1. August 2023 hingewiesen worden. Die Übermittlung der Klageschrift am 2. August 2023 führt somit nicht zu einer fristwahrenden Klageerhebung.
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Auch das mit E-Mail vom 28. Juli 2023 übermittelte Schreiben des Klägers an das Landratsamt mit eingescannter Unterschrift und der „Einlegung eines Rechtsmittels“ sowie der Bitte, bei Nichtaufhebung der Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids das „Rechtsmittel“ an das Bayerische Verwaltungsgericht München zur Fristwahrung weiterzuleiten, wahrt die Klagefrist – ungeachtet der fehlenden Schriftlichkeit – schon deshalb nicht, da dieses Schreiben nicht an das Gericht gerichtet war und auch nicht unmittelbar an das Gericht übermittelt worden ist. Das Landratsamt war zu einer Weiterleitung nicht verpflichtet und hat den Kläger mit E-Mail vom 1. August 2023 hierauf sowie die in der Rechtsbehelfsbelehrungaufgeführten Formerfordernisse hingewiesen. Dem Schriftformerfordernis entsprochen hat demnach erst die Einreichung der Klage per Telefax am 17. August 2023, was allerdings nicht mehr innerhalb der Monatsfrist geschehen ist.
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1.2 Dem Kläger ist – ungeachtet des Erfordernisses eines entsprechenden Antrags – auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Kläger hat insofern jedenfalls keine Tatsachen i.S.v. § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO glaubhaft gemacht, warum er i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO ohne Verschulden verhindert war, die Klagefrist durch formgerechte Klageerhebung einzuhalten. Die rechtlichen Ausführungen zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Schriftsatz vom 16. August 2023 stellen insofern keine „Tatsachen“ dar. Zudem hat die Rechtsbehelfsbelehrungzutreffender Weise darauf hingewiesen, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs per einfacher E-Mail nicht zugelassen ist und keine rechtlichen Wirkungen entfaltet. Auf die in der Rechtsbehelfsbelehrungaufgeführten Formerfordernisse wurde der Kläger mit E-Mail des Landratsamtes vom 1. August 2023 nochmals hingewiesen.
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2. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.